Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stand heute will das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen. Das ist Fakt. Diese Entscheidung respektieren wir, aber wir bedauern sie auch weiterhin, und wir halten sie für falsch.
Der Brexit wird aber vorangetrieben, ohne die Skizze eines Plans zu haben, ihn sicher über die Bühne zu bringen, wie Donald Tusk seinem Unmut vor wenigen Tagen Luft gemacht hat. Das Vereinigte Königreich könnte mit der EU in wenigen Wochen brechen, ohne dass es einen Deal gibt. Diese Situation ist ernst.
Unser Minister Dr. Stephan Holthoff-Pförtner hat zuletzt davor in der Aktuellen Stunde am 23. Januar gewarnt. Wir können es uns daher nicht leisten, liebe Kolleginnen und Kollegen, Gegensätze zu schaffen, die es überhaupt nicht gibt.
Sie, verehrter Kollege Remmel, haben hier im Haus emotionale Worte gefunden. Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den Kollegen Remmel:
„Es gibt zu dieser historischen Stunde, zu diesem historischen Vorgehen keine Parallelen. Es gibt keine Roadmap. Es gibt keinen Plan, auf den man irgendwo zurückgreifen könnte.“
Dennoch müssen wir uns vorbereiten. Zentrale politische Bereiche, wie beispielsweise das Aufenthaltsrecht, der Zugang zum Arbeitsmarkt, Fragen der Staatsangehörigkeit, des Beamtenstatus, der Steuern, der Zölle und des Gesellschaftsrechts, liegen dabei zweifellos in der Regelungskompetenz des Bundes. Bei anderen wichtigen Themen wie beim Nordirlandkonflikt liegt die Verantwortung in erster Linie bei den britischen Partnern und Freunden.
Was wir aber hier für NRW im Falle eines Brexits mit einem Austrittsabkommen tun können, das packen wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf an.
Mit dem Brexit-Übergangsgesetz wird die Generalklausel eines Austrittsabkommens in das Landesrecht eingebracht mit der Folge, dass das Vereinigte Königreich in der geplanten Übergangsphase weiterhin wie ein Mitgliedsstaat der Europäischen Union behandelt werden wird. In einem Übergangszeitraum würde damit das Unionsrecht Anwendung finden – mit nur wenigen Ausnahmen. Das Brexit-Übergangsgesetz regelt den landesrechtlichen Anpassungsbedarf Hand in Hand mit dem Inkrafttreten des Austrittabkommens.
Genau in diesem Sinne hat unsere Landesregierung von Beginn an gearbeitet. Wir haben das hier im Landtag intensiv begleitet. Unser Wunsch bleibt aber ein geordnetes Verfahren für ein künftiges Verhältnis zu Großbritannien, das so eng bleibt, wie das unter den Bedingungen eines EU-Austritts zu machen ist.
Diese Planungen und diese Vorleistungen im Hinblick auf alle denkbaren Szenarien geben für unser Bundesland die bestmöglichen Perspektiven in einer sehr schwierigen Lage – mit dem Vorsitz und der Schwerpunktsetzung der Europaministerkonferenz, über die Bund-Länder-Arbeitsgruppe, im direkten Kontakt mit dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier, mit Friedrich Merz, der sich hier ehrenamtlich engagiert.
Aus juristischer Sicht hat die Landesregierung in Vorbereitung eines Austritts geprüft, welche Rechtsnormen des Landes von einem Brexit betroffen sein könnten. Dieses Normen-Screening hat gezeigt, dass es aktuell über das Übergangsgesetz hinaus keinen weiteren Anpassungsbedarf bei den gültigen Landesnormen gibt. Zudem besteht kein Bedarf für die Einbringung neuer Gesetzesinitiativen.
Dass wir das Brexit-Übergangsgesetz einschließlich Änderungsantrag im Fachausschuss mit breiter Mehrheit verabschiedet haben, ist ein gutes Zeichen. Dafür bin ich dankbar.
Kein Verständnis habe ich allerdings für die Enthaltungen bei der SPD. Es gibt doch einen entscheidenden Unterschied, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, ob Sie sich bei einem zukunftsweisenden europapolitischen Antrag unsererseits nicht anschließen können oder ob Sie den Handschlag verweigern und sich nicht positionieren, wenn es darum geht, Verantwortung bei wichtigen Fragen des Umgangs mit dem Brexit zu übernehmen.
Die ansonsten breite Zustimmung zum Brexit-Übergangsgesetz zeigt, dass wir das tun, was unser Mandat, was unsere Verantwortung auf Länderebene ist.
Übergangsphase gewinnen, um eine künftige Partnerschaft bestmöglich zu verhandeln. Das Gesetz schafft die nötige Rechtssicherheit in NordrheinWestfalen, wenn das Austrittsabkommen mit Großbritannien gelingt. Es unterbaut den Zusammenhalt. Es beugt einem faktischen Auseinanderdriften vor, ehe neue Definitionen gefunden sind.
Selbstverständlich wird dieses Gesetz erst an dem Tag in Kraft treten, an dem das Austrittsabkommen mit dem Vereinigten Königreich Gültigkeit erlangen wird.
Meine Damen und Herren, auch wenn weiterhin keine Klarheit über das Ob und das Wie des EUAustritts des Vereinigten Königreichs besteht, zeigen wir mit diesem Brexit-Übergangsgesetz, dass wir in NRW vorbereitet sind. Daher bitte ich um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir zurzeit aus London und Brüssel hören, ist besorgniserregend. Es ist nicht fünf vor zwölf; es ist inzwischen eine Minute vor zwölf in Sachen Brexit.
Mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf wird nur ein Szenario abgedeckt, das nach den letzten Entscheidungen im britischen Parlament immer unwahrscheinlicher wird, nämlich das Szenario eines geregelten Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union.
Vielmehr steht aber zu befürchten, dass es anders kommen wird, Herr Kollege Krauß. Ein harter Brexit ist nicht mehr der unwahrscheinlichste aller Fälle, sondern das genaue Gegenteil: Er steht unmittelbar bevor. Mir fehlt momentan die politische Fantasie, was bei der derzeitigen Gemengelage im britischen Parlament noch eine Einigung mit der Europäischen Union herbeiführen könnte.
Deshalb fehlt mir heute hier etwas ganz anderes, nämlich eine Antwort der Landesregierung darauf, wie Nordrhein-Westfalen mit einem harten Brexit umgehen würde.
Um es noch einmal zu verdeutlichen: Bei einem harten Brexit am 29. März dieses Jahres würde das Vereinigte Königreich von einem Tag auf den anderen als Drittland behandelt. All die Auswirkungen, zum
Beispiel auf Lieferketten im produzierenden Gewerbe – denken wir an Automobilzulieferindustrie, Anerkennung von technischen Standards, mögliche Import- und Exportverbote für bestimmte Warengruppen, Datenschutzregeln, Datentransfer und vieles Weitere –, sind noch überhaupt nicht absehbar.
Eine Studie des Ausschusses der Regionen hat den Risikoindex eines harten Brexits auf 5,3 % des Bruttoinlandsprodukts identifiziert. Das hat das Potenzial für eine ausgewachsene Rezession.
Dies würde NRW besonders hart treffen. Denn Nordrhein-Westfalen ist besonders eng mit dem Vereinigten Königreich verflochten. In manchen Bereichen ist der ökonomische Austausch sogar enger als mit anderen Teilen der Bundesrepublik – ganz zu schweigen von den unmittelbaren Folgen für die Menschen, die als britische Staatsbürger hier in NRW plötzlich Drittstaatler sein werden, oder die Tausenden Studierenden aus NRW, die noch in Großbritannien ihr Studium absolvieren.
Sind unsere Behörden rein administrativ darauf vorbereitet, mit der Klärung von Aufenthaltsfragen, der Anerkennung von Qualifikationen und der Fortführung des ganz alltäglichen Lebens dieser vielen Menschen, die plötzlich vor bürokratischen Hürden stehen würden, angemessen und vor allem zeitnah umzugehen?
Sie haben mehrfach – zuletzt in der Anhörung im Ausschuss – mitgeteilt, dass die Landesregierung hier keinen landesrechtlichen Anpassungsbedarf im Falle eines ungeregelten Brexits sieht, da die Gesetzgebungskompetenz dafür ausschließlich beim Bund liege.
Das kann sein. Aber sieht die Landesregierung tatsächlich keinen weiteren legislativen und vor allem administrativen Handlungsbedarf bei einem harten Brexit? Angesichts des Umfangs der europäischen Gesetzgebung, die mittelbar oder unmittelbar in geltendes Recht der Mitgliedsstaaten umgesetzt wird und damit auch zu einem nicht unerheblichen Teil in die Gesetzgebungskompetenz der Länder fallen dürfte, kann ich das nicht nachvollziehen.
Sie haben sich nicht ausreichend darum gekümmert, Antworten darauf zu finden. Sie haben bis heute lediglich mit einer geordneten Übergangsphase kalkuliert, obwohl spätestens seit dem 11. Dezember 2018, als Theresa May die Abstimmung über das ausgehandelte Brexit-Abkommen auf Januar 2019 verschoben hat, klar war, dass zumindest das Szenario „harter Brexit“ mitgedacht werden musste – und das, obwohl Sie, Herr Minister Holthoff-Pförtner, im November 2018 schriftlich in einem Bericht an den
Halten wir fest: Die Landesregierung ist auf die Möglichkeit eines harten Brexits nicht ausreichend vorbereitet. Sie haben mit diesem Gesetzentwurf das Nötigste getan, um einigermaßen Rechtssicherheit im nicht wahrscheinlicher werdenden Fall eines geregelten Brexits zu schaffen. Das ist schlicht und einfach nicht ausreichend. Deshalb wird sich die SPDFraktion enthalten. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Asche in den Feuerstellen der Druiden auf der britischen Insel ist nichtssagend, aber auch die heimischen Glaskugeln sind nebelig – ich glaube, auch die in Gladbeck, Kollege Hübner.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist natürlich noch nicht klar, wie die Brexit-Verhandlungen ausgehen werden, ob es überhaupt noch welche gibt und wie der Brexit konkret erfolgen wird. Wer verbreitet, er wüsste, wie es ausgeht, ist ein Scharlatan, denke ich. Deswegen ist es richtig, auf Sicht zu fahren. Im Sinne vorausschauender und verantwortungsvoller Politik sollte man auf verschiedene Szenarien vorbereitet sein.
Das Brexit-Übergangsgesetz ist eine Formalie. Es soll den Status quo sichern. Damit geben wir den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen Rechtssicherheit.
Das Brexit-Übergangsgesetz ist natürlich nicht mehr als ein Zahnrad der vielen verschiedenen Aktivitäten des Landes in Sachen Brexit in Vorbereitung auf das, was da kommen wird.
Den ursprünglichen Gesetzentwurf haben wir durch einen Änderungsantrag leicht modifiziert, da das Austrittsabkommen vielleicht neu terminiert wird und der Übergangszeitraum bis zum 31.12.2022 einmalig verlängert werden kann.