Protokoll der Sitzung vom 24.05.2019

Ein reiner Islam der Konsulate bringt uns nicht weiter.

Bis 2017 haben wir uns nur auf den bekannteren Islam, nämlich den organsierten Islam fokussiert. Die großen Organisationen können aber nicht für die rund 30 anderen sprechen. Mit der Koordinierungsstelle „Muslimisches Engagement in NRW“ wollen wir den Gesprächsfaden mit Muslimen aufbauen, halten und weiterspinnen.

Es ist klar: Wir müssen die Weichen neu stellen. Das kann aber nur gelingen, wenn wir unser Augenmerk vor allem auf freiheitliche, europäische und weltoffene Akteure richten und diese Einstellungen auch erwarten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es sind nicht nur die großen Verbände, die unsere Aufmerksamkeit verdienen; auch kleinere, freiheitliche Moscheegemeinden und Vereinigungen müssen ihre Meinung zu unserer Gesellschaft einbringen können. Das haben wir konkret im Blick.

Wir wollen allen Muslimen einen Raum für Dialog geben. Selbstverständlich können wir diesen Dialog nur anstoßen; schließlich wollen wir die weltanschauliche Neutralität des Staates wahren. Wir können jedoch Impulsgeber sein, damit ein Dialog der Muslime nach innen, aber auch nach außen stattfindet.

Das im Ausschuss vorgestellte Dreisäulenmodell stimmt mich zuversichtlich: Erstens. Die Koordinierungsstelle stößt ein Forum für die muslimische Zivilgesellschaft an. Zweitens. Sie erörtert momentan die Zusammensetzung eines Expertenrats, der bei tagesaktuellen oder grundsätzlichen Gesellschaftsthemen zurate gezogen werden kann. Drittens. Sie nimmt das Projektmanagement in den Blick und bietet sich als Ansprechpartner für Projektförderungen in unterschiedlichen Bereichen an.

Die Koordinierungsstelle dient somit nicht nur der Zusammenarbeit, sondern darüber hinaus auch dem Zusammenleben aller. Zu diesem Zusammenleben gehört auch, dass erstens die Lebenswirklichkeiten von Muslimen in NRW Berücksichtigung finden und zweitens eine Vernetzung von Akteuren stattfindet. Einen solchen Koordinationspartner stellen wir uns vor.

Der Landeshaushalt für das Jahr 2019 berücksichtigt bereits die Einrichtung einer Koordinierungsstelle für Muslime in NRW. Einer Arbeitsaufnahme der Koordinierungsstelle steht also nichts mehr im Wege. Als NRW-Koalition wollen wir endlich eine Struktur schaffen, um nicht nur über Muslime zu sprechen, sondern um gemeinsam mit ihnen an einem noch besseren NRW für uns alle zu arbeiten. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Wermer. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Der Islam gehört zu Nordrhein-Westfalen, und die mehr als 1 Million Menschen muslimischen Glaubens bei uns im Land, die ihre Heimat hier haben, gehören auch zu uns.

Dieses Land ist auch ihr Land und somit auch ihre Heimat. Sie haben Nordrhein-Westfalen mit geprägt, sie tun es Tag für Tag. Sie sind ein Teil unserer Gesellschaft. Das sei vorweggeschickt, um zu verdeutlichen, warum es so wichtig ist, dass wir mit diesen Menschen in einen engen Kontakt kommen.

Frau Wermer hat vorhin gesagt, dass die Landesregierung das Dialogforum Islam aufgekündigt hat. Ja, das war in der öffentlichen Diskussion. Ich finde es auch richtig, dass Sie das aufgekündigt haben. Wir hatten das wegen der Spionagevorwürfe gegen DITIB ausgesetzt.

Sie werden sich daran erinnern, dass wir gesagt haben: Solange nicht geklärt ist, wie wir mit DITIB umgehen, wie DITIB mit uns umgeht und wie DITIB sich aufstellt, können wir nicht mehr mit euch reden. –

Deswegen wurde das Dialogforum Islam von der alten Landesregierung ausgesetzt. Das war ein wichtiger Schritt, um deutlich zu machen, wo wir als Landesregierung stehen.

Bei der Koordinierungsstelle und dem Expertenrat, den Sie jetzt einrichten wollen, haben wir das Problem, dass Sie DITIB wieder mit einbinden. Ich finde, Sie machen hier wieder das Tor für einen Verband auf, der sich immer noch nicht klar positioniert hat, und der immer noch nicht klar zu unserer Gesellschaft und zu unserer Werteordnung steht. Deswegen bin ich sehr gespannt, wie Sie das anstellen wollen.

(Beifall von Berivan Aymaz [GRÜNE])

Wir als SPD-Fraktion begrüßen es, dass Sie einen größeren Teil muslimischer Akteure einbinden wollen. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele reformorientierte Gemeinden, aber auch viele andere Organisationen, die für das muslimische Leben stehen. Deswegen ist es gut, dass Sie versuchen, sie alle einzubinden.

Ich habe an der einen oder anderen Stelle schon mal gesagt, dass ich es für wichtig halte, diese kleineren Gemeinden einzubinden und zu berücksichtigen. Damit würde deutlich, dass es eben nicht nur DITIB gibt, nicht nur VIKZ und wie sie alle heißen, die für sich immer in Anspruch nehmen, für die Muslime in NRW zu sprechen. Das stimmt einfach nicht. Das muslimische Leben in NRW ist weitaus vielfältiger, als es dargestellt wird. Deswegen ist es auch gut, dass Sie das so angehen. Dafür an dieser Stelle ein Lob von uns.

Gleichwohl haben wir grundsätzlich immer noch einige Probleme mit diesem Antrag. Es sind ein paar Fragen offengeblieben, und ich will Ihnen sagen, was uns nicht überzeugt.

Sie sehen eine Intensivierung des religiösen Dialogs vor. Dabei ist immer noch nicht klar geworden, welche Rolle religiöse Fragen in der Koordinierungsstelle spielen sollen und wie das Ministerium diese Rolle unter dem Gebot „Trennung von Kirche und Staat“ moderieren will. Für uns ist eines ganz wichtig: Religion und Staat müssen getrennt bleiben. Allerdings sehen wir noch nicht genau, wie Sie das umsetzen wollen.

Sie greifen in Ihrem Antrag den religiösen Extremismus auf. Ja, das ist ein Thema; denn es gibt einzelne Moscheegemeinden – davor darf man die Augen nicht verschließen –, in denen eine Radikalisierung stattfindet. Wenn Sie aber den Dialog mit den Muslimen in Nordrhein-Westfalen gestalten wollen, dann ist eine solche Stigmatisierung erst mal nicht hilfreich.

Wir denken – ich habe auch den Minister in der letzten Ausschusssitzung so verstanden; da sind wir einer Meinung –, dass der Kampf gegen den religiösen

Extremismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht nur die religiösen Gemeinden vollziehen müssen.

Den Expertenrat sehen wir an einer Stelle auch etwas kritisch. Gerade in den letzten Wochen wurde noch einmal sehr deutlich: Es kann nicht sein, dass die Staatssekretärin ein Thema in die Welt setzt, zu dem das Ministerium keine Zahlen vorliegen hat. Der Minister ist dann bemüht, diese Debatte wieder einzufangen. Die Landesregierung befragt anschließend den Expertenrat dazu. Das ist ein merkwürdiges Politikverständnis. Wir sind der Meinung, dass genau dafür der Expertenrat eigentlich nicht da sein sollte.

Dieser Antrag ist jetzt nach zwei Jahren Ihrer Regierungszeit ein erstes Signal an die Muslime in Nordrhein-Westfalen. Allerdings ist die Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch die Ausgestaltung und Umsetzung der Arbeit der Koordinierungsstelle noch etwas diffus.

Hinzu kommt, dass, wie wir jetzt erfahren haben, Professor El-Mafaalani, der – wie ich finde – Querdenker, derjenige, der das Konzept entwickelt hat, nach einem Jahr im Ministerium nun aufhört. Wir fragen uns: Wie geht es da jetzt eigentlich weiter? Das kam sehr überraschend.

Die Redezeit.

Ich möchte noch kurz den Minister zitieren, der gesagt hatte, dass Professor ElMafaalani, der dieses Konzept entwickelt hat, diese Aufgabe hervorragend angehen werde. – Jetzt ist er von Bord gegangen. Da stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?

Wir werden uns enthalten und hoffen, dass diese Koordinierungsstelle ihre Arbeit gut machen wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die die zweite antragstellende Fraktion, die FDP-Fraktion, hat Herr Kollege Lenzen jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! NRW ist ein vielfältiges Land. Darauf können wir stolz sein; denn unsere Vielfalt ist unsere Stärke. Menschen verschiedenster Religionen leben bereits seit Jahrhunderten im Rheinland, in Westfalen und Lippe. Nach den Angehörigen der christlichen Kirchen stellen dabei die Muslime die größte Gruppe dar.

Für ein friedliches Zusammenleben brauchen wir den Dialog zwischen den Menschen der unterschiedlichen Glaubensrichtungen. So ist es richtig, dass die NRW-Koalition aus FDP und CDU mit unserem Integrationsminister Dr. Joachim Stamp in der Zusammenarbeit mit den Muslimen hier in unserem Land neue Wege geht. So schaffen wir mit der Koordinierungsstelle „Muslime in NRW“ eine Plattform, um den Dialog mit dem Islam auf eine neue Grundlage zu stellen.

Von der Kollegin Wermer haben wir schon im Detail gehört – deswegen von mir in aller Kürze –, dass die Koordinierungsstelle auf drei Säulen baut: erstens auf ein „Forum muslimische Zivilgesellschaft“ als Dialogplattform, zweitens auf einen Expertenrat als Beratungsgremium und drittens auf ein Projektmanagement zu Themen wie Empowerment, Vernetzung und Antidiskriminierung.

Aus der Vergangenheit haben wir gelernt: Die vorherige Konzentration auf meist türkische und konservativ geprägte Verbände hat die Vielfalt des Islams nicht wirklich berücksichtigt. Ich glaube, ich kann hier für vier Fraktionen im Hause sprechen – die ganz rechts im Hause mögen das anders sehen –: Den Islam gibt es nicht; aber die Menschen, egal welcher Religion sie angehören, gehören zu uns.

(Beifall von der FDP)

Insofern ist es richtig, dass die NRW-Koalition diesen Islam-Dialog mit allen Akteuren begehen möchte. Wir brauchen ein Abbild der gesamten Vielfalt, und dazu gehören auch weltoffene und liberale Akteure und Verbände.

Wir wollen eben nicht DITIB und Diyanet die Hoheit über diesen Dialog überlassen. Welche Folgen das hat, haben wir doch in Köln bei der dortigen IslamKonferenz gesehen, woran Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft teilgenommen haben. Das läuft allen Anstrengungen zur Integration von Muslimen entgegen. Daher werden wir den Dialog mit den Islamverbänden auf neue Füße stellen.

Ich halte es für richtig, dass wir als Land – da stehen wir auch in der Verantwortung – den Dialog, zumindest die Organisation des Dialogs, in die Hand nehmen. Wir brauchen dort auch Raum für einen innerislamischen Diskurs.

Für ein friedliches Zusammenleben verschiedener Religionen brauchen wir die Auseinandersetzung nicht nur innerhalb der einzelnen Konfessionen, sondern auch unter den einzelnen Religionen. Daher ist es konsequent, in einem nächsten Schritt die bestehenden Initiativen und Ansätze so weit zu verstärken, dass ein interreligiöser Dialog fortentwickelt werden kann.

Machen wir uns nichts vor: Dialog baut bestehende Vorurteile ab, zeigt Gemeinsamkeiten auf und kann auch das Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen.

Denn wir alle sind NRW. Eines muss klar sein: Antisemitismus, Islamophobie, Christenfeindlichkeit und andere religionsfeindliche Gewalt haben keinen Platz in unserer Gesellschaft.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Dort, wo sie vorkommen, müssen sie mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden. Am besten sollte es gar nicht erst so weit kommen. Deswegen müssen wir verstärkt im Bereich Prävention ansetzen. Der interreligiöse Dialog kann ein Teil davon sein.

NRW ist ein Einwanderungsland. Wenn Menschen aus anderen Ländern zu uns kommen oder bereits hier sind, dann muss man schauen, in welcher Rechts- und Werteordnung sie aufgewachsen sind. Es ist umso wichtiger, dass wir hier unsere freiheitlich-demokratischen Grundwerte vermitteln; denn sie bilden die Basis für unser Zusammenleben. Das ist auch Bestandteil eines Integrationsprozesses. Daher kann vielleicht eine Chance darin liegen, den IslamDialog oder auch den interreligiösen Dialog zur Unterstützung zu nutzen.

Wichtig ist, an dieser Stelle zu betonen: Nicht alle Migranten sind Muslime. Das wäre so, als würde man umgekehrt die hier schon lebenden Muslime außer Acht lassen. Wir dürfen nicht, wie das immer wieder gerne bei einer Fraktion passiert – das haben wir heute Morgen noch erlebt –, Clankriminalität mit Islam gleichsetzen. Dort werden auch Flüchtlinge und Terrorismus gleichgesetzt. Wir haben heute gehört, dass die AfD generell kein Problem mit Ausländern hat, solange es Belgier und Australier sind. Das zeigt deren beschränkte Sichtweise auf unsere Welt.

An einem Islam-Dialog dürfte dieser einen Fraktion also nicht gelegen sein. So müssen wir es feststellen. Zusammen mit den anderen Fraktionen kann man aber sicher sagen, dass wir unsere gelebten Werte in einen solchen Dialog mit hineinnehmen möchten.

Die Redezeit.

Das ist auch keine Frage nur von Muslimen, sondern das ist eine Aufgabe für uns alle. Das ist ganz wichtig. Wir brauchen dort neue Ansätze. Darauf müssen wir uns jetzt konzentrieren, auf diesen Aspekt genauso wie auf die eben erwähnten Aspekte.