Protokoll der Sitzung vom 02.09.2015

(Beifall von der FDP)

Solche Fehlschläge kann sich Nordrhein-Westfalen nicht mehr leisten. Wer „mega“ sagt, muss auch megaviel leisten. Dieser Appell geht an die Ministerpräsidentin.

Das damals vorstellte Sammelsurium an vorwiegend althergebrachten Konzepten von gestern oder Kleinkram bringt uns offenkundig nicht weiter. Das lässt sich unter anderem am Digitalindex der Initiative D21 ablesen. Die Digitalisierung gehört endlich in den Mittelpunkt der politischen Arbeit. Das darf man dann bitte auch im Landtag so sehen. Dem Thema sollte endlich der Stellenwert gegeben werden, den es verdient.

Wir sagen einerseits, dass es ein Megathema ist, andererseits behandeln wir es aber parlamentarisch noch immer, als ob es bloß ein Anhang von anderen Themen sei. Deshalb ist unsere Forderung ein Digitalausschuss in diesem Parlament. Damit hätten wir dann eine zentrale Plattform für digitale Politik. Das Thema wäre dann nicht mehr Querschnittsthema, das in anderen Ausschüssen mit behandelt wird, sondern Zentralthema, das das Fundament für die anderen Politikbereiche legt.

Aber auch von der Landesregierung brauchen wir endlich mehr digitale Impulse. Nordrhein-Westfalen braucht eine digitale Offensive. Dazu müssen wir uns von Althergebrachtem lösen. Das beginnt bei der Bildung. Wenn sich unsere Jugend in einer vollständig vernetzten Gesellschaft behaupten und einbringen soll, wenn ihr wirklich die Welt offenstehen soll, wenn sie Wachstum und Wohlstand in unserem Land erleben und mitgestalten soll, dann müssen digitales Lehren und digitales Lernen zu Kernbestandteilen unseres Bildungssystems werden. Wenn die jungen Menschen dann die Schule verlassen, in Ausbildung oder Studium gehen und vielleicht viele tolle Ideen haben, dann müssen sie die besten Rahmenbedingungen vorfinden, um „ihr Ding zu machen“, wie man so schön sagt.

Da sind wir bei der Gründungskultur. Auch hier fehlt es an „megaguten“ Konzepten der Landesregierung. Die Gründerdynamik zu erhöhen, ist aber ein wichtiger Teil auch einer kohärenten Digitalisierungsstrategie. Die Politik muss mehr anzubieten haben als Mangelverwaltung, Klein-Klein und die Pflege von Beharrungskräften. Da muss man, wie gesagt, ganz oben anfangen.

(Minister Garrelt Duin betritt den Plenarsaal.)

Professor Dr. Henning Kagermann, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften, weist zu Recht darauf hin, dass die Digitalisierung ein neues Innovationsparadigma erfordert. Aber

mehr als das! Sie erfordert ein Politikparadigma. Das muss auch endlich der Anspruch der Ministerpräsidentin sein: Megastark, Frau Kraft, waren Sie bislang jedenfalls nicht.

(Beifall von der FDP)

Mit unserem Antrag wollen wir der dringend notwendigen Digitalisierungsoffensive einen Impuls liefern. Ich freue mich daher auf die Beratungen – leider noch nicht in einem eigenständigen Digitalausschuss.

Eine Anmerkung noch: Ich freue mich, dass der Wirtschaftsminister zum Ende meiner Rede den Weg in den Plenarsaal gefunden hat. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hafke. – Für die SPD-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Vogt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne! Herzlichen Glückwunsch! Die FDP hat als letzte der in unserem Landtag vertretenen Parteien das Thema „Digitalisierung“ entdeckt, aber immerhin, ein Dreivierteljahr nach der Regierungserklärung der Ministerpräsidentin, in der sie das Thema ausführlich behandelt hat.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Vieles, was in Ihrem Antrag steht, Herr Hafke, war zu erwarten. Sie bedienen sich Inhalten, die in der Regierungserklärung bereits vorgekommen sind. Einiges ist inhaltlich, nun ja, zumindest dürftig.

Schauen wir uns Ihren Antrag an!

(Christof Rasche [FDP]: Schauen Sie sich den Pressespiegel an!)

Sie hatten die D21-Studie erwähnt und versuchen damit, NRW schlechtzureden. Dabei picken Sie sich einige Zahlen heraus; den Rest der Studie scheint die FDP nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Das ist durchaus ärgerlich.

Hätte sich die FDP anstatt auf Zahlenspiele darauf konzentriert, die gesamte Studie zu lesen, hätte sie vielleicht den Hauch einer Ahnung bekommen, welche gesellschaftliche Dimension das Thema „Digitalisierung“ hat. Sie hätte lernen können, dass die Nutzung der neuen Medien eben nicht nur durch die Verfügbarkeit von Breitbandanschlüssen erreicht werden kann.

Gesellschaftliche Faktoren sind enorm wichtig. Es gibt ein drastisches Bildungs- und Einkommensgefälle. So ist die Internetnutzung bei Personen mit einem Monatseinkommen unter 1.000 € wesentlich

geringer als bei Personen mit einem Monatseinkommen über 3.000 €.

Ebenso eindeutig sind die Unterschiede nach Bildung. Menschen mit einem Hauptschulabschluss schneiden in der Studie mit einem Indexwert von rund 60 Punkten ab, Abiturienten mit 90 Punkten. Die Studie zeigt also: Das Vorhandensein eines Internetanschlusses reicht nicht aus.

Geringe formale Bildung, geringes Einkommen und höheres Alter – das sind die Kriterien, nach denen Sie abstecken können, wer digital abgehängt wird. Das alles verschweigen Sie in Ihrem Antrag.

Meine Damen und Herren, nicht nur, dass die FDP die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Digitalisierung verkennt, auch beim Thema „Infrastrukturausbau“ kommt in dem Antrag wenig Neues. Dass Nordrhein-Westfalen beim Breitbandausbau das führende Flächenland ist, verschweigen Sie. Herr Minister Duin und auch Herr Kollege Schmeltzer haben diesen Umstand hier mehrfach erklärt.

Zum nächsten Punkt: freies WLAN. Laut Ihrem Antrag wollen Sie öffentliche WLAN-Zugänge voranbringen. Um diesem Ansinnen mehr Nachdruck zu verleihen, bedienen Sie sich der Komik; denn Sie schreiben – ich zitiere –:

„Die Landesregierung muss zur Speerspitze eines landesweiten offenen WLAN-Netzes werden.“

Diese wunderliche Wandlung soll die Landesregierung vollziehen, indem sie dafür sorgt, dass sämtliche Einrichtungen und Liegenschaften in der Zuständigkeit des Landes bis 2015 offene WLANZugänge eingerichtet haben.

Die FDP hat neun Monate gebraucht, um auf die Regierungserklärung zu reagieren. Das Land soll hingegen innerhalb von drei Monaten alle Einrichtungen und Liegenschaften mit offenem WLAN ausstatten.

Jetzt aber mal im Ernst, Herr Hafke: In der letzten Plenarsitzung kurz vor der Sommerpause haben wir einen Antrag zum Thema „freies WLAN“ beraten. Darin stand, dass der Zugang zu Landesgebäuden und Liegenschaften für den Betrieb von Freifunk ermöglicht wird, dass es eine Informationskampagne für die Kommunen zum Thema „Freifunk“ geben soll und dass es eine finanzielle Unterstützung für den Betrieb der Freifunkinfrastruktur gibt. All das haben wir im Juni mit SPD, Grünen und Piraten bei Enthaltung der CDU beschlossen. Eine einzige Partei hat gegen die Förderung von Freifunk gestimmt, nämlich Ihre Partei. Sie haben dagegen gestimmt, und nun haben Sie genau die gleichen Punkte in Ihren Antrag geschrieben.

(Beifall von der SPD und Matthi Bolte [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, im Bildungsbereich ist es ähnlich. Sie wollen elektronische Tafeln, ein offenes

WLAN und zentrale Onlinebildungsplattformen. Sie setzen rein auf Technik, ohne die gesellschaftliche Dimension zu erkennen.

Ich könnte damit fortfahren und darüber reden, dass die FDP den Bereich Industrie 4.0 in ihrem Antrag schlichtweg vergessen hat, dass sie nicht sieht, dass die Landesregierung schon eine Vielzahl an Maßnahmen ergriffen hat, und dass das Land mit Prof. Kollmann einen Beauftragten für die Digitale Wirtschaft eingesetzt hat.

(Marcel Hafke [FDP]: Habe ich doch gesagt!)

Das haben Sie gesagt. Das schreiben Sie aber nicht in Ihrem Antrag; das verschweigen Sie.

Ich glaube, ich habe deutlich genug gemacht, dass vieles, was die FDP in ihrem Antrag schreibt, unausgegoren ist. Oft hängt sie dem aktuellen Diskussionsstand meilenweit hinterher.

Die letzte Forderung des Antrags ist die nach der Einrichtung eines Digitalisierungsausschusses.

Nach Lektüre dieses Antrags möchte ich mir gar nicht ausmalen, …

Die Redezeit.

… wie der Beitrag der FDP in einem solchen Ausschuss wäre. Abgesehen davon ist das Querschnittsthema „Digitalisierung“ in den unterschiedlichen Ausschüssen gut aufgehoben. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Vogt. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Wüst.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauer! Herr Vogt, durch den Antrag hätten Sie die Gelegenheit gehabt, auf die großen Erfolge der Landesregierung im Bereich der Digitalisierung hinzuweisen, wenn es sie denn gäbe.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Weil es die nicht gibt, haben Sie angefangen, die Opposition und die Antragsteller von der FDP zu beschimpfen und den Antrag zu zerpflücken. Das wirft ein Licht darauf, dass Sie selber offensichtlich feststellen, dass nach der Regierungserklärung von Frau Kraft, deren Kommentierung ja nicht nur positiv war, um es einmal vorsichtig auszudrücken, nicht mehr viel passiert ist.

(Martin-Sebastian Abel [GRÜNE]: Jetzt wird es aber wüst!)

Oh. – Ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie bei nächster Gelegenheit auf Erfolge in der Sache verweisen.

(Vereinzelt Beifall von der FDP)

Die allermeisten Punkte des FDP-Antrags werden in den Ausschussberatungen unsere Unterstützung finden. Beim Thema „Vorratsdatenspeicherung“ ist Herr Vogt näher an der FDP als wir. Da könnt ihr euch dann einig werden.