Protocol of the Session on August 25, 2004

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Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Beurlaubt sind die Abgeordneten Frau Eisenberg und Frau Gröpel.

Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich darauf verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 2, 5, 10, 21 und 34 ist eine Aussprache nicht geplant. Zur gemeinsamen Beratung vorgesehen sind die Tagesordnungspunkte 1 a und 12, Regierungserklärung zur Situation der öffentlichrechtlichen Sparkassen und Entwicklung des Sparkassenwesens, die Tagesordnungspunkte 7 und 22, Gesetz zur Verbesserung der kommunalen Verwaltungsstruktur und Ämterverfassung, sowie die Tagesordnungspunkte 8 und 20, Situation der Pflegeheime in Schleswig-Holstein und Fortführung und Weiterentwicklung der Pflegequalitätsoffensive. Von der Tagesordnung abgesetzt werden sollen die Punkte 27 und 30.

Anträge zur Aktuellen Stunde und Fragen zur Fragestunde liegen nicht vor.

Wann die einzelnen Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratung der 45. Tagung.

Wir werden unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils bis längstens 18 Uhr tagen. - Widerspruch höre ich nicht. Wir werden so verfahren.

Ich begrüße Besucherinnen und Besucher. Auf der Tribüne haben Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Segeberg-Ost, Schülerinnen und Schüler der Theodor-Heuss-Realschule Preetz sowie Mitglieder des CDU-Bezirksverbandes Kropp Platz genommen. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen!

(Beifall)

Ebenfalls begrüße ich die beiden ehemaligen Abgeordneten Johna und Dr. Wiebe. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

9372 Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 121. Sitzung - Mittwoch, 25. August 2004

(Präsident Heinz-Werner Arens)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 12 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Regierungserklärung zur Situation der öffentlich-rechtlichen Sparkassen in Schleswig-Holstein

b) Entwicklung des Sparkassenwesens in Schleswig-Holstein

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 15/3587

Wird das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der FDP gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich weise darauf hin, dass wir es mit einem Berichtsantrag zu tun haben. Diesen Berichtsantrag stelle ich zunächst zur Abstimmung. Es wurde für die 45. Tagung ein Bericht in mündlicher und schriftlicher Form gefordert.

Wer diesem Berichtsantrag der FDP zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Auch wenn einige noch nicht „orientiert“ waren, so gab es doch ein klares Stimmverhalten. Der Antrag hat einstimmige Zustimmung erhalten.

Zur Regierungserklärung erteile ich der Frau Ministerpräsidentin das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der niedersächsische Finanzminister, Hartmut Möllring, ist offenbar noch nicht sehr lange im Amt. Offensichtlich hat er davon auch nicht sehr viel Ahnung, denn nur so lässt sich seine abwegige Äußerung erklären, bei der Fusion der Sparkassenverbände Nord hätten die SchleswigHolsteiner gefälligst ihre Rolle als Juniorpartner zu akzeptieren und den damit geringeren Part zu übernehmen. Das wollen wir nicht! Wir wollen auf gleicher Augenhöhe verhandeln und wir haben es auch weiß Gott verdient.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schon allein der Vergleich der beiden Landesbanken zeigt: Wir sind da ein bisschen stärker. Worum aber geht es in Wirklichkeit? In Schleswig-Holstein will die Landesregierung den Finanzplatz im Bereich der öffentlichen Banken und Versicherungen stärken und zukunftssicher machen. Wir wollen im Sparkassenbereich tragfähige Strukturen, denn unsere Sparkassen sind für den Mittelstand unentbehrlich. Es sind unsere Sparkassen, die mit ihrer Kreditpolitik gerade unserer Wirtschaft in Schleswig-Holstein helfen. Es sind

die Sparkassen, die eine flächendeckende Versorgung mit Finanzdienstleistungen garantieren. Es geht bei den Sparkassen in Schleswig-Holstein mit rund 10.000 hoch qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und ihren Familien auch um Arbeitsplätze. Diese Menschen sind natürlich und verständlicherweise an der Zukunft der Sparkassen genauso interessiert wie alle anderen.

Ich habe es immer wieder betont, dass wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei allen strukturellen Veränderungen mit einbeziehen müssen. Das gilt nach wie vor. Überall in Deutschland haben private Banken zur Gewinnoptimierung Menschen - wie man so schön sagt - freigesetzt. Wenn die FDP das mit ihren Privatisierungskampagnen auch in SchleswigHolstein will, dann kann ich nur sagen: Wir werden versuchen, Ihnen in den Arm zu fallen.

Wir werden Ihnen in den Arm fallen! Sparkassen sind heute für viele mittelständische Unternehmen der entscheidende kreditwirtschaftliche Partner. Die dezentrale Struktur hat sich bewährt, weil sie dem Grundgedanken der Daseinsvorsorge entspricht. Während private Banken die Interessen ihrer Aktionäre vertreten, sind Sparkassen auch dem Gemeinwohl und der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung in ihren Gemeinden verpflichtet. Wohl auch deshalb hat sich die Stralsunder Bevölkerung mit 78 % gegen den Verkauf der örtlichen Sparkassen ausgesprochen. Die haben gewusst, worum es geht.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Sparkassen haben ihr Eigenkapital nicht von den Kommunen bekommen, sondern sie haben es aus eigener Kraft erwirtschaftet. Die meisten verfügen über eine solide Eigenkapitalbasis, die genügend Spielraum für weiteres Wachstum eröffnet. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass sich das Dreisäulensystem für Deutschland bewährt hat. Es herrscht ein intensiver Wettbewerb zwischen ertragsorientierten privaten Geschäftsbanken, mitgliederorientierten Genossenschaften und aufgabenorientierten Sparkassenorganisationen. Das dient den Kunden und stabilisiert das deutsche Kreditwesen. Im Übrigen gilt der Finanzplatz Deutschland als einer der stabilsten der Welt. Der Präsident des Sparkassen- und Giroverbandes nennt das dreigliedrige Bankensystem - ich darf Herrn Dr. Hoppenstedt zitieren - „eine Infrastruktur zur Krisenprävention“. Das ist ein Lob, dem sich alle, die etwas davon verstehen, anschließen müssten.

Die privaten Banken haben sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr aus der Fläche und aus dem

Schleswig-Holsteinischer Landtag (15. WP) - 121. Sitzung - Mittwoch, 25. August 2004 9373

(Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Kundensegment des gewerblichen Mittelstandes zurückgezogen. Wir, die Landesregierung, wollen allerdings am Regionalprinzip festhalten. Damit unsere Sparkassen stark und konkurrenzfähig bleiben, muss vor allem die Kostenseite optimiert werden. Das gilt auch für die Sparkassen. Das gilt für jeden Dienstleister.

Es kommt also darauf an, unter Beibehaltung von Qualität und Service für den Kunden die Gesamtkosten zu verringern und die Dienstleistung so professionell und kostengünstig wie möglich anzubieten. Außerdem benötigen starke Sparkassen vor Ort eine solide Kapitalbasis. Von den Kommunen als Anstaltsträger können zurzeit keine Finanzhilfen erwartet werden. Deswegen besteht eine regionale Verantwortung auch darin, die finanzielle Stärke der Institute vor Ort zu ermöglichen. Einmal durch den Verkauf der Sparkassen Kasse zu machen und dadurch die Regionalität aufzugeben, ist nicht unsere Position. Es ist übrigens auch eine falsche Position.

Wir werden in Zukunft darüber nachdenken müssen, ob Maßnahmen der Kapitalbeschaffung außerhalb der Kommunen in einem gewissen Umfang Sinn machen. Ein Weg dahin könnte der Zusammenschluss von Sparkassen und Sparkassenverbänden sein. Allerdings dürfen solche Fusionen das Regionalprinzip nicht einfach aushebeln. Fusionen müssen sorgfältig geprüft werden, denn gerade die Sparkassen und die Landesbanken mit ihrer Verantwortung in der Region dürfen nicht geschwächt werden, weil darunter auch der Mittelstand und die Wirtschaft in den Regionen leiden.

Der Vorwurf mangelnder Reformbereitschaft ist nahezu ein Witz. Wer das behauptet, hat keine Ahnung und hat sich nie mit den Sparkassen bei uns auseinander gesetzt. Die Sparkassen sind fit für die Zukunft. Die Landesregierung hat am Beispiel HSH Nordbank gezeigt, wie aktiv sie notwendig gewordene Umstrukturierungsprozesse mitgestaltet.

Starke Sparkassen brauchen eine effiziente Sparkassenorganisation. Das heißt, dass auch auf Verbandsebene Synergien gehoben und Kosten gesenkt werden müssen. Dies lässt sich am besten mit einem oder mehreren Partnern erreichen.

Aus Sicht der Landesregierung wäre eine Fusion der drei Sparkassenverbände Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachen die beste Lösung. Leider ist eine solche Lösung kurzfristig nicht machbar, weil ausgerechnet der hamburgische Partner nicht so recht mitmachen möchte. Unser strategischer Partner ist aber nach wie vor Hamburg, mit dem wir zusammen

die HSH und positive Erfahrungen in der Zusammenarbeit haben.

Wir müssen jetzt Lösungen finden, die uns in kleineren Schritten dem großen Ziel einer Fusion zu dritt näher bringt.

Aus der Sicht der Landesregierung ist bei der Ausgestaltung von Verbundlösungen auf der Sparkassenverbandsebene und bei Fusionen von Sparkassen einerseits auf das Interesse der Sparkassen sowie auf das Interesse der HSH Nordbank, einer der stärksten Banken des öffentlichen Rechts in der Bundesrepublik Deutschland, zu achten.

Dennoch bleibt sie die stärkste Bank - was soll’s! - und sie ist in öffentlicher Hand. Ob es nun Aktien sind oder nicht: Es ist ein Institut in öffentlicher Hand.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Herr Kubicki, Sie haben von nichts Ahnung. Sie haben nicht einmal von Koalitionsverhandlungen Ahnung. -.Andererseits ist das Interesse der Pro- vinzial und insbesondere das Landesinteresse zu be- rücksichtigen. Dass Sparkassenpolitik zukünftig in einem anderen Land gemacht wird und wir keinen Einfluss mehr auf sie haben, kann nicht im Interesse unseres Landes und unserer Sparkassen sein. Fusionen müssen zudem nachweisliche Synergie- effekte haben, damit die Sparkassen im Wettbewerb nach dem Wegfall von Anstaltslast und Gewährs- trägerhaftung stärker auf dem Markt agieren können. Dazu gehören Synergieeffekte bei der Aus- und Wei- terbildung, Synergieeffekte bei den Prüfstellen und bei den für den Kunden nicht sichtbaren Back-Office- Geschäften, wie sie etwa bei einer norddeutschen Retail Holding AG angedacht worden sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Bereich der ehemals öffentlich-rechtlichen Versicherung ist eine ähnliche Entwicklung wie bei den Sparkassen zu unterstützen. Die Provinzial Nord hat schwierige Zeiten hinter sich und geht mit ihren grundsätzlichen Fusionsüberlegungen mit anderen Versicherungen einen Schritt in die richtige Richtung. Aber auch hier muss die Landesregierung darauf pochen, dass das Landesinteresse gewahrt bleibt. Es gibt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, der den Willen des Gesetzgebers in Schleswig-Holstein do- kumentiert. Da ist es selbstverständlich, dass jedes Fusionsmodell auf seine Kompatibilität mit diesem Vertrag hin zu überprüfen ist. (Ministerpräsidentin Heide Simonis)

Wir haben kein Interesse daran, dass für die Provinzial Nord Entscheidungen in fernen Konzernzentralen zulasten unseres Landes getroffen werden; das gilt wie für alle andere Unternehmen auch für die Provinzial. Es gilt also, länderübergreifend die beste Lösung für Schleswig-Holstein zu erreichen. Wir sind in Gesprächen mit den Trägern und den Vertretern der Provinzial, um dies zu bewerkstelligen.

Wir wollen allerdings und dürfen auch keine öffentliche Diskussion führen, die der Provinzial schadet und sie ins Gerede bringt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zweifellos sind wir an einer wichtigen Wegmarke in der Diskussion um die Ordnung der öffentlichen Banken, Sparkassen und Versicherungen angekommen. Allerdings sollten wir uns davor hüten, Entscheidungen zu präjudizieren, deren Folgen wir noch nicht absehen können.

Der Fusionsprozess, der zu der erfolgreichen HSH Nordbank geführt hat, ist auch nicht über Nacht abgelaufen, sondern hat mehrere Jahre gedauert. Wir haben also sorgfältige und zeitraubende Diskussionen zu bestehen, die wir sowohl in der Vergangenheit hatten als auch in der Zukunft noch vor uns haben.

In der norddeutschen Finanzwelt und auch im Lande selbst gilt dieser Prozess als vorbildlich gelungen mit Blick auf die HSH. Ich denke, auch bei den Fusionen von Sparkassen sollten wir das Gleiche erreichen.

Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen: Erstens. Die Landesregierung möchte den Finanzplatz Schleswig-Holstein im Bereich der öffentlichen Banken stärken.

Zweitens. Wir tragen eine Mitverantwortung für rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine einfache Privatisierung „mal eben so“ der Sparkassen würde nach aller Erfahrung Arbeitsplätze in Gefahr bringen und den Mittelstand in unserer Region gefährden.

Drittens. Die Sparkassen unterstützen in wirtschaftlicher, regionalpolitischer, sozialer und kultureller Hinsicht unsere Gemeinden. Darauf kann niemand von uns verzichten.

Viertens. Die dezentrale Struktur der Sparkassen entspricht dem Grundgedanken der Daseinsvorsorge; schließlich haben wir uns für sie in Brüssel die Anerkennung erkämpft. Das bleibt unverzichtbar.