Protokoll der Sitzung vom 14.02.2001

(Beifall im-Hause)

Ich erteile der Abgeordneten Frau Grützmacher das Wort. ·

Abg. frau Grützmacher~ BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Meine Damen und Herren! Mit diesem Gesetzentwurf zur direkten Demokratie machen wir einen neuen Versuch, demo

kratische Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern zu stärken. Es ist aber noch nicht abzusehen, ob dieser Versuch gelingt. Ich sehe das au~ einerganz anderen Warte als dieCDU.

"Dabei beziehen sich unsere B~:denken zum Beispiel auf die bürokratisch auf11vendige Unterzeichnung _bei den Volksinitiativen - das ·gilt auc~ für die Kosten, die Antragsteller für ein Verfahren zu tragen haben-, und dann ist die sehr hohe Zahl von 300 000 Stimmberechtigten beim Volksoegehren zu nennen- Sie wiesen schon darauf hin-, die sich in relativ kurzer Zeit in die Listen eintragen müssen.

Sehr ernst zu nehmen sind unserer Meinung nach auch die Bedenken, dass das Quorum von mindestens einem Viertel der Stimmberechtigten, die sieb an· der Abstimmung beteiligen müssen, zu hoch ist und· dass es dadurch sein kann, dass. die Instrumente ins Leere laufen.

. Die Hürden sind also nach wie vor hoch- wir kritisieren das,. während das von den Konservativen, von der CDU begrüßt wird -, aber vvir berücksichtigen auch in unserer Kritik - darüber haben wir auch in den verschiedenen Gremien, Enquete-Kommission usw. diskutiert-, dass. es wichtig ist, in diesem Bereich einen ~orisens herzustellen;-denn gerade diese neuen unmittelbaren demokratischen Verfahren eignen sich nicht zur politischen Polarisierung, weil natürlich diese direkten Verfahren von vielen Bürgerinnen und Bürgern durch die Bank weg gewünscht werden.

Meine Dameri und Herren, wir haben nicht so viel Angst vor

~en Missbrauchsmöglichkeiten; ~enn die Erfahrungen in anderen Bundesländern haben deutlich gezeigt - ich kann da -auch ausdrücklich Bayern nennen -, wie wichtig diese Form der direkten Demokratiebeispfelsweise auch für die Identitätsbildung eines Landes ist. ln Bayern hieß·d~s: "Wir in

Bayern!". Das kann durchaus die Folge dieserneuen Möglichkeiten sein.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Schiffmann hat schon darauf hingewiesen, dass jetzt auch auf der Bundesebene_ über Volksentscheide diskutiert wird. Bundespräsident Rau hat gesagt: "Es kann nicht befriedigend sein-für die Bürger, dass sie nur alle vier Jahre ihre Stimme abgeben können und im Übrigem keinen direkten !=influss haben." Er sagt aber -auch- es is~ vielleicht wichtig, das hinzuzufügen-: "Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass Parlamentsentscheide _ersetzt werden können, aber dass das Parlament wissen können soll,_wie über bestimmte Fragen gedacht wird." Er sagt

dann zum Schluss noch den schö·nen Satz des Philosophen Thomas von Aquin: "Der Missbraüch einer Sache darf ihren Gebrauch niclit hindern."

Meine Damen und Herren, es hatsich gezeigt, dass sich die _ Bürgerbegehren und die Volksbegehren, besonders die Volksbegehren auf Landesebene, in den anderen Bundesländern vor allem mit der Stärkung der direkten Demokratie befasst haben. 12 v.on 27 Volksbe_gehren haben sich damit be

9566 Landtc::g Rheinland-Pfalz -13. Wahlperiode- ~27. Sitzungy 14. Februar 2001

_ tasst.- Die Erziehung, die Bildung und-die Kultur oder die Mit

telkürzurig bei Kindertagesstätten waren zum Beispiel lnhal-_ te und Themen von Volksbegehren in anderen Bundesländern und haben -zu unterschiedlichen Erfolgen oder Misserfolgen gefuhrt. Wir wissen alle, dass nicht jedes Volksbeg eh

-ren Erfolg· haben kann.

- Meine Damen und Herren, in der nächsten Legislaturperiode

-wird sich zeigen, ob durch dieses Gesetz· direkte Demokratie auch in Rtleinland-Pfalz ermöglicht wird oder ob seine-büro

kratischen HiJ:Iderrtisse die Umsetzung dieser Beteiligungsrechte ins Leere faufen lassen -wird. Wenn sich diese Anzejchen zeigen, müssen_ wir noch einmaLdiskutieren, ob wir die _ Hürden fiir das· Volksbegehren und die Volksentscheide nicht

weiter senken müssen, damit wir mehr Demokratie durch das Engagement von Bürgerinnen und- Bürgern umsetzen können.

Vielen Dank.

(Beifall de!iBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Frey das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die F.D.P. hat sich _ immer dafür eingesetzt, dass Bürgerrechte in diesem Land gestärkt werden und wir Elemente direkter Demokratie in

- unse(e Verfassung, aber auch in die Kommunalverfassung aufnehmen. Deswegen haben wir jahrelang die Forderung verfolgt, auf kommunaler Ebene durch Direktwahlen und das Kumulieren und Panaschieren den Willen der Bürger zu stärken. Wir haberf die Möglichkeit eröffnet und unterstützt,

dass auf kommunaler Ebene Einwohnerantrag, Bürgerbeg eh

- ren, Burgerentscheid, aber auch die Fragestunde ermöglicht_ worden sind:

Deswegen war es auch folgerichtig, im Rahmen der Verfas

-sungsreform und der Diskussiqn auf demWeg dorthin dafiir

zu sörgen,.dass Elemente direkter Demokratie auth verstärkt in die Landesverfassung kommen. Wir geben damit unser Sys

tem dertepräsentaj:iven Demokratie -nicht auf, sondern neh

men eine neue -Austarierung zwischen Elementen repräsen

-tativer Demokratie und direkter Demokratie vor.

Wir sind Weit davon entfel·nt, ein ähnliches System wie in qer Schweiz anzustreben. Wir denken und meinen, dass es ·ohne_

. Probleme ist, Wenn wir den Bürgerinnen uni:! BOrgern unseres Landes die Möglichkeit eröffnen, mit ihrem Wiilen stärker in

die Landespolitik einzugreifen. Ich halte diese Hurden und die Quoren, die in der Landesverfassung aufgenommen sind, für einen guten und tragbaren Kompromiss. Ich sehe im Augenblick auch keinen Handlungsbedarf. Wir haben insbeson

dere beim Volksbegehren eine deutliche Reduzierung vorge- nommen. Wirsollte-n abwarten, wiesich diese Quoren in d-er Praxis· bewähren und nicht nach einem halben Jahr meinen, wir mussten wieder eine neue Diskussion anzetteln, egal in

- welche Richtung.

(Vereinzelt Beifall bei F.D.P.

_ Deswegen bin Ich froh; dass das, was im letzten Jahr umgesetzt worden ist, nun in einfachgesetzliche Regelungen umgegossen worden ist und wir ein Zulassungsverfahren regeln, bei dem es übrigens bei den Quoren geblieben ist, wie im Vorfeld. Es wurde weder eine Verschärfung noch eine Verringerung der Quoren vorgenommen. Ich bin froh, dass- wir

praktikable Regelungen haben.

Ich hatte bereits in der Diskussion in erster Runde angedeu

tet, dass es Gesprächsbedarf geben muss: Es hat ihn auch in der Ausschussb\'!ratung zur Fra_ge der Prüfung des Antrags einer Volksinitic:~tive gegeben. Ichbin froh, dass es hier zu einer Änderung des Gesetzentwurfs gekommen ist und diese Prü

--fung seitens des Landtags und nicht nur einer herausgehobenen Person, namlich des Präsidenten, erfolgt. Ich denke, das macht die Sache verbindlicher und fiir die Mehrheit der An

tragsteller durchsichtiger. Es ist nicht eihe Person herausgestellt, bei aller Hochachtung, Herr Präsident,- 0

Vielen Dank.

--sondern es geht um den Landtag, der angerufen werden soll. Deswegen muss auch der Landtag prüfen; Insofern sehe ich diese Änderungsvorschläge, die von breiter F~ont getragen werden, für sehrverniinftig an.

Insgesamt halte ich diesen Gesetzentl.vurf- das ist auch dieMeinung meiner Fraktion - fiir eine ordnungsgemäße und sinnvolle Umsetzung des Willens der Mehrheit dieses Hauses, die sich im letzten Jahr bei der Ve_rfassungsreform geäußert hat. Wir unterstützen diesen Gesetzent11'1urf und sehen damit -eine weitere Stärkung der Bürgerrechte, ohne däss_wir unser bisheriges Verfassungssystem aufgeben.