Den ursprünglichen Gesetzentwurf haben wir durch einen Änderungsantrag leicht modifiziert, da das Austrittsabkommen vielleicht neu terminiert wird und der Übergangszeitraum bis zum 31.12.2022 einmalig verlängert werden kann.
Die SPD will zumindest nicht dagegen stimmen; sie will sich enthalten. Es ist ein bisschen enttäuschend, dass Sie das wieder als Gelegenheit nutzen, ein eigentlich widerlegtes und mittlerweile nervendes und entlarvendes Spiel zu treiben, nämlich das Lied derer zu singen, die nur eines wollen: Angst verbreiten.
Auch diejenigen, die Großbritannien dazu gebracht haben, gegen die Mitgliedschaft in der EU zu stimmen, haben Angst verbreitet. Allen ist klar, dass aus diesem Irrsinn große Probleme resultieren. Sie wollen uns das jetzt schon in die Schuhe schieben. Ich finde, das ist ein abgekartetes Spiel. Es wird Ihnen auch nicht gelingen.
Wer wie Sie so tut, als könne man so etwas planen, als wäre das ein Sonntagsausflug, der lügt. Auf was genau sie sich vorbereiten, ist natürlich immer noch offen.
Es liegt nicht an der Landesregierung, nicht an der Bundesregierung und nicht an der EU, sondern an den Brexit-Anhängern im britischen Unterhaus. Zu denen gehören auch Ihre Freunde von den Sozialisten und Jeremy Corbyn.
(Michael Hübner [SPD]: Noch größere Nebel- wolken kann man kaum werfen! Keine Sub- stanz, nur Nebel!)
Ja, klar; keine Substanz. Hören Sie sich doch einmal Ihre Zwischenrufe an. Dann wissen Sie, wer hier keine Substanz hat, lieber Kollege Hübner.
Sie haben ja sehr intensiven Kontakt zu den rumänischen Sozialdemokraten, die gerade eine kleine führende Rolle bei der EU innehaben und natürlich total versagen.
Ja, auf die einzuwirken, das wäre Ihre Aufgabe, anstatt hier durchsichtige Spielchen zu betreiben, die keine Substanz haben. – Vielen Dank.
(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Was sollte das denn sein, Thomas? Total peinlich, was du da ablieferst!)
Vielen Dank, Herr Kollege Nückel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Remmel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir heute hier miteinander machen, hat schon etwas Schizophren-Groteskes. Anders kann man das nicht bezeichnen, wenn man sich gleichzeitig die Bilder vor Augen führt, die in Großbritannien und europaweit über die Bildschirme gehen.
Tagtäglich geben sich die Spitzenpolitiker in Brüssel die Klinke in die Hand. Das britische Parlament zer
fällt vor unseren Augen in neue Fraktionen. Der Urstand der europäischen Demokratie scheint keinen festen Anker zu haben. Gleichzeitig betteln die Wirtschaftsunternehmen in Großbritannien um einen geordneten Deal. Eine Ratingagentur hat gestern gedroht, die Kreditwürdigkeit Großbritanniens massiv herabzustufen.
Wir erleben sehenden Auges den Verfall. Der Sand rinnt durch die Uhr. Wir betreiben aber business as usual, weil wir offensichtlich gezwungen sind, für den Fall der Fälle diese Regelung zu treffen.
Ich weiß nicht, wer von Ihnen die „Chronik eines angekündigten Todes“ von Márquez gelesen hat. Ein bisschen erinnert mich die derzeitige Stimmung daran. Man möchte eingreifen. Man möchte es verhindern. Trotzdem sieht man vor dem Auge Dinge ablaufen, die eigentlich nicht passieren dürften. Gleichzeitig organisieren wir heute hier den Beerdigungskaffee für die Zeit danach – obwohl wir eigentlich gar nicht wollen, dass das passiert.
Wir müssen es tun. Das wurde rauf und runter besprochen. Auch im Ausschuss haben wir darüber gesprochen. Es ist klar, dass es für den Fall eines Deals, also eines geregelten Brexits, ein solches Übergangsgesetz geben muss. Das ist die Mindestformalität. Alles andere wurde besprochen. Insofern wird meine Fraktion dem Vorschlag der Landesregierung zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Beim vorliegenden Gesetzentwurf handelt es sich um rein technische Anpassungen, die durch einen Brexit mit Austrittsabkommen erforderlich werden könnten. Das klang schon an.
Es spricht aus unserer Sicht für sich genommen nichts dagegen, diesem Entwurf zuzustimmen. Das werden wir auch tun. Die Sache ist zu ernst für parteipolitisches Klein-Klein.
Allerdings müsste jedem, der sich auskennt und der die Nachrichten verfolgt, klar sein, dass es sich beim Brexit mit Austrittsabkommen inzwischen um ein äußerst unwahrscheinliches Szenario handelt. Es gibt derzeit keinen Grund, anzunehmen, dass das britische Unterhaus dieses Abkommen mehrheitlich akzeptieren wird.
Das kann man den Briten auch nicht verdenken. Eine stolze Nation wie Großbritannien zu einem Vasallenstaat machen zu wollen, kann wirklich nur den EUBesoffenen einfallen.
Meine Damen und Herren, auf 13,3 Milliarden Euro beläuft sich das Volumen der NRW-Exporte ins Vereinigte Königreich. 36 Milliarden Euro haben britische Unternehmen hier investiert. Allein bei uns beschäftigen sie 50.000 Menschen.
Laut DIHK sind 750.000 Arbeitsplätze in Deutschland vom Handel über den Kanal abhängig. Man könnte also meinen, dass in Brüssel und Berlin alle Hebel in Bewegung gesetzt würden, um einen fairen und für alle Beteiligten akzeptablen Deal zu finden, der insbesondere den freien Warenverkehr erhält – im ureigenen Interesse.
Aber weit gefehlt: Der EU-Chefunterhändler Barnier verkündet, die EU werde nicht nachverhandeln. Die getreue Vasallin in Berlin lässt verlauten, dass auch sie Nachverhandlungen ausschließe.
Man ist also fest entschlossen, lieber Zehntausende deutsche Industriearbeiter zu opfern, bevor man nur ein My von den eigenen Dogmen abweicht.
Jetzt könnte man meinen, dass die nordrhein-westfälische Landesregierung hier andere Akzente setzt. Immerhin steht im Koalitionsvertrag:
„Die Bande zwischen Großbritannien und Nordrhein-Westfalen sind besonders eng. Großbritannien stand Pate bei der Gründung unseres Landes 1946, fast 30.000 Briten leben in NordrheinWestfalen. Die Freundschaft zwischen Nordrhein-Westfalen und Großbritannien ist heute – nach dem Brexit – wichtiger denn je. Wir werden die engen und vertrauensvollen Beziehungen zu Großbritannien deshalb weiter pflegen und intensivieren.“
Meine Damen und Herren, von den vielen leeren Versprechen in diesem Werk der Fiktion ist das vermutlich das leerste. Nichts machen Sie – überhaupt nichts.
Es ist klar, dass die Landesregierung nicht am Verhandlungstisch sitzt. Aber sie könnte Einfluss nehmen. Sie könnte sich zumindest äußern. Nichts davon geschieht. Auch Ihnen sind die Industriearbeiter offenbar egal.
In dieses Bild passt auch, dass die britischen Bürger in unserem Land neuerdings von staatlichen Stellen solche Briefe bekommen.
Zitat: Der Brexit hat für britische Staatsbürgerinnen und -bürger auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen sowie Folgen bei der Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
Weiter heißt es: Mit fortbestehender britischer Staatsangehörigkeit können britische Einbürgerungsbewerber nur noch in den deutschen Staatsverband eingebürgert werden, wenn sie vor dem 30.03.2019 einen vollständigen Einbürgerungsantrag gestellt haben.
Und schließlich: Die Volkshochschule hat Prüfungstermine für den Einbürgerungstest, den Deutschtest für Zuwanderer, noch vor dem 30.03.2019 eingerichtet. Sie haben die Möglichkeit, über Telefon und E-Mail einen Termin zu vereinbaren.
Meine Damen und Herren, ist das Ihr Verständnis von besonderer Freundschaft? Verhält man sich so als guter Europäer, wie Sie es ja immer sein wollen? Versuchen Sie wirklich, mit diffusen Drohkulissen Staatsbürger abzuwerben? Ich finde das ziemlich schäbig. Wer solche Freunde hat, braucht offensichtlich keine Feinde mehr.
Bei dem eigentlichen Gesetzentwurf geht es, wie gesagt, um eine technische Angelegenheit. Dem wird meine Fraktion zustimmen. Aber Sie sollten vielleicht noch einmal in sich gehen.
Vielen Dank, Herr Kollege Tritschler. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Holthoff-Pförtner.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich glaube, dass wir im Wesentlichen in der Einschätzung der Situation unserer britischen Freundinnen und Freunde übereinstimmen. Ich kenne niemanden, der sich für einen Brexit ausgesprochen oder ihn aktiv betrieben hat.
Die Schwierigkeit ist, dass wir nicht einzeln verhandeln können, sondern freiwillig in der Verpflichtung stehen, uns den Verhandlungen in Brüssel angeschlossen zu haben. Daher haben wir keinen eigenen Spielraum. Es ist sicher eine Frage großer Kraft, diszipliniert zu bleiben.
Bis heute ist unklar, unter welchen Bedingungen dieser Austritt erfolgen wird. Ich glaube auch nicht, dass es gelingen wird, sich auf ein Abkommen zu verständigen. Das ist tragisch. Bei allen Gesprächen, die ich mit britischen Freundinnen und Freunden geführt habe, ist die Fassungslosigkeit darüber, dass das Land, in welchem Fall auch immer, gespalten sein wird und gespalten bleiben wird, deutlich geworden.
Da ist es zwingend, dass sich die Landesregierung, solange es nicht auszuschließen ist, auf alle möglichen Austrittsszenarien vorbereitet. Die Landesregierung hat sich auf den Brexit vorbereitet – sowohl auf ein Ende mit Austrittsabkommen als auch auf ein Ende ohne Austrittsabkommen.
Das Ergebnis für einen Austritt mit Austrittsabkommen ist das Brexit-Übergangsgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem eine Generalklausel des geplanten Austrittsabkommens ins Landesrecht aufgenommen wird. Damit wäre das Königreich während der geplanten Übergangsphase Mitglied der Europäischen Union und würde so behandelt.
In dem geplanten Übergangszeitraum wird vorbehaltlich weniger Ausnahmen weiterhin das Unionsrecht angewendet. Ausnahme im Brexit-Übergangsgesetz ist das Kommunalwahlrecht, das ab dem 30. März 2019 für britische Staatsangehörige nicht mehr gelten würde.