Das begann mit der Pflege, deren Wunsch es war, eine Pflegekammer zu haben. Diesbezüglich haben Sie, liebe SPD, im Ausschuss ja schon nach einem Ausstiegsszenario gefragt.
Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass medizinische Fachkräfte kurzfristig hinzugewonnen werden können.
Wir haben unsere Wertschätzung gegenüber der einjährigen Pflegeausbildung, der sogenannten Pflegeassistenz, gezeigt und diese massiv hochgefahren. Die NRW-Koalition hat auch dafür gesorgt, dass diese einjährige Ausbildung entsprechend vergütet wird. Sie haben sie immer verteufelt. Jetzt sehen wir aber, wie gut es ist, dass wir so schnell zusätzliches qualifiziertes Personal bekommen können.
Auch haben wir ein Freiwilligenregister auf die Beine gestellt. Damit werden qualifizierte Menschen angesprochen, die aus familiären Gründen oder warum auch immer zurzeit nicht in einem medizinischen Beruf arbeiten. Bereits 11.000 Menschen haben sich gemeldet, die auch für die Krankenhäuser zur Verfügung stehen.
Diese Zahlen zeigen, dass wir vor allem in den letzten Wochen Tausende motivieren konnten. Jetzt haben wir mit einer Verordnung die Rahmenbedingungen für einen Einsatz abgesichert.
Ich habe mich schon vom ersten Tag an bereit erklärt, in dem Krankenhaus in meiner Heimatstadt zu helfen, wenn es eng wird.
Die Zahl der schweren Fälle, bei denen eine Behandlung im Krankenhaus oder gar eine intensivmedizinische Versorgung nötig ist, steigt derzeit; das ist unzweifelhaft. Wir sollten aber auch genau hinschauen, wo diese Fälle herkommen.
Die Rate der Neuinfektionen nimmt gerade bei Menschen über 80 deutlich zu; viele Neuaufnahmen sind pflegebedürftige Menschen. Wir müssen endlich realisieren, dass schwere Infektionen und Todesfälle vor allem in den Pflegeheimen entstehen. Wir werden unsere Anstrengungen zum Schutz dieser Hochrisikogruppe noch weiter intensivieren. Nach der Notbremse in Form des Lockdowns muss dies zum entscheidenden Aspekt einer langfristigen Strategie werden.
Schnelltests zum Schutz der Risikogruppen verstärken. Dazu ist insbesondere ein regelmäßiges, am besten tägliches Screening aller Beschäftigten in stationären Einrichtungen und bei den ambulanten Diensten anzustreben. Zusätzlich zu Tests von Besuchskontakten und bei Neuaufnahmen sowie mehr FFP2-Masken kann so der Schutz deutlich verbessert werden.
Leider versucht die SPD mit dieser Aktuellen Stunde, das Horrorszenario überfüllter Intensivstationen zu zeichnen. Auch wenn die Situation angespannt ist, hatten wir Stand gestern in NRW bei 706 COVID-19Patienten in High-Care-Stationen mit Beatmung noch 634 freie Betten. Viele Patienten lassen sich aber auch auf aufgerüsteten Intermediate-Care-Stationen behandeln.
Wir haben außerdem gelernt, dass es oft sinnvoller ist, mit einer maschinellen Beatmung so lange wie möglich abzuwarten. Wir stehen also sicher nicht vor dem von Ihnen beschriebenen Kollaps.
Im Hinblick darauf, dass die SPD die Verteilung intensivpflichtiger Patienten thematisiert, sollten wir auch überlegen, auf welcher Ebene die besten Optionen bestehen. Das Land ist mit dem Erlass zu einheitlichen Ansprechpartnern und dem Konzept überregionaler Verlegungstransporte bereits aktiv geworden.
Wir bräuchten aber eigentlich einen bundesweiten Mechanismus zur Verteilung der Patienten, damit die bisher weniger belasteten Regionen im Norden denen helfen können, die momentan besonders hart getroffen sind. Widerstände gegen eine Regelung auf Bundesebene müssen wir überwinden. Liebe Kollegen von der SPD, Sie sind ja Teil der Bundesregierung. Vielleicht können Sie da ein bisschen helfen.
Auch bei der Finanzierung ist der Bund stärker gefordert. Die aktuelle Beschränkung der Freihaltepauschalen auf die höheren Notfallstufen schließt viele regionale und damit ländliche Krankenhäuser aus. Damit würde nur ein Drittel der Kliniken eine finanzielle Entschädigung erhalten. So wird der Kampf gegen COVID-19 zu einem unkalkulierbaren wirtschaftlichen Risiko. Wir brauchen aber eine am medizinischen Bedarf orientierte Finanzierung.
Noch ein Gedanke, weil mit diesem Antrag ja etwas Unsicherheit und Panik geschürt werden: Unsere Krankenhäuser sind sicher und behandeln jeden, der krank dorthin kommt. Die Menschen sollten dorthin gehen. Ich erlebe immer mehr, dass sich Patienten nicht trauen, in ein Krankenhaus oder zu ihrem Hausarzt zu gehen, weil sie sich unsicher fühlen. Die Krankenhäuser sind sicher. Die Arztpraxen sind sicher. Ich bitte alle Menschen, ihre Vorsorgeuntersuchungen wahrzunehmen.
Nun gehe ich noch auf das Lob von Herrn Mostofizadeh ein. Sie sagten, ich hätte mich letztens im Ausschuss gegen einen Böllerverbot ausgesprochen. Ich halte dieses Böllerverbot für absoluten Blödsinn, weil es dazu führen wird, dass die Leute sich irgendwo illegale Böller besorgen, über irgendeine Grenze fahren oder gar selbst etwas basteln.
Außerdem hat die FDP auch die Arbeitsplätze, die dahinter stehen, im Blick. Einer der größten Feuerwerkshersteller, die Firma Weco, hat bereits gestern um Hilfe geschrien. Wir wollen diese Arbeitsplätze nicht an die Wand fahren.
Wenn sich aber alle Länder einig sind, dann ist die FDP immer kompromiss- und gesprächsbereit. Wir haben also beschlossen, dass wir für alle eine einheitliche Lösung brauchen. Glücklich bin ich damit definitiv nicht. Nun werden wir sehen, was passiert. – Ich danke Ihnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Klar ist: Wer mit einer solchen Panikmache wie heute in der von der SPD beantragten Aktuellen Stunde oder wie von Herrn Lauterbach in den letzten Wochen versucht, sich selbst in den politischen Fokus zu rücken, handelt gegenüber der Bevölkerung völlig verantwortungslos.
Heute Morgen habe ich schon ausgeführt, dass es absolut schädlich ist, wenn man Menschen einredet, unsere Krankenhäuser seien in der aktuellen Situation völlig überlastet, dass man sich dort nicht mehr behandeln lassen könne oder es langsam gefährlich werde. All das hat schon jetzt wissenschaftlich nachweisbare negative Folgen für die Bevölkerung. Zu dem, der da weitermacht, gäbe es sehr deutliche Worte von Franz Josef Strauß. Diese wären aber wohl unparlamentarisch.
Der Chef von Fresenius, Stephan Sturm, dem nun einmal eine der größten Klinikgruppen in der Bundesrepublik gehört, hat noch einmal betont, dass der reine Blick auf die Intensivbetten absolut falsch ist, weil man damit nicht durch die Krise kommt.
Klar ist aber auch, dass man nicht wegdiskutieren kann, dass auf unseren Intensivstationen einiges im Argen liegt – allerdings nicht erst seit gestern, seit diesem Monat oder seit diesem Jahr, sondern seit Jahren.
Seit Jahren ist bekannt, dass es zum Beispiel für die Intensivpflege zu wenig Nachwuchs gibt. Schon das „Pflege-Thermometer 2009“ hat dazu sehr schön
Daten hervorgehoben und klare Warnsignale gezeigt, dass schon 2009 etwas schieflief: zum Beispiel die damals schon hohe Arbeitsbelastung, die geleisteten Überstunden, eine Gratifikationskrise und infolgedessen auch das niedrige Durchschnittsalter der Intensivpflegenden, das ein Indikator dafür ist, dass kaum jemand bis zur Rente durchhält.
Seit Jahren befinden sich unsere Intensivstationen insbesondere in den Wintermonaten am Limit; dazu hat es bislang gar kein Coronavirus dieser Art gebraucht. Dazu findet sich mediale Berichterstattung aus den letzten Jahren zur Genüge. So mussten wegen der Grippewelle auch im Winter 2017 bundesweit Menschen abgewiesen und elektive Eingriffe verschoben werden. Anscheinend war das Marketing in Bezug auf die Grippe nicht so gut.
Kommt dann noch eine Erkrankung on top, können Sie sich in etwa vorstellen, was auf den Stationen passiert, die schon in einem ganz normalen Jahr völlig überfordert sind und über das Jahr hinweg mit einer Normalauslastung von 80 % laufen – im Sommer natürlich weniger, im Winter immer ein bisschen mehr.
Wenn dann Pflegepersonal selbst zum Beispiel wegen einer Coronaerkrankung ausfällt, wegen der Infektiosität der Patienten oder der relativ langen Liegezeiten von Coronapatienten noch zusätzliche Probleme hinzukommen, wissen Sie in etwa, was am Ende dabei herauskommt.
Das sind die Zahlenspielereien, die auch Frau Kapteinat gerade gemacht hat, die sagte: Wir haben nur noch 800 freie Betten für 18 Millionen Personen. – Im internationalen Vergleich gibt es in der Bundesrepublik eine immer noch höhere Sieben-Tage-Notfallreserve, als beispielsweise Frankreich überhaupt hat. Das ist also überhaupt kein Grund zur Panikmache.
Wir haben es aber mit seit Jahren strukturell alleingelassenem und abgekämpftem Personal zu tun, sodass es nicht reicht, einfach nur neue Beatmungsgeräte zu kaufen, wie es in diesem Jahr passiert ist. Intensivmediziner und Intensivpfleger kann man nicht einfach mit einem Fingerschnipp herbeizaubern. Die Politik hat es viel zu lange versäumt, vernünftige Notfallreserven und auch vernünftige Notfallpersonalreserven aufzubauen und über die Jahre hinweg vorzuhalten.
Es ist vor allen Dingen absolut unverständlich, weshalb gerade die Zahl der Intensivbetten über das Jahr hinweg eher noch abgenommen hat. Im September hatten wir 30.800 Betten, aktuell sind es bundesweit noch 27.000 Betten. Ein Gegensteuern habe ich nicht gesehen.
Ein wichtiger Punkt ist auch die Koordination; das wurde schon angesprochen. Im Kreis Kleve beispielsweise gab es 40 % freie Betten mit Stand vom 13. Dezember 2020. Im Kreis Warendorf gab es 37 %
freie Betten. Im Landkreis Olpe gab es 57 % freie Betten. Von einer Überlastung kann also überhaupt nicht die Rede sein, was an anderen Stellen natürlich anders aussieht. Es gibt vor allen Dingen ein Verteilungsproblem und kein Überlastungsproblem.
Ich möchte noch einen ganz anderen zentralen Punkt ansprechen, der sich ein bisschen verliert, wenn wir hier nur über die Intensivbetten sprechen. Als ich noch im Krankenhaus tätig war, waren mir immer die Betten am liebsten, die unter einer Plastikfolie leer standen, die ich in der Hinterhand hatte, falls noch jemand als Notfall eingeliefert würde.
Die klassische Krankenhausrochade, die jeder kennt, der sich in der Intensivmedizin oder in der Notaufnahme umgetan hat – ich verlege den Patienten mit der Hüfte, kann dafür vielleicht den Patienten mit der Grippe nehmen, den schweren Verkehrsunfall vielleicht in ein anderes Krankenhaus verlegen, wofür ich den Patienten mit der Endokarditis nehme –, erleben wir jeden Winter in den Krankenhäusern. Sie stellt für alle dort Beschäftigten eine absolute nervliche Extrembelastung dar.
Hilfe in den letzten Jahren vor der Coronaviruspandemie habe ich von Ihrer Stelle aber nicht gesehen. Vielleicht können wir bei all dem, was ich Ihnen heute Morgen schon vorgeworfen habe, und bei dem strukturellen Versagen diese Pandemie zumindest zum Anlass nehmen, einen Schritt zurückzutreten und darüber nachzudenken, was schon in den letzten Jahren falsch gelaufen ist, um über die Krise gemeinsam zumindest zu einer zukünftig besseren Lösung zu finden. – Vielen Dank.
Danke schön, Herr Dr. Vincentz. – Jetzt spricht für die Landesregierung der Gesundheitsminister, Herr Laumann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Zu dem Antrag der SPD nehme ich sehr gerne Stellung.
Die Lage in den Krankenhäusern ist ernst. Die verfügbare Intensivkapazität nimmt ab. Um die Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern – darüber haben wir heute Morgen schon ein paar Stunden lang diskutiert –, hat die Politik in Deutschland wohl den größten Lockdown beschlossen, den es in der Geschichte unseres Landes je gegeben hat.
Es bringt aber auch nichts, wenn man Angst und Schrecken verbreitet. Trotz einer starken Belastung der Krankenhäuser sind wir – ich zitiere den Intensivmediziner Herrn Professor Gernot Marx der
Universitätsklinik Aachen – von einer Triage noch sehr, sehr weit entfernt. Wir müssen nicht entscheiden, wer die lebensnotwendige Beatmung bekommt und wer nicht.
Ich möchte an dieser Stelle ganz klar sagen: Wir sollten auch nicht anfangen, den Leuten irgendeinen Anlass zu geben, zu denken, wir stünden vor einer solchen Frage.
Den Menschen gehen dann doch sofort die Bilder aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden oder den USA durch den Kopf. Ich sage ganz klar: Das deutsche und auch das nordrhein-westfälische Gesundheitssystem sind mit diesen Bildern nicht zu vergleichen.
Unsere Krankenhäuser sind gut vorbereitet, um die Herausforderungen der Coronapandemie zu bewältigen. Ich will ganz klar sagen: Ich danke unseren Krankenhäusern, den Ärzten, den Pflegekräften, aber auch den Geschäftsführungen für alles, was sie täglich geben, um die kranken Menschen in der Pandemie zu versorgen – im Übrigen nicht nur die durch das Coronavirus erkrankten Menschen, sondern auch die vielen anderen. Unser Krankenhaussystem in Nordrhein-Westfalen wurde in den letzten Monaten auf die Pandemielage hin ausgerichtet.
Im Text des Antrags auf diese Aktuelle Stunde lese ich von einer Politik des Zögerns und Zauderns. Das hat mich schon ein bisschen geärgert. Wir haben die Zeit zwischen der ersten und der jetzigen Welle sehr stark genutzt, um unsere Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen wesentlich robuster gegen die Pandemie aufzustellen.
Fakt ist nun einmal, dass wir heute in NordrheinWestfalen rund 30 % mehr Intensivplätze mit Beatmungsmöglichkeit haben als in der ersten Welle. Dafür sind gewaltige Anstrengungen sowohl vom Land Nordrhein-Westfalen als auch vom Bund als auch von den Krankenhäusern selbst geleistet worden.