Protokoll der Sitzung vom 14.09.2017

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Bildungsgerechtigkeit, von der Sie sprechen, hat immer ganz viel mit Gebührenfreiheit zu tun. Entscheidend ist aber zunächst einmal, dass das öffentliche Bildungssystem funktioniert. Herr Römer, Herr

Klocke, eine Familie mit akademischem Bildungshintergrund und Einkommen kann Unterrichtsausfall in der Schule dadurch kompensieren, dass am Küchentisch der Satz des Pythagoras erklärt wird oder bezahlte Nachhilfe finanziert wird oder, wie Frau Schwesig das macht, die Kinder gleich auf eine Privatschule geschickt werden. Das ist für Akademikerfamilien und für Wohlhabende möglich.

Die Familien, die selbst nicht über einen Bildungshintergrund verfügen, sind auf die öffentlichen Schulen angewiesen. Deshalb muss man den Respekt vor Kindern und Jugendlichen wieder an der Unterrichtserteilung und am Zustand der Schulen erkennen können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Ich habe mich gewundert, dass eines nicht kam – aber vielleicht kommt es von den Grünen noch; oder ich habe es überhört –, nämlich, dass Sie uns für die Einführung von Studienbeiträgen für Nicht-EUAusländer kritisiert haben.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Das mache ich gleich!)

Das machst du gleich, lieber Arndt Klocke. Wunderbar! Ich freue mich darauf. Ich freue mich darauf, dass dieses Gerechtigkeitsproblem hier zum Thema gemacht wird.

Wir wollen die Studienbedingungen in NordrheinWestfalen verbessern; denn sie sind im Bundesvergleich zu schlecht und haben sich in den vergangenen sieben Jahren unter rot-grüner Verantwortung weiter massiv verschlechtert.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn ich mich richtig erinnere, hat eine gesetzliche Krankenkasse, die AOK, in einer Studie festgestellt, dass nirgendwo in Deutschland das Studium so stressig ist wie in Nordrhein-Westfalen und dass für junge Menschen sogar Gesundheitsrisiken davon ausgehen. Wir müssen also die Studienbedingungen verbessern.

Wir haben uns entschieden, da auch Schwerpunkte in der Haushaltsplanung der nächsten Jahre zu setzen. Das allein wird aber nicht ausreichen. Deshalb haben wir eine Maßnahme in Vorbereitung, nämlich, einen Studienbeitrag von Studierenden aus dem Nicht-EU-Ausland zu erheben.

Jetzt wird gesagt, das sei sehr ungerecht. Bei den Protesten, die ihr auf den Weg gebracht habt, wird übersehen, dass es zahlreiche Ausnahmen gibt – für Bildungsinländer, für Flüchtlinge, für Studierende aus Entwicklungsländern, für Hochbegabte, die ein Stipendium erhalten. Es werden aber von 86.000 Studierenden mit Nicht-EU-Pass gut 30.000 zahlen – zum Beispiel der Sohn des chinesischen Millionärs, der nach Nordrhein-Westfalen kommt, hier vier, fünf Jahre studiert,

(Zuruf von Marcus Pretzell [AfD])

ohne Abschluss nach verschwendeter Lebenszeit enttäuscht in die alte Heimat zurückkehrt und niemals in deutsche Sozialkassen einzahlen und Steuern in Deutschland zahlen wird.

(Martin Börschel [SPD]: Aber das Arbeiterkind aus Großbritannien zahlt demnächst auch! Das ist doch zynisch, was Sie machen!)

Es ist nicht gerecht, ein gebührenfreies Studium für jeden auf der Welt anzubieten. Es ist eine Frage der Verantwortung, dass wir das endlich beendet haben.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn man Bildung wirklich gerechter machen will, dann muss man doch beim Start anfangen. Herr Römer, Sie haben hier über Ihr altes Wahlprogramm gesprochen: 1 Milliarde € für gebührenfreie Kitas. Wer wünscht sich das nicht, gebührenfreie Kitas? Wir entlasten damit aber weniger die Krankenschwester, sondern mehr den Ingenieur, weil die Elternbeiträge abhängig vom Einkommen gestaffelt sind. Tatsächlich halten wir aber auch die Oberstudienrätin und den Ingenieur durchaus für eine Gruppe, die Entlastung erfahren darf. Nur müssen wir erst Prioritäten setzen.

(Zuruf von der SPD: Ab 18.000 € Jahresein- kommen!)

Sie haben uns doch politisch Kindertageseinrichtungen übergeben, die massiv unterfinanziert sind.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Herr Römer, Sie wagen es allen Ernstes, dem Ministerpräsidenten Täuschung vorzuwerfen. Und dann reden Sie hier davon, 1 Milliarde € für gebührenfreie Kitas auszugeben, während wir mit 500 Millionen € gerade dafür sorgen mussten, dass die von Ihnen gebührenfrei gemachten Kitas überhaupt noch ihre Türen öffnen, weil uns sonst nämlich die Einrichtungen vor die Füße geworfen worden wären.

(Starker Beifall von der FDP und der CDU)

Da reden Sie von Täuschung.

Minister Joachim Stamp hat durch das Kitarettungspaket mit 500 Millionen € im Nachtragshaushalt dafür gesorgt, dass wir jetzt akute Nothilfe leisten. Damit können wir uns natürlich nicht zufriedengeben. Wir werden jetzt das machen, was Sie in sieben Jahren immer nur angekündigt, aber niemals realisiert haben. Wir werden nämlich eine Reform des Kinderbildungsgesetzes in dieser Legislaturperiode anstrengen, um die Kitafinanzierung langfristig in sicheres Fahrwasser zu bringen. Eltern und Kinder, Erzieher und Kommunen können sich darauf verlassen, dass die Bildung kleiner Kinder bei uns wieder großgeschrieben wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Eine der ganz wichtigen Qualitätsfragen, die wir stellen müssen, wird die Frage der Betreuungszeiten sein. Das ist insbesondere für Familien wichtig, die im Schichtdienst arbeiten. Ich denke an die Polizistin, den Altenpfleger, den Busfahrer und andere aus der Mitte der Gesellschaft, für die die normalen Öffnungszeiten eben nicht ausreichen. Sie müssen Unterstützung erfahren.

Herr Pretzell, dabei geht es doch nicht um Fremdbetreuung. Dabei geht es doch nicht um Verstaatlichung der Bildung kleiner Kinder.

(Zuruf von Marcus Pretzell [AfD])

Vielmehr geht es darum, Wahlfreiheit zu ermöglichen. Und die Wahlfreiheit in Deutschland krankt nicht am mangelnden Respekt vor denjenigen, die ihre Kinder zu Hause erziehen wollen.

(Zuruf von Marcus Pretzell [AfD])

Wahlfreiheit in Deutschland scheitert daran, dass es keine öffentlich unterstützten Betreuungsangebote gibt.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen die Bildungsqualität verbessern. Die Voraussetzung dazu ist – ich sagte es schon – guter Unterricht, der auch stattfindet. Dafür brauchen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer. Wir haben von der Vorgängerregierung einen erschreckend hohen Lehrermangel übernommen. Auch die Einstellung in den Lehrerberuf gelingt nicht so, wie es sein müsste.

Frau Löhrmann hat vor der Sommerpause dem WDR gesagt, jetzt treffe die neue Regierung auf die Wirklichkeit. So ist es tatsächlich. Wir treffen auf die rotgrüne Realität, die uns hinterlassen worden ist, und müssen uns mit ihr auseinandersetzen.

Wir unterstützen Yvonne Gebauer dabei, diesen Stellenbedarf zu decken. Wir wollen natürlich Lehrer haben, die mit den neuesten pädagogischen Methoden vertraut sind und auch Fachlichkeit haben. Alleine so werden wir den akuten Stellenbedarf aber nicht decken können.

Deshalb wird es Quereinstieg geben müssen. Deshalb werden wir beispielsweise auch in den beruflichen Schulen unsere großartigen Meister stärker für den Schuldienst gewinnen müssen. Ich glaube, dass mehr Praxis im Schulalltag für die Qualität der Ausbildung nicht von Nachteil sein muss.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Die Umstellung des Abiturs von G8 auf G9 werden wir mit großer Sorgfalt vorantreiben. Die Schulen werden die versprochene Wahlmöglichkeit erhalten. Dort, wo G8 funktioniert, werden die Schulen nicht gezwungen, sich zu verändern. An allen anderen Schulen wird das Abitur nach neun Jahren zur Regel

werden. Ich begrüße, dass die Landesregierung angekündigt hat, zeitnah einen Gesetzentwurf vorzulegen.

Wir werden aber nicht die Fehler der Vorgängerregierung bei der Inklusion wiederholen. Schon der Duden sagt: Q wie Qualität kommt vor T wie Tempo. – Entscheidend ist, dass es in der Praxis funktioniert. Wir wollen nicht den schnellen Applaus auf Parteitagen erreichen.

(Martin Börschel [SPD]: Gibt es jetzt Ap- plaus?)

(Beifall von der FDP)

Da hätte ich jetzt Unterstützung erwartet, liebe Kollegen.

Zentral für uns Freie Demokraten ist zudem, dass wir den Schulen mehr Freiheit einräumen. Wir haben mit der Union deshalb verabredet, dass es ein Schulfreiheitsgesetz geben wird, mit dem die einzelne Schule zukünftig mehr autonome Gestaltungsspielräume erhält.

Der neue SPD-Vorsitzende hat gesagt, dass die Schulen diese Freiheit überhaupt nicht wollten – als sei Autonomie für die Einrichtungen vor Ort eine Bedrohung. Wir glauben, dass gerade vor Ort die Gestaltungsspielräume vergrößert werden müssen, damit Eltern, Lehrer, Schüler und die Kommunen genau die passgenauen Angebote finden können, die vor Ort benötigt werden.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Um Aufstiegschancen zu schaffen, werden wir mindestens 30 exzellente Talentschulen einrichten. Herr Römer, Sie haben gesagt, wir bräuchten 300. Wer wollte Ihnen widersprechen! Aber jetzt geht es erst einmal darum, dass wir an 30 besonders förderbedürftigen Stellen, in 30 Stadtteilen mit besonderem Erneuerungsbedarf, Leuchttürme schaffen, um zu signalisieren: Wir lassen die Menschen genau dort nicht allein. Wir setzen dort auf das Leistungsprinzip. Wir wollen zu Aufstieg anregen und nicht einfach nur kümmern und fürsorglich vernachlässigen.

(Beifall von der FDP und der CDU)