Ich glaube, dass wir dann zu einer anderen Lösung kommen, die den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wirklich hilft, anstatt mit solchen populistischen Vorschlägen die Links-Partei links überholen zu wollen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat nun Herr Abgeordneter Detlef Matthiessen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Schleswig-Holstein hat ein Tariftreuegesetz. Das gilt für die Branchen Bauwirtschaft, Entsorgung, Schienenpersonennahverkehr sowie seit letztem Jahr auch für den BusÖPNV, also den öffentlichen Personennahverkehr. Bemerkenswert ist dabei, dass die CDU-Fraktion die Erweiterung des Tariftreuegesetzes auf die Busfahrer mitgetragen hat. Das haben wir seinerzeit auch aus unserer Sicht sehr begrüßt.
Die Diskussion über Tariftreue, Mindestlöhne und Lohndumping ist hochaktuell. Die Große Koalition in Berlin kann sich nicht auf einen einheitlichen bundesweiten Mindestlohn einigen und schleppt sich über Änderungen zum Entsendegesetz dahin. Wir halten einen bundeseinheitlichen Mindestlohn
Die Tariftreuegesetze der Länder sind gefährdet durch die EuGH-Rechtsprechung vom 3. April 2008 zu Teilen des niedersächsischen Vergabegesetzes. Ich nenne hier an dieser Stelle sehr verkürzt und plakativ eine wesentliche Begründung aus diesem Urteil. Der Wettbewerbsvorteil ausländischer Firmen bestehe in den geringen Lohnkosten. Wenn sie diesen Wettbewerbsvorteil nicht nutzen dürften, würden sie vom Wettbewerb ausgeschlossen. Eine Tariftreueverpflichtung stelle daher eine Beeinträchtigung dieser Firmen dar. Tariftreue bewirke, so das Gericht, deshalb nicht eine faktische Gleichstellung mit den deutschen Arbeitnehmern.
Das ist eine aus meiner Sicht recht krude Argumentation, auf die man erst einmal kommen muss, die man auch erst einmal geistig nachvollziehen muss. Das finde ich schon recht künstlerisch. Das hat das EuGH aber so gemacht, und wir als Landesgesetzgeber haben dieses Urteil zum niedersächsischen Vergabegesetz natürlich zu akzeptieren.
Meine Damen und Herren, in der Sitzung des Bundesrates am 23. Mai 2008 wurde eine Entschließung der Länder Rheinland-Pfalz, Bremen und Berlin zum europarechtskonformen Entgeltschutz bei öffentlichen Aufträgen eingebracht. Ausgangspunkt dieses Entschließungsantrages war das schon erwähnte Urteil des EuGH, wonach Tariftreueregelungen gegen die sogenannte Entsendungsrichtlinie der EU verstoßen sollen. In der Bundesratssitzung fand die Entschließung keine Mehrheit. Die entsprechenden Ausschüsse des Bundesrates hatten empfohlen, sich mit der Entschließung gar nicht erst zu befassen.
Zum Verhalten der Landesregierung bei dieser Bundesratsentschließung haben die Grünen eine Kleine Anfrage gestellt. Über die Antworten sind wir doch sehr verwundert. Die Vertreter des Landes Schleswig-Holstein hatten sich zu der Entschließung im Bundesrat enthalten. Auf die Frage warum, antwortet die Landesregierung: Aufgrund unterschiedlicher auch juristischer Bewertungen konnte die Entschließung nicht unterstützt werden. Offensichtlich ist der Landesregierung das eigene Tariftreuegesetz schnurzegal. Die Landesregierung zeigt durch ihre schlaffen Antworten, dass sie kein Herzblut für das Thema Tariftreue hat.
Oder zumindest in großen Teilen dieser Koalition solches Herzblut für das Thema vermissen lässt. Fest steht, dass die Landesregierung nicht aktiv wird, um Arbeitnehmer vor Dumpinglöhnen zu schützen. Im Gegenteil, im Erlass des Wirtschaftsministeriums vom 26. Mai dieses Jahres wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei neuen Vergabeverfahren eine Tariftreueerklärung nicht mehr einzufordern ist. Da wurde offenbar schnell und konsequent gehandelt.
Sind eigentlich auch Sozialdemokraten Mitglieder dieser Regierung, und wenn ja, wo bleibt ihr Einsatz für eine menschenwürdige Entlohnung?
Da hätten wir uns allerdings im Machtgeflecht der Großen Koalition etwas mehr Verve auf der sozialdemokratischen Seite gewünscht.
Die grüne Landtagsfraktion unterstützt den Antrag des SSW, der die Landesregierung auffordert, eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel zu starten, den EU-Rechtsrahmen so zu ändern, dass eine Tariftreueregelung weiterhin anwendbar ist. Wir begrüßen auch die Öffnung weiterer Branchen für Mindestlöhne. Das ist zumindest vorläufig zu begrüßen.
Die grüne Landtagsfraktion stimmt der Überweisung des Antrages des SSW in den Wirtschaftsausschuss zu. Wir brauchen dringend eine Lösung. Das Problem darf nicht auf die lange Bank geschoben werden.
Ich danke Herrn Abgeordneten Matthiessen. - Das Wort für einen Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn der Kollege Garg eine vorgefertigte Rede hält und seiner Ideologie fröhnt, dann muss mir die Möglichkeit gegeben werden, deutlich zu machen, dass die Lage völlig anders ist. Es macht keinen Sinn, wenn man mir nicht zuhört.
- Er hört immer noch nicht zu; das weiß ich. - Ich habe vorhin gesagt, dass es sich bei der Änderung der EU-Gesetzgebung um eine mittelfristige Zielsetzung handeln müsste. Das heißt, wir versuchen jetzt, etwas in drei, vier, fünf Jahren zu ändern, damit es wieder klappt. Das ist das eine.
Ich habe auch gesagt, dass das sehr ambitioniert und nicht sicher ist, dass wir das Ganze durchbekommen. Damit war für mich der erste Punkt abgehakt.
Davon abgesehen hatten wir im Bundesrat keine Befassung mit diesem Thema, wie auch der Kollege Matthiessen gerade sagte. Insofern hätte man immer noch eine Initiative machen können, diese Beschlussfassung zu initiieren.
Es hätte also genügend Möglichkeiten gegeben. Der Antrag hat sich selbst in Punkt 1 nicht erledigt, sondern ist immer noch aktuell.
Als zweiten Punkt habe ich als eine kurzfristige Lösungsmöglichkeit - das habe ich auch so benannt die Allgemeinverbindlichkeitserklärung genannt. Hierbei, Herr Kollege Garg, handelt es sich nicht um einen Eingriff in die Tarifautonomie, sondern Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen sich einigen, müssen beide zustimmen, dass eine solche Erklärung abgegeben wird. Es geht darum, dass einer das Verfahren in Gang setzt, um sie an einen Tisch zu bitten, um zu gucken, ob man das haben will oder nicht. Wenn einer der beiden Tarifpartner sagt, er wolle das nicht haben, dann ist der SSW der Letzte, der sagt, wir müssen es haben. Aber beiden muss man die Gelegenheit geben, sich zu äußern und dieses Verfahren in Gang zu setzen.
Vor dem Hintergrund, lieber Kollege, dass gerade die Bauindustrie und das Baugewerbe vehement dafür gefochten haben, dass wir ein solches Gesetz bekommen, müssten Sie eigentlich als Partei, die sich immer auf die Fahne schreibt, dass man Unternehmer unterstützen wolle, gerade den Unternehmern in diesem Bereich zumindest die Gelegenheit geben, sich dazu zu äußern, ob sie eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung haben wollen oder nicht.
Aber noch nicht einmal dazu sind Sie bereit, weil Sie ideologisch verbrämt sind. Das ist nicht in Ord
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Lars Harms hat ja recht. Es ist aber auch nicht so, wie Sie es dargestellt haben, Herr Harms, sondern die Situation stellt sich völlig anders da. Für mich wird das Wort Mindestlohn langsam zum sozialpolitischen Unwort des Jahres. Die Gewerkschaften - das gebe ich gerne zu - haben es geschafft, den Arbeitsminister Scholz und Frau Merkel auf eine Schiene zu bringen, die so überhaupt nicht funktionieren kann.
Man hat das Entsendegesetz verändert und gesagt: Da, wo sich Tarifvertragsparteien einig sind, nehmen wir sie auf. Da, wo die sich nicht einig sind, hat man in die Mottenkiste gegriffen und ein Gesetz von 1952 herausgeholt, in dem es um Mindestarbeitsbedingungen geht. Ich frage mich, was das für eine Brücke ist. 1952 war eine andere Situation als heute. Wenn man auf so etwas zurückgreift, dann muss man sich doch fragen, was in der Hauptsache eigentlich geschehen ist.
Erstens. Es haben kaum Arbeitgeber für die Aufnahme ins Entsendegesetz gestimmt. Die meisten haben gesagt: Wir wollen das nicht.
Zweitens. Gucken Sie doch einmal zur Deutschen Post. Was ist dort passiert? Ver.di und die Deutsche Post haben zulasten Dritter einen Mindestlohn vereinbart, der über dem Durchschnittslohn der Branche lag. Die Konsequenz ist gewesen: Wettbewerber, die einen niedrigeren Lohn gezahlt haben, sind vom Markt. Arbeitsplätze sind schlichtweg vernichtet worden. Das sollten wir bei der Gesamtdiskussion über Mindestlohn berücksichtigen.
Hier rede ich überhaupt nicht davon, was in Ostdeutschland und in der Konkurrenz zu Polen passiert. Das sind völlig andere Situationen. Dies kann man wirklich einmal vertiefen.
Ich glaube auch, dass wir vor allem den Betroffenen mit einem Mindestlohn überhaupt keinen Gefallen tun, denn der Gesetzgeber kann den Arbeitgeber nicht verpflichten, jemanden einzustellen.
Wenn der Markt den Preis für den Lohn nicht hergibt, dann wird nicht eingestellt. Das heißt, die Mitarbeiter werden im Zweifel sogar entlassen. Dies ist eine zweite ganz schlimme Auswirkung, denn das geht zulasten der wirtschaftlichen Entwicklung in diesem Lande, die momentan nicht schlecht ist.
Wenn also Beschäftigte nicht das erwirtschaften, was sie kosten - vielleicht ist das einfacher ausgedrückt -, dann werden sie auch nicht beschäftigt werden.
Drittens. Wenn Mindestlöhne deutlich über den Marktlöhnen liegen, dann ist das okay, wenn wir einen leergefegten Arbeitsmarkt haben. Wenn Mindestlöhne aber über den Marktlöhnen liegen, wenn es Unbeschäftigte, Arbeitslose gibt, dann ist das das verkehrte Instrument. Aus diesem Grunde bin ich der Auffassung, dass man mit Mindestlöhnen mehr als vorsichtig umgehen muss.