Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Schleswig-Holsteinische Schulgesetz enthält seit Ende Januar diesen Jahres neue Bestimmungen zur Schülerbeförderung. Diese neuen Regelungen stehen seit Wochen im Land in heftiger Kritik, und zwar zu Recht. Mit unserem Gesetzentwurf bieten wir Liberale dem Landtag die Möglichkeit, die umstrittenen Regelungen wieder rückgängig zu machen und die alte Rechtslage im Schulgesetz wieder herzustellen.
Die FDP war von Anfang an gegen eine 30-prozentige Zwangsbeteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten. Damit wird nämlich in Schleswig-Holstein de facto ein verkapptes Schulgeld eingeführt. Das widerspricht dem Sinn des Schulgesetzes. § 12 gewährleistet ausdrücklich die Schulgeldfreiheit.
Die umstrittene Regelung ist unsozial. Sie betrifft in besonderer Weise Familien im ländlichen Raum. Sie belastet Familien mit schulpflichtigen Kindern im Vergleich zu der bisherigen Regelung in einem bis zu fünffach höheren Umfang. Das zeigen Berechnungsbeispiele aus Ostholstein. Das könnte der Einstieg in weitere Formen von Elternbeteiligung sein. Wenn man sagt, Aufwendungen, die sonst der Schulträger hat, müssten mit Kostenbeteiligung der Eltern mitfinanziert werden, könnte irgendwann jemand auf die Idee kommen, dass Kosten für Heizung und Strom beim Schulbetrieb auch die kommunalen Schulträger belasten.
Das ist deshalb auch eine grundsätzliche Frage. Wir wollen einen solchen Einstieg in eine Einführung der Bezahlschule verhindern. Die öffentliche Schule darf nicht zur Bezahlschule werden.
Die im Schulgesetz von der Großen Koalition eingeführte Zwangsbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten steht in einem eklatanten Widerspruch zu den familienpolitischen Lippenbekenntnissen, die gerade in den letzten Monaten
von den Partnern der Großen Koalition, insbesondere in Berlin, wechselseitig abgegeben worden sind mit dem Versuch, sich gegenseitig zu übertreffen. Es passt schlicht und ergreifend nicht zusammen, wenn man auf der einen Seite betont, man wolle etwas für Familien mit Kindern tun, und auf der anderen Seite die Zwangsbeteiligung an den Schülerbeförderungskosten im Land einführt. Wir hoffen daher auf eine späte Einsicht auch bei der CDU,
die sich bislang als einzige Partei - jedenfalls hier im Hohen Hause - sperrt. Anderswo ist die Union flexibler. Im Kreistag des Kreises Ostholstein hat die CDU zusammen mit der Freien Wählergemeinschaft einem Antrag der dortigen FDP-Kreistagsfraktion zugestimmt,
in dem genau das gesagt wird, was wir hier vorgelegt haben, nämlich der Landtag wird aufgefordert, § 114 Schulgesetz zu ändern.
Ich darf auch auf den Kreistag des Kreises Segeberg verweisen. Überschrift in den „Lübecker Nachrichten“ Ende März:
Auch dort hat dieser Beschluss Stimmen der Fraktionen von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, aber auch der CDU bekommen.
Ich möchte kurz zitieren, was zu den Argumenten, die im Kreistag des Kreises Segeberg vorgebracht worden sind, in dem Zeitungsartikel berichtet wird:
„Auch Volker Willert (CDU) stimmte der Satzung nicht zu. Früher sei versprochen worden, dass die Kinder nach Schließung der Dorfschulen kostenlos zur Dörfergemeinschaftsschule transportiert werden, und jetzt müssten die Kommunen zusätzlich Leute
einstellen, um Eigenbeteiligung abzurechnen. Willert: Wir warten lieber darauf, dass der Innenminister uns anweist, das Gesetz umzusetzen.“
Da wird eine wundervolle Doppelstrategie gefahren: Auf der einen Seite muss der arme Herr Innenminister seinen Parteitagsbeschluss als SPD-Landesvorsitzender quasi verleugnen nach der kleinen Koalitionskrise, die Sie gerade vor ein paar Tagen hinter sich gebracht haben.
- Das ist eine hervorragende Frage: eine von vielen. - Er darf sich im Landtag nicht dafür einsetzen, das Schulgesetz in Sachen Schülerbeförderung wieder zu ändern. Auf der anderen Seite wird er von CDU-Kommunalpolitikern vor Ort in den Kreisen zum größten Buhmann abgestempelt, der als Innenminister die Kreise anweisen soll, ein Gesetz anzuweisen, das der Herr Innenminister ja am liebsten ändern möchte. Das ist schon eine paradoxe Situation. Diese ziemlich trickreiche Doppelstrategie sollte man der Union nicht durchgehen lassen.
Ich möchte den Sozialdemokraten, die in den letzten Tagen ja sehr zahm gewesen sind, anraten, dass sie sich das nicht gefallen lassen, was da mit ihrem neuen Landesvorsitzenden veranstaltet wird.
Ich hoffe, dass in diesem Punkt auch bei der Union das notwendige Maß an Einsicht noch Einzug hält. Sie haben ja die Gelegenheit, im Rahmen der parlamentarischen Beratung über unseren Gesetzentwurf Ihre Haltung noch einmal zu überdenken.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bildungspolitische Debatten zeigen immer wieder, dass es sich um ein sehr emotionales und zugleich auch sensibles Thema handelt. Das gilt für Fragen der Schulstruktur genauso wie für die Kosten der Schülerbeförderung.
Der Emotionalität des Themas mag es geschuldet sein, dass die FDP der Versuchung nicht widerstehen konnte, hier einen Gesetzentwurf einzubringen, nachdem der Landtag gerade vor noch nicht einmal vier Monaten mit großer Mehrheit das neue Schulgesetz verabschiedet hat, um die damals gefundene Neuregelung wieder rückgängig zu machen.
Die Sensibilität des Themas erfordert es hingegen, dass solche Diskussionen in aller Ruhe und Sachlichkeit geführt werden. Das emotionale Bauchgefühl ist dafür ein denkbar schlechter Ratgeber.
Nun haben wir gestern im Rahmen der Aktuellen Stunde vom Oppositionsführer einen bemerkenswerten Redebeitrag zu dem Thema „geniale Strategien zur politischen Profilierung“ gehört. Meine Herren von der FDP, ich habe den Eindruck, dass Sie mit ihrem Gesetzentwurf die gleiche Strategie verfolgen, wobei die Genialität in beiden Fällen noch zu beweisen wäre. Vielleicht bleibt es am Ende doch nur ein weiterer Beitrag zur Politikverdrossenheit.
Herr Dr. Klug schrieb in seiner Pressemitteilung am 27. März, mit der er seinen Gesetzentwurf ankündigte - wir haben es eben in ähnlichen Worten gehört -, es gebe eine massive Erhöhung der Elternbeteiligung, die Schulgeldfreiheit würde de facto ausgehöhlt und schließlich sei es familienfeindlich, den Eltern von schulpflichtigen Kindern ins Portemonnaie zu greifen.
Für eine politische Profilierung mag eine solche Rhetorik hilfreich sein, im Hinblick auf die Sensibilität des Themas ist sie es gerade nicht.
Herr Dr. Klug, Fakt ist, dass nach dem neuen Schulgesetz auch zukünftig der weit überwiegende Teil der Schülerbeförderungskosten von der öffentlichen Hand getragen wird, nämlich präzise 70 %.
Fakt ist ebenso, dass es eine Elternbeteiligung auch nach dem alten Schulgesetz gegeben hat, und zu dem möchte die FDP mit ihrem Gesetzentwurf gern wieder zurückkehren.
Eine Elternbeteiligung wird also von der FDP in der Sache nicht abgelehnt, sondern lediglich der Höhe nach.
In der Tat - das will ich gern einräumen, wenn man sich die Zahlen anschaut -, führt die 30-prozentige Eigenbeteiligung anstelle der bisherigen Eigenbeteiligung für die private Nutzung der Fahrkarte dazu, dass die monatliche Belastung steigt. Zum Beispiel steigt die monatliche Belastung in meinem Heimatkreis, im Kreis Stormarn, monatlich um rund 4 € pro Kind. Die Elternbeteiligung erhöht sich von 3 € auf 7,35 € für eine Ein-Zonen-Karte und von 5 € auf 9 € für eine Mehr-Zonen-Karte. Angesichts dieser Größenordnungen von einer Aushöhlung der Schulgeldfreiheit zu sprechen, ist sehr weit hergeholt,
insbesondere wenn man berücksichtigt, dass das neue Schulgesetz eine Härtefallregelung vorsieht, die es zulässt, dass auf eine Kostenbeteiligung gänzlich verzichtet wird. Zu welchen innovativen und intelligenten Lösungen Kommunalpolitik immer wieder kommen kann, zeigt in diesem Zusammenhang das Beispiel des Kreises RendsburgEckernförde.