Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Golland das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Satz von Herrn Bolte, den Rechtsstaat „zum größten Hacker“ zu machen, zeigt das Staatsverständnis, das viele Grüne offenbar immer noch haben. Dieser Aussage zeigt Ihr krudes Staatsverständnis unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und Gesetzgebung und führt sich selbst ad absurdum.
Das als Vorbemerkung zu Ihren Ausführungen. Es beginnt so, wie es beim letzten Mal geendet hat, zum Glück diesmal unter einer anderen Landesregierung.
Mit dem vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen soll im Ergebnis verhindert werden, dass die Landesregierung eine Rechtsgrundlage für den Einsatz von Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchungen in Nordrhein-Westfalen schafft. Außerdem
sollen entsprechende Rechtsgrundlagen auf Bundesebene beseitigt werden. Dazu ist Folgendes zu sagen:
Erstens. Landesgesetzliche Grundlagen werden regelmäßig nicht, wie es im Antrag der Grünen fälschlicherweise heißt, von der Landesregierung geschaffen, sondern vom Landesgesetzgeber, also vom Landtag. Insofern ist der vorliegende Antrag schon an den falschen Empfänger adressiert.
Zweitens. Wenn sich die Grünen zumindest der Mühe unterzogen hätten, den Koalitionsvertrag der Mehrheitsfraktionen von CDU und FDP zu lesen, hätten sie unschwer feststellen können, dass darin weder die Einführung der Quellen-TKÜ noch die Einführung der Onlinedurchsuchung oder gar eines NRWTrojaners angekündigt wird. Keiner dieser Begriffe wird in unserem Koalitionsvertrag erwähnt.
Warum die Kolleginnen und Kollegen der Grünen hier und heute dennoch einen Antrag vorlegen, der den Eindruck vermittelt, dass diese Maßnahmen in Nordrhein-Westfalen unmittelbar vor der Einführung stünden und hier und heute gewissermaßen in letzter Sekunde auf Ihren Antrag hin verhindert werden müssten, ist deswegen vollkommen unverständlich.
Der vorliegende Antrag der Fraktion der Grünen geht damit nicht nur formal, sondern vor allem auch inhaltlich ins Leere.
Drittens. Der aus dem Antrag sprechenden einseitigen und vollkommen undifferenzierten Kritik daran, dass der Bundesgesetzgeber kürzlich beschlossen hat, den Einsatz von Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchungen in der Strafprozessordnung zu regeln, muss deutlich widersprochen werden.
Selbst wenn die innere Sicherheit bekanntermaßen nicht gerade zur Kernkompetenz der Grünen zählt – im Gegenteil –, sollte es auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein, dass Straftaten und terroristische Aktivitäten inzwischen nicht mehr per Telefon oder SMS, sondern immer häufiger über Messengerdienste wie zum Beispiel WhatsApp oder soziale Netzwerke verabredet werden. Deshalb brauchen Sicherheitsbehörden wie auch bei einer SMS unter bestimmten Voraussetzungen Zugriffsmöglichkeiten auf diese Form der Kommunikation.
Aus Sicht der CDU-Fraktion es ist deswegen ein wichtiger und überfälliger Schritt nach vorne, dass der Deutsche Bundestag Instrumente wie die Onlinedurchsuchung und Quellentelekommunikationsüberwachung in der Strafprozessordnung verbindlich geregelt hat. Unser Maßstab lautet dabei immer: Das, was Strafverfolger in der analogen Welt dürfen, müssen sie auch im digitalen Bereich rechtlich dürfen und technisch können.
Deshalb wird sich Nordrhein-Westfalen auf keinen Fall, wie von den Grünen gefordert, für eine Rücknahme der diesbezüglich auf Bundesebene beschlossenen Regelungen einsetzen.
Den vorliegenden Antrag wird die CDU-Fraktion daher selbstverständlich ablehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Golland, würden Sie freundlicherweise noch kurz am Rednerpult stehen bleiben? Mir ist gerade mitgeteilt worden, es habe eine rechtzeitig angemeldete Kurzintervention des Kollegen Bolte-Richter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gegeben. – Bitte schön, Herr Kollege.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! – Lieber Kollege Golland, Sie haben mich mit Ihren Ausführungen ein bisschen verwirrt. Einerseits haben Sie gesagt, es gebe gar keinen Grund für unseren Antrag; andererseits haben Sie drei Sätze später gesagt, alles, was in Berlin beschlossen worden sei, sei total super.
Wir haben uns natürlich auch angeschaut, was die CDU vor der Wahl an Forderungen in die Welt posaunt hat. Da findet sich der Einsatz von Onlinedurchsuchung und Quellen-TKÜ sowohl zur Strafverfolgung als auch zur Gefahrenabwehr in Ihrem innenpolitischen Programm, das Sie noch im April dieses Jahres veröffentlicht haben.
Insofern besteht aus unserer Sicht sehr wohl die Gefahr, dass, wenn die größere der beiden regierungstragenden Fraktionen – schließlich stellt sie den Innenminister und auch den Ministerpräsidenten – solche Forderungen hat, sie in den nächsten fünf Jahren möglicherweise auf die Idee kommt, irgendetwas von dem, was in ihrem Programm steht, auch umzusetzen.
Diese Gefahr ist durchaus gegeben, und wir halten es nicht für abwegig, dass es dazu kommen könnte. Daher ist es aus unserer Sicht notwendig, dass sich der Landtag zu dieser Frage verhält. Mit Ihrer Aussage, das sei alles nicht so gemeint, können Sie sich der Debatte hier nicht entziehen.
(Zuruf von der CDU: Das ist eine Vermu- tung! – Gegenruf von Monika Düker [GRÜNE]: Das ist eine Vermutung? Aha! Okay!)
Erstens hat die CDUgeführte Bundesregierung eine vernünftige bundeseinheitliche Regelung getroffen; das habe ich auch klar zum Ausdruck gebracht.
Zweitens beschäftige ich mich nicht mit „hätte“, „würde“ und „sollte“, sondern mit der konkreten Politik. Wir haben zusammen mit den Liberalen eine gute Nordrhein-Westfalen-Koalition gebildet, und da werden wir bestimmt nicht uns von Ihnen auseinanderdividieren oder vorführen lassen. Wir werden sicherlich noch über das eine oder andere sprechen, aber in dem Punkt haben wir heute eine ganz klare Stellungnahme abgegeben. – Danke schön.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Golland. – Meine Damen und Herren, als nächster Redner hat für die Fraktion der SPD der Kollege Körfges das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben jetzt von den verehrten Vorrednern zwei sehr unterschiedliche Meinungen gehört, die sich ganz grob mit dem, was in Berlin zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens beschlossen worden ist, beschäftigen. Ich denke, das ist eher von parteipolitischen oder politischen Grundüberzeugungen getragen als von einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Thema, das durchaus kein einfaches ist.
Lieber Kollege Golland, vielleicht sollten wir uns noch einmal darüber unterhalten, was Sie in Ihrem Koalitionsvertrag mit der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgericht zum BKA-Gesetz gemeint haben. Denn ich kann mir vorstellen, dass die gerade getätigte Äußerung, Sie würden gar nicht beabsichtigen, in dem Bereich etwas zu machen, damit nicht so richtig übereinstimmt. Mit der Exegese können wir uns gerne noch einmal beschäftigen.
Ich möchte eines sehr deutlich sagen: Wir haben es hier mit einem ganz schwierigen Fall der Güter- und Interessenabwägung zu tun, der bundesgesetzlich geregelt ist. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als um das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auf der einen Seite und die Möglichkeit der Ermittlungsbehörden, in diesen geschützten Bereich einzugreifen, auf der anderen Seite.
Ich hatte vor einigen Jahren schon einmal das Vergnügen – die Älteren erinnern sich –, hier zur Frage nach der Onlinedurchsuchung das Wort ergreifen zu dürfen. Damals habe ich den ersten Leitsatz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zitiert. Da steht nämlich:
„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht […] umfasst das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.“
Die andere Seite ist, dass sowohl Schwerverbrecher als auch organisierte Kriminelle, Terroristen und Gefährder statt telefonischer Kontakte mittlerweile in erkennbarem Umfang auf bislang nicht dem staatlichen Zugriff unterworfene Telekommunikationsmöglichkeiten und Apps zurückgreifen. Daher verstehe ich, dass gerade seitens der Ermittlungsbehörden gesagt wird, es könne keinen großen Unterschied machen, welches Mittel genutzt werde, wenn es um die Bekämpfung gehe.
Nur muss man hier, anders als im Fall der Telekommunikationsüberwachung, tief in die Gesamtsystematik eingreifen. Deshalb halte ich eine Güter- und Interessenabwägung für dringend erforderlich und kann nur eines sagen: Ja – das darf man als Sozialdemokrat so sagen –, die sehr zügige Beratung im Deutschen Bundestag hat mich ein wenig überrascht. Ich glaube, dass dabei nicht alle Aspekte erschöpfend behandelt worden sind. Viele Verfassungsrechtler üben erhebliche Kritik, andere sehen das Gesetz durchaus als verfassungskonform an.
Ich hätte mich gerne länger über diesen Sachverhalt unterhalten. Man kann aber nicht den Fraktionen von CDU, CSU und SPD im Deutschen Bundestag vorwerfen, sie hätten zu schnell gearbeitet, und uns hier gleichzeitig mit dem Wunsch nach direkter Abstimmung konfrontieren, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen. Das beißt sich meiner Ansicht nach ein bisschen.
Ich möchte im Einzelnen auf vier Punkte des Antrags eingehen. Lassen Sie uns das, was Sie in Ihrem Beschlussteil verlangen, einmal vor Augen führen.
Erstens. Ja, man kann über dieses Thema rechtlich diskutieren; aber für die Entscheidung über die Verfassungsgemäßheit ist nicht der Landtag NordrheinWestfalen mit einem Beschluss zuständig, sondern gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht. Ich gehe zuversichtlich davon aus, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit diesem Thema beschäftigen wird.
Zweitens. Die Wahlperiode des Deutschen Bundestags endet in kurzer Zeit. Jetzt irgendein beschlossenes Gesetz über den Weg des Landtags in Berlin attackieren zu wollen – na ja, vielleicht spielt da der Wahltermin eher eine Rolle als die Kritik an dem Gesetz. Insofern halte ich das für wenig zielführend.
Drittens. Der Bezug zur Landesebene – Herr Golland, es ist beinahe tragisch, dass ich Ihnen hier auch noch recht geben muss...
Sie wissen, normalerweise beginne ich Redebeiträge, die nach den Ihren kommen, mit dem Satz, dass eine schneidige Haltung die inhaltliche Befassung nicht ersetzt. Diesmal kann ich jedoch sagen: Gesetzgebungsvorhaben auf Landesebene be
spricht und diskutiert man, wenn sie vorgelegt werden. Hier aber am abstrakten Objekt präventiv-spekulativ tätig zu werden, halte ich, vorsichtig ausgedrückt, nicht für angemessen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Redezeit ist jetzt zu Ende. Eine Frage – das wäre mein vierter Punkt gewesen – bleibt tatsächlich bestehen, und zwar die Frage nach der Cyber-Sicherheit. Die Lücken, die von der öffentlichen Hand genutzt werden, können auch von anderen genutzt werden.
Nur hätte ich mir dazu eine vertiefte Beratung gewünscht und keinen Schnellschuss mit direkter Abstimmung. Die SPD-Fraktion wird sich gegen den Antrag aussprechen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Körfges. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Mangen das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.