Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Sitzung. Ich begrüße Sie zum letzten Sitzungsabschnitt der 47. Tagung. Erkrankt sind die Herren Abgeordneten Müller und Nabel. Ich wünsche beiden von dieser Stelle aus gute Genesung.
Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, will ich Besucherinnen und Besucher begrüßen. Auf der Tribüne haben Mitglieder der co op Schleswig-Holstein Platz genommen. - Herzlich willkommen!
Ich erteile dem Vorsitzenden des Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, Herrn Abgeordneten Stritzl, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich sehe, dass die Uhr schon läuft. Veranschlagt sind 15 Minuten Redezeit. Falls es ein paar Minuten länger wird, bitte ich um Entschuldigung. Ich habe schon versucht, meinen Bericht so weit wie möglich einzukürzen. Ich werde versuchen, mich an die vorgegebene Redezeit zu halten.
Der Zweite Parlamentarische Untersuchungsausschuss legt dem Parlament heute seinen Bericht vor. Zur Einsetzung des Ausschusses kam es, als im Frühjahr 2002 öffentlich erhebliche Zweifel an der Ordnungsgemäßheit des Handelns von Angehörigen der Regierung im Hinblick auf die geplante Veräußerung des Kieler Schlosses sowie die Auswahl eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems für die Landesregierung geäußert wurden. Der Vorwurf
der Korruption machte die Runde und die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungsverfahren unter anderem wegen des Verdachts des Betruges sowie der Bestechung ein.
Auf Antrag von 30 Abgeordneten der CDULandtagsfraktion, Drucksache 15/1785, sowie eines ergänzenden Antrages der Fraktion der SPD, Drucksache 15/1803 (neu) , wurde daraufhin am 29. April 2002 in der 59. Sitzung des Landtages der Untersuchungsausschuss - genannt „Zweiter Parlamentarischer Untersuchungsausschuss“ - eingesetzt. Der Untersuchungsgegenstand ist den genannten Drucksachen sowie in Drucksache 15/2466 zu entnehmen.
Auf die letztgenannte Drucksache verweise ich deswegen gesondert, weil ihr folgender Vorgang zugrunde liegt: Mit Schreiben vom 16. Januar 2003 erklärte die Chefin der Staatskanzlei unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme des Innenministeriums - ich glaube, es waren ganze 30 Zeilen -, dass sie sich wegen rechtlicher Bedenken gegen die Bestimmtheit des Untersuchungsauftrages zum jetzt behandelten Komplex „Pröhl“ gehindert sehe, weitere Aussagegenehmigungen zu erteilen beziehungsweise angeforderte Unterlagen, wie zum Beispiel Terminkalender, herauszugeben. Bisher erteilte Aussagegenehmigungen wurden von ihr ausgesetzt. Der Untersuchungsausschuss hatte bis zu diesem Zeitpunkt bereits rund 20 Zeugen gehört und zwei Betroffenen Gelegenheit zur Abgabe von Stellungnahmen gegeben.
In der 33. nicht öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses vom 20. Januar 2003 stellte Herr Abgeordneter Neugebauer für die SPD den Antrag, den für denselben Tag vorgesehenen Termin zur öffentlichen Beweisaufnahme aufzuheben und alle weiteren Zeugenvernehmungen bis auf weiteres wegen der gleichen rechtlichen Bedenken auszusetzen. Das wurde mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW gegen die Stimmen von CDU und FDP so beschlossen.
Dies führte zu einem Dringlichkeitsantrag der Fraktion der CDU vom 21. Januar 2003, welcher in der Beschlussfassung des Innen- und Rechtsausschusses, Drucksache 15/2466, mündete. Auf Grundlage dieses Beschlusses, der vom Landtag am 21. Februar 2003 gefasst wurde, wurde der Untersuchungsauftrag mit den Stimmen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP bei Enthaltung der Abgeordneten des SSW konkretisiert, mit der Folge, dass der Ausschuss die öffentliche Beweisaufnahme in seiner 36. Sitzung am 24. März 2004 fortsetzen konnte.
Dass die Untersuchung im Ergebnis zu einem solch aufwendigen und lang anhaltenden Vorhaben geriet, war im April 2002 nicht absehbar. Im Wesentlichen liegt die Ursache hierfür in der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes, zeitlicher Verzögerungen - wie der eben dargestellten - oder auch dem Umstand, dass der Untersuchungsausschuss zur Durchsetzung seiner Beschlüsse zur Beiziehung von Unterlagen den Rechtsweg beschreiten musste.
So beschloss der Ausschuss nach langwierigen ergebnislosen Verhandlungen mit der Landesregierung, die Beschlagnahme der Terminkalender von Mitgliedern der Landesregierung in die Wege zu leiten, und stellte im Juni 2003 entsprechende Anträge bei Gericht. Mit Beschlüssen vom Juli und August 2004 hat das Amtsgericht in der Sache entschieden und die Anträge vom 3. Juni 2003 und 16. Juni 2003 zurückgewiesen. Die Vorfrage, ob das Amtsgericht oder aber das Bundesverfassungsgericht zuständig ist, worüber zwischen den Verfahrensbeteiligten Streit herrscht, hat das Amtsgericht ausdrücklich offen gelassen. Gegen diese Beschlüsse hat der Untersuchungsausschuss auf Antrag der Minderheit umgehend Beschwerde eingelegt; bis heute liegt eine Entscheidung des Beschwerdegerichts jedoch nicht vor.
Die unter dem 18. September 2003 vom Ausschuss beantragte Beschlagnahme war erforderlich geworden, nachdem sich die Landesregierung nicht bereit erklärt hatte, die Kabinettsprotokolle, soweit sie sich auf die Veräußerung des Kieler Schlosses beziehen, sowie die aus den Akten des Ministeriums für Finanzen und Energie gegen das Fehlblatt enthefteten 53 Blatt mit der Bezeichnung „Sammlung zur Verwertung/Verkauf Kieler Schloss“ in der vom Ausschuss verlangten Form vorzulegen. Dieser Antrag wurde vom angerufenen Amtsgericht bis heute, mithin nach rund 14 Monaten Bearbeitungszeit, noch nicht beschieden.
Die in Rede stehenden Unterlagen lagen dem Ausschuss bis zu seiner letzten Sitzung, am 18. Oktober, nicht vor. Da dem Ausschuss insbesondere mit Blick auf die bevorstehende so genannte heiße Wahlkampfphase ein noch längeres Zuwarten auf die ausstehenden gerichtlichen Entscheidungen nicht angezeigt schien, hat er in seiner letzten Sitzung den Ihnen vorliegenden Bericht beschlossen.
Er besteht inhaltlich aus zwei selbstständigen Komplexen, welche inhaltlich nicht im Zusammenhang stehen, vom Parlament aber gleichwohl dem Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Bearbeitung überantwortet wurden, um - wie der Oppositionsführer in der Einbringungsrede des Antrags der CDU-Fraktion anmerkte - nicht einen dritten Unter
suchungsausschuss einsetzen zu müssen. Eine solche doppelte Beauftragung eines Untersuchungsausschusses war ein Novum und schlug sich natürlich auch im Zeitplan nieder, nicht zuletzt wegen der zu bearbeitenden Aktenlage. Rund 106 Ordneraktenbände sind es allein zu Teil A und weitere 62 für Teil B.
Diesen Bericht, der 580 Seiten umfasst, übergebe ich dem Landtag mit folgendem Beschlussvorschlag: Der Landtag möge von dem vorgelegten Bericht Kenntnis nehmen und damit den erteilten Untersuchungsauftrag für erledigt erklären.
Zu dem Bericht, der Ihnen nunmehr vorliegt, gehören erstens der Verlauf des Untersuchungsausschussverfahrens, zweitens die Darstellung der Untersuchungsergebnisse - also die unstreitigen Feststellungen, die der Vorsitzende und sein Stellvertreter dem Ausschuss vorgelegt haben und die von diesem einstimmig beschlossen wurden -, drittens die Bewertung, die im Sinne des UAG ein Mehrheitsvotum darstellt, getragen durch die Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, viertens die so genannten Minderheitsvoten, hier in Form der Bewertung der Fraktion der CDU, der Fraktion der FDP sowie der Abgeordneten des SSW, fünftens die Stellungnahme von Betroffenen im Sinne des § 25 UAG und sechstens der Anhang, welcher die Materialien enthält.
Zum Verlauf habe ich bereits einige Anmerkungen gemacht, die ich jedoch noch ergänzen möchte, wenn auch in geraffter Form.
Erstens. Mit der Einsetzung hat der Landtag zugleich beschlossen, dass der Untersuchungsausschuss gemäß Artikel 18 Abs. 2 der Landesverfassung und § 4 des Untersuchungsausschussgesetzes 13 Mitglieder haben soll, nämlich sechs Mitglieder der Fraktion der SPD, vier Mitglieder der CDU-Fraktion, je ein Mitglied der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie ein Vertreter des SSW.
Zweitens. Der Zweite Parlamentarische Untersuchungsausschuss trat am 6. Mai 2002 zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Er bestimmte seinen Vorsitzenden sowie dessen Stellvertreter. Er erkannte den Herren Dr. Pröhl, Dr. Lohmann und Staatssekretär a.D. Gärtner den Betroffenenstatus nach § 18 UAG zu und verständigte sich darauf, zunächst den Komplex „Pröhl“ abzuarbeiten und zeitlich nachrangig den Komplex „Lohmann, SAP/debis“.
Für die Geschäftsführung des Ausschusses wurde von der Landtagsverwaltung ein Serviceteam gebildet, das aus zwei Mitarbeiterinnen des Stenographischen Dienstes und Ausschussbüros, einem Mitarbeiter des Wissenschaftlichen Dienstes sowie einem im Ruhestand befindlichen Richter bestand.
Viertens. Der Ausschuss hat 86 Sitzungen abgehalten. 35 davon dienten der öffentlichen Beweisaufnahme, 51 der nicht öffentlichen Beratung.
Fünftens. Die Betroffen nach § 18 UAG erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme und machten von diesem Recht auch Gebrauch, wobei sie sich eigener Rechtsbeistände bedienten.
Sechstens. Die Betroffen nach § 25 UAG erhielten Gelegenheit, den Bericht zur Stellungnahme zu erhalten. Stellungnahmen sind beim Zweiten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss auch eingegangen und dem Bericht auch als Anhang angefügt worden. Wir haben dies ungekürzt getan. Das heißt jedoch nicht, dass sich der Ausschuss damit die Einlassungen jeweils zu Eigen gemacht hat.
Ich will Ihnen nun - angesichts der begrenzten Redezeit in gebotener Kürze - einige Untersuchungsergebnisse darstellen.
Zu Komplex A. Wir stellten fest, dass die Kenntnis um ein Engagement des Betroffenen Dr. Pröhl in der Sphäre der Firma B & B, welche, hauptsächlich vertreten durch den Zeugen Brückner, als Bewerber im Verfahren der geplanten Veräußerung des Kieler Schlosses auftrat, sowohl im Regierungsapparat als auch in Institutionen des Landes verbreitet war, so zum Beispiel bei der GMSH, der Investitionsbank, dem Finanzministerium sowie der Staatskanzlei.
Festzustellen bleibt zudem, dass die Berichterstattung rund um die Vorgänge der Veräußerung des Kieler Schlosses in den Medien breiten Raum einnahm und auch in den „Pressespiegel“ von Landregierung und Landtag aufgenommen wurde. Einzig der zeitgleich zum Landesparteitag der SPD erschienene Artikel in der „Landeszeitung“ vom 13. Oktober 2001 - die Zeitung lag dort aus - wurde nicht in den „Pressespiegel“ aufgenommen. Unter dem Titel „Schlossverkauf ein Luftschloss“ wurde unter anderem wörtlich ausgeführt - ich zitiere -:
„Unklar blieb weiterhin, wer als Käufer des Schlosses auftreten soll. ’Es wird ein Fonds sein’, sagte Falk Brückner, Geschäftsführer der B & B gerRelations AG. Das Hamburger Unternehmen fungiert als Projektentwickler. Brückner und sein designierter Mitgeschäftsführer Karl Pröhl sind in Kiel keine Unbekannten. Brückner hat in den 90er-Jahren in Kiel das umstrittene Erlebniszentrum CAP am Bahnhof errichtet. Pröhl war zunächst Sprecher des Wirtschaftsministeriums und später Geschäftsführer der SchleswigHolsteinischen EXPO-Gesellschaft.“
Wir stellten fest, dass die Bearbeitung des schriftlichen Antrages auf Gestattung einer Nebentätigkeit des Betroffenen Dr. Pröhl als Vorstand bei B & B, die Monate der Vorbefassung aufgrund mündlicher Informationen nicht mitgerechnet, mindestens fünf Monate in Anspruch nahm und schließlich vom zuständigen Abteilungsleiter in der Staatskanzlei abgelehnt wurde, und zwar im Westlichen wegen der Möglichkeit einer Interessenkollision. Über die Entscheidung, den Antrag auf Genehmigung der Nebentätigkeit zu versagen, telefonierte der Zeuge Dr. Büchmann am 20. Februar 2002 vorab im Beisein der Ministerpräsidentin mit dem Chef der Staatskanzlei. Dieser stimmte zu, sodass dann mit Bescheid von 20. Februar die beantragte Genehmigung der Nebentätigkeit des Betroffenen Dr. Pröhl versagt wurde.
Wir stellten fest, dass einer Bietergruppe für das Kieler Schloss unter Angabe unzutreffender Gründe mit Billigung des Finanzstaatssekretärs offiziell abgesagt wurde. Dabei ist eine Entscheidung, und zwar eine Entscheidung der Landesregierung, zugunsten einer anderen Bewerbergruppe behauptet worden, welche tatsächlich nicht vorlag. Wir erfuhren, dass führende Mitarbeiter der GMSH zumindest zeitweise vom Vorliegen eines Scheinangebotes ausgingen. Ob ein solches tatsächlich vorlag, blieb jedoch letztlich strittig.
Wir stellten fest, dass mithilfe des Pressesprechers des Finanzministeriums der Text verfasst wurde, mit welchem Herr Brückner Ende Februar/Anfang März 2002 seinen Rückzug aus dem Projekt öffentlich begründete. Wir erfuhren, dass das Finanzministerium dann infolge die öffentliche Ausschreibung, die Auslobung des Projekts beschloss.
Zum Themenkomplex EXPO hat der Ausschuss die Aussagen der Beteiligten entgegengenommen, wonach der Betroffene Dr. Pröhl seine Aufgabe gut gelöst hat. Der Betroffene Gärtner sah Herrn Dr. Pröhl in dieser Funktion sogar als nicht hinreichend ausgelastet an, sodass er ihn - selbst war er verhindert - im November 1999 auf Einladung der dortigen Regierung nach Katar entsandte. Diese trug auch die Kosten für Flug und Unterkunft. Festgestellt wurde ferner, dass Herr Dr. Pröhl dort auch ein so genanntes Letter of Understanding im Hinblick auf eine Kooperation zwischen Katar und der Landesregierung von Schleswig-Holstein unterzeichnete. Über die Reise berichtete er sowohl dem Betroffenen Gärtner als auch schriftlich der Frau Ministerpräsidentin. Obwohl er bei der Unterzeichnung des so genannten Letter of Understanding ohne Vollmacht handelte, sah der Betroffene Gärtner keinen Anlass zu disziplinarischen
Zu Komplex B, also zu Art und Umfang der haupt- und nebenberuflichen Tätigkeiten des Herrn Staatssekretärs a.D. Dr. Lohmann im Zusammenhang mit der Auswahl eines Mittelbewirtschaftungs- und Kostenrechnungssystems für die Landesverwaltung durch das Ministerium für Finanzen und Energie, hat der Ausschuss festgestellt, dass wesentliche Bestimmungen des einschlägigen Vergaberechts nicht eingehalten worden sind.
So erging, ohne dass zuvor eine Leistungsbeschreibung im Sinne von § 8 VOL erstellt worden war, mit Billigung des damaligen Staatssekretärs Dr. Lohmann, wahrscheinlich am 11. September, an 13 Beratungsgesellschaften die Aufforderung, sich bis zum 25. September 1996 um diesen Auftrag zu bewerben.
So wurde mit der Leitung des Projektes die Zeugin Störtebeker beauftragt, eine Angehörige des gehobenen Dienstes, die sich zwar in der Haushaltsabteilung bereits mit den Themen der Modernisierung der Landesverwaltung befasst hatte, jedoch über keine konkreten Kenntnisse im Vergaberecht selbst verfügte. Sie hatte zu diesem Thema lediglich einen VOLWorkshop mit einer Dauer von eineinhalb Tagen besucht.