Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Pahlerdas Wort.

Herr Präsident, _meine Damen und Herren! Die Entscheidung des Aufsichtsrats des Klinikums der Johannes Gute_nbergUniversität fviainz, ein Institut für Humangenetik zu gründen, macht folgerichtigenJVeise Überleg-ungen notwendig, über die Zukunft der Genetischen Beratungsstelle nachzudenken. Mit der Errichtung eines Instituts für Humangenetik sollen nämlich im Rahmen der Vorsorgemedizin auch ~enetische Untersuchungen und Beratungen angeboten werden. D!e heute bereits bestehende enge Zusammenarbeit im Rahmen von Forschung und Ausbildung lassen eine endgültige organisatorische Zusammenfassung als die richtige Entscheidung erscheinen.

Meine Damen und Herren, weder ein Nebeneinanderzweier Einrichtungen mit vergleichbaren Aufgaben noch ein bloßer Kooperationsvertrag wären wirtschaftlich UJ1d würden die Ausnutzung aller bestehenden Synergieeffekte eröffnen. Die Patienten profitieren von der ärztlichen Kompetenz im Klinikum, Personalengpässe, wie geschildert, können besser kompensiert werden, ganzheitliche Betreuung und Beratung der Klienten gewinnen durch die Zusammenführung der Kampe

- tenzen, die Ressourcen des Kli11ikums können voll ausgenutzt werden.

Meine Damen und Herren, die bis heute geleistete Arbeit der Genetischen Beratungsstelle wird durch die Entscheidung im vorliegenden Gesetz in keinerWeise in Abrede gestellt.

(Vereinzelt Beifall bei der F.D.P.f

Sie war unter den Bedingungen, Anforderungen und Erkenntnissen der letzten beiden Jahrzehnte angemessen und erfolgreich. Wachsender Beratungsbedarf weit über den bisher geäußerten Bedarf bei konkreten Anlässen und klar ge

stellten Diagnos-en hinaus verändert aber zunehmend das Potenzial an Hilfesuchenden. Schließiich bietet unsere lnformationsge?ellschaft viel -Gelegenheit, von neuen Krankheitsgruppen und neuen Therapiemöglichkeiten zu erfahren. Vielleicht werden auch viele neue Hoffnungen vergeblich geweckt. Hier bekommt dann auch Beratungsnotwendigkeit einen neuen Stellenwert, der dann auch die berechtigte Frage· nach finanzieller und perso-neller Ausstattung eröffnet.

Vor diesem Hintergrund ist es gerechtfertigt, für die Zukunft neue Wege einzuschlagen. Da nun in 1\/lainz an der Universitätsklinik als letzte in Deu:ts_chland ebenfalls ein Humangenetisches lnstit~t eröffnet wird- dieses Institut ist unzweifelhaft von allen befürwortet- und mit einem Lehrstuhl der Notwendigkeit Rechnung getragen wird, dass Humangen_etik universitären Ansprüchen genügen muss, bot diese Entwicklung die

Chance, eine grundlegende Entscheidung·auch zur bestehenden Genetischen Beratungsstelle anzugehen. Seit dem 26. Oktober 1999 ziehen sich dazu nach einer Vorlage des Sozialministeriums die Gespräche zur Neuorganisation und zur Formulierung eines entsprechenden Gesetzentwurfs hin.

Meine Damen und Herren, dennoch ist die AuseinandersetZLing um den richtigen Weg geblieben. Höherer Berätungsbedarf für die Zukunft wird wohl von keinem bestritten. Ich gehe davon aus, dass gelingende Forschungsarbeit nur auf der Basis von ernst genommener Beratung entstehen kann. Das Wissen, das durch breit gefächerte Beratung im Umgang mit betroffenen Menschen erworben wird, bietet letztendlich die Chance zu weiteren und neuen Erkenntnissen der For

schun~-und damit zu möglichen neuen Therapien. Mit gebündelten Kräften die Herausforderung an die Humangenetik anzugehen, hält die F.D.P.-Fraktion für das Gebot der Stunde. Wir zollen aber gleichzeitig der bisher in der Beratungsstelle geleisteten Arbeit unseren Respekt in der Sicher

heit, dass die Mitarbeiter bei ihrem neuen Arbeitgeber ihre Erfahrungen, ihre Kenntnisse und ihr Wissen voll einbringen können.

_ Meine Damen und Herren, dass beim Übergang der Genetischen Beratungsstelle die Interessen der dort Beschäftigten Berücksichtigung finden, wird in einer Vereinbarung· laut§ 2 geregelt. Da die Beratungsstelle derzeit nicht kostendeckend arbeitet, ist auch die in der Begründung dargestellte Abwicklung einer abschmelzenden Übergangsfinanzierung in sich schlüssig. Die geäußerte Sorge überdie Rolle der Beratung innerhalb der Aufgabenerfüllung des Instituts nehmen wir ailerdings auch: ernst. Deshalb wurde von den Koalitionsfraktionen ·der vorliegende Entschließungsantrag formuliert.

Die F.D.P. stimmt dem Gesetzentwurf zu.

(3eifall der F.D.P. und bei der SPD)

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Staatsminister Gerster das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist ein erfreuliches Ereignis, das der Landesregierung Anlass zu dem vorliegenden Gesetzent>Nurf gegeben hat. Dieses erfreuliche Ereignis ist die Bildung des Instituts für Humangenetik an dem

Universität~klinikum Mainz. Das ist gewissermaßen die Voraussetzung für alles Weitere, was wir heute behandeln und was wir in den letzten Sitzungen des Fachausschusses und · auch in der ersten Plenarberatung behandelt haben. Es gilt auch für das Institut für Humangenetik, dass dort Beratung, Forschung und Lehre zusammengehÖren und Beratung sogar im Vordergrund steht. Es ist nicht so, dass in diesem Institut im Wesentlichen geforscht, gelehrt, behandelt wird und nur am Rande beraten wird. Nein, die Beratung wrrd ein wesentlicherTeil der Aufgabe dieses neuen Instituts sein.

(Frau Bill, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wo steht das denn?)

Weil es dieses Institut gibt, ist es möglich, eine Organisationsänderung vorzunehmen und die beiden Einrichtungen_ zusammenzuführen.

Ich habe im Übrigen nichts zurückzunehmen, was die Würdigung der Arbeit der Genetischen Beratungsstelle s·eit 1975 angeht. Sie ist im Rahmen der Möglichkeiten eine gute Arbeit gewesen. Ich kann das zum Teil auch aus persönlichen Erfahrungen durchaus beurteilen. Aber diese Selbstständigkeit ohne den Hintergrund eines Humangenetischen Universitätsinstituts war eine suboptimale Lösung. Deswegen ist die Würdigung der bisherigen Arbeit gar kein ~Viderspruch zu dem Um

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bau und dem Zusammenführen dieser beiden Institutionen,

dem neu zu schaffenden Humangenetischen Institut und der seit längerem bestehenden Genetischen Beratungsstelle:

Die Würdigung der bisherigen Arbeit gilt auch für Frau Pro

fessorTheile, die durchaus eine gute Arbeit geleistet hat, was

- nichts daran ändert, dass die Humangenetische Beratungs

stelle Effizienzprobleme hat. Das ist ganz offensichtlich. Das ist auch verständlich, wenn wir uns vorstellen, dass es dort zweieinhalb Stellen für Ärztinnen und Ärzte gibt. Wenn dort ein Ar~t oder eine Ärztin länger ausfällt, sind das noch eineinhalb Stellen. Man kann sich vorstellen, dass die Arbeit in einer so kleinen Beratungsstelle, die· nicht auf einen größeren Personalkörper_ und auch nicht auf eine vernünftige' Verwaltungsstruktur zurückgreifen kann, situativ sehr unterschiedlieh sein muss.

Künftig wird das Humangenetische Institut sieben Ärztinnen und Ärzte umfassen und damit eine ganz andere Möglichkeit haben, auch zwischen diesen Ärztinnen_und Ärzten Aufgaben zu verteilen und flexibel mit Urlaubszeiten, Krankheitszeiten und anderen besonderen Situationen_umzugehe~. Die sieben Ärztinnen und Ärzte werden im Übrigen eine Untergrenze sein, die vermutlich nach einiger Zeit auch überschritten wird. Sie wird auf keinen Fall unterschritten werden:

Zur Finanzierung ist zu sagen, dass das Humangenetische In

stitut eine Finanzierung von der Kassenärztlichen Vereinigung zu ervvarten hat, die unabhängigvon dem Sicherstellungsauftrag und von Budgetierungsregelungen ist. Die Übergangsfinanzierung · dient dem Übergang. Deswegen heißt sie so. Hier soll sichergestellt werden, dass die zweieinhalb Ärztinnen und Ärzte, die bisher in der Genetischen Bera

tungsstelle tätig waren, künftig im Humangerietischen Institut zunächst einmal voll finanziert sind und dann die fünf Jahre-genutzt werden, um durch Synergieeffekte allmählich in die andere Struktur überzugehen, ohne dass dem Land zum Beispiel vorgeworfen werden könnte, dass es im Übergang auch Versorgungsprobleme zulassen würde.

Zu unterstellen, dass das Humangenetische Institut nicht so gut, das heißt, auch nicht flächen_deckend, beraten will, w)e es die bisherige Gen-etische Beratungsstelle getan hat, wäre eine etwas ungewöhnliche Vorstellung; denn weil die Beratung im Vordergrund_ steht, gibt es auch dasselbe Motiv, flächendeckend zu beraten. Wir haben im Übrigen in Form der Gesundheitsämter in Rheinland-Pfalzeine Vielzahl möglicher Außenstellen, die zusammen mit dem Humangenetischen Institut der ·universitätsklini_k entsprechend nutzbar sind und die auch entsprechend zusammenarbeiten werden.

(Frau Bill, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer soll das denn machen, weil die doch keine Humangenetiker.sind?)

Ich muss auch den Vorwurf zurückweisen, die L~mdesregie rung habe die Genetische Beratungsstelle bei diesem Projekt nicht ausreichend beteiligt. Sie haben seit der letzten Aus

schusssitzung die Liste der Kontakte mit Frau Professorin Theile und anderen Beteiligten. Daraus wird deutlich, dass es eine enge Abstimmung gegeben hat. Wenn dann bei der Anhörung, die sehr breit und sorgfältig vorgenommen worden ist, Frau Theile die einzige war.- die die alte Struktur ohne Einschränkung verteidigt hat, ist das meines Erachtens auch ein Hinweis darauf, wie die Fachwelt diese Veränderung sieht.

(Beifall des Abg. ltzek, SPD)

Ich denke, wir sollten uns auch nicht strukturkonservativ an Strukturen klammern, die nicht mehr in eine Zeit passen, in der Humangenetik ganz andere Herausforderungen mit sich bringen wird, als das in der Vergangenheit der Fall 11'iar.

Meine Damen und Herren, die Ausschüsse haben die Konzeption der LandesregierUng gebilligt. Sie empfehlen die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs. Ich würde mich freuen, wenn das Plenum durch ein klares Votum deutlich macht, dass Fachwelt und Politik übereinstimmen, und wenn wir dann auch die Arbeit der Genetischen Beratungsstelle, des Humangenetischen Instituts, als neuem fusionierten Institut

sehr genau beobachten würden, um das, was in dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen ausgedrückt ist, dann auch in-der Wirklichkeit abzubilden. Ich bin zuversichtlich, dass uns dasgemeinsam gelingen wird.

(Beifall der SPD und der F.D.P.)

Zu einer Kurzintervention erteile ich Herrn Kollegen Dr. Rosenbauer dasvVort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister Gerster, es stellt doch kein Mensch in Abrede, dass dieses- Institut an der Universität errichtet wird. Das war überhaupt nicht Gegenstand der Diskussion. Die Anhörung selbst hat eigentlich genau das gezeigt, was wir vorher befürchtet hatten. Ich war von der ersten bis zu letzten Minute der Anhörung dabei. Sie konnten anscheinend nicht dabei sein. (ltzek, SPD: Anhörung des Parlaments!)

- Es ist schon ein Unterschied, ob man dabei ist und die Betroffenen hört oder nicht.

(Beifall der CDU)

Wie Ihr Staatssekretär, Herr Auerriheimer, in dieser Anhörung vorgegangen ist, hat mir alles bestätigt, was ich vorher befürchtet habe. (Beifall des Abg. Kram er, CDU)

Niemand in dieser Anhörung hat die Kompetenz von ProfessorTheile irgendwie infrage gestellt. ln den ersten Äußerungen Ihres Staatssekretärs war dies ganz anders zu vernehmen. So viel einmal zu der Anhörung.

(Beifall desAbg. Schreiner, CDU)