Ich wiederhole das: Wir halten als Land Anteile an der HSH Nordbank. Die HSH Nordbank hält keine Anteile am Land Schleswig-Holstein.
Die Aussagen, die Sie tätigen, machen mich nahezu fassungslos. Der Eigentümer bestimmt. Der Eigentümer sind wir. Der bestimmt normalerweise, wo es hingehen soll, und beauftragt anschließend den Vorstand mit der Umsetzung. Hier höre ich gerade, wir sollen demnächst als Parlament sehr kurzfristig darüber unterrichtet werden, welche Vorstellungen sich der Vorstand der HSH Nordbank gemacht hat. Das nenne ich politisch-strategische Führung!
Herr Finanzminister, ich komme nachher noch auf einige andere Sachen zurück; Sie sind mir noch Antworten aus der letzten Tagung schuldig.
Die Finanzmarktkrise hat die staatlichen und halbstaatlichen Banken und damit die Landesbanken in ganz besonderer Weise getroffen, und das ist keine Überraschung. Die Landesbanken tummelten sich deutlich mehr als die Privatbanken im internationalen Großkreditgeschäft und legten ihr Geld im großen Stil in risikobehafteten Wertpapieren an. Nach dem „load the boat“ - deutsch, Grundgesetz:
Wir laden das Boot voll -, also dem Vollpumpen mit Liquidität vor dem Wegfall der wettbewerbsverzerrenden Gewährträgerhaftung - folgt nun unweigerlich das „sink the boat“ - deutsch: Das Boot sinkt.
Denn wo der Steuerzahler mit seinem Einkommen haftet und nicht der Vorstand oder der Aufsichtsrat oder der Eigentümer mit seinem persönlichen Vermögen, werden eben deutlich höhere Risiken eingegangen, und die werden eben auch mal realisiert. Und so folgt nun, was folgen musste: Die Diskussion um das Ende der Eigenständigkeit der Landesbanken und den Anfang von horizontalen oder vertikalen Fusionen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu saßen in den vergangenen Wochen die Ministerpräsidenten gleich mehrfach zusammen. Doch viel rausgekommen ist dabei offenbar nicht. Keine Einigung über die Zukunft der Landesbanken. Einigkeit herrschte offenbar nur in einem Punkt: Der Sonderfonds des Bundes zur Stützung der maroden Landesbanken sei zu bürokratisch, stelle viel zu viele Forderungen und sei obendrein viel zu teuer.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer allen Ernstes die Tatsache kritisiert, dass, wer beim Bund um finanzielle Unterstützung bettelt, im Gegenzug Auflagen zu erfüllen hat und auch das Eigenkapital erhöhen muss, dem ist in der jetzigen Krise wirklich nicht mehr zu helfen.
Ohne zügige Bereitstellung von Liquidität müssen sich die Ministerpräsidenten erst gar nicht mehr weiter streiten. Dann muss der Ministerpräsident den Angestellten der HSH Nordbank nur noch einen Brief schreiben und sich dafür entschuldigen, dass ihr Arbeitsplatz vernichtet wurde. Denn ohne Liquiditätsspritze, ohne eine neue Struktur und ohne eine Konzentration ist die HSH Nordbank nicht mehr am Leben zu erhalten. Herr Minister, das sind nicht meine Worte, sondern Worte, die aus der Wirtschafts- und Finanzbehörde der Hansestadt Hamburg kommen.
Hier stellt sich die ganz entscheidende Frage: Was sind die Vorstellungen der schleswig-holsteinischen Landesregierung über die künftige Eigentümerstruktur der HSH, über das Geschäftsmodell, von dem Sie uns bis vor einigen Tagen noch gesagt haben, es sei ein erfolgreiches, eigenständig tragfähiges, zukunftgerichtetes, von dem Sie gesagt haben, die HSH Nordbank sei damit in der Lage, die Krise besser als alles anderen Banken zu meistern? Und
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident - er war eben da; jetzt ist er entfleucht -, man kann doch nicht vom Schleswig-Holsteinischen Landtag verlangen, weitere Steuergelder von zwei, drei oder vier Milliarden Euro in die HSH zu pumpen, ohne auch nur ansatzweise eine Vorstellung von der zukünftigen Struktur der Bank zu haben. Was die Sparkassen wollen, das wissen wir. Am 10. November hat sich der Deutsche Sparkassen- und Giroverband dafür ausgesprochen, die sieben Landesbanken in drei regionale Blöcke aufzuteilen. Das haben Sie gerade skizziert. Zunächst sollen, um den Weg für die Fusionen frei zu machen, „bad Banks“ - Herr Kollege Wadephul: schlechte Banken - gegründet werden. Diese „bad Banks“ sollen laut Beschluss des DSGV „Risikopositionen und nicht nachhaltig rentable beziehungsweise für die strategische Neuordnung der Landesbanken nicht notwendige Geschäftszweige“ ausgliedern. Oder klarer formuliert: Raus aus der Bilanz, um den weiteren Abschreibungsbedarf zu stoppen.
Herr Finanzminister, wenn das passiert, sagen Sie uns, sagen Sie den Steuerzahlern in Schleswig-Holstein, wer dafür haftet, was sich bei den „bad Banks“ realisiert? Machen das private Dritte, die, weil sie so altruistisch angehaucht sind, mit ihrem Privatvermögen? Oder muss der Steuerzahler des Landes Schleswig-Holstein dafür haften, Sie, wir, wir alle, und müssen Sie das gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Land vertreten?
Die Bundesregierung fand diese Idee spontan gut, Baden-Württemberg und Bayern hingegen nicht. Sie beharren bisher auf der Eigenständigkeit ihrer Landesbanken. Herr Seehofer hat heute angekündigt, dass er darüber verschärft nachdenkt. NRWMinisterpräsident Jürgen Rüttgers hat ein eigenes Rettungskonzept erarbeiten lassen. Er will zwar auch die Fusion der Landesbanken, allerdings funktionale und nicht regionale Schwerpunkte setzen. So könnte sich nach Ansicht Rüttgers eine Immobilienbank, eine Kapitalmarktbank und eine Bank für Spezialfinanzierungen herausbilden. Hessens Regierungschef Koch ist der Idee offenbar auch nicht abgeneigt.
Aber was wir immer noch nicht wissen: Was will diese Landesregierung mit der HSH Nordbank erreichen? Dazu gab es auch heute wieder keine klare Aussage, Herr Minister.
Herr Ministerpräsident, ich lese in den Zeitungen ein Interview nach dem anderen mit Hamburgs Regierendem Bürgermeister zur Lage der HSH, zur zukünftigen Struktur der Landesbanken und zum Schicksal der Mitarbeiter. Was kommt von Ihnen? Ich lese im „Spiegel“, dass der Chef der Bankenaufsicht, Jochen Sanio, mit Ole von Beust konferiert hat, um mit ihm gemeinsame Maßnahmen zur Überwindung der Liquiditätsklemme bei der HSH zu ergreifen. Wahrscheinlich hält er die Kompetenz in Schleswig-Holstein für nicht so weit verbreitet, dass er sagt, er müsse auch einmal hier anrufen. Ich lese im „Hamburger Abendblatt“, dass Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff von Gesprächen zwischen der HSH, der NordLB, der Länder Hamburg und Niedersachsen berichtet. Eine Fusion der NordLB und HSH sei denkbar, so sagt er, der Sitz des Unternehmens müsse allerdings in Hannover liegen. Was wird mit dem Standort Kiel?
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, wann haben Sie eigentlich einmal gegenüber den anderen Bundesländern, gegenüber der BaFin oder dem SoFFin die Interessen des Landes Schleswig-Holstein vertreten? Die HSH Nordbank ist nicht die Bank der Landesregierung und schon gar nicht die Bank der hamburgischen oder niedersächsischen CDU. Es ist die Bank der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Das Land Schleswig-Holstein ist mit 29,1 % an dieser Bank beteiligt. Nur einmal zur Erinnerung: Wir haben mit der Kapitalerhöhung im Mai unseren Anteil von 19,96 % auf 29,1 % erhöht, während der Anteil Hamburgs von 35,58 % auf 30,41 % gesunken ist. Das kann man begrüßen, Herr Minister. Ich gehe davon aus - der Sache werde ich nachgehen -, dass Herr Peiner bereits zum Zeitpunkt der Kapitalerhöhung wusste, wie es um die Bank in der Zukunft steht. Wir haben uns mit unserem eigenen Geld eine zusätzliche Haftungsquote von 10 % eingekauft. Ein geniales Geschäft, kann ich nur sagen!
Es ist das Mindeste - das erwarte ich schlicht von einem Ministerpräsidenten -, dass Sie den Bürgern und den Steuerzahlern dieses Landes endlich reinen Wein einschenken und klar und deutlich sagen, wie Sie sich die Zukunft der HSH Nordbank, wie Sie sich die Zukunft der Landesbankenstruktur, wie Sie sich die Zukunft des Standortes Kiel, und nicht zuletzt - wie Sie sich die Zukunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Standort Kiel künftig vorstellen.
Herr Finanzminister, eine genauso klare Aussage erwarte ich von Ihnen. Warum hat die HSH Nordbank in alle möglichen Risikopapiere investiert, in USRamschhypotheken, in Island-Anleihen, in Lehman-Zertifikate, und der Risikoausschuss hat es gebilligt? Warum hat die HSH Nordbank im Jahr 2005 ihr Kreditportfolio gebündelt und in eine luxemburgische Gesellschaft ausgelagert, wo die Eigenkapitalvorschriften und die Bankenaufsichtsvorschriften bei Weitem nicht so hart sind wie in Deutschland, und der Risikoausschuss hat es gebilligt?
Was haben Sie eigentlich im Risikoausschuss der HSH Nordbank gemacht? Haben Sie überhaupt nur ansatzweise einen Überblick über das, was in der Bank vor sich geht? Meinen Sie eigentlich selber noch, dass Sie der Aufsichtspflicht gemäß Aktiengesetz ausreichend nachgekommen sind? Warum haben Sie bislang immer dann, wenn konkrete Aussagen zur HSH Nordbank gefordert wurden, geschwiegen, während Hamburgs Regierender Bürgermeister und Hamburgs Finanzsenator Freytag Klartext geredet haben? Warum lassen Sie sich mehr und mehr das Heft des Handelns aus der Hand nehmen? Wer vertritt eigentlich in der Frage „Zukunft der HSH Nordbank“ die Interessen Schleswig-Holsteins?
Ich erwarte von Ihnen heute, Herr Minister, eine Antwort auf meine Frage, wie es mit der Ausbuchung der Condut-Gesellschaft Poseidon und Carrera bestellt ist. Ich erwarte von Ihnen heute auch eine weitere Aussage - auch von dem Genossen Fraktionsvorsitzenden der SPD, der bis März 2008 im Aufsichtsrat der HSH Nordbank gesessen hat und die bösen Banker dauernd kritisiert -: Ist es Aufgabe einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Landesbank, die Steuergelder vom Bund in Anspruch nehmen will, gegenüber ihren Geschäftskunden, und zwar nur gegenüber ihren vermögenden Geschäftskunden - ich weiß nicht, ob Sie so etwas kriegen, Herr Innenminister; ich kriege so etwas jedenfalls -
den damit zu werben, dass man in Luxemburg unter dem Dach der HSH Nordbank die Abgeltungssteuer vermeiden kann? Ich darf Ihnen das einmal kurz vorlesen, Herr Minister:
(Holger Astrup [SPD]: Wen meinen Sie, Herr Kollege? Den Finanzminister oder den Herrn Minister a.D.? Wen meinen Sie denn?)
- Lieber Herr Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, mir ist klar, dass Ihre Weltgewandtheit an den Grenzen Schleswig-Holsteins aufhört. Aber es ist im Bund durchaus üblich, dass man auch ehemalige Minister als Minister anredet.
- Ehemalige! Noch ist Herr Wiegard amtierender Minister. Der Herr Stegner ist ehemaliger Minister. Deshalb gucke ich ihn auch an.
„In Luxemburg - nach den USA der Fondsstandort schlechthin - hat sich die HSH Nordbank auf die veränderte deutsche Gesetzgebung mit einer neuen Dachfonds-Produktfamilie eingestellt: mit dem HSH Lilux Privatportfolio. ‚Je nach persönlicher Anlagepräferenz stehen den Kunden dabei drei Risikostrategien mit unterschiedlichen Chancen- und Risikenpotential zur Verfügung’, so Jürgen Kühn, Geschäftsleiter …“
Ich stimme dem ausdrücklich zu: Wenn Privatbanken das machen, okay; dann kann man das kritisieren. Aber das ein sozialdemokratischer Fraktionsvorsitzender hier die Geschäftspraktiken von Privatbanken kritisiert und gleichzeitig dazu beiträgt, das eine mit Steuergeldern finanzierte Bank das gleiche macht, dem Bundesfinanzminister Einnahmen entzieht, das finde ich einen extremen Skandal.
Herr Abgeordneter Kubicki, ich möchte Sie weder nach Ihrem geistigen noch nach Ihrem materiellem Vermögen befragen, sondern ich möchte Sie danach befragen, woher Sie die Kenntnis haben, außer aus diesem Brief, weil Sie als vermögender Kunde offenbar angeschrieben worden sind, dass ich als ehemaliges Mitglied im Aufsichtsrat dazu beigetragen hätte, dass solche Praktiken a) stattfinden und b) in dieser Form kommuniziert werden. Das wüsste ich gern von Ihnen. Können Sie mir das hier beantworten, Herr Abgeordneter?