Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Wir haben nicht vergessen, welches herausragende Engagement die kommunalen Verwaltungen und die vielen Ehrenamtler vor Ort während der Flüchtlingskrise und auch bis heute geleistet haben. Deshalb erhalten die Kommunen die volle Integrationspauschale des Bundes weitergeleitet als Ausgleich für die Kosten bei der Integration der Flüchtlinge. Das ist ein deutlicher Kurswechsel. Denn unter Rot-Grün hat es das so nie gegeben.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Flüchtlingspolitik geht aber weit über die Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen hinaus. Nur gemeinsam können wir das Thema angehen und Lösungen finden. Das geht aber nur, wenn wir mit einer vereinten Stimme in ganz Europa sprechen.

Bei Fragen zur Bekämpfung von Fluchtursachen, zum Einsatz von Entwicklungszusammenarbeit und zur Bekämpfung von Schmugglern und Schleusern ist eine breite gemeinsame Basis nötig. Der globale Migrationspakt legt hierfür einen Grundstein. Eine gestärkte europäische Grenzschutzagentur Frontex ist ein weiterer wichtiger Baustein.

Sie sehen, die Fragen der Flüchtlingspolitik kann man nicht isoliert in einem Teilbereich betrachten. Die NRW-Koalition verfolgt eine ganzheitliche Strategie. Wir lösen die Herausforderungen gemeinsam mit unseren Partnern auf kommunaler Ebene. Darauf drängen wir im Bund seit Langem. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Franken. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei, drei Sätze zu Herrn Franken sagen. Ich habe ihn jetzt so verstanden, dass wir so lange nichts tun, bis wir alles geklärt haben, und so lange lassen wir die Menschen im Mittelmeer ersaufen. Ich finde, Herr Franken, das ist eine Herangehensweise an dieses Problem, die dem absolut nicht gerecht wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich kann auch nicht nachvollziehen, Herr Franken, was der Asylstufenplan oder was „KOMM-AN NRW“ mit der Thematik zu tun hat, dass auch heute noch Menschen im Mittelmeer elendig ersaufen müssen, dass sie ertrinken und wir machen nichts. Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Deswegen habe ich Ihre Ausführungen eben nicht verstehen können.

Sie wissen genauso gut wie wir alle, dass auf der Welt 68 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Neun von zehn Flüchtlingen befinden sich in Entwicklungsländern, in der Türkei, in Uganda, in Pakistan und wo sie alle leben, aber nicht bei uns. Sie kommen auch gar nicht zu uns. Nur ein ganz geringer Teil davon versucht, nach Europa zu kommen, sucht Schutz in Europa.

Wenn man sich dann überlegt, dass von diesen wenigen Menschen, die versuchen, nach Europa zu

kommen, allein im letzten Jahr offiziell 2.300 Menschen ertrunken sind – ich möchte gar nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer ist –, wird das Problem sehr klar. Ich finde, für eine Gesellschaft wie die unsere gibt es eine humanitäre Verpflichtung, zu helfen.

Ja, wir können nicht alles Elend dieser Welt lösen. Das schaffen wir nicht. Aber ich glaube, wir können einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die gemeinsame Idee von Europa, nämlich die Idee der Aufklärung, die Idee des Humanismus, zum Tragen kommt. Wenn wir dann ein Zeichen setzen, würden wir viele Menschen ermutigen, ebenfalls zu helfen.

Die Appelle von allen möglichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, von den Kirchen usw., die an uns appellieren, die auch an uns als Politiker appellieren, hier aktiv zu werden, sollten insbesondere auch bei der CDU angekommen sein. Ich vermisse das.

In vielen Bundesländern, aber auch in NordrheinWestfalen, gibt es diese Initiative in den Städten. Frau Aymaz hat gerade ein paar genannt: Bielefeld, Krefeld, Kempen, Solingen, Moers, Viersen – all diese Städte machen dabei mit. Sie werden sich natürlich auch etwas dabei gedacht haben.

Wenn man sich anschaut, wie die Räte in diesen Städten zusammengesetzt sind, dann sind es Mitglieder von SPD, CDU, FDP, von den Grünen, von den Piraten, von den Linken, die alle durch die Bank sagen: Ja, lasst uns hier ein Signal senden, lasst uns hier ein Zeichen setzen, lasst uns Druck auf die nächsten Ebenen machen, damit dort etwas passiert und dieses Problem endlich angegangen wird.

Ich kann nicht verstehen, warum Sie diesem Antrag, der uns nicht zu sehr bindet, der aber das Signal sendet, dass wir das Problem erkannt haben und helfen wollen, nicht zustimmen wollen. Das erschließt sich mir nicht. Ich bin ein wenig irritiert darüber, um nicht zu sagen erschüttert, dass Sie dieses Signal „Wir wollen helfen, und wir unterstützen euch dabei, liebe Kommunen“ nicht senden wollen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lenzen.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Das internationale Seerecht ist in der Frage der Seenotrettung unmissverständlich. Die Rettung hilfsbedürftiger Menschen auf See ist eine Verpflichtung aller Schiffe und deren Besatzungen.

Allerdings hat die Rettung von Geflüchteten aus dem Mittelmeer natürlich auch zu Diskussionen geführt. Menschen, die versuchen, aus Afrika nach Europa

zu gelangen, dürfen jedoch gegenüber anderen Schiffbrüchigen nicht Menschen zweiter Klasse sein.

(Beifall von der FDP)

Das Zurücklassen von Ertrinkenden sowie die Weigerung von einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Union – wir kennen die Beispiele aus Italien und Malta –, Rettungsschiffe in ihre Häfen einlaufen zu lassen bzw. die auf den Schiffen befindlichen Menschen an Land gehen zu lassen, widerspricht den Grundsätzen des Seerechts. Für uns als Freie Demokraten stehen das Individuum und der Schutz der Menschenrechte im Mittelpunkt.

Leben zu retten ist eine humanitäre Verantwortung. Aber neben der Rettung ist auch die Bekämpfung von Ursachen der Seenot eine Verpflichtung. Ein wesentlicher Aspekt dabei sind auch die kriminellen Schleusernetzwerke. Es ist richtig, dass wir dagegen entschiedener vorgehen müssen. Wir dürfen Menschen nicht den Schmugglern überlassen, die aus der Not der Betroffenen Profit schlagen und sie in überfüllte, nicht hochseetüchtige Boote setzen. Wir müssen zwischen der kalkulierten Ausnutzung zivilen Engagements durch die Schleuser und der humanitären Seenotrettung klar differenzieren.

In diesem Sinne bedeutet die Überlassung der Seenotrettung an private oder gemeinnützige Organisationen keine Lösung, sondern eine Flucht der europäischen Staatengemeinschaft vor der Verantwortung. Deshalb brauchen wir endlich auch einen gemeinsamen europäischen Ansatz.

Wir müssen die europäischen Grenzen schützen, besser noch: Wir müssen sie als eine einzige europäische Grenze verstehen. Deshalb müssen wir – das haben wir in einem anderen Wortbeitrag auch schon gehört – Frontex zu einem EU

Grenzschutzsystem mit echten Hoheitsrechten und einer Einsatzstärke von mindestens 10.000 Personen ausbauen. Trotz und alledem war die Einstellung der Sophia-Operation der völlig falsche Weg. Eine Beobachtung aus der Luft wirkt geradezu zynisch.

Wir brauchen eben entsprechende europäische Lösungen, gerade bei dem Thema „Aufnahme und Verteilung von Geflüchteten“. Leider – das wissen wir – gab es bis jetzt dazu keine Einigung, wie man dauerhaft EU-weit zu einer Lösung mit einem Verteilerschlüssel kommen kann.

Bis zu der Neuordnung, auf die wir leider noch warten müssen, können wir im Rahmen der Dublin-IIIVerordnung den Art. 17 nutzen. Ich glaube, den meisten ist bekannt, was er bedeutet. So könnte ein EU-Mitgliedstaat die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens von einem anderen Mitgliedstaat an sich ziehen. Dies wurde in diesem Jahr auch schon praktiziert.

Einen Kritikpunkt – das hat bereits Kollege Franken erwähnt – sehen wir in dem im Antrag der Grünen

geforderten Landesaufnahmeprogramm. Das soll für die dauerhafte Aufnahme in NRW unabhängig von rechtlich relevanten Schutzgründen garantiert werden. Aus Sicht der Freien Demokraten kann das dazu führen, dass noch mehr Menschen dazu bewegt werden, den lebensgefährlichen Weg über das Mittelmeer zu gehen.

Deswegen ist der ganzheitliche Ansatz wichtig. Wir müssen an die Fluchtursachen heran. Die müssen wir bekämpfen. Was heißt das? – Wir müssen in den Herkunfts- und Transitländern die Situation verbessern. Das hat eine entscheidende Bedeutung. Solange diese Menschen keine Chance auf Bildung, sozialen Aufstieg und wirtschaftlichen Erfolg haben, wird es für einen Großteil der Bevölkerung immer wieder Anreize geben, ihre Heimat zu verlassen und ihr Glück auf den zum Untergang geweihten Schlauchbooten zu suchen.

Machen wir uns nichts vor: Wir brauchen ein in sich konsistentes echtes Einwanderungsgesetz, das legale und sichere Wege nach Europa und Deutschland für qualifizierte Migranten aufzeigt. Gleichzeitig steht – das gilt für die politisch und anderweitig Verfolgten wie auch für die Kriegsflüchtlinge – unser Asylsystem dem offen gegenüber.

Deswegen ist wichtig: Wir müssen das Schleuserwesen bekämpfen. Wir müssen Perspektiven in den Herkunftsländern schaffen. Wir brauchen eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung in den Transitländern. Wir brauchen das Einwanderungsgesetz. Und wir brauchen die Schaffung legaler und sicherer Wege sowie ein europäisches Asylsystem.

Das wären die besten Voraussetzungen, in Zukunft die Einsätze der Seenotretter seltener, wenn nicht sogar komplett überflüssig zu machen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die AfD-Fraktion spricht Frau Kollegin Walger-Demolsky.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Seenotrettung ist im internationalen Seerecht eine Pflicht. „Safety of life at sea“ heißt die UN-Konvention zur Schiffssicherheit, die aktuelle SOLAS-Konvention, die fünfte, genannt SOLAS 74 nach dem Jahr ihrer letzten Novelle.

In dieser Konvention ist selbstverständlich auch geregelt, welche Sicherheitsausstattungen Boote haben müssen, die in See stechen. Man kann sagen: Keines dieser Boote, die Flüchtlinge und Migrationswillige besteigen, hat auch nur annähernd diese erforderliche Ausrüstung. Aber nicht nur diese Ausstattung fehlt. Es fehlt in der Regel ebenfalls an einem

eigenen Antriebsmotor, es fehlt an Treibstoff, es fehlt an Proviant. Für eine längere Überfahrt oder gar eine Mittelmeerüberfahrt sind diese Boote nicht gedacht und nicht geeignet.

Das heißt, eine aus diesen Parametern folgende Seenotsituation ist wissentlich herbeigeführt.

Schließlich ist eine längere Fahrt auch gar nicht geplant. Man wartet in der Regel gutes Wetter ab und wird dann, so ist der Plan, in kürzester Zeit von Hilfsschiffen, die zum Beispiel vor der Küste Libyens warten, aufgenommen. Mit Radarreflektoren ist so ein Boot in der Regel schnell gefunden, also quasi schon beim Ablegen, aber eben nur in der Regel.

Seenotrettung an dieser Stelle würde bedeuten: Ein solches Schlauchboot wird in Schlepp genommen und dorthin zurückgebracht, wo es gestartet ist. Aber mitnichten! Die NGOs berufen sich auf das sogenannte Refoulement-Verbot, einen völkerrechtlichen Grundsatz, der die Rückführung von Personen in Staaten untersagt, in denen ihnen Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Kann dieses Refoulement-Verbot aber Anwendung finden auf Staaten, in denen sogenannte Flüchtlinge schon viele Monate, zum Teil Jahre, freiwillig verbracht haben, um sich eines Tages von dort auf den Weg nach Europa zu machen?

Selbst wenn wir im Falle Libyens dem dennoch aktuell zustimmen, so wäre die Verbringung in den nächsten sicheren Hafen das Gebot der Seenotrettung. Das wäre zum Beispiel Tunesien, aber sicherlich nicht die Überfahrt nach Europa.

Somit betreiben die NGOs wie zum Beispiel die deutsche Hilfsorganisation Sea-Eye das Geschäft der kriminellen Schleuser, sagt der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz. Oder wenn Ihnen der Grüne Boris Palmer lieber ist, Frau Aymaz, dann zitiere ich ihn: „Die Seenotretter sind Teil des Kalküls der Schlepper.“ – Es gäbe sie nicht, wenn die seeuntüchtigen Schlauchboote nicht in See stechen würden und nicht von diesen Booten aufgenommen würden.

Dass Frau Aymaz sich selbst auf die „Alan Kurdi“ begeben hat, um dort für diesen Antrag den medialen Rahmen zu schaffen, macht das Handeln der NGOs keinesfalls besser. Die einzig richtige Reaktion ist die des italienischen Innenministers Matteo Salvini, der solche Schiffe nicht mehr in italienisches Hoheitsgewässer einlaufen lässt.

Einer Lösung auf EU-Ebene, auf Bundesebene, auf Landesebene sowie für Kommunen bedarf es gar nicht, wenn die Grundsätze der Seenotrettung eingehalten und die zu rettenden Boote zurück ans afrikanische Festland gebracht würden und vor Ort geholfen würde. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)