Protokoll der Sitzung vom 15.06.2000

Ich erteile Herrn Bildungsminister Professor Dr. Zöllner das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Thomas, vor dem Hintergrund der bundesweiten Diskussion im Bereich der Informatik an den bundesdeutschen Hochschulen ist mir Ihre Sorge auch bezüglich ·der Ausbildungssituation in Rheinland-Pfalz verständlich. Ich' bin ausgesprochen dankbar, dass diese Aktuelle Stunde daraufhin anberaumt worden ist, weil es mir doch Gelegenheit gibt, die Situation in RheinlandPfalz zu schildern: das Sein, um das es letzten Endes geht.

Ich gehe davon aus, dass dann, wenn wir uns objektiv mit dem Sein auseinander setzen, möglicherweise eine solche De

batte ein Ergebnis zeitigen kann, wozu Debatten im Grunde genommen angelegt sind, nämlich dass man etwas· klüger wird und möglicherweise seine Meinung und Position ändert.

(Mertes, SPD: Sogar hier!)

Der Hintergrund ist auch schon geschildert worden.

Frau Kohnle-Gros, der Hintergrund ist, dass in RheinlandPfalz, ~ntgegen der Entwicklung in anderen Bundesländern; in den letzten Jahren die Zahl der Studienplätze im Informa

tikbereich drastisch ausgeweitet worden ist, und zwar in der Größenordnung um 50%. Zehn neue Studiengänge und ganze Standorte sind mit diesen Schwerpunktsetzungen eingerichtet worden.

-(Beifall bei SPD und F.D.P.)

Dieses zur Kenntnis zu nehmen, entspricht der Realität und dem Sein. Doch es geht um heu~e. Wie ist die Situation?

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die zentrale Bot

schaft ist die, in Rheinland-Pfalzwird es in Informatik und in angewandter Informatik, im Ge-ge_nsatz zu anderen Bundesländern, wie zum Beispiel Bayern und Baden-Württemberg, die von der CDU so oft als Vorbild zitiert werden, keinen- ich betone "keinen"- Numerus clausus in den beiden genannten zentralen Bereichen der Informatik geben.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

Umgekehrt entspricht es dem Sein, der Realität, dem lst,·dass wir sogar die Ausbildungskapazität ausbauen. Sie sollten objektiv zur Kenntnis nehmen, dass wir angewandte Informatik an der Fachhochschule in Bingen zusätzlich anbieten, das heißt, über die vorhandenen Kapazitäten hinaus werden zu

sätzliche Kapazitäten zur Verfügung gestellt, und der große Einsatz an Lehrenden an den Hochschulen wird' dazu führen, weil kein Numerus clausus besteht, dass noch über diese Zahlen hinaus junge Menschen in diesen Fächern ausgebildet werden können.

(Beifall bei SPD und F.D.P.)

ln den wenigen Fächern, die sich gestalterisch mit Informatik beschäftigen, zum Beispiel Medienwissenschaften, Design und ähnliche, in denen wir einen Numerus clausus hatten, wird die Zahl der zugelassenen Studierenden sich in Zukunft erhöhen und nicht niedriger werden. Es ·wird also nicht festgeschrieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Realität in Rheinland-Pfalz, wie Sie gesagt haben, übrigens im Gegen

satz zu anderen Bundesländern.

Wenn Sie jetzt fragen, wie dies in Rheinland-Pfalz erreicht werden konnte, dann gibt es aus meiner Sicht zwei Gründe:

1. Rheinland-pfälzische Hofhschulen haben offensichtlich im Gegensatz zu anderen Hochschule'! in der Bundesrepublik Deutschland erkannt, dass eine herausfordernde Aufgabe auf sie zukommt und sind zu überdurchschnittlichem Einsatz bereit. Das muss gesagt werden.

2. Ich bin der festen Überzeugung - das ist der Charme der

· Debatte- und hoffe, Ihnen das kurz darlegen zu könneri, dass genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, Frau Thomas und Frau Kohnle-Gros, der Fall ist, nämlich dass das Personalbemessungskonzept eine der treibenden und ,ent

scheidenden Ursachen dafür ist, dass die Flexibilität und Motivation der Hochschulen darin besteht, sich auf d.en Weg zu machen, sicli den neuen Herausforderungen zu stellen, weil es so ist, dass man ein Mehr an RessoLJrcen bekommt und· nicht ein Weniger, wenn zukunftsträchtige Studiengänge etabliert werden.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Es gibt kein sc~öneres Beispiel als den von Ihnen zitierten Fachbereich Mathematik und ·Informatik der Universität Mainz, um dieses zu demonstrieren. Die Tatsache, dass

_ 38 Stellen in diesem Fachbereich abgezogen werden sollen,

ist wirklichkeitsfremd und kann nur mit dem Personalbemes

sungskonzept verbunden werden. Allein daraus ist ersicht

lich, dass die gesamte Universität Mainz im Rahmen des Per

sonalbemessungskonzepts höchstens sechs bis sieben Stellen

·abgeben muss. Das heißt, es kann überhaupt nicht sein, dass ein einzelner Fachbereich dies in diesem Umfang zu leisten hat.

Es wird klar, dass dies eine alleinige Berechnungsgröße innerhalb der Universität ist. Es ist auch nicht geplant, diese umzu

setzen.

Meine Damen und Herren, das Umgekehrte ist der Fall. Jeder, der das Szenario in Mainz kennt, weiß, dass sich der Fachbe

reich Mathematik seit Jahren - übrigens auch schon zu Zeiten einer anderen Landesregierung in den 80er-Jahren- gewehrt hat, einen Fachbereich Informatik einzurichten.

Die Tatsache, dass jetzt eine Bereitschaft besteht, sich aufzumachen und einen Bachelorstl!diengang im nächsten Jahr in Mainz zu etablieren, ist einzig und allein darauf zurückzuführen, dass sie verstanden haben, dass sie ein für die Geseil~ schaftund die Studierenden attraktives Angebot informatikorientiert etablieren müssen.

Das heißt, die Flexibilität, auf solche Entwicklungen zu rea

gieren, ist durch das Personalbemessungskonzept und den ln

novationsfonds geschaffen worden, der auf Wunsch der Prä

sidenten eingerichtet worden ist und auf solche Situationen reagieren kann, und dass der Numerus clausus nicht einge

führt werden muss und das Angebot ausgeweitet werden kann. Entscheidend ist, dass es eine inneruniversitäre Meinungsbildung gibt, diese zukunftsträchtigen Studiengänge zum Wohle des Landes Rheinlarid-Pfalz entsprechend auszuweiten und auszubauen.

Unter dem Schlussstrich heißt das: Wenn es eine Beurteilung

-der Realität gibt, bin ich der Meinung, dass die rheinland

pfälzischen Hoc_hschulen die Zeichen der Zeit erkannt haben - übrigens wurden vonseit~n der Landesregierung die Mittel · für die Hochschulen im Personalbereich um 12.% angeho

ben-, um diese Herausforderungen bewältigen zu können.

(Beifall der SPD und. der F.D.P.)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Thomas das Wort.

Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Zöllner, wenn Debatten dazu führen können, dass sich etwas ändert, hoffe

ich, dass die Debatte zu einer Änderung führt, aber nicht, dass sich unsere Position ändert, sondern dass ein entsprechender Druck auf die Landesregierung ausgeübt wird, sich noch einmal einzuklinken und ihre Position zu überdenken.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Staatsminister Prof. Dr. Zöllner: Sollen wir einen Numerus clausus einführen?)