Protokoll der Sitzung vom 27.11.2019

Dagegen ist Art. 2 – und damit das Ausführungsgesetz zum vorgenannten Staatsvertrag an sich – wesentlich detaillierter und damit differenzierter zu betrachten.

Die Ablösung der bisherigen Experimentierklausel führt durch eine zeitlich befristete Neuregelung des Sportwettenmarktes und eine damit verbundene Aufhebung der bisherigen Beschränkung der Anzahl der Konzessionen zu neuen Herausforderungen, insbesondere für den Vollzug.

Regelungsrelevant sind beispielsweise Abstandsregelungen von Wettannahmestellen in den Kommunen. Es ist gut, dass nun zwischen Wettvermittlungsstellen ein Abstand von 350 m Luftlinie nicht unterschritten und diese nicht in räumlicher Nähe zu Schulen und Jugendhäusern betrieben werden sollen, ähnlich der Regelung für Spielhallen.

Allerdings wird kein Mindestabstand zwischen Spielhallen und Annahmestellen vorgegeben. Das halten wir für falsch. Die Abstandsregelungen sind also nicht vollständig kohärent, und die Umsetzung bleibt letztendlich an den Kommunen hängen.

Auch die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht sieht an dieser Stelle eindeutigen Nachbesserungsbedarf. Außerdem ist durch die Möglichkeit begründeter Ausnahmen bereits wieder eine Hintertür geöffnet. Auch hier liegt der Schwarze Peter beim Vollzug, ein Problem, das generell beim terrestrischen Glücksspiel auftritt.

So ist es Aufgabe der lokalen Ordnungsbehörden, zu prüfen, ob fachlich geschultes Personal in den Spielhallen zum Einsatz kommt und ob, wenn es vorhanden ist, diese Fachkenntnis tatsächlich zur Sicherung des Jugend- und des Spielerschutzes beiträgt. Die Aufgaben der Ordnungsbehörden wachsen also weiter, auch weil künftig Sportwetten in einer nicht limitierten Anzahl von Anbietern möglich sind inklusive sogenannter eigeschränkter Livewetten auf Spielergebnisse.

Nun wollen die Regierungsfraktionen mit ihrem in allerletzter Minute vorgelegten Änderungsantrag die Übertragung der Überwachung nach dem Geldwäschegesetz auf die Kommunen, die ursprünglich von der Landesregierung vorgesehen war, wieder zurücknehmen. Damit wird leider nur einem Teil der Einwendungen gegen den Gesetzentwurf entsprochen.

Schon heute – das zeigte die Anhörung – können sich die kommunalen Ordnungsbehörden über zu wenig Arbeit bei der Umsetzung von Vorschriften rund um das Thema „Glücksspiel“ nicht beklagen. Natürlich muss die Frage erlaubt sein, ob der angestrebte Kanalisierungsanspruch durch die Öffnung im Bereich Sportwetten tatsächlich realisiert werden kann.

Auch die jüngsten Ermittlungen gegen den Anbieter Tipico lassen an der Sinnhaftigkeit der vorgesehenen Regelungen für Sportwetten zweifeln. Gleiches gilt für den konsequenten Schutz gefährdeter Personen durch die Möglichkeit der Spielersperre, die derzeit noch viel Luft nach oben lässt.

Es bleiben also zahlreiche Fragen offen. Aus diesem Grunde können wir Art. 2 des vorgelegten Umsetzungsgesetzes nicht zustimmen. Wir hoffen, dass im Laufe der weiteren Verhandlungen zum Glücksspielstaatsvertrag der Spielerschutz eine stärkere Rolle spielen wird, als es sich bislang andeutet.

Den Art. 3 des Gesetzes, der das Inkrafttreten regelt, lehnen wir folgerichtig auch ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Müller-Witt. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Frau Freimuth.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die derzeitige Glücksspielregulierung ist eher ein Konjunkturprogramm für illegale Angebote. Deswegen stehen wir in der Verantwortung, das Spielbedürfnis auf der einen Seite zu akzeptieren und im Zusammenwirken von Politik, Wissenschaft, Anbietern, Prävention und Verwaltung eine Regulierung vorzusehen.

Ich mache kein Geheimnis daraus: Mir wäre es lieber, wir würden hier nicht über einen Glücksspielstaatsvertrag diskutieren, der lediglich eine Zwischenlösung für den Bereich der Sportwetten regelt, sondern wir könnten zu einer ergebniskohärenten Rahmensetzung für den Markt des Glücksspiels, sei es terrestrisch oder online, kommen, in dem sich die Marktteilnehmer in klar definierten Grenzen bewegen – mit Jugendschutz –, die natürlich Glücksspielprävention berücksichtigt, in denen aber ansonsten ohne den erhobenen Zeigefinger mündigen Erwachsenen legale Angebote des Spiels gemacht und den Glücksspielanbietern transparente Kriterien für die eigenverantwortliche Entwicklung eines Spielangebotes aufgegeben werden.

Leider haben wir diese Neuausrichtung der Glücksspielregulierung noch nicht erreichen können. Ich wünsche Herrn Staatssekretär Liminski für die weiteren Verhandlungen im Länderkreis – den klugen Verstand hat er ja schon – die notwendige glückliche Hand und viel Erfolg.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Heute diskutieren wir eine Zwischenlösung für den Bereich der Sportwetten, bei der die Bedürfnisse der verschiedenen Akteure in Einklang zu bringen sind.

Die Anbieter von Sportwetten müssen Klarheit haben, welche Dienstleistungen sie in welcher Form anbieten können.

Denn auch wenn der eine oder andere das menschliche Bedürfnis nach Glücksspiel, das wahrscheinlich genauso alt ist wie unsere Kultur insgesamt, lieber negieren würde: Glücksspielangebote werden nachgefragt.

Wir haben als Gesetzgeber nur, aber eben auch die Verantwortung, bedenkliche Formen des Spiels unter Aspekten des Verbraucherschutzes und der Suchtprävention einzuschränken. Und unsere Kommunen brauchen natürlich ein durchsetzbares Gesetz, um den Vollzug sicherzustellen. Der vorliegende Gesetzentwurf und die eingebrachten Änderungsanträge dienen dazu, den verschiedenen Akteuren in der Übergangsphase gerecht zu werden.

In der durchgeführten Sachverständigenanhörung wurden seitens der kommunalen Spitzenverbände mit Blick auf die Zuständigkeiten bei der Bekämpfung der Geldwäsche wertvolle Hinweise geliefert. CDU und FDP haben diese Anregungen in einem Änderungsantrag aufgegriffen.

Da es sich um eine Übergangsregelung handelt, möchte ich Vorfestlegungen für den Vierten Glückspielstaatsvertrag mit einer mittel- bis längerfristigen Regulierung zum heutigen Zeitpunkt vermeiden.

(Beifall von Ralf Witzel [FDP])

Deshalb möchten wir den Übergangszeitraum – das haben wir in dem Änderungsantrag ebenfalls herausgestellt – um ein Jahr erweitern, um nicht die Anbieter oder die vollziehenden Behörden in Rechtsstreitigkeiten hineinzutreiben.

Die Freien Demokraten, auch hier im Landtag, stehen für einen Markt, auf dem die Anbieter in klar definierten Rahmenbedingungen frei agieren können und Konzessionen nach qualitativen Kriterien vergeben werden und in dem eine regulatorische Gleichbehandlung der Onlineangebote erfolgt. Wir stehen für einen Markt, in dem Bürger als mündige Verbraucher faire und zuverlässige Glücksspielangebote nachfragen können.

Wir brauchen eine effiziente Aufsicht zur Durchsetzung der Spielregeln. Und wir brauchen Unterstützungsangebote zur Prävention sowie für Wege aus der Glücksspielsucht für diejenigen Menschen, die aufgrund ihrer Sucht ihre Mündigkeit im Glücksspielmarkt verloren haben oder sie zu verlieren drohen.

Der heute zur Abstimmung stehenden Übergangsregelung stimmen wir zu, und zwar mit allen drei Artikeln, denn sie bedeutet einen notwendigen Zwischenschritt. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Freimuth. – Nun spricht für Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Engstfeld.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das vorgelegte Gesetz stellt einen qualifizierten Zwischenschritt auf dem Weg zu einem neuen Glückspielstaatsvertrag dar. Der Zwischenstaatsvertrag verschafft uns Zeit für die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern über den neuen Staatsvertrag, den wir dringend brauchen, gerade im Hinblick auf das Onlinespiel.

Auch ich wünsche dem Chef der Staatskanzlei für die Verhandlungen mit den anderen Bundesländern eine glückliche Hand, insbesondere im Interesse des Spielerschutzes. Insofern stimmen wir heute den Art. 1 und 3 des Gesetzes zu.

Kritik äußern wir aber zu Art. 2 und zu dem Verfahren hier im Haus.

Zu Art. 2 haben wir im Hauptausschuss eine sehr aufschlussreiche Anhörung durchgeführt. Im Gesetz war vorgesehen, dass die örtlichen Ordnungsbehörden die Aufsicht nach dem Geldwäschegesetz für unerlaubte Glücksspiele übernehmen sollten. Diese Aufgabenübertragung ohne Not und auch ohne Kostenausgleich wurde durch die Kommunen entschieden abgelehnt.

Die Landeskoordinierungsstelle Glücksspielsucht Nordrhein-Westfalen machte deutlich, dass sie eine Reihe der Regelungen begrüßt, sich aber noch deutlich mehr im Sinne des Spielerschutzes gewünscht hätte, zum Beispiel beim Mindestabstand, bei den Öffnungszeiten oder bei der Zutrittskontrolle.

Die Anhörung fand am 26. September statt, die abschließende Beratung und Abstimmung im Hauptausschuss letzte Woche Donnerstag, also am 21. November. Keine 24 Stunden vor der Abstimmung erreichte uns ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen. Sie hatten seit dem 26. September viel Zeit, Änderungen vorzuschlagen, und dann kommt ein Änderungsantrag in einer so kurzen Frist. Das ist aus unserer Sicht bei solch einem komplexen Thema nicht akzeptabel.

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Eine Beratung in den Gremien wurde den anderen Fraktionen somit fast unmöglich gemacht. Liebe Fraktionen von CDU und FDP, das ist kein guter Stil. Sie hätten den Änderungsantrag auch eine Woche früher einbringen können. Oder hat etwa die Regierung so lange gebraucht, Ihnen die Formulierungshilfe zu liefern?

Einen Teil der Änderungen begrüßen wir aber durchaus, beispielsweise die Herausnahme der von den

Kommunen so heftig kritisierten Aufgabenübertragung bei der Geldwäsche oder die Konkretisierung des Sichtschutzverbotes.

Nicht geändert werden die Regelungen zu den Öffnungszeiten. Kein Mensch kann mir derzeit erklären, warum eine Spielhalle bereits um 6 Uhr morgens öffnen muss und dann bis 23 Uhr oder länger durchgehend geöffnet hat. Da springen die Koalitionsfraktionen in ihrem Änderungsantrag deutlich zu kurz.

Im Hauptausschuss habe ich das differenzierte Abstimmungsverhalten meiner Fraktion zu den einzelnen Artikeln bereits erläutert. In aller Kürze noch einmal zusammengefasst: Da wir den Übergangsvertrag richtig finden, aber die Umsetzung in Art. 2 auch in der geänderten Fassung für nicht gelungen halten, werden wir den Art. 1 und 3 unsere Zustimmung geben, uns allerdings aus den oben genannten Gründen zu Art. 2 enthalten. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Engstfeld. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Keith.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Nachgang bin ich froh, dass ich der Anfrage, die Rede zu Protokoll zu geben, widersprochen habe. Mir ist es wichtig, dass wir noch einmal darüber sprechen, was in den letzten Wochen und Monaten in der Beratung im Hauptausschuss passiert ist und wie es überhaupt zu diesem Zwischenschritt gekommen ist.

Dieser Zwischenschritt ist nur deshalb entstanden, weil alle Parteien in den letzten 10 bis 15 Jahren das Thema komplett verschlafen haben. 1996 eröffnete die Firma Intertops aus Salzburg das erste Onlineangebot hier in Deutschland. Noch 2013 sprach eine führende CDU-Politikerin davon, das Internet sei Neuland. Das erklärt vielleicht ein Stück weit, warum man diese Entwicklung so verschlafen hat.

Der Niedergang des klassischen Glücksspiels, nicht nur hier in Nordrhein-Westfalen, der ca. 2005 einsetzte, war ein Hinweis darauf, dass das klassische Spiel durch genau diese Angebote, die momentan zu Dutzenden gemacht werden, abgelöst wird.

Nun ist das, was Sie gerade im zweiten Abschnitt Ihres Gesetzentwurfs vorschlagen, nicht geeignet, um den entsprechenden Gesetzgebungen Geltung zu verschaffen. Sie reglementieren den Sportwettenmarkt, insbesondere den stationären Bereich mit den Wettbüros, verkennen aber die Situation, dass der Spieler seinen Spieltrieb weiter ausleben wird. Wir haben in Deutschland 500.000 Spieler, die bereit sind, regelmäßig Einsätze zu tätigen, und 200.000 pathologische Spieler.

Jetzt reglementieren Sie den stationären Bereich und lassen den Onlinebereich völlig unreglementiert. Jeder Experte – egal, ob Sie bei den Bochumer Gesprächen zum Glücksspielrecht oder auf dem Berliner Kongress zum Glücksspielwesen sind; es ist völlig egal, wen Sie fragen; alle haben dieselbe Meinung zu dem Thema – sagt Ihnen: Wenn Sie die stationären Sportwetten reglementieren, müssen Sie gleichzeitig das Onlineglücksspiel auch reglementieren. Ansonsten wandern Ihnen die Spieler ab, und der Kanalisierungseffekt ist dahin.

Eine zweite Entwicklung, die sich daraus ergibt, macht mir auch große Sorgen. Deswegen wollte ich im Plenum noch einmal darüber sprechen. Die Onlineanbieter schlafen nämlich nicht. Sie positionieren sich gerade in dieser Zeit, in der es noch keine Reglementierung gibt und keine Verfolgung der illegalen Angebote stattfindet, und bereiten sich darauf vor, dass viele Spieler aus dem stationären Bereich jetzt auf sie zukommen.

Wie machen sie das? Indem sie Personen des öffentlichen Interesses – Persönlichkeiten wie Oliver Kahn und Bastian Schweinsteiger – als Repräsentanten für ihr Geschäftsmodell gewinnen und Vereine mit Werbedeals und entsprechenden Einnahmen ausstatten. Was wollen sie damit erreichen? Sie wollen eine hohe Akzeptanz der Wetten und Onlineglücksspiele herstellen. Das passiert momentan im großen Bereich.