Protokoll der Sitzung vom 02.12.2015

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Kollege, würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schmitz zulassen?

Ich bin gespannt, denn Fragen müssen sich ja auf das beziehen, was man gesagt hat.

Also würden Sie die Frage zulassen?

Bitte schön, Herr Kollege Schmitz.

Ich bin dankbar, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich weiß aber auch nicht, was das Gespiele jetzt soll. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass ich Ihren Antrag gerade in unserem Gespräch gelesen habe und wir darüber beraten, was wir davon halten? Darf ich das Ihres Erachtens hier im Plenum nicht? Sie wollen ja nicht so oberlehrerhaft sein.

Bitte schön, Herr Kollege.

Ich will die Frage gerne beantworten. Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie einen Antrag von uns jetzt gerade lesen, über den Sie aber vor fünf Minuten gesprochen haben. Seltsam, Herr Schmitz, seltsam, kann ich nur sagen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Dieses Kasper- letheater!)

Die Frage ist: Reicht das aus oder kann man mehr machen? Ich sage sehr deutlich: Wir wünschen uns mehr. Wir wünschen uns ganz ausdrücklich ein bilaterales Abkommen, so wie es zum Beispiel mit den Niederlanden gelungen ist. Dort haben wir eine niederländisch-deutsche Kommission für die grenznahen kerntechnischen Einrichtungen, die längst diese Themen Sicherheit und Strahlenschutz die Zusammenarbeit bei kerntechnischen Fragen miteinander bearbeitet.

Aber das Tragische, das wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen, ist, dass es eben keine einheitliche europäische Energiepolitik gibt, mit der wir den nationalen Energiemix in irgendeiner Form bestimmen können. Sie müssen nicht nur nach Belgien gucken. Gucken Sie sich an, was im Augenblick zum Beispiel in Großbritannien passiert.

Herr Kollege!

Die feiern sich in Paris damit, einen Kohleausstieg zu organisieren. Gleichzeitig erklärt die konservative Tory-Regierung, dass sie noch einmal groß in die Kerntechnologie einsteigt und neue Reaktoren aufbaut.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist überschritten.

An diese Thematik müssen wir herangehen, wenn wir diese Themen ernsthaft diskutieren wollen. Anders kommen wir nicht vorwärts. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege van den Berg. – Für die Fraktion der Grünen spricht Herr Kollege Markert.

Lieber Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf den Bänken! Lieber Herr Schmitz, das war ja ganz großes Kino. Einen so großen Antiatomkraftbewegten wie Sie hat dieses Haus ja ganz selten erlebt.

(Zuruf von Hendrik Schmitz [CDU])

Ich beglückwünsche Sie zu dieser sehr späten Erkenntnis. Allerdings sind die großen Schlachten in Gorleben und anderswo geschlagen worden, als Sie wahrscheinlich noch gar nicht auf der Welt waren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- rufe von der CDU)

Herr Schmitz, Sie hören schon wieder nicht zu. Sie sollten einfach mal lernen, zuzuhören. Dann können Sie hier wenigstens demnächst auch substanzvolle Anträge stellen.

Herr Schmitz, Sie haben hier vorhin eingefordert, dass wir in der Atomkraftbewertung der Schrottreaktoren in Tihange und Doel zu einer gemeinsamen Linie finden. Ich wäre auch im Prinzip, bevor ich Ihren Redebeitrag gehört hatte, dafür immer noch offen gewesen.

Allerdings will ich Ihnen sagen, was in Ihrem Antrag das große Problem ist. Sie fordern darin, dass die Schrottreaktoren abgeschaltet werden sollen. Ja, um Himmels Willen, die waren in den letzten Jahren immer wieder abgeschaltet! Das Problem ist, dass sie immer wieder angefahren worden sind. Deswegen muss man sie eben endgültig abschalten.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dazu sollten Sie bereit sein. Es sollte nicht nur immer abgeschaltet, eingeschaltet und wieder abgeschaltet werden, damit Sie ab und zu mal in Ihrer ach so großen Fraktion eine Rede halten dürfen.

(Heiterkeit und Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Meine Damen und Herren, worum geht es in der Sache? Vor wenigen Tagen hat die Belgische Föderale Nukleare Aufsichtsbehörde AFCN dem Betreiber Electrabel das Hochfahren besagter AKWBlöcke Doel 3 bei Antwerpen und Tihange 2 in der Nähe von Liège – 60 km westlich von Aachen – wiederum genehmigt.

Aufgrund von Tausenden von Rissen waren diese Reaktoren im März 2014 – übrigens zu einem Zeitpunkt, als die Landesregierung schon in langen Verhandlungen mit Belgien über diese Reaktoren war – erneut abgeschaltet worden. Nunmehr vertritt die belgische Nuklearaufsichtsbehörde die Auffassung, diese Risse seien keine Gefahr für die Sicherheit der Reaktoren, und sie unterstützt das Wiederanfahren. Selbst Atomkraftbefürworter halten das für unverantwortlich. Sie haben das ja eben noch einmal zur Schau getragen, Herr Schmitz.

Die Argumentation der AFCN überzeugt in keiner Weise. Meine Kollegin Schmitt-Promny und ich sind da schon seit einigen Tagen unterwegs. Die Kollegin Schmitt-Promny kommt ja aus der Dreiländerregion. Wir bemühen uns auch gemäß der AarhusKonvention, da Akteneinsicht zu bekommen, um diese Argumentation überhaupt nachvollziehen zu können. Man hört dieser Tage im Radio, das Ganze würde wieder angefahren, um den auch in Belgien längst beschlossenen Atomausstieg zu ermöglichen. Das versteht draußen überhaupt keiner mehr! Man fährt einen Schrottreaktor wieder an, damit man ihn irgendwann einmal wieder abstellen kann!

Oder was? Das versteht kein Mensch. Deswegen werden wir dem auch weiter nachgehen.

Wir fordern aber – da gibt es bei uns Grünen eben nirgendwo etwas zu zweifeln – die belgische Regierung auf, das Wiederanfahren von Tihange 2 und Doel 3 nicht zuzulassen und diese Atomkraftwerke endgültig stillzulegen. Ich betone „endgültig“, Herr Schmitz. Das sollten Sie in Ihre zukünftigen Anträge auch mit aufnehmen.

Wir teilen insofern die berechtigte Sorge vieler Menschen in Belgien, in den Niederlanden und in Deutschland vor einer atomaren Katastrophe und unterstützen die vielfältigen atomkritischen Aktivitäten. Übrigens setzt sich ich diese Landesregierung, die wir tragen, schon seit Jahren dafür ein, ein gemeinsames Katastrophenschutzkonzept mit den belgischen Nachbarn zu ermöglichen.

Wir bekräftigen – dazu lade ich auch Sie, Herr Schmitz, ein – unsere seit langem vertretene Forderung nach der sofortigen und endgültigen Abschaltung der beiden Schrottreaktoren in Tihange und Doel als Teil eines vollständigen europäischen Ausstiegs aus der atomaren Stromerzeugung und der gesamten nuklearen Brennstoffkette. Sie sind nicht glaubwürdig, wenn Sie das nur von Ihren Nachbarn fordern, die im Moment auch mit sehr vielen anderen Problemen zu kämpfen haben. Vielmehr sind Sie glaubwürdig, wenn Sie ganz konsequent auch hier bei uns einfordern, dass in ganz Europa die gesamte nukleare Brennstoffkette endgültig beendet wird.

Herr Schmitz, nehmen Sie das – wenn Sie wieder einmal einen Klassenausflug nach Berlin machen – vielleicht auch zu der ach so großen Kanzlerin mit. Bitten Sie die Bundesregierung, sich doch auch einmal wie diese Landesregierung bei der belgischen Nationalregierung dafür einzusetzen, dass diese Reaktoren abgeschaltet werden. Werfen Sie doch nicht der Landesregierung, die zusammen mit den Kollegen aus Rheinland-Pfalz schon seit Langem darüber verhandelt, das vor, was Ihre eigene, von Ihnen getragene Bundesregierung nicht auf die Kette kriegt. Dann sind Sie auch glaubwürdig, und dann können Sie sich im Grunde genommen auch hier hinstellen und noch einmal lautstark den Atomprotest anstimmen, der eigentlich in diesem Land mit dem beschlossenen Atomausstieg beendet worden ist.

Würden Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Haardt zulassen?

Von Herrn Haardt immer sehr gerne.

Bitte schön.

Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass es Fraktionen in diesem Hause gibt, die unter der Formulierung „vollständige Abschaltung“ auch die vollständige und endgültige Abschaltung verstehen und es – weil sie eben nicht so dialektisch formulieren wie andere und weil es für sie klar ist – nicht notwendig haben, zu der Formulierung „vollständige Abschaltung“ noch ein „endgültig“ hinzuzusetzen?

(Beifall von der CDU)

Herr Kollege, bitte schön.

Also lieber Kollege Haardt, Dialektik meint ja im historischpolitischen Zusammenhang etwas völlig anderes. Bei einer Diskussion darüber können wir ja mal ein Glas Wein trinken. Aber Sie haben doch den Nagel auf den Kopf getroffen, Herr Haardt. Sie hätten Ihrem Kollegen Schmitz mit seinem jugendlichen Eifer vielleicht einfach erklären müssen, dass das Wort „endgültig“ mit hineingeschrieben werden muss, damit Sie nicht spekulieren müssen.

Sie können das jetzt aber heilen, indem Sie unserem Antrag einfach zustimmen. Er ist nämlich klar formuliert. Er ist in der Sache und auch von der Zielsetzung klar: nicht nur in Belgien aussteigen, sondern überall. Denn eine Technik, die nicht beherrschbar ist, ist politisch auch nicht verantwortbar. Das haben wir hier schon immer gesagt, und dabei bleibt es auch. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Kollege Markert. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Brockes.

(Zuruf von Minister Johannes Remmel: Bro- ckes sagt: Et is noch immer jut jegangen!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestern hat die belgische Regierung mitgeteilt, dass die Reaktoren 1 und 2 des Atomkraftwerkes Doel nicht in diesem Jahr stillgelegt werden, sondern dass deren Laufzeit um zehn Jahre verlängert werden soll. Über den AKWStresstest haben wir schon einiges gehört. Die Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden hat im Juni mitgeteilt, dass von den über 350 Maßnahmen bereits Großteile umgesetzt wurden oder vor der Vollendung stehen, wie zum Beispiel der Hochwasserschutz. Das ist aber längst noch nicht bei allem der Fall.

Angesichts der vielen Meldungen zu Pannen und Zwischenfällen, zu Tausenden von Haarrissen in Reaktoraußenhüllen kann ich gut nachvollziehen,

dass vielen Menschen in der Grenzregion zu Belgien ein ungutes Gefühl beschleicht, meine Damen und Herren. Deshalb werden wir als Liberale dem Antrag der CDU auch zustimmen.

Meine Damen und Herren, es ist überfällig, dass wir gerade auch in den Grenzbereichen Katastrophenschutzkonzepte erstellen, die diesseits und jenseits der Grenze gelten. Es ist überfällig, dass grenzüberschreitende Übungen durchgeführt werden.