Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Rheinland-Pfalz in Europa – Europa in RheinlandPfalz. In Anlehnung an den vorherigen Tagesordnungspunkt passt es eigentlich ganz schön. Europa ist eines der gelungensten Friedensprojekte seiner Zeit, das es zu hegen und zu pflegen gilt und das es zum Beispiel meiner Generation in meiner Familie als einer der ersten Generationen das Geschenk machte, bisher ohne Krieg leben zu dürfen. Das ist europäisch betrachtet leider immer noch eine Seltenheit. Umso schöner ist es, dass es seit sieben Jahrzehnten erfolgreich funktioniert.

Das ist aber kein Selbstläufer. Das zeigen auch die Debatten im europapolitischen Raum. Wenn ich an die BrexitDebatte in den letzten Monaten denke, so hält Europa schon den Atem an, was passiert. Wir haben ganz starke rechtspopulistische Kräfte, die die Europawahl dazu nutzen wollen, Europa letztlich rückabzuwickeln. Insofern ist es wichtig, dass man sich dieses Thema immer wieder vor Augen führt, und dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen müssen wir uns noch einmal bewusst machen, welche Leistungen und Selbstverständlichkeiten wir in Europa schon erreicht haben. Zum anderen müssen wir aber auch deutlich machen, dass es kein Selbstläufer bleibt oder ist, sondern dass man sich täglich aktiv dafür einsetzen muss, Europa auch weiterzuentwickeln.

Die Antworten auf diese Große Anfrage „Rheinland-Pfalz in Europa – Europa in Rheinland-Pfalz“ dokumentieren das in eindrücklicher Weise.

Ich komme zu dem ersten Themenkomplex: Wie stark sind wir eigentlich schon europäisch geworden, gerade auch hier in Rheinland-Pfalz? Rheinland-Pfalz als Grenzraum lässt sich sehr gut als Beispiel heranziehen. Es gibt einige Zahlen in der Großen Anfrage dazu. Einen Teil habe ich gestern hier am Pult schon angesprochen.

Ich möchte vielleicht mit einer sehr schönen Zahl beginnen. 45.000 Paare gibt es in Rheinland-Pfalz, bei denen die eine Hälfte des Paars Rheinland-Pfälzer oder Rheinland-Pfälzerin ist und die andere Hälfte aus den EUMitgliedstaaten kommt. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Es ist schön, dass es in Rheinland-Pfalz so ist.

Hinzu treten noch über 200.000 Menschen im Land Rheinland-Pfalz, die hier leben und arbeiten, aber gleichzeitig aus den EU-Mitgliedsländern kommen. Auch hier sieht man schon die enge Vernetzung und Verzahnung in unserem Bundesland, was diesen Punkt betrifft.

Wir haben natürlich auch viele Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer, die froh sind, dass es keine Grenzen mehr gibt und wir ein grenzenloser Raum geworden sind, weil sie in den grenznahen Regionen arbeiten. Es sind fast 50.000 Menschen, die vor allen Dingen nach Frankreich, nach Belgien und Luxemburg pendeln und natürlich froh sind, dass es so ist, wie es ist, und die es sich gar nicht bewusst überlegen, dass es eine Errungenschaft ist, die auch erst politisch von den Politikergenerationen vor meiner Zeit oder vor der Zeit von vielen, die hier sitzen, erstritten werden musste.

Wir haben auch die schöne Situation, dass weit über 2.000 Menschen in Rheinland-Pfalz im letzten Jahr das ERASMUS-Programm genutzt haben und die Bildungsstätten europaweit nutzen konnten, die ihnen von der Europäischen Gemeinschaft zur Verfügung gestellt werden. Auch das ist eine schöne Zahl.

Ich möchte vielleicht noch eine letzte ökonomisch wichtige Zahl nennen, um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, dass wir an dem europäischen Projekt nicht nur aus friedenspolitischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen Gründen arbeiten sollten.

(Vizepräsident Hans-Josef Bracht übernimmt den Vorsitz)

Ich habe die Zahl gestern schon genannt. Es waren fast 40 Milliarden Euro nur allein im letzten Jahr an Warenexport aus Rheinland-Pfalz in die europäischen Mitgliedstaaten. Das ist eine beeindruckende Zahl, die noch einmal deutlich macht, wie stark gerade auch unsere rheinlandpfälzische Wirtschaft im Zentrum von Europa davon abhängig ist, dass wir Europa haben und wir vor allem Europa weiterentwickeln. Es gehört natürlich dazu.

Ich komme jetzt zum zweiten Teil meiner Ausführungen. Die Große Anfrage zeigt auch an einer Vielzahl von Beispielen ganz eindrücklich, wie die Landesregierung immer wieder dran ist und daran arbeitet, Europa für die Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland-Pfälzer weiterzuentwickeln. Ich nehme einmal exemplarisch den Mobilitätsbereich heraus; 5 Minuten sind zu wenig, um die fast 100 Seiten wiederzugeben.

Wir haben das ÖPNV-Konzept Nord gerade fortgeschrieben. Hier haben wir ganz viele neue Verbindungen, die gerade den grenznahen Raum in Richtung der Nachbarländer stärken, indem neue Linien eingerichtet werden. Das ist natürlich eine Alltagserleichterung für die Menschen, wenn es mit den nächsten Fahrplänen auch realisiert wird.

Wir haben die Situation, dass wir im schienengebundenen Verkehr auch weitere Strecken in Angriff nehmen, vor allen Dingen in Richtung Trier und Luxemburg, dass wir auch über Reaktivierungen von Strecken nachdenken und schon Rahmenvereinbarungen zum Beispiel im Bereich Trier – Metz unterschrieben haben.

Wir haben die Situation, dass wir auch einen Schritt bei den Schienenfahrzeugen weiterkommen. Auch diese müssen zum Teil noch für durchgängige Verwendungen umgerüstet werden. Ich greife einmal eine Verbindung aus meinem Raum heraus, die von Neustadt nach Straßburg. Das ist

eine solche Verbindung, die wir in den nächsten Jahren als eine durchgängige Verbindung realisieren können. Auch an solchen Projekten arbeiten wir also.

Es ist aber auch der Naturschutzbereich zu nennen. Ich nehme einmal nur das Stichwort des Biosphärenreservats Pfälzerwald/Nordvogesen, bei dem das prominenteste mit EU-Mitteln geförderte Projekt das Luchs-Projekt in diesem Zusammenhang ist. Wir haben also an vielen Stellen Baustellen – das zeigt noch einmal die Große Anfrage –, die wir bearbeiten, um Europa positiv weiterzuentwickeln.

Da meine Redezeit leider schon zu Ende ist, möchte ich nur zusammenfassend festhalten,

(Glocke des Präsidenten)

es ist wichtig, dass wir uns um Europa kümmern. Es ist unsere Zukunft. Es ist eine wichtige Zukunft und eine wichtige Perspektive für das Land Rheinland-Pfalz, für unsere Bürgerinnen und Bürger. Ich hoffe deswegen, dass viele zur Europawahl gehen und dieses Europa auch aktiv mitgestalten.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP)

Als nächster Rednerin erteile ich für die Fraktion der CDU der Abgeordneten Schneider das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Am 26. Mai sind rund 400 Millionen Europäer aufgerufen, das Europäische Parlament zu wählen. Rund 70 % der Deutschen haben in einer aktuellen Umfrage des Eurobarometers angegeben, dass nach ihrer Auffassung diese Europawahl die wichtigste seit Langem ist.

Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass wir in diesem Wahlkampf leider auch Parteien erleben müssen, die das größte Friedensprojekt nach den beiden Weltkriegen, die Europäische Union, zerstören wollen.

(Abg. Dr. Timo Böhme, AfD: Keiner stellt den Frieden infrage!)

Es liegt jetzt an uns Politikern und an uns als politischen Parteien, die populistischen Parolen der Euroskeptiker, der Dexit-Befürworter, zu entkräften und den Mehrwert Europas stärker in das Bewusstsein zu bringen.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es gut, dass wir heute über die Große Anfrage sprechen, wie Europa bei uns in Rheinland-Pfalz zu erleben ist und was Europa in Rheinland-Pfalz leistet.

Herr Kollege Hartenfels, Sie sind auf viele einzelne Aspekte eingegangen. Die Große Anfrage und die Antwort geben

uns wirklich einen Überblick, was wir im alltäglichen Leben in Rheinland-Pfalz von Europa haben und was Europa für unser Bundesland leistet.

Diese Fakten sollten wir, glaube ich, stärker in unsere politische Arbeit einfließen lassen. Da sind wir als Landespolitiker gefragt. Es sind aber auch unsere Kommunalpolitiker gefragt. Oft vermissen wir, wenn wir auf Veranstaltungen sind, wenn wir auf Einweihungen sind, wo faktisch auch Geld von der Europäischen Union geflossen ist, dass auch angesprochen wird, für jeden von uns in Rheinland-Pfalz ist jeden Tag erlebbar, wie wir von Europa auch finanziell profitieren. Ich glaube, dass wir darauf in Zukunft stärker Wert legen müssen, um den Euro-Skeptikern die Stirn zu bieten.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, wir dürfen nicht den Fehler machen, uns auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Wir müssen betonen, dass Europa in den letzten 70 Jahren uns natürlich Frieden gebracht hat. Wir müssen betonen, dass die Freizügigkeit ein unglaublicher Gewinn ist, gerade für uns als Grenzland Rheinland-Pfalz – Herr Hartenfels, Sie haben es angesprochen. Ich habe es in meiner Jugend in der Jugendarbeit noch erlebt, dass wir an der französischen Grenze zum Elsass standen und kontrolliert wurden. Es ist heute selbstverständlich, dass wir die Grenze passieren können, ohne kontrolliert zu werden.

Wir müssen alles daransetzen, diese Freizügigkeit zu erhalten. Deshalb ist es auch wichtig, dass wir unsere europäischen Außengrenzen absichern und das Personal dort zur Verfügung stellen, damit wir die Innengrenzen offenhalten können.

Wir haben gestern über die großen Vorzüge des größten Europäischen Binnenmarkts gesprochen und darüber, dass dieser unseren Wohlstand und unsere Wirtschaft aufrechterhält und wie wir gerade als Exportland RheinlandPfalz davon profitieren.

(Beifall der CDU und des Abg. Michael Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wir uns aber die Große Anfrage und die Ergebnisse anschauen, müssen wir natürlich auch überlegen, was wir in RheinlandPfalz dazu beitragen können, die große Integrationskraft, die Europa ausübt, weiter auszubauen.

Dabei ist in unseren Augen ganz, ganz wichtig, dass wir die Sprache unserer Nachbarn wieder stärker in den Vordergrund stellen, weil nur dann, wenn wir uns mit unseren Nachbarn austauschen können, auch ein weiteres Zusammenwachsen und ein weiterer Zusammenhalt in Europa möglich sind, und das ist wichtiger denn je.

Deshalb haben wir als CDU-Fraktion Anfang 2018 einen Antrag „Die Zukunft Europas gestalten – Die Sprache des Nachbarn lernen“ eingebracht. Leider lehnte die Ampelkoalition den Antrag damals ab. Wir wollten, dass bürokratische Hürden abgebaut werden, die Bildungsabschlüsse stärker harmonisiert werden, dass wir die Schüleraustauschprogramme intensivieren und natürlich auch die

Städtepartnerschaften, die jetzt schon existieren, aber vielleicht wieder mit Leben erfüllt werden müssen, weiter ausbauen. Und wir wollten einen Ausbau der bilingualen Bildungsgänge.

Was im Jahr 2018 abgelehnt wurde, kann ja vielleicht wieder aufgerufen werden, weil, wie ich zu Beginn sagte, es elementar wichtig ist, dass wir die Sprache des Nachbarn erlernen. Wir haben heute Morgen über die Einbringung des neuen Kitagesetzes gesprochen. In einer grenznahen Region, in der es einige Kindergärten gibt, die am Programm „Lerne die Sprache des Nachbarn“ teilnehmen, herrscht im Moment große Ungewissheit, ob dieses Programm unter den neuen Bedingungen überhaupt fortgeführt werden kann.

Deshalb appelliere ich an uns alle, dass wir darauf weiterhin ein Augenmerk legen. Wenn wir es ernst meinen mit dem Zusammenhalt, müssen wir es in unserer Arbeit in der Landespolitik – da, wo wir letztendlich etwas für Europa tun können – auch in aktive politische Arbeit umsetzen.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor 62 Jahren wurde mit den Römischen Verträgen der Grundstein dafür gelegt, dass wir heute, nach zwei verheerenden Weltkriegen im 20. Jahrhundert, in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben. Diese Errungenschaft des 21. Jahrhunderts gilt es weiterhin zu bewahren und vor allem vor den Anfeindungen von innen wie von außen zu schützen; denn es liegt in unser aller Interesse.

Wir sind es vor allem der kommenden Generation schuldig, dass wir alles dafür tun, unser geeintes, friedliches Europa vor diesen Angriffen zu schützen. Es lohnt sich, für die Integration von Europa zu kämpfen, trotz aller Unkenrufe von Euroskeptikern und Rechtspopulisten;

(Glocke des Präsidenten)

denn sie bieten keine Alternative.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU und bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Lohr für die Fraktion der AfD.