Protokoll der Sitzung vom 19.10.2000

Folglich gibt es in diesem Land auch keine gezielten Maßnahmen, um Hochbegabte zu ermitteln, geschweige denn zu fördern. Die so genannten BEGYS-Projektklassen, die als großes Beispiel angeführt wurden, haben mit der Förderung von Hochbegabten so gut wie nichts zu tun. Die CDU forderte die Landesregierung zum-Handeln auf, aber nichts geschah. Nach einer Schonfrist fand unsere Forderung jedoch - wie so oftbei der F.D.P. Gehör. (Beifall bei derCDU)

ln einer Pressekonferenz am 6. Juni verkündete der geschätzte Kollege Werner Kuhn-Folgendes: "Den Leistuhgseliten eine eigene Schule."

(Mertes, SPD: Der Geliebte! Der vi_el Geliebte!)

Weiter Zitat aus der Pressevorlage "Für besonders begabte und leistungsbereite Schülerinnen und Schüler fordert Kuhn eine eigene Schule mi~ Internet-Angebot in Rheinland-Pfalz. Deutschland kann es sich nicht länger leisten, Talente zu vergeuden oder aus dem Land zu treiben. Deshalb muss Rheinland-Pfalz eine Vorreiterrolle übernehmen."

Richtig, Herr Kollege Kuhn.

(Beifall der CDU)

Da dieser Ankündigung, die in der Presse eine große Resonanz-gefunden hatte- Herr Kollege Kuhn, man konnte neidisch werden-, kein F.D.P.-Antrag folgte, warteten wir etwas zu, und dann formulierte die CDU-Fraktion den vorliegenden Antrag, der die F.D.P.-Forderung zum Teil \~örtlich beinhaltet. (Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat denn jetzt von wem abgeschrieben, Herr Keller?)

Die CDU beantragt die Einrichtung einer Schule für hoch begabte Schülerinnen und Schüler. Nach zwei Monaten kam dann ein Altern

(Kuhn, F.D.P.: Der Höhepunlct!)

- Herr Kollege Kuhn, von Vorreiterrolle kann wahrlich keine Rede sein, ehervon einem Salto rückwärts.

(Beifall der CDU)

Als Maulheld wurden Sie gestern von Frau Thomas bezeichnet. Das möchte ich nicht tun. Ich drücke mich bekanntlicherweise vornehmer aus.

(Heiterkeit bei der SPD und vereinzelt Beifall bei CDU Lind F.D.P.)

Aber glaubwürdig ist Ihre Politik nicht. Wir fordern mit unserem Antrag eine Schule für Leistungseliten und nicht, wie es zum Teil missverstanden wurde, für Geldeliten. Eine Einrichtung wie das Internat Salem ist damit natürlich nicht gemeint. Bekanntlicherweise haben die Leute, die das mei~te Geld haben, nicht unbedingt die begabtesten Kinder.

(Mertes, SPD: Das iStgerade revolutionär. Der Karl Man< wird hier zum Leben erweckt! Kellerfürden bildungs- politischen Realismus!)

Lieber Herr Kuhn, stehen Sie mit der F.D.P. zu Ihrer früheren Forderung und ~timmen Sie mit uns. Die ;>Jternativanträge lehnen wir natürlich ab.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU - Mertes, SPD: Keine Diskriminierung der Geldf:liten!)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn AbgeordnetenGeis das

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Erfreuliche vorweg. Herr Keller, vielleicht_ist das für Sie auch ärgerlich. Wir reden über einen ~emeinsamen Antrag der Fraktionen der SPD und F.D.P: Das mag für viele überraschend sein, aber es ist grundsätzlich vernünftig und in diesem speziellen Fall

natürlich auch.

Förderung von Hochbegabung ist eine Aufgabe staatlicher Bildungspolitik. Sie ist ein Teil der Förderung von Schülerinnen und Schülern, die sehr unterschiedliche soziale Voraussetzungen und Begabungen haben. Dafür benötigen wir ein System differenzierter Angebote, das es grund5ätzlich in Rheinland-Pfalzauch gibt. Natürlich bleibt bei einer sozialdemokratisch geführten Regierung Hauptziel und Grundüberzeugung die Chancengleichheit, das heißt, Unterstützung für Lernschwache und für, wie auch immer, Benachteiligte. Dazu können auch - was wir sicher alle in Zukunft besser berück

sichtigen sollten- die Hochbegabten gehören.

Es gibt- auch wichtig festzuhalten-jetzt schon für viele Spezialbegabungen individuelle Fördermöglichkeiten. Das gilt wohnortnah und dezentral auch für Hochbegabte. Die Programme kennen Sie bzw. sie sind in unserem Antrag auch noch einmal benannt. Wir müssen die Schulen immer wieder und noch stärker ermutigen, diese Angebote auch 11veiterzu

geben. Die Förderung Hochbegabter bedarf dennoch zusätzlicher An~trengungen.

(Lelle, CDU: Richtig!}- Dabei - das sagen uns auch die betroffenen Eltern und Inte- ressenverbände - mus;: die soziale Integration unbedingt be- achtet werden, damit auch das Erlernen sozialer Kompetenz gewährleistet ist. (Lelle, CDU: Herr Geis, schauen Sie sich einmal die BEGYS-Ergebnisse an!)

Die hoch begabten Kinder müssen systematisch gefördert werden,-aber sie brauchen auch von der Schule, von Lehrerinnen und Lehrern, von Mitschüttrinnen und Mitschülern und von der G~sellschaft insgesamt Anerkennung. Eine Grund

problematik,,ist sicher das frühzeitige Erkennen von Hochb~ gabung. Es gibt offenbar mehr BetroffEne, als wir landläufig denken. Hoch begabt zu sein ist offensichtlich problematischer, als wir denken.

Die Verantwortung beginnt im Kindergarten. Es ist unsere Aufgabe, eine entsprechende Bewusstseinsbildung bei Pädagoginnen und P§dagogen, bei Erzieherinnen und Erziehern, bei Lehrerinnen und Lehrern mit zu befördern. Die Sen

>ibilität muss auf jeden Fall ~teigen.

Es gibt konkrete Forderungen in unserem Antrag:

Wir wollen, dass die zu engen Vorgaben für die Einschulung von Grundschulkindern übErprüft werden. Auch die Dauer der Grundschulzeit sollte sich nach der Lernent11vicklung des Kindes richten. DabEi würde die Schulbesuch~zeit im Grund

schulbereich insgesamt flexibilisiert werden.

Wir wollen, dass die Möglichkeit des Überspringen;; einer

Klasse besser genutzt werden kann. Dass das mehrfache

.Überspringen sicher nicht ohne Probleme im Bereich der sozialen Integration möglich sein wird, ist dabei zu bedenken.

Wir wollen, dass die BEGYS-Angebote, die wir haben und mit denen vvlr eine bunde~weite Vorreiterrolle einnehmen, so gesteigert werden, dass allen Schülerinnen und Schülern, die für die Förderung infrage kommen, der Besuch ermöglicht wird. Ich weiß, dass vielen Betroffenendarangelegen i~t, dass konkret diese Angebote mindestens_ pro Oberzentrum bzvv. Landkreis ermöglicht werden. Damit wäre meines Erachtens

vielen schon geholfen.

Wir wollen, dass die Kooperation zwischen gymnasialen

Oberstufen und Hochschulen verbessErt wird, um den Zugang zur Hochschule für besonders Begabte zu ermöglichen.

Wir wollen - das ist ein zentraler Punkt -, dass_ der Bereich Hochbegabung beim Studium von Pädagoginnen und Pädagogen- natürlich auch wieder bei Erzieherinnen und Erzie

hern beginnend -eine wichtige Rolle spielt, gerade um frühzeitig Hochbegabungen erkennen zu können.

- Wir wollen, dass die Beratungs- und Informationsmöglichkei

ten von pääagogischen S_erviceeinrichtungen weiter au_sge

baut werden.

Wir wollen, dass Fortbildungsangebote für Pädagoginnen und Pädagogen, aber auch für Beschäftigte im Gesundheitsbereich und für Fachkräfte aus der Jugendhilfe verstärkt an

geboten und auch genutZt werden.

Wir wollen, dass an den Hochschulen zu den Fragen der Hochbegabung Forschungsvorhaben initiiert werden, die eng auch mit den Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung der lehrerinnenund Lehrer zusammenarbeiten.

Wir wollen, dass außerhalb der regulär:ri Unterrichtszeit besondere Angebote gemacht werden, die besonders Begabte -dies steht "schön~' im Antrag- an anregenden Lernorten zusammenführen. Das bedeutet, die soziale Integration nicht aufzugeben und trotzdem Chancen zu bieten, mit denen zusammen zu sein, die ähnlich denken und Ähnliches verstehen.