Protokoll der Sitzung vom 28.08.2003

Das ist insofern besonders erfreulich, als mich die Debatte um die Juristenausbildung seit 1968 begleitet. Ich hoffe, dass wir nunmehr ein erhebliches Stück weiterkommen.

Sie wissen, dass auf Bundesebene durch die Reformen vom Juli 2002 eine grundsätzliche Neukonzeption erfolgt ist, die landesrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Die Neukonzeption auf Landesebene muss auf der Gesetzesebene ansetzen, weil die Ausbildung bisher durch § 89 des Landesrichtergesetzes geregelt ist. Das reicht angesichts der vielen Änderungen nicht aus. Wir legen Ihnen deshalb heute den

(Ministerin Anne Lütkes)

Gesetzentwurf vor und werden mit Ihrer Zustimmung weitere Ausformungen in einer Verordnung zu beschließen haben.

Die Ausbildungsreform zielt auf eine verbesserte und gezieltere Vorbereitung auf die Anforderungen der beruflichen, insbesondere der anwaltlichen, Praxis. Neue Inhalte der Juristenausbildung sind künftig interdisziplinäre Schlüsselqualifikationen, die intensiver als bisher auf die berufliche Praxis gerichtet sein sollten, etwa auch Fremdsprachenkenntnisse.

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Um mit dem Studium künftig vertiefter auf die rechtsprechende, die verwaltende und die rechtsberatende Praxis vorzubereiten, werden die Universitäten - so auch die unsere in Kiel - künftig die Grundlagen und Prinzipien der Rechtsgestaltung vermitteln, insbesondere auch lehren, wie Verhandlungen strukturiert sowie Konflikte behandelt und außergerichtlich geklärt werden können. Insofern ist es konsequent, dass das juristische Universitätsstudium künftig mit einer zweigeteilten ersten Prüfung endet. Sie setzt sich zusammen aus staatlicher Pflichtfachprüfung, 70 % der Gesamtnote, und einer universitären Schwerpunktprüfung mit 30 %.

Wir wissen, dass diese Neustrukturierung des Studiums und insbesondere auch die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen für die Rechtswissenschaftliche Fakultät hohe Anforderungen mit sich bringt. Wir haben deshalb im Vorfeld bei der Erstellung des Gesetzentwurfs intensiv mit der Fakultät diskutiert. Ich hoffe, dass die nun vorgeschlagene Regelung so gestaltet ist, dass sie in der Praxis tragfähig

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und insgesamt in der Lage ist, der Verpflichtung des Staates und der Gesellschaft gerecht zu werden, Justizgewährung dadurch zu garantieren, dass gut geschulte junge Juristinnen und Juristen der Gesellschaft zur Verfügung stehen.

Ich hatte eigentlich noch viel mehr zu sagen, aber ich hoffe, das reicht für die erste Lesung, und bitte Sie, den Gesetzentwurf zügig zu beraten, damit er den jungen Juristinnen und Juristen zur Verfügung steht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben drei Minuten Redezeit eingespart. - Ich eröffne jetzt die Grundsatz

beratung. Das Wort für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gern versuchen, es schnell zu machen. Ich nehme den Appell der Justizministerin ernst, dass sie gesagt hat, wir sollten zügig beraten. Nur, Frau Ministerin, das muss ich schon zurückgeben. „Zügig“ ist in diesem Verfahren in Ihrem Hause leider fast gar nichts gelaufen. Wir haben, wie Sie es eben gerade gesagt haben, das Juristenausbildungsgesetz - wir diskutieren nicht erst seit 1968 über Juristenausbildung, schon der alten Goethe hat sich darüber beschwert und Diskussionen dazu angeschoben - seit über einem Jahr als Rahmengesetz des Bundes mit Vorgaben. Jetzt fängt Schleswig-Holstein mit einer einjährigen Verspätung damit an, dies in unserem Land umzusetzen.

Dass wir neuerdings unter Ihrer Verantwortung auch im Justizbereich Schlusslicht sein sollen, erfüllt uns mit Sorge. Wir möchten bitten, in diesem Bereich schneller und zügiger zu arbeiten. Ich glaube, die Ausbildung der Juristinnen und Juristen ist genauso wichtig wie die der Lehramtskandidaten, über die wir gerade lange diskutiert haben. Also nehmen Sie die Sache in die Hand.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Vielleicht gibt es zu viele Juristen!)

Ich finde an der Stelle den Ablauf der Dinge blamabel für unser Land.

Des Weiteren sage ich Folgendes. Es kommen völlig neue Anforderungen auch auf die Universitäten zu, die hier eben völlig zu Recht skizziert worden sind. Wir finden es alle richtig, dass interdisziplinäre Schlüsselqualifikationen, die intensiver als bisher auf die berufliche Praxis ausgerichtet sind, zum Beispiel fremdsprachliche Kenntnisse, nachgewiesen werden müssen. Wir wollen auch sichergestellt wissen, dass diese Forderung umgesetzt wird.

Nur, wer all dies von der Universität verlangt, wer Sprachkurse und Seminare für Verhandlungsmanagement, Rhetorik, Streitschlichtung, Meditation, Kommunikationsfähigkeit und so weiter machen will, muss der Universität - ich glaube, die Bildungspolitiker werden zustimmen - dafür auch Personal und Geld geben. Dafür sind dann Sie, Frau Ministerin, verantwortlich.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir halten mit Ihnen sehr an dem Bild des Einheitsjuristen fest. Wir finden es nach wie vor richtig, dass

(Dr. Johann Wadephul)

wir uns hier in einer zweistufigen Ausbildung mit einem Universitätsstudium und einem sich daran anschließenden Referendariat befinden. Wir sind allerdings der Auffassung, dass in dem Juristenausbildungsgesetz, das uns jetzt vorliegt, manches mehr geregelt werden könnte, was Sie offenbar erst in der Verordnung zu regeln beabsichtigen. Wenn wir über einen Gesetzesvorbehalt miteinander reden, dann glaube ich schon, dass wir in den Ausschussberatungen genau prüfen müssen, welche Ausbildungsinhalte, die jetzt für die Verordnung vorgesehen sind, nicht doch besser in einem Gesetz geregelt werden sollten, damit das Parlament darüber entscheiden kann, ob es so oder anders gemacht werden soll. Wir werden dazu Vorschläge unterbreiten.

Ein wesentlicher Bestandteil des Referendariats ist die Verlängerung der Anwaltsstation auf mittlerweile neun Monate. Wir wollen alle hoffen, dass die Ausbildung an der Stelle genutzt wird.

Wir Rechtsanwälte, Herr Kollege Kubicki, haben immer gefordert, dass es eine Frau Kollegin a. D. oder im Ruhestand oder zeitweiligen Ruhestand gibt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In Lauerstel- lung!)

- Ja, das wäre eine Lauerstellung. Bis zum Jahr 2005 können Sie wieder voll zuschlagen. Wir haben also immer gefordert, dass wir dort einen deutlicheren Schwerpunkt bekommen. Nur, wenn man so etwas machen will, muss man es professionell umsetzen. Das heißt an dieser Stelle auch, dass sichergestellt werden muss, dass wir genug Anwälte haben, die bereit sind, das zu machen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und in der Lage sind!)

Und es müssen Anwälte sein, die die zeitlichen und räumlichen Ressourcen haben, um das umzusetzen.

Wie stellen Sie es sich, Frau Ministerin, eigentlich vor - darauf haben wir im Ausschuss keine befriedigende Antwort bekommen -: Sollen die begleitenden Arbeitsgemeinschaften und der dreiwöchige Einführungskurs überhaupt durchgeführt werden? Wenn Sie das wie bisher machen wollen, indem Sie den Anwälten, die dafür zur Verfügung stehen, 30 oder meinetwegen auch 40 € in der Stunde geben, dann werden Sie kaum Anwälte finden, die dafür tätig werden. Und diejenigen, die sich dafür hergeben, werden vielleicht nicht die besten Anwälte sein, die wir hier in Schleswig-Holstein haben. Es gibt vielleicht einige, die es der Ehre halber zu diesem Preis machen werden, vielleicht Sie, Herr Kubicki.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

Wenn Sie Anwälten so etwas übertragen wollen, wenn Sie wollen, dass qualifizierte Anwälte diese Kurse durchführen, dann muss dafür das notwendige Geld zur Verfügung gestellt werden. Dann müssen wir Preise zahlen, die den normalen Stundensätzen in einer Kanzlei entsprechen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das kann keiner mehr bezahlen!)

Das bedeutet auch, dass wir darüber reden müssen, mit welchen Kursen wir da arbeiten wollen. Ist es richtig, schon jetzt für 70 Teilnehmer zu planen? Haben wir dafür überhaupt die Räumlichkeiten? Wie sind die Unterrichtsmaterialien, die Skripte? Manches ist da neu zu bedenken. Manches ist im Ministerium noch an Hausaufgaben zu machen.

Ich fordere Sie auf, diese Angelegenheit jetzt endlich in die Hand zu nehmen. Nehmen Sie die Ausbildung der jungen Juristinnen und Juristen in SchleswigHolstein in die Hand und machen Sie sie zur Chefsache. Vielleicht wird es dann ja besser.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die Fraktion der SPD erteile ich jetzt der Abgeordneten Ingrid Franzen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem heute im Landtag eingebrachten Gesetz wird uns ein neues Landesgesetz präsentiert, das eine bisherige Verordnung ersetzen soll. Widerspricht das nicht den inzwischen allgemein gültigen Forderungen nach Abbau von Regelwerken und Bürokratie? So fragt man sich vielleicht erstaunt. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Wir haben hier so eine Ausnahme mit dem Juristenausbildungsgesetz heute vor uns.

Namens der SPD-Landtagsfraktion möchte ich deshalb ausdrücklich begrüßen, dass Sie, Frau Justizministerin, die juristische Ausbildung mit einem eigenständigen Gesetz regeln. Das gewährleistet uns Transparenz und entspricht auch dem Parlamentsvorbehalt in verschiedenen Fragen.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich zu den Schwerpunkten der Reform komme, sei mir ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte des Bundesrahmengesetzes erlaubt, das am 1. Juli 2003 in Kraft getreten ist. Es gab eine umfängliche Vorgeschichte. Eine eigenständige Gesetzesinitiative des Bundesrats ist ja eher selten. Das ist auch von der FDP-Bundestagsfraktion zu sagen. Letztlich

(Ingrid Franzen)

hat Rot-Grün einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nach Beratung und Anpassung - das möchte ich hier schon einmal deutlich sagen, Herr Wadephul - mit großer Mehrheit, nämlich von SPD, Grünen und CDU/CSU, beschlossen wurde.

Auch der Bundesrat verzichtete auf Anrufung des Vermittlungsausschusses, obwohl dies von einigen Fachausschüssen und einigen Ländern gewünscht war. Es wäre spannend zu sehen, ob wir diese Einigkeit auch bei diesem Gesetzgebungsverfahren schaffen werden.

Was Sie eben kritisiert haben, war weitgehend das Verwaltungshandeln. Aber das ist eigentlich nicht unser Job.

Ich möchte die erste Lesung nutzen, um auf die wichtigsten neuen Inhalte hinzuweisen, die in die Juristenausbildung aufgenommen worden sind.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Wadephul?

Nein. Herr Wadephul, hören Sie einfach zu. Dann sind wir schneller fertig.

Besonders wichtig sind mir dabei die neu in die juristische Ausbildung aufgenommenen interdisziplinären Schlüsselqualifikationen. Damit sind gemeint: Verhandlungsmanagement, Gesprächsführung, Rhetorik, Streitschlichtung, Meditation, Vernehmungslehre, Kommunikationsfähigkeit. Logisch, das muss gelehrt werden. So denkt jeder, der mit Gerichten zu tun hatte oder meint, sie etwa aus dem Fernsehen zu kennen. Aber, meine Damen und Herren, gelehrt wurden diese dringend notwendig werdenden Techniken bisher verpflichtend nicht. Deshalb ist die Reform ein guter Schritt nach vorn, allerdings auch ein längst überfälliger.

(Beifall bei der SPD)