Protokoll der Sitzung vom 15.06.2000

M_eine Damen und Herren, da reicht meistens schon ein Blick auf den Schulhof in der Pause.

Verwundert sind wir auch über die Antwort auf die nächste Frage, welche Projekte und ·Maßnahmen _seit dem Erstellen des Konzepts- zur Prävention von Gewalt und Extremismus an Schulen gelaufen bzw. umgesetzt wurden. Eine Abstimmung oder gar ein Konzept der Landesregierung wird auch hier leider nicht deutlich.

Meine Damen und Herren, Herr Kollege Schmidt, Hilfen für die schuleigene Konzeptentwicklung werden vorgeschlagen. Herr Minister, aber bisher gibt es zum Beispiel keine zusätzlich genehmigten Entlastungsstunden für Beratungslehrer.

Meine Damen und Herren, die Schülerzahl je Kraft im Schulpsychologischen Dienst reicht von 7 590 in Cochem bis 25 409 inNeuwied. (Lelle, CDU: Wie lange ist dort die Wartezeit?)

Sogar die kleinste Zahl ist aus meiner Sicht und aus Sicht meiner Fraktion noch zu groß. Wenn nun noch - wie· geplant kleiner,e Beratungsstellen zu Beratungszentren zusammengelegt werden ~ bei gleichbleibender Personalversorgung wohlgemerkt-, ist die Beratung erst recht unbefriedigend.

· (Beifall bei der CDU)

· Aus den Antworten zur Aus- und Fortbildung entnehme ich lediglich, dass im Studium in Ansätzen eine Vorbereitung von Lehrerinnen und Lehrern auf die Auseinandersetzung mit Gewalt ·in der Schule erfolgt, das heißt, eine praxisnahe und gezielte Begleitung gibt es nicht.

Modellprojekte und Fortbildungsmaßnahmen können immer nur von einigen wenigen Interessierten wahrgenommen werden, und bezogen auf die Anzahl der Lehrer sind das mehr

_ oder weniger Alibiveranstaltungen. Die Angebote werden

zudem~ ich glaube, auch da sind wir einer Meinung- nur vo.n den Lehrern wahrgenommen; die sich sowieso schon offen und offensiv mit dem Thema.,Gewalt" auseinander setzen. Von den tatsächlich hilfsbedürftigen Lehrern dürften sich die

wenigsten von sich aus dazu entschließen, eine entSprechende Fortbildung zu besuchen.

Weiter fällt in den Antworten der Landesregierung auf, dass vieles- in Anführungszeichen- angedacht, erstmals durchgeführt bzw. erst auf Nachfrage angeboten wurde oder lediglich als flankierende Maßnahme möglich ist. Eine Systematik oder ein zielgerichtetes Vorgehen im Hinblick auf flächendeckende oder wirkungsvolle Begleitung der Lehrerschaft ist leider nicht erkennbar. Was es gibt, sind lediglich spezielle Unterthemen, die in einem Seminarangebot zwar. auftauchen, das allerdings- das habe ich eben schon einmal in anderem Zusammenhang erwähnt- ebenfalls für einen sehr· begrenzten Teilnehmerkreis angeboten wird.

Die CDU-Fraktion fordert deshalb, Fortbildungen zu Gewaltprävention, Konfliktlösungsstrategien und Deeskalationstraining - Herr Minister, jetzt kommt es erst- flächendeckend in den Schulen- dies kann unserer Meinung nach auch schulintern erfolgen - für und mit dem gesamten Lehrerpersonal durchzuführen.

Was hier passiert, ist auch von Vorteil, weil es nämlich gerade bei den schulinternen Fortbildungen auch die Besonderheiten der einzelnen Schule zu berücksichtigeng ilt.

Meine Damen und Herren, außerd~m -·dies ist meine feste Überzeugung - ist es möglich, festzustellen - dies ist in der Antwort leider nicht herausgekommen-, wie viel-Unterrichtsausfall auf krankheitsbedingtes Fehlen von Lehrkräften zurückzuführen ist. Man gewinnt den Eindruck - ich sage dies bewusst -, dass die Landesregierung vielleicht neues Datenmaterialgar nicht veröffentlichen will.

'Meine Damen und Herren, das, was aus den Veröffentlichungen hervorgeht, klingt trotzdem besorgniserregend; denn erstens zeigt die' Anzahl der Frühpensionierungen wegen Dienstunfähigkeit bei Lehrern, dass kaum noch ein Lehrer in Rheinland-Pfalz mit Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze aus dem Dienst ausscheidet. Zweitens, 60 % aller Lehrer des

_ Landes scheiden vor Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Schuldienst aus. Fast ein Fünftel aller Lehrer des Landes sind noch keine 55 Jahre alt, wenn sie die Schule verlassen. ·Da

einer krankheitsbedingten Frühpensionierung meist auch eine Krankheitsgeschichte und entsprechende Fehlzeiten vorausgehen, ist - an diesem Phänomen nachvollziehbar- eine nicht unerhebliche Ursache für den hohen Unterrichtsausfall · an unseren Schulen zu suchen.

(Glocke des Präsidenten)

Als häufig ausschlaggebend für eine vorzeitige Ruhestands

versetzung im Schulbereich wird eine besondere Anfälligkeit bei Lehrkräften für psychiatrische, neurologische und psychosomatische Erkrankungen angesehen. Wenn hier di~ Fürsorgepflicht angesprochen wird - Herr Präsident, damit komme ich zum Schluss-, dann muss auch die Landesregierung, kon

kret Sie, Herr Minister, und lh.r Ministerium, dieser Fürsorgepflicht nachkommen. Ich denke, auch das isf unstrittig.

Wenn dann noch Bewegung als probates Mittel gegen angestaute Aggressionen anerkann~ ist, dann stellt sich natürlich

· auch die Frage näch dem nicht erteilten Sportunterricht in den letzten Jahren.

Abschließend möchte ich nochmals unsere Forderung verdeutlichen: Wir werden sicherlich nicht oder hoffentlich nicht weit bei dieser Forderung auseinander liegen, dass nämlich erstens im Studium, zweitens in d~r Referendarzeit und vor allen Dingen in der langen Zeit, in der Lehrerinnen und Leh

rer im Schulalltag aktiv sind,

(Glocke des Präsidenten)

der gesamte Themen~ereich der Gewalt intensiver behandelt werden muss.

Vielen Dank. (Beifall der CDU)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Kuhn das Wort.

Liege Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte. noch einige Worte zur Antwort des Ministeriums auf die Große Anfrage der CDU-Frakti~n sagen.

Zunächst einmal herzlichen Dank für diese Anfrage und für die in der Tat sehr aufschlussreiche Antwort des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung.

Es ist eine interessante Frage, die gestellt wurde. Es ist in der Tat so, dass wir uns parteiübergreifend oder fraktionsübergreifend in diesem Hause damit auseinander setzen sollten.

Es ist auch kein Stoff; um sich bildungspolitisch fundamental auseinander zu setzen. Es ist wirklich so, dass wir in einer Zeit des beschleunigten gesellschaftlichen Wandels leben. Werteveränderungen und Wertewandelsind neue Herausforderungen für die Schule und natürlich auch für die Lehrer.

Auf neue Fragen brauchen wir auch neue Antworten: Ist die Schule in der Tat ein Reparaturbetrieb? Wie gehen wir mit neuen Lebenswirklichkei~en und geänderten Familienstruk

turen um?

Eine zunehmende Zahl· von Problemkindern und auch eine höhere Gewaltbereitschaft erschweren die Unterrichtssituation. Wir brauchen ein abgestuftes Handlungs- und Reaktionspotenzial, das die Schulen, aber auch alle Bereiche der Gesellschaft betrifft. Man sollte besonders herausstreichen - dies wird auch· aus dieser Antwort deutlich -, die Probleme

fangen häufig nicht erst in der Schule an, da die Ursachen frü

. her angelegt sind. Ich bin der f~sten Meinung, dass die Ge-·

walt an Schulen angestiegen ist. Aber es wird auch in der Öffentlichkeit mehr über Gewalt nicht nur an den Schulen dis-. kutiert.

He.rr Kollege, manchmal ist es schwierig. Da verengt sich un

ser Blick. Ich habe an meine Schulzeit gedacht. Wir haben uns

·auch gebalgt. Da ist relativ wenig passiert. Da ist keine Stati

stik geführt worden.

(Lelle, CDU: Aber ohne Messer!)

Das ist wohl einigen aus dem Blickfeld geraten. Es ist sehr schwierig, so etwas statistisch zu erfassen, weil wir über einen länger gesicherten Zeitraum Material brauchen. Man muss ein bisschen aufpassen. Vielleicht schauen wir auch jetzt in vielen Fällen etwas ge.nauer hin, was nicht unbedingt schädlich ist.

Die Gewalt ist in der Tat sehr vielfältig. Es istauch interessant, dass Gewalt geschlechtsspezifisch untersc;hiedlich ausgeübt wird. Es ist klar, dass die Jungen die direkten Formen und die Mädchen mehr die indirekten Formen der Gewalt ausüben.