Guten Morgen, meine Damen und Herren! Ich darf alle Kolleginnen und Kollegen bitten, Platz zu nehmen.
Herr Abgeordneter Peter Jensen-Nissen und Frau Abgeordnete Sandra Redmann sind nach der vorliegenden Meldung erkrankt; Frau Abgeordnete Frauke Tengler ist beurlaubt.
Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind beurlaubt Frau Ministerpräsidentin Simonis und für den Nachmittag Herr Minister Müller.
Nun möchte ich auf der Besuchertribüne Gäste begrüßen, und zwar die Damen und Herren des Angestelltenlehrgangs 2, Verwaltungsschule Bordesholm, und die Damen und Herren von Duborg Skolen in Flensburg mit Gästen aus Dänemark. - Ihnen allen ein herzliches Willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Ich darf fragen: Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann darf ich zur Beantwortung der Großen Anfrage für die Landesregierung zunächst dem zuständigen Energieminister Möller das Wort erteilen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Klimawandel ist keine pessimistische Prognose mehr, sondern Realität“, sagte Bundeskanzler Schröder auf dem UN-Gipfel in Johannesburg. Heftige Regenfälle und die Flut haben den Klimaschutz wieder auf die politische Agenda gesetzt. Hektisch wurde in manchen Parteien die Umweltpolitik wieder aus der Schublade gezaubert.
Die Landesregierung von Schleswig-Holstein braucht das nicht zu tun. Wir stehen für eine nachhaltige Energiepolitik und sind damit in Einklang mit den Vorgaben, die durch internationale Klimakonferenzen, die Europäische Union und durch die Bundesregierung gesetzt werden. Ich denke, die rot-grüne Bundesregierung hat wichtige Rahmenbedingungen geschaffen, zum Beispiel durch das Kraft-WärmeKopplungs-Gesetz oder das Stromeinspeisungsgesetz. Ich freue mich, dem Parlament mitteilen zu können, dass auch in wichtigen Gerichtsverfahren Entscheidungen in diesem Sinne ergangen sind. Wir selbst sind ja teilweise als Nebenkläger oder als Beklagte betroffen gewesen. Es geht um die Rechtssicherheit regenerativer Energien und den Ausbau der KraftWärme-Kopplung. Vom EuGH über das Bundesverfassungsgericht bis zum Oberverwaltungsgericht gibt es Rechtssicherheit. Darauf stellen sich jetzt auch die Energieversorgungsunternehmen ein.
(Beifall bei der SPD sowie der Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Anke Spoorendonk [SSW])
Für eine solche Energiepolitik brauchen wir eine technisch sichere und zukunftssichere Energieversorgung, bei der von privaten Verbrauchern und Unternehmen zumutbare Preise gezahlt werden. Die Landesregierung hat bereits in den frühen 90-er Jahren die Europäische Union aktiv dabei unterstützt, Wettbewerb im Energiebereich einzuführen. Weil Energieleitungen aber natürliche Monopole sind, haben wir uns auch für eine weitgehende organisatorische Trennung von Netz, Erzeugung und Vertrieb eingesetzt und wollen die Netzzugangsbedingungen möglichst vorab und möglichst staatlich überwachen, wie das eigentlich in allen Ländern, in denen die Liberalisierung eingeführt wurde, in Skandinavien, England und in den Niederlanden, der Fall ist.
Wir haben bereits 1997 gemeinsam mit anderen Bundesländern eine entsprechende Gesetzesvorlage und den Entwurf einer Netzzugangsverordnung vorgelegt.
Der damalige Wirtschaftsminister Rexrodt hat auf die Selbstregulierung der Branche und auf Verbändevereinbarungen gesetzt. Ich sage unumwunden: Auch die rot-grüne Bundesregierung hat diesen Kurs fortgesetzt. Ich hoffe, dass hier vielleicht bei den Koalitionsvereinbarungen ein Sinneswandel eintritt. Die staatliche Kontrolle beschränkt sich auf die der Kartellbehörden, die allerdings nur ex post prüfen können, ob Missbrauch vorliegt.
Dieses Konzept, dem ich nach wie vor mit erheblicher Skepsis gegenüberstehe, wird nicht nur von fast allen potenziellen Wettbewerbern im Strommarkt und
von der EU kritisiert; es hat jetzt auch ein sehr eindeutiges, negatives Urteil durch die Monopolkommission erfahren. Sie lehnt in ihrem 14. Hauptgutachten „Netzwettbewerb durch Regulierung“ vom Juli 2002 den Weg des verhandelten Netzzugangs ab. Es heißt dort, dieser Weg könne das Problem der überhöhten Netzzugangspreise nicht in adäquater Weise lösen. Stattdessen ziehen die Wissenschaftler eine allgemeine Regulierungsbehörde für Netzsektoren vor. Die Monopolkommission hat dabei bewusst einen Meinungswechsel gegenüber früheren Stellungnahmen vollzogen. Die zwischenzeitlich gewonnen Erfahrungen belegen das massive Missbrauchspotenzial der Netzmonopolisten. Auch die mangelhafte Kontrollierbarkeit der Missbräuche ex post spricht eindeutig für eine Ex-ante-Regulierung. Dieses Gutachten jedenfalls stützt die Position, die Schleswig-Holstein seit 1997 vertreten hat.
Die Höhe und die Struktur der Netznutzungsentgelte sind ein entscheidender Angelpunkt für die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs. Sie sind daher im Blickpunkt der Bundes- und Landeskartellbehörden. Das Bundeskartellamt hat im Februar dieses Jahres Missbrauchverfahren wegen des Verdachts überhöhter Netznutzungsgebühren eingeleitet. Dieses hat auch die Landeskartellbehörde getan; ihre Vorermittlungen in diesem Verfahren sind aber zurzeit noch nicht abgeschlossen. Ich sage auch ganz deutlich an politische Freunde in Berlin: Wir werden uns dagegen wehren, dass über eine Gesetzesinitiative nunmehr auch noch die Rechte der Kartellbehörden eingeschränkt werden sollen. Wenn man schon nicht eine Deregulierung macht, darf man auf keinen Fall die Rechte der Kartellbehörden einschränken. Hier bin ich in voller Übereinstimmung mit dem Land Bayern.
Nun zu den Fakten in Schleswig-Holstein. Zurzeit haben 43 Energieversorgungsunternehmen ihren Sitz in Schleswig-Holstein, die die Versorgung nach allgemeinen Bedingungen und allgemeinen Tarifen gemäß § 10 Energiewirtschaftsgesetz durchführen. Wir können eine deutliche Tendenz beobachten, dass sich diese Energievorsorgungsunternehmen der neuen Situation anpassen. Dies geschieht allerdings vorwiegend durch eine Veränderung der Rechtsform. Das befürchtete Stadtwerkesterben ist nicht eingetreten. All People on Board! Wir haben sogar, nachdem Segeberg ein Stadtwerk gegründet hat, ein Stadtwerk mehr als vor der Liberalisierung.
Von den 40 Stadtwerken mit kommunaler Beteiligung werden zurzeit nur noch elf als kommunale Eigenbetriebe geführt. 27 haben inzwischen die Form einer GmbH. Im Jahre 1980 gab es noch 29 kommunale Eigenbetriebe. Ich selbst habe, wo immer ich gefragt worden bin, diesen Weg auch unterstützt. Es gibt hervorragend geführte kommunale Eigenbetriebe. Die Form der GmbH ermöglicht aber natürlich Verbesserungen der interkommunalen Zusammenarbeit oder auch in der Frage von Partnerschaften.
Auffallend ist nach wie vor die geringe Wechselbereitschaft der privaten Endverbraucher. Der Anteil nicht schleswig-holsteinischer Unternehmen am durch die schleswig-holsteinischen Netze geleiteten Strom beträgt weniger als 3 %. Im Bundesdurchschnitt sieht es ähnlich aus. Wir können zwar eine große Zahl neuer Anbieter beobachten, ihr Geschäftsanteil ist aber äußerst gering. Über ein Viertel der privaten Stromverbraucher haben mit dem bisherigen Versorger allerdings einen neuen, veränderten Stromvertrag abgeschlossen. Ich denke, das haben jetzt auch die Großen im Bereich der Energieversorgung erkannt. Während man in der Anfangsphase den Wettbewerb unter dem Aspekt der Gewinnung großer Industriekunden geführt hat und Yello-Strom und andere zunächst den Weg gegangen sind, den Einzelverbraucher und andere zum Wechsel zu bewegen, hat man nun erkannt, dass die Kundenbindung zwischen dem Endverbraucher und seinem Stadtwerk, seinem Energieversorger sehr eng ist. Man will eben gern Strom- und Gasversorgung sowie Abwasserbeseitigung aus einer Hand. Das bieten überwiegend natürlich die Stadtwerke am besten.
Deshalb ist die Strategie der Großen jetzt auch anders. Man geht nicht mehr den mühsamen Weg, Herrn Mustermann in D. zu akquirieren. Man versucht vielmehr, einen höheren Marktanteil durch Beteiligung an den Stadtwerken zu erreichen. Dem kommt natürlich die Situation entgegen, dass kommunale Entscheidungen dahin gehend getroffen werden, Anteile an Stadtwerken ganz oder teilweise zu verkaufen. Für die Kleineren stellt sich teilweise die Frage: Schaffen wir es allein am Markt? Teilweise ist es - das habe ich bereits bei der Haushaltsberatung gesagt - aber die blanke finanzielle Not, die zu Anteilsverkäufen führt. Sie haben dazu vielleicht die Berichte in der „Lübecker Zeitung“ in der letzten Zeit verfolgt.
Die Präferenz der Landesregierung ist klar: Stadtwerke in kommunalem Eigentum und gegebenenfalls Kooperation sind einem vollständigen Verkauf vorzuziehen.
Umso erfreulicher ist, dass alle Stadtwerke vor Ort präsent sind. Die Kundennähe hat sich als entscheidender Wettbewerbsvorteil erwiesen, auf dem die Stadtwerke aufbauen und auf den sich Großkonzerne durch Anteilsverkäufe einstellen. Es gibt Fremdbeteiligungen, aber auch Fusionen und Kooperation kommunaler Unternehmen, letztere allerdings viel zu wenig. Ich nenne hier zum Beispiel die Einkaufsgesellschaft der Stadtwerke Oder und die gemeinsame Betreibergesellschaft der Stadtwerke Mölln, Ratzeburg und Oldesloe als ein Musterbeispiel interkommunaler Zusammenarbeit.
Ihre Wirtschaftlichkeit und Marktmacht haben die Stadtwerke aber auch - das sagte ich schon - durch die Energieeinkaufsgemeinschaft mehrerer Stadtwerke verbessert. Sie konnten dadurch gegenüber den Stromlieferanten eine gewisse Unabhängigkeit und damit eine bessere Verhandlungsposition entwickeln. Sie haben sich bisher entschieden, weiter bei ihrem bisherigen Vorlieferanten, der SCHLESWAG, zu kaufen. Die Bündelung der Kaufkraft oder auch die Position bei den Verhandlungen, auch bei anderen einkaufen zu können, haben aber die Preisverhandlungen mit dem Vorlieferanten SCHLESWAG sicherlich positiv beeinflusst. Wir brauchen Stadtwerke. Wir brauchen in einem Land wie Schleswig-Holstein aber nicht nur auf der Hallig Hooge, sondern auch dort, wo die deutschen Großkonzerne angesiedelt sind - in Norderfriedrichskoog -, einen leistungsfähigen Regionalversorger wie die SCHLESWAG. Das will ich ausdrücklich sagen.
Dennoch muss man sagen, dass in der konventionellen Stromerzeugung derzeit nach wie vor 80 % des in Schleswig-Holstein verbrauchten Stroms von e.on stammen. Dieser Strom wird teilweise durch Stadtwerke oder andere durchgeleitet. Die Situation aus dem Gasmarkt verdeutlicht ebenfalls die starke Position dieses Konzerns. Nach der Übernahme von HEIN GAS und der geplanten Fusion haben wir auch im Gasbereich einen Anteil des e.on-Konzerns von 84 % in Schleswig-Holstein. Dies spricht auf den ersten Blick nicht gerade für einen ganz lebhaften Wettbewerb. Dennoch sind - das ist, wie ich denke, entscheidend - Stromtarife und -preise für private Verbraucher, für Gewerbe und Landwirtschaft bei uns auch nach der Liberalisierung - ich habe hier die Aufstellung über die Wibera-Auswertung - nach wie vor die günstigsten bundesweit. Wir hatten 2001 für Privatkunden, Gewerbe und Landwirtschaft einen
Bei den für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wichtigen Sondervertragskunden, den Großabnehmern, haben wir unterschiedliche Entwicklungen. Die Stadtwerke Kiel zum Beispiel haben nach der Liberalisierung die Preise am deutlichsten gesenkt. Sie entsprechen heute dem Bundesdurchschnitt. Die Preise bei anderen Unternehmen liegen allerdings auch leicht über dem Bundesdurchschnitt. Wir haben aber auch hier einen guten Mittelplatz.
Es ist eine erfreuliche Tatsache - auch angesichts des hohen Anteils erneuerbarer Energien in SchleswigHolstein -, dass wir nach wie vor dieses günstige Strompreisniveau haben. Die Unternehmen haben allerdings hier wie auch anderenorts in der Bundesrepublik Anträge auf Tariferhöhungen gestellt. Man versucht jetzt natürlich, die starken Preisnachlässe in den ersten Jahren der Liberalisierung sukzessive zu kompensieren. Wir werden diese Anträge sorgfältig prüfen.
So viel vorweg: Ich gehe davon aus, dass wir nach der Tarifrunde ab 2003 jedenfalls in dem Bereich, für den wir eine Preisaufsicht und eine Verbraucherschutzfunktion haben, also im Bereich der Privatkunden, des Kleingewerbes und der Landwirtschaft, nach wie vor bundesweit die günstigsten Strompreise haben werden. Bereinigt um die Erhöhung aufgrund der politisch gewollten Stromsteuer, die im Rahmen der ökologischen Steuerreform den Bürgern eine Erhöhung der Rentenbeiträge erspart hat, liegen die Einfachtarife auch heute noch unter dem Niveau von 1998. Ich denke, das spricht dafür, dass die Liberalisierung etwas gebracht hat.
Insgesamt gesehen müssen wir, was die Situation des Wettbewerbs auf dem Strommarkt angeht, widersprüchliche Fakten zur Kenntnis nehmen. Natürlich gibt es auf der einen Seite die vier Großen; auf der anderen Seite gibt es aber auch die Flexibilität und die Kundennähe der Stadtwerke. Deshalb zielt unsere Politik darauf ab, möglichst viele Stadtwerke, wenn auch teilweise bei unterschiedlichen Anteilseignerverhältnissen, zu erhalten.
handlungsfähige Kontrolle über den Wettbewerb. Das habe ich zu Beginn gesagt. Ich glaube, dass viele Newcomer auf dem Markt der Telekommunikation keine Chance gehabt hätten, wenn wir nicht die Regulierungsbehörde gehabt hätten. Wenn wir Strompreise über den Wettbewerb stabilisieren oder senken wollen, sehe ich deshalb keine Alternative zu einer staatlich kontrollierten Regulierung des Netzzugangs, wie sie auch die EU-Kommission fordert und wie es sie in den meisten europäischen Ländern ebenfalls gibt. Nur auf diese Weise kann Missbräuchen entgegengewirkt werden.
Ich bin ganz sicher, wenn wir uns in Deutschland nicht freiwillig auf diesen Weg begeben, wird die EU uns dazu zwingen, dass wir uns auf diesen Weg begeben. Ich sage in diesem Fall: Das ist gut so.