Standortfaktor sind aber auch die überregionalen Verkehrsverbindungen - das sagt auch der Bericht -, insbesondere im Bereich der A 20, deren Weiterbau die Grünen vor Ort immer noch fröhlich blockieren. Zu den Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen empfehle ich die Lektüre der Kleinen Anfrage des CDUBundestagsabgeordneten Peter Harry Carstensen zur Überschneidung der Ausweisung von Verkehrsprojekten mit FFH-Gebieten.
Die vom Kollegen Hentschel immer favorisierten Wasser- und Schienenwege stehen dem Standortfaktor Frische und Qualität entgegen.
Ein Standortfaktor ist auch die Möglichkeit von Wirtschaftsförderung. Insbesondere in der Landwirtschaft sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass immer weniger Kreditinstitute bereit sind, landwirtschaftlichen Betrieben eine Kreditfinanzierung zu gewähren. So gibt es eine ständig steigende Zahl von
Fällen im Land, in denen Landwirte keine Kredite für Umstrukturierungsmaßnahmen erhalten, obwohl sie eine günstige Prognose für die Rentabilität nach der entsprechenden Umstrukturierung vorlegen können. Selbst die I-Bank wickelt ihre im Bestand geführten landwirtschaftlichen Betriebe nur noch ab, sagt aber keine Umfinanzierungsdarlehen für diese Betriebe mehr zu. Auch insoweit ist es unbedingt erforderlich, dass für die landwirtschaftlichen Betriebe mehr Planungssicherheit besteht.
Ja. Ich komme zum Schluss. - Ständig wechselnde kurzfristige Veränderungen, zum Beispiel bei den Beihilfen, gestatten keine mittel- und langfristigen Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die bei Investitionen wie zum Beispiel dem Kauf von Maschinen oder dem Bau von Hallen, die über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren und mehr abzuschreiben sind, erforderlich sind.
Für die Landesregierung gibt es noch viel zu tun, will sie ihre Ziele von 1997, die sie in diesem Bericht erneuert hat, erreichen.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Detlef Matthiessen das Wort.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! „Wachsen oder weichen“ - das ist ein Motto, das auch in der Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein gilt. Aus dem vorliegenden Bericht der Landesregierung, für den ich mich auch im Namen meiner Fraktion herzlich bei den Mitarbeitern der Landesregierung bedanke,
geht hervor, dass die Ernährungswirtschaft als Zweig des verarbeitenden Gewerbes in SchleswigHolstein an Bedeutung verliert. Dabei beobachten wir
allerdings sehr interessante Tendenzen, auch mit teilweise gegenläufiger Entwicklung. Darauf werde ich gleich noch eingehen. Meiereien werden zunehmend konzentriert und zum Beispiel in benachbarte Bundesländer verlagert, und das, obwohl unser Land auf hohem Niveau Milch produziert. In wenigen Wochen verfügt Schleswig-Holstein über keine Zuckerfabrik mehr. Selbst in der traditionell bedeutsamen Fischverarbeitung sind die Zahlen von Betrieben und Beschäftigten rückläufig.
Gestatten Sie mir noch ein Wort zur Zuckerfabrik, die von verschiedenen Kollegen angesprochen wurde. Dass die Landesregierung große Möglichkeiten hat einzuwirken, sehe ich nicht, es sei denn, Sie benennen ein Instrument.
Wenn man in die Vergangenheit schaut, muss man feststellen, dass es der Bauernverband beziehungsweise die Erzeugerverbände versäumt haben, sich die Produktionsrechte vor Ort abzusichern.
Ich muss allerdings aus eigener Erinnerung feststellen: Damals, als es bei St. Michaelisdonn nicht gemacht wurde, hat man das ja im Hinblick auf Schleswig getan. Man ist aber nicht auf die Idee gekommen, dass sich Schleswig-Holstein vielleicht einmal in einer Situation ohne eine Zuckerfabrik wiederfinden könnte. Man ist damals nicht auf den Gedanken gekommen, sich dies gegenüber den Partnern, gegenüber dem Nordzucker-Konzern, absichern zu lassen. Das ist aber die Hauptursache dafür, dass wir uns heute einer Schließung ausgesetzt sehen, die, wie ich meine, auch betriebswirtschaftlich nicht zwingend notwendig wäre.
Meine Damen und Herren, der Trend zum Billigeinkauf ist ungebrochen. Dies forciert natürlich auch Konzentrations- und Monopolisierungsprozesse. Wir erleben zurzeit die Übernahme der Nordfleisch durch einen niederländischen Konzern. Wir hoffen, dass die Arbeitsplätze in Lübeck und Bad Bramstedt langfristig gesichert werden können. Offenbar hat ja dieser Konzern eine andere Strategie, die sehr flächenorientiert ist, im Gegensatz zu dem Konzern Nordfleisch, der übernommen wurde. Die kartellrechtliche Genehmigung steht im Übrigen noch aus.
Meine Damen und Herren, die Ursache der Misere, die wir zumindest in den Massenanteilen in der Ernährungswirtschaft in Schleswig-Holstein erleben, hat eine tiefe Wurzel. Schleswig-Holstein war über viele Jahrzehnte strukturführendes Bundesland. Es hat sich
auf Interventionsprodukten - Herstellung von Magermilchpulver, Butterintervention - ausgeruht und über Jahrzehnte die Marktorientierung vernachlässigt, in der Politik und in der Wirtschaft. Mit den Folgen haben wir es heute immer noch zu tun. Daher gehen uns auch diese Massenmärkte verloren.
Natürlich gibt es auch gute Gegentendenzen. Ich nenne nur die Molkerei Holtsee und die Spezialprodukte wie Tilsiter Käse, die dort europaweit vermarktet werden, und dies mit wachsender Tendenz.
Bei diesen jetzt zu beobachtenden Rückgängen in den Massenmärkten Milch und Fleisch, die aus Schleswig-Holstein abwandern beziehungsweise abgewandert sind, spielte die Politik der Regierung Kohl mit der fehlgeleiteten Förderpolitik zur Wiedervereinigung die Rolle einer Initialzündung. Blühende Unternehmen hier im Lande wurden geschlossen, um Kapazität in die neuen Bundesländer zu verlagern. Die Schließung der Molkerei in Rendsburg fand in der riesigen Milchfabrik in Upahl ihre Entsprechung. Die Schließung der Schlachthöfe Fahrdorf, Rendsburg, Schleswig und so weiter stand in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Neubau von Schlachthöfen zum Beispiel in Anklam an der polnischen Grenze. Diese Verlagerung blühender Betriebe aus SchleswigHolstein wurde durch 40-prozentige verlorene Zuschüsse in den neuen Bundesländern bezahlt. Das war ganz klar eine Vernichtung öffentlicher Gelder, es waren Fehlallokationen, die keinen einzigen Arbeitsplatz im Bundesgebiet neu geschaffen haben, die aber massive öffentliche Schulden hinterlassen haben, die uns auf Generationen hinaus belasten werden.
Es gibt auch einen anderen Trend. Das sagte ich eingangs schon. Die andere Seite der Medaille ist, dass - wie im Bericht ausgeführt - das Land auf die Erzeugung qualitativ sehr hochwertiger Lebensmittel abzielt. „Hergestellt und geprüft in Schleswig-Holstein“ ist ein Markenzeichen; es ist unter allen Programmen bundesweit - ich glaube, 85 % aller Verbraucher erkennen es - bei einem Drittel der Verbraucher bekannt, ein Drittel kann es aktiv benennen. Das ist ein Erfolg, den kein anderes Markenzeichen für sich beanspruchen kann.
Dies gilt es fortzusetzen, zu vertiefen und auch mit der Politik der Qualitätstore produktiv zu verknüpfen.
Es gibt also auch Erfolge. Marktorientierung und Spezialisierung werden mit Erfolg beschritten. Der Westhof in Büsum mit Biomöhren - der Agrarausschuss hat sich diesen großen Betrieb angeguckt - ist so ein Beispiel. In Silberstedt gibt es - Holger wird es kennen - den kleinen Hersteller Zwergenwiese, der behutsam expandierend sich auf dem Markt mit Brotaufstrichen positioniert. Der Verarbeiter müsste eigentlich Verarbeiterin heißen, denn eine tüchtige und pfiffige Frau leitet diesen Betrieb.
Der Hofkäse-Hersteller Metzger-Petersen hat sich sogar mit einen eigenen Stand auf der Grünen Woche mit gutem Erfolg etabliert - jetzt schon über Jahre. Ich glaube, er ist seit zehn Jahren Tradition auf der Grünen Woche.
Mit Küstennebel und Kleinem Feigling seien nur zwei Produkte des Getränkeherstellers Behn in Eckernförde erwähnt. Qualitätsschienen wie Gutfleisch haben Erfolg. Das Bier, das plopp macht und teilweise ganz schön dunkel ist, gehört dazu.
Es gibt also auch Lichtblicke, Qualität, Marktorientierung und Markenprodukte in Schleswig-Holstein.
Herr Minister, ich denke, die Entkoppelung, die neue Agrarpolitik wird Chancen eröffnen. Ich denke da zum Beispiel an unser typisch norddeutsches Produkt, den Weidemastochsen, der durch die Ausrichtung der Prämienpolitik in Brüssel geradezu verhindert wurde; den könnten wir revitalisieren und zu einem Marktprodukt machen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, zum Abschluss möchte ich noch einmal Dr. Felix Prinz zu Löwenstein zitieren, der sagte:
„Es gibt keinen Gegensatz, entweder die Agrarwende betreiben oder die Landwirtschaft im Land halten zu wollen. Vielmehr ist die Agrarwende die Voraussetzung, den Landwirten eine Zukunft in Deutschland zu sichern. Nur durch eine umweltgerechte Landwirtschaft, durch eine Landwirtschaft, die von den Verbrauchern akzeptiert wird,“
Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die schleswig-holsteinische Ernährungswirtschaft ist nach wie vor ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in unserem Land. Das geht aus dem Bericht der Landesregierung deutlich hervor. Dies mag auch niemanden verwundern, da Schleswig-Holstein nach wie vor von der Landwirtschaft und der Fischerei sowie dem dazugehörenden verarbeitendem Gewerbe stark geprägt ist.
Aber wie in vielen anderen Wirtschaftbereichen lässt sich auch hier ein Strukturwandel feststellen. Hierbei handelt es sich nicht um ein Phänomen der letzten Jahre, sondern vielmehr der letzten Jahrzehnte.
Dies ist insbesondere auf Konzentrationsprozesse in der Ernährungsindustrie und dem Lebensmitteleinzelhandel sowie die Verlagerung der Verarbeitungsstätten in die neuen Bundesländer zurückzuführen. Ein ganz krasses Beispiel dafür hat der Herr Minister vorhin angeführt.
Aus dem Bericht geht weiterhin deutlich hervor, dass diese negative Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist. Es ist davon auszugehen, dass mit der Erweiterung der EU dieser Prozess fortgesetzt wird und dass weitere Konzentrationen und Rationalisierungsmaßnahmen stattfinden werden.
Aber die europäische Erweiterung bietet auch Chancen für unser Land. Dass dies so ist, macht eine Pressemitteilung der schleswig-holsteinischen Ernährungswirtschaft anlässlich der POLAGRA-FOOD, der wichtigsten internationalen Messe für die gesamte Lebensmittelwirtschaft in Polen, deutlich. Daraus geht hervor, dass sich mittelfristig gute Marktchancen für Unternehmen der Ernährungswirtschaft und der Zuliefererindustrie in Polen ergeben und dass gerade Firmen aus Schleswig-Holstein aufgrund der relativen Marktnähe davon profitieren werden.
Hierin liegt durchaus eine große Herausforderung für unsere Unternehmen. Der derzeitige Umsatzanteil der schleswig-holsteinischen Ernährungswirtschaft von
16 % liegt zwar über dem Bundesdurchschnitt von 11 % - das ist natürlich erfreulich -, er macht aber auch deutlich, dass gerade Schleswig-Holstein viel zu verlieren hat. Weil dies so ist, sind klare Konzepte vonseiten der Landesregierung dringend notwendig. Auch wenn die Landesregierung hier nicht allein in der Verantwortung steht, muss der Ernährungswirtschaft deutlich gemacht werden, dass sie mit der Landesregierung einen verlässlichen Partner an ihrer Seite hat. Hier muss die Landesregierung mit langfristigen Konzepten unterstützend wirken.
Zwar wurden im Zeitraum von 1996 bis 2002 insgesamt 600 private Investitionsvorhaben in Unternehmen der Ernährungswirtschaft mit öffentlichen Mitteln aus Land, Bund und EU gefördert, aber wir wissen, dass die Förderkulissen in den nächsten Jahren extrem abnehmen werden. Daher ist es wichtig, dass das Geld, das uns jetzt noch zur Verfügung steht, an nachhaltige Verpflichtungen geknüpft wird. So sind die Maßnahmen der Landesregierung hinsichtlich der Qualitäts- und Absatzförderung durchaus Maßnahmen, die auch der SSW begrüßt. In diesem Bereich der Land- und Ernährungswirtschaft, in dem eine Förderung von Gütezeichenprodukten und von Projekten zur Einführung von Qualitätsmanagement- und -sicherungssystemen stattfindet, wird eine vertrauensbildende Maßnahme zum Verbraucher hergestellt, die durchaus nachhaltig ist.