Protokoll der Sitzung vom 24.06.2020

Damit die Bemühungen an den Hochschulen vor Ort landesweit sichtbar werden und eine mit der Bestenauswahl verbundene effektive Frauenförderung zu einer wichtigen Benchmark wird, möchten wir nicht zuletzt einen Landesgleichstellungspreis für exzellente Gleichstellungsarbeit an Hochschulen ausloben.

Meine Damen und Herren, es kann wohlfeil wirken, sich als Mann hier in den Landtag zu stellen und als Feminist zu outen. Ich garantiere Ihnen aber, dass wir die Entwicklung in den kommenden Monaten intensiv beobachten werden. Diese Gehaltsunterschiede zulasten von Frauen sind in einer aufgeklärten, offenen Gesellschaft nicht hinzunehmen.

Wir wollen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Elternverantwortung unterstützen. Vor allem brauchen wir auch das kreative Potenzial unserer starken Frauen in der Wissenschaft. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU, Daniela Beihl [FDP] und Franziska Müller-Rech [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion hat nun die Abgeordnete Frau Beihl das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, dass wir als NRW-Koalition noch vor der Sommerpause ein sehr wichtiges Thema in die Hand nehmen. Wir werfen ein Thema auf, das aus meiner Sicht in der Vergangenheit zu wenig Beachtung gefunden hat: Frauen in der Wissenschaft.

Unser Antrag „Nordrhein-Westfalens Potenziale nutzen: Frauen in der Wissenschaft stärken, Entgeltdifferenz abbauen, diskriminierungsfreie Beurteilung von Leistung in der Wissenschaft gewährleisten“ trifft den Kern der politischen Überzeugung der Freien Demokraten: Chancen- und Bildungsgerechtigkeit.

Wir wollen Chancengerechtigkeit zwischen Frauen und Männern. Wir wollen, dass beim Vorankommen durch eigene Leistung das Geschlecht keine Rolle spielt.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Für uns Freie Demokraten gilt das für alle gesellschaftlichen Bereiche. Deshalb setzen wir uns mit diesem Antrag dafür ein, dass geschlechterbezogene strukturelle Hürden und Ungleichheiten an unseren Hochschulen aufgebrochen werden.

Schauen wir uns die aktuelle Situation einmal an: Der im Herbst erschienene Gender-Report zeigt Licht und Schatten. Seit 2000 sind die Anteile von Frauen in allen Qualifizierungsstufen – von der Absolventin und der Promovierenden über die Juniorprofessorin bis hin zur Professorin – signifikant angestiegen.

An dieser Stelle möchte ich einen ausdrücklichen Dank an unsere Hochschulen richten, die hier schon sehr gute Arbeit geleistet haben.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Dennoch gibt es aus unserer Sicht einige Baustellen. Sehen wir zum Studienstart in NRW quasi eine paritätische Studierendenschaft und eine gute Umsetzung des Gleichstellungsgedankens, gibt es über alle Qualifizierungsstufen, Personal- und Fächergruppen hinweg große Unterschiede. So machen weniger Frauen mit dem Master weiter, weniger

Frauen schließen diesen ab, und weniger Frauen promovieren und habilitieren sich.

Folgendes schockt mich persönlich am meisten: Zwischen Männern und Frauen besteht ein großer Entgeltunterschied. So verdienen verbeamtete Vollzeitprofessorinnen, weil sie durchschnittlich deutlich geringere Leistungsbezüge erhalten, 521 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen. Dieser Umstand soll mit diesem Antrag endlich Gegenwind bekommen.

(Beifall von der FDP)

Um den Kolleginnen und Kollegen der Opposition vorwegzugreifen: Das Argument, dass Frauenförderung vonseiten der Freien Demokraten nicht glaubwürdig sei, nur weil wir nicht für eine Quotenregelung sind, lasse ich nicht gelten. Wir streben echte Chancengerechtigkeit ohne ideologischen Zwang an, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Unser Antrag setzt genau hier an. Wir fordern unterschiedliche, aber passgenaue Maßnahmen. Wir verstehen das Thema „Gleichberechtigung an den Hochschulen“ als Querschnittsthema. Das spiegelt sich auch im Antrag wider.

Wir wollen eine diskriminierungsfreie Beurteilung von Leistung. Das heißt unter anderem, dass wir bestehende Anreizsysteme und Steuerungsinstrumente gemeinsam mit den Hochschulen diskutieren und weiterentwickeln wollen.

Wir wollen darüber hinaus eine stärkere Vereinbarkeit von Familie und Beruf an den Hochschulen. Klar ist in diesem Zusammenhang für uns, dass diese Vereinbarkeitsfrage auch für Männer adressiert wird.

Wir wollen Frauen in der Wissenschaft insgesamt wirksam unterstützen. Mithilfe von tollen, etablierten, engagierten Wissenschaftlerinnen wollen wir eine Kampagne auf den Weg bringen und damit stärker als bisher für eine Karriere in der Wissenschaft werben.

Ergänzend dazu wollen wir einen Landesgleichstellungspreis auflegen und ein Mentoringprogramm entwickeln, damit Wissenschaftlerinnen sich noch besser austauschen können, um so etwa in Berufungsverhandlungen sowie bei der Vergabe von Leistungsbezügen von bereits gemachten Erfahrungen profitieren zu können.

Besonders betonen möchte ich, dass wir all diese Ideen und Vorhaben nur gemeinsam mit den Hochschulen auf den Weg bringen können und wollen. Gemeinsam mit den Hochschulen wollen wir Ursachen für geschlechterbezogene strukturell diskriminierende Rahmenbedingungen, Gewohnheiten und Kulturen identifizieren. Wir wollen diese gemeinsam mit den Hochschulen abbauen und Maßnahmen zur Gleichstellung weiterentwickeln. Dabei sehen wir uns

als Partner der Hochschulen. Hochschulfreiheit und Hochschulautonomie sind für uns ein hohes Gut.

Abschließend komme ich zu einem Thema, das mir persönlich sehr wichtig ist. Das Empowerment von Frauen in der Wissenschaft hat nicht zuletzt mit Gewohnheiten und Kultur zu tun. Wir sprechen damit etwas an, was sich nicht über Nacht ändern wird – auch wenn das, was wir jetzt auf den Weg bringen, gute erste Schritte sein werden.

Entscheidend ist darüber hinaus auch, dass wir viel früher damit anfangen müssen, junge Frauen zu ermutigen, sich mehr zuzutrauen.

Ich möchte an alle Wissenschaftlerinnen appellieren, die bereits erfolgreich ihren Weg gegangen sind: Bilden Sie noch stärker Netzwerke, und engagieren Sie sich für junge weibliche Nachwuchswissenschaftlerinnen.

Ich freue mich sehr auf den weiteren Austausch mit den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der SPD hat der Abgeordnete Bell das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen, werte Kollegen! Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mir die Augen gerieben. Liebe Frau Beihl, Sie haben völlig recht: In der Vergangenheit hat das Thema „Chancengleichheit“ in der Wissenschaft- und Hochschulpolitik im Lande NordrheinWestfalen zu wenig Beachtung gefunden – aber nicht bei uns, sondern bei Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich will hier keine reine Vergangenheitsbewältigung betreiben; denn ich finde es durchaus beachtlich, dass Sie sich endlich auf den Weg machen, in Zeiten aufzubrechen, die, wie Sie es beschrieben haben, Herrn Nacke, ein Stück weit auch Gegenwart darstellen. Aber so ganz möchte ich Ihnen das nicht ersparen.

Nur ein Beispiel, Frau Beihl: Als wir mit dem Hochschulzukunftsgesetz 2014 das Kaskadenmodell, das bereits damals von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erfolgreich betrieben worden ist, um die Unterrepräsentierung in den einzelnen Fachbereichen aufzulösen, gesetzlich festgeschrieben haben, war es Ihre Fraktion, die in einem Begleitantrag geschrieben hat:

Das Kaskadenmodell, welches gut gemeint für die Berufung der Professorenschaft vorgesehen ist, wird in einigen Fachbereichen eine ganze Generation von männlichen Akademikern von der Lehrstuhlberufung

aussperren, bis die Quote des Kaskadenmodells erreicht wäre. Wir wollen aber für Lehre und Forschung die Qualifiziertesten, unabhängig ihres Geschlechtes. Darüber hinaus ist es nicht ersichtlich, wie die Rektorate die Quoten angemessen ermitteln sollen. Für eine ernsthafte Ermittlung der erforderlichen Quote wäre ein unverhältnismäßig hoher Aufwand erforderlich.

Frau Freimuth hat in der Parlamentsdebatte sogar gesagt:

„… etwa genauso wie bei dieser Frauenquote letztlich dann die Zwangshabilitation bei entsprechender Befähigung verankert werden soll.“

Das ist ein Originalzitat aus der Debatte über das Hochschulzukunftsgesetz 2014.

Weil wir alle den Vorgänger von Herrn Nacke und seine Befindlichkeit bei der Frage „Frauen und Gender“ kennen, will ich hier sehr deutlich sagen, dass ich zu Beginn der Legislaturperiode froh war, als die Ministerin gesagt hat, dass sie genau an diesen Fragen nicht rütteln wird, und die Projekte, die unter RotGrün auf den Weg gebracht worden sind, fortgeschrieben wurden. Ich will das ausdrücklich würdigen, Frau Ministerin; denn es war aufgrund der Stimmungslage keine Selbstverständlichkeit.

Ich finde es trotzdem gut, Frau Beihl, dass Sie diesen Antrag einbringen; denn es ist richtig, dass wir uns im Ausschuss mit dieser Thematik qualifiziert und intensiv auseinandersetzen. Wir werden dann auch die Ergebnisse des Gender-Reports mit den Autorinnen diskutieren. Man hätte natürlich in Ihrem Antrag einige deutlich konkretere Maßnahmen erwarten können. Wir können aber dann in der Debatte mit den Autorinnen des Gender-Reports sehr gerne verdichten, was konkrete Maßnahmen sind, und uns ausgehend von dieser Debatte etwas klarer darüber werden, was jenseits der Überschriften konkret notwendig ist, um die Fragen, die Sie hier adressiert haben, ernsthaft voranzubringen.

Ich will Ihnen diese Debatte nicht ersparen. Ich freue mich sogar darauf, weil es endlich ein qualitatives Momentum gibt und wir uns nicht nur habituell auf einer bestimmten Oberfläche surfend bewegen. Insoweit freue ich mich auf die Debatte im Ausschuss. Wir stimmen natürlich ausdrücklich der Überweisung zu.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bell. – Nun spricht für die Fraktion der Grünen der Abgeordnete Bolte-Richter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich kann mich den Ausführungen von Dietmar Bell anschließen. Zunächst einmal war ich positiv

überrascht, dass dieses Thema überhaupt adressiert wurde. In dem Ziel, Geschlechtergerechtigkeit an den Hochschulen herzustellen, sind wir uns ja einig. Ich werde gleich eine Reihe von Punkten dieses Antrags kritisieren, aber mich bemühen, keine Schärfe in die Debatte hineinzubringen, und an Sie appellieren, die Debatte gemeinsam zu führen und gemeinsame Wege zu etablieren.

Auch durch Corona stellen wir fest, wie schwierig die Situation ist. Sie war schon vor Corona schwierig, aber ist durch die Pandemie noch schlechter geworden.

Ein paar Schlaglichter, wie die Geschlechterbenachteiligung im Wissenschaftsbetrieb aussieht:

Die Leopoldina als Nationale Akademie der Wissenschaften hat in ganz wesentlichen Zügen die deutsche Coronastrategie mitbestimmt. Die dafür zuständige Kommission hat 26 Mitglieder, davon zwei Frauen. Ich sage: Das merkt man auch an den Ergebnissen und Empfehlungen dieser Kommission.