Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Wir kommen damit zur unmittelbaren Abstimmung über den Antrag, weil die Beschlussempfehlung die Ablehnung empfiehlt. Wer dem Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/6246 – seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. – Gegenstimmen? – Danke schön. Für Enthaltung ist kein Raum. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der AfD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU abgelehnt.

Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung:

Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/6247 –

dazu: Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses – Drucksache 17/8098 –

Opferschutz in Rheinland-Pfalz: Bewährte Strukturen sinnvoll ergänzen Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/8158 –

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf Sie noch kurz über das bisherige Beratungsverfahren informieren: Die erste Beratung im Plenum hat am 24. Mai 2018 stattgefunden. Der Antrag wurde an den Rechtsausschuss – federführend – sowie an den Innenausschuss – mitberatend – überwiesen. Auch hierzu hat es ein Anhörverfahren gegeben. Die Ausschussempfehlung lautet Ablehnung.

Gibt es Wortmeldungen? Herr Abgeordneter Dr. Martin hat das Wort.

(Präsident Hendrik Hering übernimmt den Vorsitz)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Der ebenso intensiv diskutierte Brexit hinterlässt sicherlich auch Opfer – das haben wir gehört –, auch hier in Rheinland-Pfalz. Trotzdem ist es ein ziemlicher thematischer Bruch, den wir jetzt vornehmen, wenn wir über die Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten des Landes Rheinland-Pfalz diskutieren.

Der heutigen Debatte vorangegangen – das wurde bei der Einführung kurz skizziert – ist eine sehr intensive Diskussion mit einer – wie ich finde – sehr fruchtbaren Anhörung im Rechtsausschuss. Diese Diskussion war nach meiner Wahrnehmung geprägt durch ein hohes Maß an Übereinstimmung, zumindest bei der Zielsetzung. So hieß es schon bei der ersten Befassung vonseiten der Ampel – und ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten den Kollegen Sippel –: „Opfer von Straftaten verdienen das besondere Augenmerk und die Unterstützung des Rechtsstaats.“ Das ist richtig. Das sehen wir von der CDU-Fraktion genauso.

Dieser Grundsatz ist also der übereinstimmende Maßstab, an dem sich alle Maßnahmen messen lassen müssen. Bei so viel Einigkeit hätte es eigentlich nahegelegen, dass Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der regierungstragenden Koalition, dem CDU-Antrag zur Einsetzung eines Opferbeauftragten nach dem erfolgreichen Vorbild aus Nordrhein-Westfalen zustimmen.

(Beifall der CDU)

Stattdessen hat es die Landesregierung aber vorgezogen, nach unserem Antrag schnell dem Präsidenten des

Landesamts für Soziales, Jugend und Versorgung das zusätzliche Etikett „Opferbeauftragter“ anzuheften. Immerhin, der Schritt zeigt, dass auch Sie eingesehen haben, dass das System der Opferunterstützung im Land weiterentwickelt werden muss. Dieser Einsicht – das sage ich ganz deutlich – steht nicht entgegen, dass wir – ich betone – übereinstimmend feststellen können, dass in RheinlandPfalz die Zivilgesellschaft, allen voran der WEISSE RING, aber auch die Opferbeauftragten bei den Polizeipräsidien hervorragende Arbeit leisten.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das stimmt!)

Es ist also durchaus ein Schritt in die richtige Richtung; denn – das hat die Anhörung im Rechtsausschuss ganz klar bestätigt – es ist wichtig, einen Opferbeauftragten auf Landesebene zu haben. So hat die Opferschutzbeauftragte beim Polizeipräsidium Koblenz ganz klar geäußert, dass ein Opferschutzbeauftragter auf Landesebene sinnvoll ist, weil er in dieser Funktion eine ergänzende Hilfestellung leisten kann und damit eine hohe staatliche Anerkennung für die Opfer verbunden ist.

Auch der Opferbeauftragte des Landes Berlin hat bestätigt, dass es für die Opfer wichtig ist, einen Lotsen zu haben, der ihnen hilft, die richtigen Ansprechpartner zu finden, und das Fördern der Netzwerkarbeit und die Koordinierung der Kommunikation wichtige Elemente im Bereich der Opferschutzarbeit sind.

Aber ausgehend von dem vorhin definierten übereinstimmenden Maßstab, Opfer von Straftaten verdienen das besondere Augenmerk und die Unterstützung des Rechtsstaats, stellt sich doch die Frage, ob es diesem Maßstab wirklich gerecht wird, wenn man den doch hoffentlich voll ausgelasteten Präsidenten des Landesamts diese Aufgaben, wie wir sie vorhin genannt hatten, so nebenbei erledigen lässt.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Wir glauben das nicht, sondern wir sind davon überzeugt, dass nur ein hauptamtlicher Beauftragter wie in NordrheinWestfalen diesem Anspruch, den Sie selbst auch definiert haben, gerecht wird.

(Beifall bei der CDU)

Das Modell der Landesregierung hingegen ist eher ein Opferschutz light.

Das gilt auch dann, wenn man mit dem Ansatz der Regierung vielleicht sagt, der ehrenamtliche Opferschutzbeauftragte soll nur für die Betreuung bei Naturkatastrophen, Terroranschlägen und größeren Unglücken zuständig sein. Dass aber auch das nicht greift, zeigt sich schon daran, dass das Land Berlin nun für genau solche Terroranschläge und Großschadensereignisse eine ganze zentrale Anlaufstelle mit fünf Mitarbeitern aufbaut, und zwar zusätzlich zu dem schon seit vielen Jahren etablierten ehrenamtlichen Opferschutzbeauftragten.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Die nehmen das nicht ernst!)

Weiterhin: Wenn für alle anderen Opfer von Schwerkriminalität nur die Zivilgesellschaft und die Polizeipräsidien zuständig sind, dann schaffen Sie doch mit Ihrem Modell eine Zweiklassengesellschaft bei der Opferbetreuung. Aus Sicht eines Opfers macht es überhaupt keinen Unterschied, ob es von einem Räuber oder einem Terroristen niedergestochen wird.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Ja!)

Das eine Opfer verweisen Sie an den WEISSEN RING, und für das andere Opfer ist dann der Landesbeauftragte zuständig.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Das leuchtet nicht ein. Wir möchten stattdessen, dass alle Opfer gleichen Anspruch auf Unterstützung haben; denn – ich zitiere noch einmal – jedes Opfer verdient besonderes Augenmerk und besondere Unterstützung.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, es geht uns dabei nicht darum, eine neue große staatliche Opferschutzorganisation aufzubauen. Nein, für die Bewältigung der anfallenden Arbeit kann auch aus unserer Sicht neben den etablierten Hilfsorganisationen durchaus weitgehend auf die vorhandenen Ressourcen der Exekutive zurückgegriffen werden.

Das vom WEISSEN RING als einzigem Vertreter übrigens bei der Anhörung vorgetragene und auch von den Ampelvertretern im Ausschuss bemühte Argument der Parallelstruktur zur Zivilgesellschaft greift also gar nicht.

Nur der Vorschlag der CDU wird dem schon mehrfach zitierten Anspruch noch aus einem anderen Grund gerecht; denn der solidarische Rechtsstaat muss den Opfern von Kriminalität angemessene, auch staatliche Hilfe zur Verfügung stellen. Diese Pflicht ist quasi die Fortsetzung des staatlichen Schutzauftrags mit anderen Mitteln in den Fällen, in denen das Verbrechen vom Staat mit seinem Gewaltmonopol nicht verhindert werden konnte.

Die ausschließliche Verweisung auf zivilgesellschaftliche Hilfsangebote reicht zur Erfüllung dieser Verpflichtung genauso wenig aus, wie eine Verweisung auf private Sicherheitsdienste oder Bürgerwehren anstelle der Polizei ausreichen würde.

Wir müssen nun einmal auch akzeptieren, dass ein Opfer vielleicht nicht unbedingt zum nächst gelegenen Polizeipräsidium will, sondern lieber einen neutralen Ansprechpartner – staatlich zur Verfügung gestellt – für sich als Hilfsinstanz hätte.

Deswegen meine Bitte, nehmen Sie Ihren eigenen Maßstab ernst, setzen Sie ein Zeichen zur sinnvollen Weiterentwicklung des bewährten Opferhilfesystems,

(Glocke des Präsidenten)

und stimmen Sie dem Antrag der CDU zu.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Für die SPD-Fraktion spricht Herr Abgeordneter Sippel.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Antrag der CDU datiert vom 17. Mai 2018. Wir haben mehrfach darüber im Rechtsausschuss beraten. Ja, es stimmt, wir haben eine sehr sachliche Anhörung durchgeführt.

Wir sind uns auch im Ziel einig: Opferschutz verdient ein besonderes Augenmerk. Das ist völlig klar. Wenn Sie sich den neuen, den aktuellen Opferschutzbericht ansehen, dann muss man konstatieren, dass wir in Rheinland-Pfalz schon sehr weit gekommen sind.

Was Ihren Antrag anbelangt, muss ich heute feststellen, er ist überholt.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!)

Er ist durch die Zeit überholt. Die Landesregierung hat längst gehandelt. Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat bereits bei der Gedenkveranstaltung zum Flugtagunglück von Ramstein im August 2018 verkündet, dass Detlef Placzek mit der Aufgabe des Opferbeauftragten der Landesregierung betraut wird.

Mit der Beauftragung kommt das Land Rheinland-Pfalz einer Anregung von Kurt Beck nach, der als Beauftragter der Bundesregierung für die Anliegen der Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags auf den Berliner Breitscheidplatz eine engere Vernetzung der Stellen von Bund und Ländern für solche extremen Ausnahmesituationen angemahnt hat.

(Beifall und Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr guter Vorschlag! – Vereinzelt Beifall bei SPD und der FDP – Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Bei Kurt Beck habe ich geklatscht!)

Bis jetzt haben fünf Bundesländer eine zentrale Anlaufstelle eingerichtet. Rheinland-Pfalz ist hier vorn mit dabei. Das unterstreicht noch einmal mehr, welchen Stellenwert der Opferschutz hier im Land einnimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, mit Ihrem Antrag zielen Sie allerdings darauf ab, nicht nur eine zentrale Verbindungsstelle für Großereignisse, sondern ein neues, relativ weit gefächertes Angebot der Opferberatung und der Hilfe bis hin zur individuellen Einzelfallberatung zu schaffen. Darüber hinaus soll der Opferschutzbeauftragte eine Lotsenfunktion übernehmen, Netzwerkarbeit fördern, Aktionen im präventiven Bereich koordinieren und vieles mehr.

Ich bin der Auffassung, wir schaffen dadurch in der Tat eine Doppelstruktur. Wir haben bereits bestehende Angebote