Protokoll der Sitzung vom 11.12.2003

(Beifall bei der CDU)

Wir haben Ihnen unpopuläre Maßnahmen angeboten. Einige haben Sie hier mit Häme und mit nicht immer ganz angenehmen Beiträgen dargestellt.

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Wenn wir heute beginnen, dann brauchen wir - da nehme ich gern den Vorschlag auf, den Sie vor einigen Jahren in Ihr Koalitionspapier geschrieben haben - zehn Jahre. Das glauben wir auch. Sie haben zu Recht gesagt, dass weder Kaputtsparen noch Gesundsparen geht. Beides geht nicht. Da sind wir doch einer Meinung. Aber wir müssen damit beginnen. Und das dauert zehn Jahre und dann wird am Ende dieses zehn Jahreszeitraumes die Verschuldung mindestens um weitere 5 Milliarden € höher sein.

Sie haben es allein gegenüber 2002 geschafft, die Zinslast um 57 Millionen € zu erhöhen. Mit was für Kleinkram beschäftigen wir uns in diesen Haushaltsanträgen? Mit 1.000-€-Beträgen, während gleichzeitig Zig-Millionen in den Orkus befördert werden.

(Beifall des Abgeordneten Uwe Eichelberg [CDU])

Die Ministerpräsidentin hat in ihrem ersten Haushalt 1988 gesagt:

„Die Landesregierung hat beschlossen, konjunkturell bedingte Mehreinnahmen des Landes in vollem Umfang zur Senkung der Nettokreditaufnahme zu verwenden.“

Wenn Sie es doch nicht nur gesagt, wenn Sie es doch auch einmal gemacht hätten, dann wäre das sehr hilfreich gewesen.

Zu den Investitionen, zu denen sich der Kollege Hentschel verweigert hat, bringe ich ebenfalls ein Zitat der Ministerpräsidentin, damals Finanzministerin unseres Landes:

„Ich komme zu einem weiteren wichtigen Eckdatum eines jeden Landeshaushalts, nämlich zu den Investitionen. Da die Investitionen von heute die Voraussetzungen beziehungsweise der Anreiz für private Investitionen von morgen sind und damit also auch über die Arbeitsplätze von morgen und die soziale Leistungsfähigkeit bestimmen, ist dies ein Punkt, der erschrecken muss, wenn man sich im Süd-Nord-Gefälle ansieht, wie die Sachinvestitionen der einzelnen Länder aussehen.“

Und jetzt kommt’s:

„Wir wollen den rückläufigen Trend der Investitionsquoten aufhalten und die Investitionsquote der CDU von 16,2 auf 17 % erhöhen.“

Von 16,2 auf 17 % erhöhen! Gelandet sind Sie im Jahr 2002, dem Jahr, in dem Sie die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt haben, bei 8,8 %, ganzen 690 Millionen €. Und in dem Haushalt, den wir hier heute im Jahr 2003 beraten, den Haushalt für 2004/2005, senken Sie die Investitionsquote immer weiter ab. Mit beiden wichtigen Punkten haben Sie sich hier an keiner Stelle auseinander gesetzt. Sie haben die Verschuldung auf zukünftige Generationen verschoben

(Beifall bei CDU und FDP)

und die Notwendigkeit von Investitionen haben Sie nach wie vor hier nicht dargestellt, nicht erläutert und nicht anerkannt. Damit haben Sie eigentlich nichts hinzugelernt.

(Glocke der Präsidentin)

Herr Abgeordneter, kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin. Es gab den Appell, keine Blockadepolitik zu machen. Nun hören wir das häufiger. Der Kanzler hat ja die Diskussion über eine neue Form des Patriotismus angestoßen, indem er an die Adresse der CDU-Minister

(Rainer Wiegard)

präsidenten und an die Adresse unserer Partei- und Fraktionsvorsitzenden im Bundestag gesagt hat: Zum Wohle des Landes Reformen der Regierung mittragen und dadurch Patriotismus beweisen. - Einverstanden. Wenn wir das auf die Politik der letzten Jahre übertragen: Wie patriotisch waren dann Herr Ministerpräsident Schröder, Herr Ministerpräsident Lafontaine, Herr Ministerpräsident Eichel, Herr Ministerpräsident Clement und Frau Ministerpräsidentin Simonis, als sie 1998 die Steuerreform aus wohl patriotischen Gründen verhindert und damit langfristigen Schaden für Deutschland angerichtet haben?

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Dr. Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem Punkt gebe ich Ihnen absolut Recht. Dieser Haushalt hätte es verdient, vor und mit der Öffentlichkeit diskutiert zu werden. Und Sie, auch als Abgeordnete der regierungstragenden Fraktion, haben genau dieses verhindert, indem Sie sich unserem Antrag, diesen Haushalt in einem ordentlichen Verfahren im Januar zu beschließen, verweigert haben.

(Beifall bei FDP und CDU)

Also sind Sie selbst schuld daran.

(Beifall bei FDP und CDU - Lachen bei der SPD)

Die FDP-Landtagsfraktion wird diesen Haushaltsentwurf ablehnen, und zwar aus drei Gründen:

Erstens bricht die Landesregierung mit diesem Haushalt die Verfassung - und das gleich zweimal. Die Kreditobergrenze ist unzulässig überschritten und der Entwurf ist weder klar noch ist er wahr.

Zweitens lehnen wir das peinliche Verfahren ab, mit dem dieser verfassungswidrige Entwurf der Landesregierung von den regierungstragenden Fraktionen heute durch diesen Landtag gepeitscht wird.

(Lachen des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

Drittens setzt die Landesregierung unseres Erachtens in diesem Entwurf die falschen politischen Schwerpunkte. Rot-Grün hat kein Konzept, wie die schlechte Lage verbessert werden kann, verzettelt und verschwendet die knappen Mittel des Landes und zementiert die Nachteile Schleswig-Holsteins abermals.

Zum Ersten, zum Verfahren und zur Verfassungswidrigkeit: Die Landesregierung verletzt die Grundsätze der Haushaltsklarheit und -wahrheit, weil sie in noch nie da gewesenem Maß unsichere Einnahmen verbucht und ungedeckte Schecks ausstellt. Außerdem fehlen wesentliche rechtliche Grundlagen für den Haushaltsplan - Stichwort Vermittlungsausschuss. Rot-Grün in Berlin behauptet, im Vermittlungsausschuss werde darüber verhandelt, die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Deutschland in einem noch nie da gewesenen Maße zu verändern und Rot-Grün in Kiel will die Entscheidungen über eben die Folgen dieser Veränderungen für unser Land dem Landtag schlicht und ergreifend entziehen. Wer heute diesen Haushalt beschließt, entmachtet den Landtag haushaltsrechtlich - ohne jede Not.

(Beifall bei FDP und CDU)

Unabhängig davon, was tatsächlich verändert wird, der Landtag kann aus eigener Kraft hierzu keine Entscheidungen mehr für den Haushalt des Landes erzwingen. Finanz- oder wirtschaftspolitisch einleuchtende Gründe gibt es dafür nicht. Der einzige Grund dafür, dass Sie heute so verfahren, heißt: Landtagswahl 2005.

Angesichts der angeblichen Jahrhundertreformen ist dieser Doppelhaushalt auch völlig unsinnig. Wenn die Reformen tatsächlich so umwälzend sein sollen, wie Sie behaupten, dann kann die Landesregierung die Wirkung auf den Haushalt 2005 heute überhaupt nicht vorhersehen. Die Landesregierung sagt von sich selbst, sie könne noch nicht einmal die Entwicklung der Einnahmen des Landes auf der Grundlage aktuellster Konjunkturlagen grob schätzen. Jetzt behaupten Sie, die Folgen von Strukturbrüchen auf den Haushalt schätzen zu können. Das, lieber Herr Finanzminister, ist reine Demagogie. Der einzige Grund für den Doppelhaushalt heißt ebenfalls „Landtagswahl“.

Die Landesregierung bricht die Verfassung auch durch die angekündigte Überschreitung der Kreditobergrenze, weil die konjunkturelle Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und der Wirtschafts- und der Beschäftigungsentwicklung in Schleswig-Holstein nicht so schwerwiegend ist, dass Artikel 53 der Landeserfassung greift.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir haben es in der ersten Lesung des Entwurfes und heute Vormittag überzeugend dargelegt: Die Wirtschafts- und Beschäftigungskrise Schleswig-Holsteins hat Rot-Grün durch ständige politische Fehler und Versäumnisse selbst verursacht. Die rot-grüne De

(Dr. Heiner Garg)

pression in Schleswig-Holstein ist weitestgehend keine konjunkturelle, sondern eine strukturelle Krise. Damit scheiden zusätzliche Schulden als hilfreiches Gegenmittel aus. Strukturkrisen sind mit makroökonomischer Finanzpolitik nicht zu beenden, Herr Dr. Stegner.

Strukturkrisen können nur bewältigt werden, wenn die Anreize für Menschen und Unternehmen gestärkt werden zu arbeiten, zu sparen und zu investieren. Nur dann wird unsere Wirtschaft dauerhaft schneller wachsen, wird die Beschäftigung steigen und wird die Arbeitslosigkeit merklich sinken.

Eine schuldenfinanzierte Steigerung der inländischen Nachfrage hilft da überhaupt nichts; sie verpufft spätestens, wenn die Kredite verpulvert sind, falls die neuen rot-grünen Schulden des Landes die inländische Nachfrage überhaupt merklich steigern könnten.

Hierzu ein paar Zahlen! Bereits 2002 überschritt die Landesregierung die Kreditobergrenze um 576 Millionen € und redete sich mit einer angenommenen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes heraus. Die inländische Nachfrage ist die Summe der Konsumausgaben der Menschen, des Staates und der Bruttoanlageinvestitionen. In Schleswig-Holsteins betrug sie 2002 ungefähr 67,3 Milliarden €.

Die Überschreitung der Kreditobergrenze um 576 Millionen € entsprach 2002 folglich 86 ‰ der inländischen Nachfrage; die allerdings, Herr Dr. Stegner, wäre genauso hoch gewesen, wenn die Kreditobergrenze nicht verletzt worden wäre. Das Geld war ja schon lange ausgegeben. Im Dezember 2002 hätte das Land keine 576 Millionen € mehr einsparen können.

Die neuen Schulden konnten die angenommene Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts überhaupt nicht abwehren, sie sollten einzig und allein Haushaltslöcher stopfen. Genau das ist verfassungswidrig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Gleiches, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, gilt auch für den 2. Nachtrag für 2003 und den Haushalt 2004. Die jeweiligen Überschreitungen der Kreditobergrenze sind viel zu klein, um die inländische Nachfrage überhaupt merklich zu beeinflussen. Deshalb kann das Land damit auch keine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes abwehren und schon gar keine schwerwiegende.

Die Überschreitung der Kreditobergrenze ist nämlich nur dann erlaubt, wenn eine schwerwiegende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes oder der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung

des Landes vorliegt und gleichzeitig die Ausgaben, die mit der Überschreitung der Kreditobergrenze finanziert werden, unmittelbar dazu bestimmt und geeignet sind, diese schwerwiegende Störung abzuwehren. Genau daran, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün scheitern Ihre die Vorschläge.

Vier weitere Zahlen belegen den volkswirtschaftlichen Unfug der rot-grünen Argumentation: Schleswig-Holstein braucht knapp 2 % reales Wirtschaftswachstum jährlich, um die Beschäftigungsschwelle zu erreichen. Das durchschnittliche jährliche Wirtschaftswachstum in Schleswig-Holstein von 1991 bis 2002 lag bei ungefähr 1,06 %, also gut der Hälfte dessen, was tatsächlich notwendig gewesen wäre.