Protocol of the Session on March 11, 2004

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Ich darf die Kolleginnen und Kollegen ganz herzlich begrüßen. Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, möchte ich zunächst festhalten, dass Herr Abgeordneter Schröder, Herr Abgeordneter Jensen und Herr Abgeordneter Wiegard erkrankt sind. Wir wünschen ihnen allen von hier aus gute Besserung.

(Beifall)

Frau Ministerin Lütkes ist wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene beurlaubt.

Ich begrüße auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer der HumboldtSchule Kiel und der Realschule Bad Schwartau. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe Punkt 27 der Tagesordnung auf:

Zukünftige Energiepolitik in Schleswig-Holstein Landtagsbeschluss vom 19. Februar 2004 Drucksache 15/3214

Bericht der Landesregierung Drucksache 15/3281

Ich erteile das Wort für die Landesregierung dem Minister für Arbeit, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Professor Dr. Rohwer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung. Man hätte möglicherweise mit der heutigen Debatte auch warten können, bis wir unseren ohnehin anstehenden Energiebericht in den nächsten Monaten hier diskutiert hätten. Auf der anderen Seite freue ich mich über diese Gelegenheit, hier zu einer Versachlichung der energiepolitischen Debatte beitragen zu können. Ich glaube, das ist nötig.

Die Grundlinien unserer Energiepolitik hat die Landesregierung schon oft formuliert. Sie sind klar, einfach und gut verständlich. Unsere Ziele sind: Die Energieversorgung muss langfristig gesichert werden. Wir wollen möglichst preisgünstige Energie haben, die Preise sollen möglichst günstig sein und dabei soll die Umwelt so wenig wie möglich belastet werden. Insbesondere sollen die Treibhausemissionen gesenkt

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 111. Sitzung - Donnerstag, 11. März 2004 8567

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

werden. Wir wollen natürlich das Kyoto-Protokoll erfüllen.

Dazu müssen wir Energie sparen, wo immer es geht, dazu müssen wir die Effizienz bei der Erzeugung und beim Verbrauch von Strom erhöhen und wir müssen den Anteil der erneuerbaren Energien steigern.

Wir sind dabei den Verbrauchern verpflichtet. Die Verbraucher erwarten von uns günstige Strompreise. Wir sind der Wirtschaft verpflichtet, auch sie erwartet günstige Strompreise. Wir sind aber auch denen verpflichtet, die als nachfolgende Generation nicht durch Verantwortungslosigkeit der heutigen Generation leiden sollen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Das heißt, wir müssen eine langfristige und vorausschauende Energiepolitik machen und dabei auch den Verpflichtungen gegenüber nachfolgenden Generationen Rechnung tragen. Wir müssen dabei auch in einem gewissen Umfang internationale Verpflichtungen einhalten.

Darum begrüßen wir den mit der Industrie gefundenen Atomkonsens, aber wir müssen Ersatz für die wegfallenden Stromkapazitäten schaffen. Auch hier verfolgt die Landesregierung eine klare Linie. Wir setzen auf einen Energiemix aus nachhaltigen und umweltverträglichen Energieträgern.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens werden wir die erneuerbaren Energien systematisch weiter ausbauen. Wir sind, pro Kopf gerechnet, nach wie vor das Windland Nummer eins und werden es auch bleiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Offshore-Windtechnologie, die OffshoreWirtschaft birgt für Schleswig-Holstein ein ganz besonders Wachstumspotenzial. Damit wir dieses Wachstumspotenzial nutzen, haben wir eine ganze Reihe wichtiger Maßnahmen auf den Weg gebracht. Ich will an dieser Stelle gerne noch einmal meine Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass es uns in der letzten Woche gelungen ist, mit Husum eine Einigung darüber zu erreichen, wie der Offshore-Hafen Husum so schnell wie möglich ausgebaut werden kann.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich betone: so schnell wie möglich, denn die Konkurrenz schläft nicht. Die anderen Häfen sind auch dabei,

genau dies zu tun, und wir sind nicht nur das Windland Nummer eins, wir sind das Offshore-Land Nummer eins. Wir sind mit Husum die Windregion Nummer eins, wollen es auch bleiben und werden es auch bleiben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir werden aber auch andere Formen regenerativer Energien ausbauen. Ich nenne nur die großen regionalen Biomassepotenziale in Schleswig-Holstein, die wir mit der Landesinitiative Biomasse und Energie weiter erschließen werden. Die Eröffnung des Holzheizkraftwerkes in Ratekau im November war nur der Anfang.

Dies alles, das wissen wir, wird allerdings nicht ausreichen, um die wegfallenden Kapazitäten in der Atomenergie zu ersetzen. Darum brauchen wir neben dem Ausbau der regenerativen Energien auch die technisch optimierte Nutzung fossiler Energieträger. Wir müssen zum Beispiel die Anteile der KraftWärme-Kopplung weiter steigern. SchleswigHolstein - auch das steht im Bericht - hat in diesem Bereich bereits bundesweit eine Vorreiterrolle. Wir werden daneben auch den Einsatz hocheffizienter Gas- und Dampfkraftwerke unterstützen. Hier gibt es gerade im industriellen Bereich erhebliche Potenziale.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen und werden die Effizienz und die Umweltverträglichkeit bei den fossilen Energieträgern steigern. Dabei können durchaus die Konzepte zur CO2-Abtrennung aus dem Verbrennungsprozess hochinteressant werden. Es tut sich etwas in der Kohletechnologie, es ist sogar vorstellbar, dass wir langfristig zu einer Kohletechnologie kommen, die man mit Fug und Recht als umweltfreundlich bezeichnen kann. Dabei spielen auch Verbrennungstechnologien eine Rolle, um zum Beispiel Energie aus Kohle umweltverträglich gewinnen zu können. Das Stichwort ist „clean coal“. Wir wissen schon heute: Kohle muss kein Klimakiller sein.

Herr Kerssenbrock, erlauben Sie mir an dieser Stelle die Bemerkung: Es ist an der Zeit, dass wir uns alle den neuen nachhaltigen und umweltverträglichen Energien zuwenden und den Begriff Energiemix, den wir verschiedentlich diskutiert haben, auch wirklich ernst nehmen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich meine, dass es möglich sein sollte, dass wir uns bei diesen grundsätzlichen und langfristig relevanten Fragen etwas nähern können.

(Minister Dr. Bernd Rohwer)

Die entscheidenden Rahmenbedingungen der Energiepolitik werden allerdings in Berlin bestimmt. Drei Gesetzespakete befinden sich zurzeit auf der Zielgeraden: die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes, die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und das Treibhausgasemissionshandelsgesetz. Die Entscheidungen hierüber werden weitreichende Auswirkungen auf den Energiemix und auf die Investitionsentscheidungen der Energiewirtschaft haben.

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz haben wir hier im Landtag ausführlich diskutiert. Ich glaube, dass hier die Fronten auch relativ klar sind. Ich habe das so verstanden, dass die CDU einerseits die Windkraft bei bestimmten Gelegenheiten hier im Land lobt - das ist erfreulich -, aber andererseits immer wieder auch darauf hinweist, dass das EEG eher zu hoch dimensioniert ist. Das ist ein Stück Widerspruch und wird sicher nachher noch zu klären sein.

Ich weise an dieser Stelle darauf hin, meine Damen und Herren, was bei der Aufregung um das EEG gelegentlich übersehen wird: Das EEG verteuert die Strompreise in Deutschland nur um 2 %. Diese Verteuerung des Strompreises um 2 % sollte uns der Ausbau der regenerativen Energien wert sein.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich halte es - ich habe es eingangs erwähnt - auch für eine ethische Verpflichtung gegenüber zukünftigen Generationen, dass wir die Kyoto-Verpflichtung ernst nehmen. Wir haben uns verpflichtet, die Treibhausgase bis 2012 um 21 % zu reduzieren. Zugleich besteht in Deutschland ein Konsens darüber, den wir akzeptieren müssen, dass Kernkraftwerke sukzessive stillgelegt werden sollen. Diesen Konsens gibt es

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

und er wird durch viele Befragungen bestätigt. Das heißt, wenn wir im gesellschaftlichen Konsens eine verantwortungsvolle Energiepolitik für künftige Generationen machen, kommen wir nicht umhin, die regenerativen Energien in ihrem Anteil zu erhöhen und ergänzend neue umweltfreundliche Kohle- und Gastechnologien zu entwickeln.

Die neuen Herausforderungen des anstehenden Emissionshandels sind auch für Schleswig-Holstein relevant. Wir haben 78 Anlagen, die von 49 Anlagenbetreibern geführt werden. Der Emissionshandel, meine Damen und Herren - die Volkswirte unter Ihnen wissen das -, ist oder kann durchaus ein effizientes Instrument sein. Es ist volkswirtschaftlich sogar das effizienteste Instrument, wenn wir es zu mög

lichst geringen Friktionen in der Ausgestaltung führen, also bezüglich des Aufwands, der entsteht, und so weiter.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Anlagen ist es wesentlich, inwieweit auf Bundesebene eine angemessene Regelung zur Verteilung der anlagenbezogenen Emissionsrechte gefunden wird. Beim Emissionshandel werden diejenigen Firmen profitieren, die ihre Feuerungstechniken schon auf hohem Effizienzniveau halten. Die Landesregierung wird sich dafür einsetzen, dass diese für ihre Vorleistungen nicht zusätzlich belastet werden. So gesehen erwarte ich auch, dass der Bundeswirtschaftsminister seine Ablehnung aufgibt.

Auch das Energiewirtschaftsgesetz wird für die Unternehmen in Schleswig-Holstein eine zentrale Bedeutung haben, meine Damen und Herren. Denn da geht es wirklich um die Strompreise. Die Energiewirtschaft bietet der regionalen Wirtschaft schon einige Vorteile, zum Beispiel durch beachtliche Energiepreissenkungen in den letzten Jahren. Nicht alle Hoffnungen, die wir hatten, als wir den Wettbewerb geöffnet haben, mögen erfüllt worden sein, aber es ist doch beachtlich, dass seit 1995 die Durchschnittsstrompreise für Sondervertragskunden bei der e.on Hanse beispielsweise um 18 % und bei den Stadtwerken Kiel um 25 % gesunken sind. Das ist ein spürbarer Effekt des Wettbewerbs.

An dieser Stelle sage ich auch gerne - weil das manchmal übersehen wird -: Schleswig-Holstein liegt bei den Tarifstrompreisen unter dem Bundesdurchschnitt. Bei den Sondervertragskunden gilt das auch in vielen Fällen. Allerdings gibt es in diesem Bereich keine statistischen Durchschnittsberechnungen. Insofern können wir sagen, dass Schleswig-Holstein im Bundesvergleich der Strompreise gut liegt.

Das Energiewirtschaftsgesetz, das zurzeit in den Ressorts der Bundesregierung abgestimmt wird, sieht vor, dass die bisherige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zukünftig auch die Regulierungsbehörde für Strom und Gas wird. Ich glaube, das ist eine gute Entscheidung. Ich begrüße dies ausdrücklich.