Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Care-Arbeit ist im Kontext dieser Debatte der zeitgenössische Begriff für die familiäre Fürsorge, die Erziehungsleistung für die eigenen Kinder, die Pflege älterer Angehöriger, die Hausarbeit, die Fürsorge in der Nachbarschaft und das ehrenamtliche Engagement, beispielsweise im Sportverein oder sonst wo.

Diese zwar unentgeltlichen, jedoch unentbehrlichen Tätigkeiten werden nach wie vor mehrheitlich von Frauen wahrgenommen. Sie verweisen in Ihrem Antrag auf die bahnbrechende Erkenntnis im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, die allen Ernstes nicht müde wird, festzustellen, dass Frauen der familiären Fürsorge 87 Minuten mehr am Tag widmen als Männer.

Dafür Wissenschaftler zu bemühen, ist schon an sich eine Farce. Obwohl seit Jahren gleichstellungspolitische Maßnahmen bemüht werden, und obwohl wir mittlerweile von Kindesbeinen an gelehrt bekommen, dass tradierte Rollen nicht nur von gestern, sondern auch Ausdruck heteronormativer Herrschaftsstrukturen sind, ändert sich das Verhalten von Frauen und Männern in Bezug auf die familiäre Fürsorge kaum. Frauen kümmern sich weiterhin gerne um ihre Familien. Die meisten Frauen möchten das auch. Welche Frau wird Mutter und möchte keine Zeit für ihre Kinder haben? Das ist doch völliger Quatsch.

Selbst wenn diese Aufgaben absolut gleichrangig zwischen den Geschlechtern verteilt wären, hätten beide, Männer wie Frauen, mit den im Antrag richtigerweise genannten Nachteilen zu kämpfen.

Es ist richtig: Die Familienarbeit, die Pflege innerhalb der Familie und das ehrenamtliche Engagement werden viel zu wenig wertgeschätzt. Die Kräfte, die das heute bemängeln, haben aber ganz maßgeblich mit dazu beigetragen, dass die Wertschätzung für Mütter, Hausfrauen usw. aus dem öffentlichen Fokus verschwunden ist.

Rollen, die dieser Realität Rechnung trugen, sind aus dem Fernsehen, aus der Werbung, aus Kinderhörspielen etc. fast gänzlich verschwunden. Als sexistische Rollenklischees verschrien wurden diese häufig liebenswerten Figuren von der Mattscheibe verbannt. Gedichte und Geschenke zum Muttertag, die als Danksagung für die aufopferungsvolle Leistung der Mutter früher regelmäßig in Kindergarten und Schule vorbereitet wurden, werden heute belächelt oder gar nicht mehr angeleitet.

Selbstverständlich ist auch uns klar, dass der Muttertag nur einen symbolischen Wert hat und in der Tat

Dinge auf den Weg gebracht werden müssen, die es den Menschen, völlig unabhängig davon, ob es Männer oder Frauen sind, erleichtern, die Fürsorge einerseits und die Erwerbsarbeit andererseits unter einen Hut zu bekommen. Natürlich ist es ein Missstand, dass diese Arbeit, die einen gesamtgesellschaftlichen Wert hat, zu einer Schlechterstellung in der Rente führt. Und es ist nicht richtig, dass man mit seiner Erschöpfung als Pflegende alleine da steht.

Wir glauben allerdings nicht, dass wir weitere Berichte über die Beschreibung der Ist-Situation brauchen. Der Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat als Erkenntnisse Binsen geliefert, die eh jeder weiß. Mehr davon? – Nein danke.

Wenn Frauen nach wie vor einen Löwenanteil der Sorgearbeit leisten, müssen die Rahmenbedingungen dahingehend geändert werden, dass es keine Nachteile mit sich bringt. Unsere Rentenversicherung als umlagefinanziertes System ging von der falschen Prämisse aus: Kinder kriegen die Leute immer. – Wer heute Kinder bekommt und seinen Beitrag für das Umlagesystem leistet, wird allerdings im Durchschnitt deutlich weniger Rente beziehen als die kinderlosen Einzahler. Ist das gerecht?

Wenn jemand Kinder hat und dafür sorgt, dass sie gedeihen, und somit auch den Generationenvertrag erfüllt, muss sich das auch deutlich in den Rentenansprüchen widerspiegeln. Die AfD hat die Doppelbelastung junger Eltern von Beginn an im Blick gehabt. Deshalb fordern wir auch das Elterngehalt für die ersten drei Lebensjahre. Gerade in dieser Zeit ist die Betreuung der Kleinen und die Bindung an die Eltern besonders intensiv. So würde den Eltern auch aus ihrer finanziellen Not und ihrer Erschöpfung geholfen.

Das Kompetenzzentrum „Frau und Beruf“, das seine Arbeit in der Anhörung zu diesem Antrag vorstellen konnte, leistet in der Tat einen wichtigen Beitrag. Unternehmen für eine familienfreundliche Personalpolitik zu gewinnen, ist ein guter Ansatz. Stand heute müssen Unternehmen für die Erlangung dieses Zertifikats Geld bezahlen.

Wenn Unternehmer ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen und Frauen nach einer Familienzeit die Rückkehr in den Beruf erleichtern, jungen Eltern Teilzeitausbildung ermöglichen oder flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, dann sollten diese Unternehmen auch ein Benefit haben und nicht noch zusätzlich Geld bezahlen müssen, so wie das heute ist. Das wäre doch mal ein Signal, beispielsweise über einen Freibetrag bei Abgaben oder Sonstiges.

Währenddessen träumen die Grünen allen Ernstes von einem konjunkturankurbelnden Effekt, wenn Frauen sich als Haushälterinnen selbstständig machen. Das ist absurd. Die Eltern gehen Vollzeit arbeiten und leiden unter der Doppelbelastung von Familie und Beruf. Von dem erarbeiteten Geld wird dann

die Putzfrau bezahlt, damit die wenige Freizeit der Familie gewidmet werden kann. Am Ende erledigt wieder eine Frau diese haushaltsnahe Dienstleistung, meist mit einem deutlich geringeren Einkommen. Ihr fehlt auch die Zeit für den eigenen Haushalt und die eigene Familie. Die Auslagerung der Hausarbeit in einen weiteren prekären Dienstleistungssektor ist als Lösungsansatz absurd.

Lassen Sie doch einen Elternteil weniger arbeiten. Dann bleibt mehr Zeit für die Hausarbeit, für die Kinder, für die eigenen Eltern, für das Ehrenamt. Und finden wir doch endlich Lösungen, die genau dieses Erfolgsmodell wieder möglich machen. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht Minister Dr. Stamp.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Anfang des Jahres führt uns die Coronapandemie noch einmal deutlicher vor Augen, von welch unersetzlichem Wert Care-Arbeit für unsere Gesellschaft ist, die Fürsorge für andere Menschen in allen Bereichen, ob bezahlt oder unbezahlt.

Insgesamt betrachtet wird Care-Arbeit in Deutschland trotz zunehmender Frauenerwerbstätigkeit immer noch vor allem von Frauen geleistet. Für private, unbezahlte Sorgearbeit wenden Frauen um die Hälfte mehr Zeit auf als Männer. Uns als Landesregierung ist es daher sehr wichtig, eine partnerschaftliche Aufteilung von Care- und Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern zu ermöglichen. Wir fördern deshalb die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und für Väter.

Die angehörten Sachverständigen haben deutlich gemacht, dass es beim Thema „Vereinbarkeit“ noch Unterstützungsbedarf bei nordrhein-westfälischen Unternehmen gibt. Genau an dieser Stelle haben wir bereits angesetzt, zum Beispiel mit unserer 2018 entwickelten Initiative „Chancen durch Vereinbarkeit“ oder mit dem Unternehmensprojekt „Ihr Erfolg hat viele Väter!“, bei dem es um eine partnerschaftliche Aufteilung von Erziehungs- und Familienarbeit geht.

Die Anhörung der Sachverständigen hat gezeigt, dass wir dabei auch die Pflege in den Blick nehmen müssen. Die Landesregierung unterstützt deshalb bereits Familien und pflegende Angehörige bei der Bewältigung der Herausforderungen ihrer Sorgearbeit in vielfältiger Weise. Dabei verfolgen wir einen gleichberechtigten Ansatz. Wir sehen auch genau dorthin, wo besonderer Unterstützungsbedarf gefragt ist, zum Beispiel bei Alleinerziehenden.

Mit rund 21 Millionen Euro jährlich fördern wir etwa Familienberatungsstellen, die Hilfestellungen rund

um das Thema „Familien“ anbieten. Damit halten wir in Nordrhein-Westfalen ein flächendeckendes und bedarfsgerechtes Angebot vor. Die Familienberatungsstellen bieten auch alleinerziehenden Müttern und Vätern Unterstützung in allen Fragen der Erziehung, bei der Gestaltung des Alltags und in besonderen Problemlagen.

Wir wissen, meine Damen und Herren, dass Alleinerziehende dieses Angebot auch nutzen. Jährlich sind rund 21.000 der abgeschlossenen Fälle Beratungen von Alleinerziehenden. Sie machen damit ein Fünftel der Beratungen aus.

Vor besonderen Herausforderungen stehen auch pflegende Angehörige. Hier für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen, ist ein wichtiges Anliegen der Landesregierung. Dazu gehören Unterstützungsangebote für pflegebedürftige Menschen und ihre pflegenden Angehörigen im Alltag. In Nordrhein-Westfalen steht eine Vielzahl solcher Unterstützungsleistungen zur Verfügung, die wir zusammen mit unseren Partnern im Land kontinuierlich weiterentwickeln.

Die vielen Angebote und Leistungen für Familien und pflegende Angehörige wollen wir auf landesweiten Online-Portalen bündeln. Die Digitalisierung aller Verwaltungsleistungen von Land und Kommunen treibt die Landesregierung deshalb mit Nachdruck voran. Damit schaffen wir einen nachhaltigen Zeit- und Komfortgewinn für Familien in allen Lebenslagen – eine wichtige Aufgabe. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Ich habe keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ausschuss für Gleichstellung und Frauen empfiehlt in Drucksache 17/11680, den Antrag abzulehnen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag Drucksache 17/8765 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Langguth. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/8765 wie festgestellt abgelehnt.

Ich rufe auf:

9 Schluss mit der Existenzvernichtung auf Ver

dacht! Lockdowns und Sperrstunden in der Gastronomie beenden!

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/11663

Ich eröffne die Aussprache. – Für die AfD spricht Herr Tritschler.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht erinnern Sie sich mit mir an die Plenarsitzung vom 18. September. Da ging es zuletzt um die Gastronomie. Mein Kölner Kollege Kehrl von der CDU stand hier und brachte seine Version des Bläck-FöössKlassikers „En unserem Veedel“ zum Vortrag. Das war dann aber auch schon das Gehaltvollste, was CDU und FDP zum Thema beizutragen hatten. Ansonsten haben sie den Gastronomen, die den ersten Shutdown überstanden und in Hygienemaßnahmen erheblich investiert haben, empfohlen, sie sollten auch noch in Heizpilze und Luftfilteranlagen investieren.

Nun zitiere ich mal mich selbst aus derselben Debatte:

„Für den kleinen Kneipen- und Gasthausbesitzer ist so etwas keine Option. Er müsste massiv investieren und weiß überhaupt nicht, ob seine Investition morgen noch etwas wert ist. Schließlich ändern sich die Coronaerlasse der Ministerien … häufiger als der Wetterbericht.“

Siehe da: Gut einen Monat später passiert genau das. Die Gastronomen müssen schließen. Alle Mühen waren für die Katz. CDU und FDP haben sie hängen lassen, weil Mutti das nun einmal so will.

Die spannende Frage: Warum eigentlich? Auf welcher Grundlage wird die Existenz so vieler Menschen im Land gefährdet oder gar vernichtet?

Ja, die Coronafallzahlen sind angestiegen. Ich will hier gar nicht die Debatte darüber eröffnen, was das heißt, wie gefährlich es ist und wer schuld daran hat – auch wenn all das sehr berechtigte Fragen sind.

(Henning Höne [FDP]: Herr Tritschler, Sie ha- ben hier doch schon mal gesagt, die Pande- mie sei bereits vorbei!)

Hören Sie doch mal zu, Herr Kollege Höne.

Es geht hier um die Gastronomie und darum, welche Rolle sie im Infektionsgeschehen spielt. Dazu haben wir Ihnen schon ein paar Zahlen in den Antrag geschrieben.

Trotzdem will ich an dieser Stelle noch eine Quelle ergänzen: eine Studie quasi aus dem Vatikan der deutschen Lockdown-Gläubigen, direkt vom Robert Koch-Institut.

Dieses hat nämlich ermittelt, wo die meisten Ansteckungen stattfinden. Die wichtigsten Orte nenne ich hier einmal: Wohnstätten – also Privathaushalte, JVAs, Asylbewerberheime etc. – 63,6 %, medizinische Einrichtungen 8,6 %, Arbeitsplatz 5,2 %, Freizeitbereich 3,1 %, Hotels, Herbergen etc. 2,5 %,

Betreuungseinrichtungen 2,2 % und erst dann die Gaststätten mit 0,5 %. In 13,5 % der Fälle konnte nicht ermittelt werden, wo es stattgefunden hat.

0,5 %, also 1 von 200 Ansteckungen, findet nach dieser Studie in der Gastronomie statt. Das ist Ihre Grundlage dafür, die komplette Gastronomie dichtzumachen. Das ist die Grundlage für Existenzgefährdung und Existenzvernichtung in diesem bisher ungekannten Ausmaß.

Jetzt werden Sie gleich sagen, Sie könnten soundsoviel Prozent der Ansteckungen nicht nachverfolgen. Wie viel Prozent genau – da war sich in der letzten Sitzung nicht einmal die CDU so richtig einig.

Meine Damen und Herren von der Regierung, da müssen Sie sich nach acht Monaten aber schon einmal fragen lassen, warum Sie immer noch nicht wissen, warum die Nachverfolgung nicht klappt.

Noch viel wichtiger: Sie müssen sich fragen lassen, warum Sie auf Grundlage von Nichtwissen eine ganze Branche mit einem quasi Berufsverbot belegen.