Entscheidend ist hier, dass es sich nicht um eine Verpflichtung zur Einführung differenzierter Grundsteuerhebesätze handelt. Wir erweitern lediglich den Spielraum, den vorwiegend solche Kommunen nutzen können, die durch die Grundsteuerreform eine deutliche Mehrbelastung von Wohngrundstücken sowie eine ebenfalls eindeutige Entlastung von Gewerbegrundstücken feststellen. Damit liegt die Entscheidungsgewalt über die Einführung differenzierter Hebesätze allein bei den kommunalen Verantwortungsträgern und folglich bei genau denjenigen, die die Lage vor Ort kennen und bestmöglich einschätzen können.
Als schwarz-grüne Koalition ist uns dabei bewusst, dass die Umsetzung differenzierender Hebesätze in den Kommunen als Herausforderung wahrgenommen wird. Gerade deswegen ist es uns besonders wichtig, durch einen möglichst zügigen Abschuss des Gesetzgebungsverfahrens schnell Klarheit für die Kommunen in unserem Land zu schaffen. Außerdem werden wir die Kommunen, die sich zur Einführung der differenzierten Grundsteuerhebesätze entscheiden, sowohl bei der IT-Umsetzung als auch beim Erlassen rechtmäßiger Satzungen unterstützen.
Weiterhin stellt das Land den Kommunen wie bereits zugesagt sowohl die aufkommensneutralen und undifferenzierten Hebesätze als auch die differenzierten Hebesätze zur Verfügung. Wir versichern den Kommunen unsere volle Unterstützung, um die Umsetzung möglichst komplikationslos zu gestalten.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erfinden wir das Rad jedoch nicht neu. Wir schaffen vielmehr den logischen Abschluss der bisher nicht in Gänze abgerundeten Bundesgesetzgebung des sogenannten Scholz-Modells.
Der federführenden Überweisung an den Haushalts- und Finanzausschuss stimmen wir natürlich zu. Ich möchte abschließend gerne für ein gründliches, aber zügiges Beratungsverfahren werben, um so schnell wie möglich Planungssicherheit für alle Beteiligten zu schaffen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Lehne. Es liegt eine Kurzintervention vor, und zwar von Herrn Witzel. – Herr Witzel, Sie haben das Wort.
Herr Kollege Lehne, ich darf direkt bei dem Letzten anknüpfen, was Sie gerade gesagt haben. Sie haben mehrfach und auch zum Ende Ihrer Rede hin gesagt, Sie wollten schnell Klarheit schaffen. Genau auf diesen Punkt möchte ich gerne eingehen.
Sie müssen ja nicht der FDP und unserer – zunächst einmal natürlich nur mit Plausibilität – über Jahre hinweg vorgetragenen Argumentation, dass das Scholz-Modell das Wohnen verteuert, Glauben schenken. Die Landesregierung hatte aber diese Erkenntnis bereit im letzten Jahr. Ich erinnere Sie an die Plenardebatte, nachzulesen im Plenarprotokoll 18/45. Da sagte Bauministerin Scharrenbach:
„[…] wir sind uns in der Analyse einig, was das Scholz-Modell in der kommunalen Familie bewirkt, nämlich dass durch das Scholz-Modell Unternehmensgrundstücke von der Grundsteuerzahlung entlastet werden, Immobiliengrundstücke aber belastet werden und allein dafür, dass man das gleiche Aufkommen erhält, die Grundsteuer erhöht werden muss. Das ist die Folge.“
Warum, Herr Kollege Lehne, beschließen die Koalitionsfraktionen vorgestern etwas, was Sie heute vorlegen, und warum haben Regierung und Koalition seit letztem Jahr, als all diese Erkenntnisse vorlagen, keinerlei Aktivität entfaltet? Warum handeln Sie erst jetzt?
Sie haben zu gegebener Zeit damals eben nicht etwas anderes vernünftig vorgetragen und vorgeschlagen.
Nein, das haben Sie nicht. Darüber haben wir hier schon ein paarmal gestritten. Das macht aber nichts.
Es gibt Dinge, die brauchen Zeit. Es gibt auch Zahlen, die brauchen Zeit. Ich glaube, Sie wissen genau wie ich, dass es einer Vielzahl von Zahlen bedarf und bedurfte, um nun festzustellen, wie die Situation tatsächlich ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, ist die Landesregierung hier gut am Zuge, und wir handeln so schnell wie möglich und zum Wohle der Kommunen.
Vielen Dank. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Abgeordnetenkollege Herr Rock.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute zum neunten Mal in dieser Legislaturperiode über das Thema „Grundsteuer“ – und nicht zum letzten Mal.
Ja, das ist klar. Gut, dass Sie mir zustimmen und auch davon ausgehen, dass es eine zweite Lesung zu diesem Gesetzentwurf geben wird. Das ist ganz in meinem Sinne.
Eine Sache müssen wir dazu feststellen: Wenn eine Reform über Jahrzehnte verschleppt wurde und man sie innerhalb von wenigen Jahren reparieren muss, dann liegt kein Segen darauf. Ich glaube, das können wir einfach mal parteiübergreifend feststellen. Das Bundesverfassungsgericht hat 2018 festgestellt, was im Prinzip jeder wusste: Mit Einheitswerten von 1964, als die meisten hier im Raum wahrscheinlich noch nicht gelebt haben, kann man keine vernünftige Grundsteuer machen.
Die Politik hat es über Jahrzehnte nicht geschafft, sich auf ein vernünftiges Modell zu einigen. Dann musste man in relativ kurzer Zeit eine Reform hinbekommen, die, wie wir jetzt feststellen, ihre Macken hat.
Das Versprechen, die Grundsteuer solle insgesamt aufkommensneutral sein, hat das klassische Problem, dass Olaf Scholz versprochen hat, insgesamt müsse nicht mehr bezahlt werden, aber viele Leute denken, jeder Einzelne müsse nicht mehr bezahlen. Das ist einer der Urfehler dieser Reform. Da müssen wir jetzt aber trotzdem durch.
Unbeabsichtigt war aber, dass das Wohnen insgesamt teurer wird. Das ist einer der System- und Konstruktionsfehler dieser Reform, der sich aber erst jetzt herausgestellt hat – anscheinend auch für die FDP-Fraktion. Sie hätten bis zur Wahl 2022 die Möglichkeit gehabt, dies zu korrigieren, und in der Opposition sind Sie bis Januar 2024 ausweislich Ihrer Antragsinitiativen auch nicht zu dieser Einschätzung gekommen.
Idealerweise muss man das über eine Bundeslösung hinkriegen, weil das Problem nicht nur NordrheinWestfalen betrifft, sondern insgesamt neun bzw. elf Bundesländer.
Leider zieht sich Christian Lindner diesen Schuh nicht an. Das ist bedauerlich, aber zu akzeptieren.
Dann bleibt als Möglichkeit nur übrig, die Länderöffnungsklausel zu nutzen und als Land selbst tätig zu werden, und genau das machen wir. Wir haben zwei Möglichkeiten, wie wir dieses Problem prinzipiell lösen:
Die eine Möglichkeit hat die FDP im Januar beantragt; das ist die landesweite Differenzierung der Messzahlen. Das Problem ist nur: Diese Belastungsverschiebung ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Ich sehe die Reaktion, wenn ich über Messzahlen rede: Hör mir auf mit diesen Messzahlen. – Ich versuche, es etwas plastischer zu sagen:
Durchschnittlich hat jeder Mensch Schuhgröße 42. Das Problem ist: Wenn man landesweit vorschreiben würde, alle müssten die Schuhgröße 42 tragen,
würden vielen die Schuhe nicht passen. Ich selbst habe Schuhgröße 49, meine Frau Schuhgröße 39, mein Sohn Schuhgröße 28, wenn auch mit steigender Tendenz.
Das Ergebnis wäre: Wir würden alle barfuß herumlaufen. Ich hielte wenig davon, wenn Marcus Optendrenk uns allen landesweit die Vorgabe machen würde, wie groß unsere Schuhe sein sollten. Diese Form von Einheitsgröße halte ich nicht für schlau.
Ich denke, das kann man gut auf die Grundsteuer übertragen: Warum soll eine landeseinheitliche Anpassung der Messzahlen erfolgen, wenn die Belastungsverschiebung unterschiedlich ist? Viel sinnvoller sind passgenaue Lösungen, nämlich über die differenzierten Hebesätze. Dann kann jede Kommune für sich genau ausrechnen, wie groß der Schuh ist, der passt.
Es wird sogar noch besser: Wenn ich den Finanzminister richtig verstanden habe, übernimmt er sogar den Service, für alle Kommunen die Schuhgröße auszumessen. Ob sie dann die Größe auch nutzen, kann jede für sich selbst entscheiden. Jeder muss für sich selbst gucken, ob er sich passende Schuhe anziehen möchte oder nicht, aber schlau wäre es zumindest. Daher ist diese Lösung, die wir in diesem Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, genau die richtige und passgenaue Lösung.
Ich will zum Schluss sagen: Diese Lösung ist optional. Niemand wird gezwungen zu differenzieren, aber den Kommunen, die es machen wollen, weil
ihnen die Schuhe, die ihnen das Bundesmodell angezogen hat, nicht passen und sie das ändern wollen, wollen wir das ermöglichen. In diesem Sinne werden wir den Gesetzentwurf sicherlich gerne sehr intensiv im Ausschuss beraten. Ich freue mich auf die weitere Debatte.
Danke schön. – Sehr geehrte Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Werte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Rock, erst einmal herzlichen Dank für den Erkenntnisgewinn, dass Sie gesagt haben, wir sprechen nun das neunte Mal darüber. Ich gehe davon aus, dass Sie es dann insgesamt achtmal vom Ergebnis her ignoriert haben; nun gut.
Nach langem Ringen und vielen Diskussionen um die Grundsteuer gibt es nun endlich den Gesetzentwurf der regierungstragenden Fraktionen. Sie nehmen die Möglichkeit wahr, das Bundesmodell für unser Land anzupassen, um drohende Ungerechtigkeit bei der Belastung von Wohneigentum auszugleichen. Das ist bis hierhin auch sinnvoll und notwendig.
Gerade weil wir so lange darüber geredet haben, ist es mir aber unerklärlich, warum dieser Gesetzentwurf ausgerechnet jetzt so kurzfristig mit Änderung der Tagesordnung eingebracht wird.