Protokoll der Sitzung vom 19.06.2018

Ich bin der Auffassung, wir schaffen dadurch in der Tat eine Doppelstruktur. Wir haben bereits bestehende Angebote

in Rheinland-Pfalz und ein sehr umfassendes flächendeckendes Beratungsnetzwerk mit hoher örtlicher Präsenz. Ich nenne hier vor allem den WEISSEN RING, aber auch andere, viele Opferschutzeinrichtungen, die sich zivilgesellschaftlich engagieren.

Herr Landesvorsitzender Keggenhoff vom WEISSEN RING hat im Rahmen der Anhörung noch einmal deutlich unterstrichen, dass es diesen Grundsatz der Subsidiarität gibt. Das heißt, sofern eine Aufgabe durch die Zivilgesellschaft angemessen erfüllt werden kann, bedürfe es keiner zusätzlichen staatlichen Aufgabenwahrnehmung.

Rheinland-Pfalz ist eben nicht 1 : 1 mit NordrheinWestfalen oder dem Stadtstaat Berlin vergleichbar, deren Opferschutzbeauftragte weitergehende Aufgaben übernehmen. Wir in Rheinland-Pfalz haben noch ein sehr dezentrales Angebot, allein der WEISSE RING verfügt über 27 Außenstellen. 280 Opferhelferinnen und Opferhelfer engagieren sich ehrenamtlich.

Herr Keggenhoff hat im Rahmen der Anhörung gesagt, wir sind näher dran, wir sind kommunal verankert. Natürlich ist es so, dass auch staatliche Stellen Opferschutz betreiben, die Polizei etwa durch Opferschutzbeauftragte in den Polizeipräsidien oder auch die Justiz durch Zeugenkontaktstellen und vieles mehr – alles bereits etablierte Stellen, die wir überhaupt nicht infrage stellen.

Der neue Opferbeauftragte der Landesregierung soll nach Anschlägen, nach schlimmen Unglücksfällen oder Naturkatastrophen mit überregionalem Ausmaß, die hoffentlich nie eintreten, als Berater und Sachwalter der Opfer dafür sorgen, dass sie schnelle und unbürokratische Hilfe erhalten; ja, er soll sich kümmern.

Ich glaube und ich bin auch überzeugt davon, Detlef Placzek bringt hierfür die geeigneten fachlichen und persönlichen Voraussetzungen mit. Er hat es als Flüchtlingskoordinator bewiesen und verfügt auch über das entsprechende Know-how, weil es gerade in Zukunft um Themen des Opferentschädigungsrechtes gehen wird, Aspekte wie Schadensersatz, Rehabilitation oder auch Versorgungsfragen.

Selbstverständlich bedarf die Arbeit einer konzeptionellen Vorbereitung mit einer ressortübergreifenden Verzahnung und Vernetzung mit relevanten Behörden, mit Institutionen und auch der ehrenamtlichen Ebene. Das ist völlig klar, um im Falle eines Falles, der hoffentlich nie eintritt, gut gerüstet zu sein.

Dieser Bericht über die konzeptionelle Aufstellung soll nach unserem Alternativantrag auch Gegenstand einer Beratung sowohl im Rechtsausschuss als auch im Sozialpolitischen Ausschuss sein. Mit dem Opferbeauftragten der Bundesregierung, Herrn Professor Franke, besteht bereits ein entsprechender Austausch, sodass der Intention des Vorschlags von Kurt Beck bereits Rechnung getragen wurde.

Meine Damen und Herren, deshalb lehnen wir den Antrag der CDU ab. Er schießt aus unserer Sicht über das Ziel hinaus. Die erfolgte Einsetzung eines Opferbeauftragten ist nach unserer Überzeugung passgenau auf die Bedürfnisse unseres Landes erfolgt.

Danke schön.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir dürfen weitere Gäste im Landtag begrüßen: Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe des Gymnasiums am Römerkastell in Bad Kreuznach. Herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im Hause)

Für die AfD-Fraktion spricht Abgeordneter Friedmann.

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen! Über diesen Antrag haben wir im Rechtsausschuss nach einer Anhörung von verschiedenen Stellen, darunter auch Sachkundige aus anderen Ländern, des privaten Opferschutzes WEISSER RING und auch von der Polizei Rheinland-Pfalz, ausgiebig diskutiert.

Unter den Anzuhörenden gab es, außer vom WEISSEN RING, nur Befürworter für einen Opferschutzbeauftragten für Rheinland-Pfalz. Auch die Vertreterin des Polizeipräsidiums Koblenz vom dortigen Opferschutz sprach sich für eine übergeordnete Stelle aus, von welcher die Koordination des gesamten Opferschutzes in Rheinland-Pfalz gewährleistet sein könne.

Mit Erlaubnis zitiere ich aus ihrer Rede: „Eine Chance sehe ich darin, dass der Landesopferschutzbeauftragte durch die übergeordnete Anbindung eine koordinierende und damit auch eine politische Funktion übernehmen könnte. Als Schnittstelle zu Behörden und Institutionen und aus meiner Sicht im Idealfall mit juristischer Kompetenz ausgestattet, könnte diese Person Optimierungsbedarf erkennen und sich für eine Weiterentwicklung des Opferschutzes einsetzen.“

Diese staatliche Stelle wäre auch von uns aus begrüßenswert, ist es doch so, dass der Opferschutz gegenüber dem Täterschutz hintansteht. Es ist grundsätzlich begrüßenswert, dass mit dem vorliegenden Antrag der Opferschutz mehr Gewicht und Aufmerksamkeit bekommen soll.

Aus eigener beruflicher Erfahrung kann ich das Wichtigste dieser Thematik nur unterstreichen. Es ist leider traurige Realität, dass in vielen Fällen die Täter besser versorgt werden als die Opfer, denen es vielfach an Anlaufstellen und auch der Koordination dorthin fehlt, wo sie effektive Hilfe bekommen können. Hier leisten die Opferschutzbeauftragten der Polizei und Organisationen wie der WEISSE RING ihr Möglichstes, aber das kann und sollte noch verbessert werden, zum Beispiel durch anwaltliche Hilfe ähnlich wie ein Pflichtverteidiger.

Nun noch ein paar Worte zum Alternativantrag der Regierungskoalition vom 17. Januar: Darin wird darauf eingegangen, dass Rheinland-Pfalz eines der sichersten Gebiete in Deutschland und Europa sei. Trotzdem hatten wir laut dem Opferschutzbericht aus dem Jahr 2018 über 54.000 Opfer,

was eine Zunahme von 9 % in den letzten zehn Jahren bedeutet.

Angesprochen wird die gute Ermittlungsarbeit der Polizei, was auf jeden Fall berechtigt und auch richtig ist. Es gilt aber auch: Je mehr Tatverdächtige ermittelt werden, umso mehr Opfer werden im Nachhinein nochmals mit dem Täter konfrontiert. Genau dem wird mit dem Antrag der CDU Rechnung getragen. Diese Opfer müssen besser unterstützt werden.

Zu den Forderungen des Alternativantrags gehört, dass bei den Zuständigkeiten des Opferbeauftragten eine ressortübergreifende Unterstützung der Landesregierung sicherzustellen sei. Diese Aussage kam auch von der Opferschutzbeauftragten aus Koblenz. Die Stelle des Opferbeauftragten ist eine Ehrenamtsstelle. Zu seinen Aufgaben gehört es, Konzepte zu möglichen Katastrophen und Attentaten zu erstellen. Ob aber an dieser Stelle nach dem Konzept auch die Umsetzung erfolgen kann, ist sehr fraglich. Hierzu gehört eine Menge Manpower, die ein Ehrenamtlicher wohl nicht leisten kann.

Wir unterstützen den Antrag der CDU und lehnen den Alternativantrag der Regierungsparteien ab.

Vielen Dank.

(Beifall der AfD)

Für die FDP-Fraktion spricht Abgeordneter Roth.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin stolz, heute hier stehen zu dürfen und sagen zu können, wir leben in einem sicheren Bundesland. Polizei und Justiz arbeiten täglich Hand in Hand zusammen und leisten hervorragende Arbeit im Sinne aller RheinlandPfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer.

Deshalb gilt zunächst den Polizistinnen und Polizisten sowie den Justizmitarbeiterinnen und Justizmitarbeitern mein tiefer Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Jahr 2017 wurden in Rheinland-Pfalz gegenüber dem Vorjahr über 22.000 Straftaten weniger erfasst. Natürlich wäre es wünschenswert, jede Straftat verhindern zu können. Unser Anspruch muss weiter sein, die Bürgerinnen und Bürger weiterhin bestmöglich zu schützen.

(Zurufe von Abg. Christian Baldauf, CDU)

Herr Kollege Baldauf, möchten Sie nach vorne kommen?

(Zuruf von der CDU: Sie packen das!)

Allerdings verhallen mit einem Blick auf die Zahlen die Unkenrufe der Opposition, nach denen unsere Straßen

unsicherer geworden seien. Mit knapp 6.200 Fällen pro 100.000 Einwohnern liegen wir erfreulicherweise weit unter dem Bundesdurchschnitt mit ca. 7.700 Fällen. Dennoch ist jede Straftat eine zu viel. Gleichzeitig ist die Aufklärungsquote mit 64,4 % in Rheinland-Pfalz so hoch wie nie seit Einführung der bundeseinheitlichen PKS im Jahr 1971.

Schließlich sank auch die Zahl der Straftaten mit Asylhintergrund um 55,1 %. Diese Zahl wird besonders die Ahnemüller-Partei interessieren. Leider ist er nicht da.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dennoch erkennt die Landesregierung, dass es in unserer Verantwortung liegt und Auftrag zugleich ist, allen Opfern körperlicher oder seelischer Gewalt zur Seite zu stehen. Aus diesem Grund haben wir ausdrücklich die Initiative der Opposition unterstützt, ein Anhörverfahren über die Einsetzung eines Opferschutzbeauftragten in Rheinland-Pfalz durchzuführen. Eine Erkenntnis des Anhörverfahrens war allerdings auch, dass wir in Rheinland-Pfalz schon heute über gute Strukturen und Angebote verfügen, die darauf ausgerichtet sind, Opfern in Notsituationen zur Seite zu stehen.

So sorgen fünf Opferschutzbeauftragte an den Polizeipräsidien im Land für eine dezentrale und niederschwellige Beratungsstruktur vor Ort. Kollege Dr. Martin hat das vorhin schon erwähnt. Auf diese Weise kann frühzeitig bei der Polizei eine Ansprache der Opfer stattfinden und bereits bei der Anzeige darauf hingewiesen werden, wohin sie sich wenden können.

Darüber hinaus ist die Arbeit des WEISSEN RINGS in Rheinland-Pfalz besonders hervorzuheben. Gerade am vergangenen Montag hatte ich mit einem ehrenamtlichen Mitarbeiter gesprochen, der mir eindrücklich zwei aktuelle Fälle geschildert und damit aufgezeigt hat, wie wichtig auch diese Betreuung ist. Der WEISSE RING beweist täglich aufs Neue, dass Ehrenamt verbunden mit Kompetenz eine Säule unserer Daseinsvorsorge ist.

Ich möchte an dieser Stelle nochmals den über 280 gut ausgebildeten ehrenamtlichen Opferhelferinnen und Opferhelfern des WEISSEN RINGS für ihren unermüdlichen und selbstlosen Einsatz danken.

(Beifall bei FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Somit wird eine flächendeckende und zivilgesellschaftlich gut organisierte Versorgung in Rheinland-Pfalz gewährleistet, die parallele Strukturen des Staates nicht braucht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, folgerichtig zielt unser Alternativantrag darauf ab, neuen Phänomenen des Opferschutzes in Rheinland-Pfalz zu begegnen. So werden wir verstärkt Naturkatastrophen und möglicherweise Terroranschläge bewältigen müssen. In dem Zusammenhang begrüßen wir ausdrücklich, dass wir in Detlef Placzek einen ausgewiesenen Fachmann als Opferbeauftragten des Landes gewinnen konnten.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Der auch noch Zeit hat! Der schafft doch schon viel zu viel!)

Er wird sich zukünftig um die Belange der Betroffenen nach

Naturkatastrophen und Terroranschlägen sowie größeren Unglücken kümmern. Bereits heute bereitet er sich konzeptionell auf mögliche Katastrophen oder Attentate vor, die hoffentlich nie eintreten werden und uns wohl dennoch im Laufe der Zeit einholen werden. Damit gewährleistet die Landesregierung frühzeitig, dass Antragswege verkürzt und das Leid der Opfer und Hinterbliebenen nicht noch mit bürokratischen Hürden belastet wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich danke allen Beteiligten, die sich für Herrn Placzek als neuen Opferbeauftragten eingesetzt haben und wünsche ihm im Namen der FDP-Fraktion, aber auch persönlich für die Zukunft viel Erfolg und gutes Gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Abgeordnete Schellhammer.