Protokoll der Sitzung vom 13.12.2000

Es gab zum Beispiel noch _Herrn Kraß, der im Rollstuhl saß. Wenn Sie eben von "der Betroffenen" gesprochen haben, dann gab es eben auch noch "den Betroffenen".

(Rösch, SPD: Er hat das ausdrücklich begrüßt, Frau Kollegin!)

-Nein, er hat das gar nicht begrüßt.

(Rösch, SPD: Er hat nurWert darauf gelegt, _dass die Versorgung im ländlichen Raum sichergestellt ist! Sie wissen es doch!)

- Nein. Ich möchte aber meine Zeit nicht verschwenden. Schauen Sie nach, wenn das Protokoll vorliegt. Dann sehen -Sie es. Es war nur typisch, dass er hier wieder nicht genannt wurde.

. Sie haben Frau Professor Or. Theile _genannt.

- (Glocke des Präsidenten)

Sie hat weniger Eigeninteresse als Sorge um den Fortbestand der Beratung.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Rosenbauer?

Ja, aber schnell.

Frau Bill, wir sind doch immer von der schnellen Truppe.

Können Sie mir bestätigen, dass Herr Kraß in seiner Stellungnahme ausdrücklich gesagt hat, dass er eine unabhängige Stelle möchte, die so nicht mitdem Institut verbunden ist?

Ja, das kann ich Ihnen bestätigen. Aber Sie können nachher noch einmal eine Kürzintervention machen.

Meine Damen und Herren, gerade das Eigeninteresse der

~Leiterin der Genetischen Beratungsstelle, was eben so ge

nannt wurde, habe ich nicht als Eigeninteresse verstanden, sondern als Sorge um den Fortbestand einer eigenständigen Beratung im Interesse der betroffenen Menschen. Die Leiterin, die wirklich eine klare und sehr grundsätzliche Kritik deutlich llemacht hat, und die, wi~ wir alle hören konnten, in

ihrer fachlichen Kompetenz sehr unumstritten ist, kennt die Zusammenhänge in dieser Beratungstelle so wie sonst niemand. Das wurde in der Anhörung auchsehr deutlich.

Wenn es richtig ist, dass der tatsächliche Fortschritt und der so genannte medizinische Fortschritt genetische Beratung immer wichtiger machen werden, und wir zugleich wissen, dass zum Beispiel die prädiktive Medizin bei Erbkrankheiten und dem damit zusammenhängenden Kinderwunsch immer mehr Erkenntnisse zu Risiken und Nebenwirkungen ·mit sich bringt, ist es kaum zu verstehen, dass sich der Staat genau zu diesem Zeitpunkt aus der Verantwortung stehlen möchte. Ich sehe es, dass das so ist.

Dass die diagnostischen Möglichkeiten wesentlich weiter sind als die therapeutischen illiöglichkeiten, bringt doch einen weiteren sehr verantwortungsträchtigen Beratungsbedarf mit sich, der gar nicht unabhängig genug sein kann. Ich denke, das wurde auch in dieser Anhörung deutlich. Frau Hammer hat das eben an einem Beispiel ~usgefüh_rt.

Wirksame Beratung muss unabhängig und niedrigschwe!lig sein - wir können auch die Erfahrungen aus anderen Berei

chen, wie zum Beispiel Verbraucher- und Schuldnerberatung heranziehen-, damitsie die größtmöglich~ Akzeptanz findet. Man muss sich dieser Aufgabe der Beratung voll una ganz annehmen und die wichtige Begleitung im sozialen Umfeld ganz besonders im Auge haben.

_ (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gehthier insbesondere um pers()nliche Konfliktlagen, die zu begleiten sind. Zu dieser notwendigen psychosozialen B~ ratung, die das darstellt, hat auch der Ethikbeirat des Bundes

gesundheitsministeriums in einer Stellungnahme im November zu den Humangenetischen Beratungsste_llen Stellung bezogen. Es heißt dort:.. Problematisch ist, dass die bestehenden Beratungsangebote personell und finanziell teilweise nicht so ausgestattet sind,.dass die Anforderungen an die Beratung in optimalerWeise erfüllt werden."

ICh denke, das geht am allerbesten, wenn die Beratung ganz besonders ausgewiesen ist und nicht irg~ndwo untergeht und nicht mehr definierbar ist, weil alles ineinander übergeht und überhaupt keine Transparenz mehr besteht. Unter die

sen Gesichtspunkten habe ich auch Zweifel, ob ein großes Uniklinikum auch von seiner anonymen Baulichkeit her die richtige Anlaufstelle ist. ln Ihrem Gesetz ist die Beratung nicht besonders ausgewiesen, auch nicht personell und finanziell. Damit verliert sie im Gesamtkonstrukt an Bedeutung.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Es kommt hinzu, dass die V~rknüpfung von Beratung; For

schung und Behandlung ganz zweifellos zu Zielkonflikten · führen kann. Es mag ein verständlicher Ehrgeiz eines neu zu gründenden Instituts darin liegen, alle Tätigkeiten in diesem Bereich unter einem Dach zu vereinen. Aus der Sicht von Be

ratung suchenden Men~chen, die weder Patientinnen noch Forschungsgegenstand sind, stellt sich das bisweilen völlig anders dar. Dem Vernehmen nach sollen die ins Auge gefassten

personellen Perspektiven des Humangenetischen Instituts _eindeutig den Schwerpunkt in Richtung Forschung und nicht in Richtung Beratung habeh. So habe ich das zumindest gehört, Herr Gerster. Das kann sich unter Umständen in diesem Konstrukt als sehr verhängnisvoll erweisen.

--Die Problematik der Verknüpfung wird auch hinsichtlich der beabsichtigten Art und Weise der Finanzierung offenkundig.

Will das Klinikum in sp~teren Jahren die Beratung kostendeckend, also ohne Zuschuss aus dem Lande~haushalt durchführ-en, so ist dies sicherlich nur in einer Mischfinanzierung mit anderen Leistungen des Klinikums zu erwirtschaften. Da genau wären wir dann bei dem Zielkonflikt, wo Beratung aufhört und wo ein Trennungsstrich zur Behandlung, zu ausgiebigen Laborleistungen oder gar ein Trennungsstrich zu Forschungsprojekten mit Drittmitteln zu ziehen ist, ganz abgesehen davon, dass diese Verfahrensweise nicht mit der angestrebten Kostenwahrheit und Kostenklarheit im Gesundheitswesen zu vereinbaren wäre.

Meine Damen und Herren, die Stellungnahme der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinhessen macht darüber hinaus auch noch einmal deutlich, dass die Finanzierung keineswegs in trockenen Tüchern ist. Kommt eine Vereinbarung im Einvernehmen mit den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht zustande, können damit die bisherigen Außenstellen gekippt werden. Das ist auch eil:vas, was uns sehr zu denken gibt, weil wir der Ansicht sind, dass es sehr wichtig ist, dass diese Außenstellen weiterhin funktionieren.

Was die~Landesregierung anscheinend so klar in ihrem Gesetzentwurf geregelt hat, erweist sich bei näherer Betrachtung doch immer noch mit vielen ungelösten Fragen behaftet. Wenn genetischer Beratung eine wachsende Bedeutung zukommt, so ist es umso unverständlicher, dass dieses bis

-jetzt in die Fläche reichende Angebot an Beratung künftig auf Mainz konzentriert werden soll. Es gibt nicht genügend praktizierende Rumangenetiker im Land, die diese Lücke füllen könnten. Das wurde in der Anhörung sehr klar. Wir denken, genau an dieser Stelle, so kann es nicht sein, dass die Per

sonalsituation nicht so klar ausgewiesen ist, dass wir sicher sein können, dass in der Fläche die Beratung funktioniert.

Meine Damen und Herren; es geht uns auch nicht um die Frage, ob ein Humangenetisches Institut an der Uniklinik Mainz gegründet werden soll. Das ist längst überfällig. Das ist nicht von der Übernahme der Beratungstätigkeit abhängig. Das soll auch nicht sein. Das möchte ich auc;h betonen, damit es

keine Missverständnisse gibt. Auch wir GRÜNEN befürworten diese grundsätzliche -Frage. Wir wissen das von unserer Auffassung zu trennen, dass über manche Forschungsprojekte der Humangenetik Diskussionsbedarf bestehen muss.

Wir halten genetische Beratung für eine öffentliche Aufgabe, bei der Neutralität zü anderen Interessen zu wahren ist. Ihre

Aufgabenstellung ist eher mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst, mit Dienstleistungen zur Impfberatung oder der Hygiene zu vergleichen, wie sie ih den inzwischen kommunalisierten Gesundheitsämtern geleistet wird. Deshalb halten wir es gerade nach den Eindrücken aus der Anhörung für geboten, die genetische Beratung strukturell unabhängig unter staatlicher Verantwortung weiterzuführen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Wir sollten in Rheinland-Pfalzdie Vorteile der im Jahre 1985 gegründeten Genetischen Beratungsstellen herausstellen, \yomi:t Rheinland-Pfalz eine Ausnahmestellung erreicht hat, und zugleich bereit sein, staatliehe Zuschüsse im Sinn einer.

funktionierenden Primärprävention für die Bevölkerung bereitzustellen

(Glocke des Präsidenten)

und dabei rein an Kostenrechnungen des Rechnungshofs orientierten Empfehlungen widerstehen können, wenn diese offensichtlich fachlich zu widerlegen sind.

Meine Damen und Herren, in Ihrer Entschließung haben Sie uns im Grunde genommen Recht gegeben. Man kann sagen, Problem erkannt, aber leider Gefahr nicht gebannt, IJveil Sie nämlich die Schlüsse daraus nicht ziehen und meinen, uns mit dem lapidaren Satz "Die _Landesregierung hätte gern" oder '!würde es begrüßen "oder "der Landtag würde es begrü-Ben... " vertrösten zu können. Dafür kann -sich niemand von den Betroffenen etwas kaufen, wenn wir das hier begrüßen.

Es muss schon im Gesetz festgeschrieben sein.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die F.D.P.-Fraktion erteile ich der Abgeordneten Frau Pahlerdas Wort.