Protokoll der Sitzung vom 26.02.2010

Wir brauchen eine Offensive für Innovation, Arbeit und Umwelt in der ländlichen Entwicklung.

Auf der Grünen Woche konnten wir von zwei geplanten Leuchtturmprojekten aus dem ländlichen Entwicklungsbereich erfahren. Das eine war ein mit einer Glaskuppel versehenes Liebesnest auf dem Telekomturm des Bungsbergs, das in Planung ist. Das andere war die Revitalisierung des Fernsehponyhofs Immenhof aus den 50er-Jahren. Wir wollen hier überhaupt keine Spaßbremse sein. Aber ich denke, auch hier muss klar sein: Politik ist kein Ponyhof, Politik ist kein Wunschkonzert. Es geht hier um entscheidende Weichenstellungen für Arbeit, für Umwelt und für eine effiziente, nachhaltige und wirksame Verteilung der Gelder.

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Eineinhalb Sätze noch! - Der frühe Vogel frisst den Wurm. Wer lange wartet, um Vorschläge vorzutragen, wird kaum Gehör finden.

Frau Ministerin Rumpf, Sie sind schon einmal kurz hoch geflogen. Sie haben einen Vorschlag gemacht. Ich hoffe, Sie werden erneut starten und unsere Vorschläge aufgreifen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Jürgen Weber [SPD] und Ranka Prante [DIE LINKE])

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Heiner Rickers.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Politik ist kein Ponyhof. Es ist schon viel gesagt. Die sogenannte GAP, die gemeinsame Agrarpolitik der EU, verbindet eine wettbewerbsfähige Erzeugung von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen mit gesellschaftlichen Sonderleistungen der Landwirtschaft für unsere Allgemeinheit. Dabei ist sie eine der wenigen Politikbereiche der EU - das muss man wissen -, die auf EUEbene nicht nur weitgehend geregelt, sondern auch finanziert wird. Dadurch begründet ist der hohe Anteil am EU-Haushalt von heute 40 % an Ausgleichszahlungen und inklusive der zweiten Säule, der Förderung ländlicher Räume, sogar bei 50 %. Das nennt man das Zwei-Säulen-Modell. In den 90er-Jahren waren es sogar 61 beziehungsweise 65 %. Ab 2013 aber sollen es nur 32 beziehungsweise 39 % werden.

Aus einer Phase der Überproduktion mit hohen Interventionsbeständen und Exportsubventionen besonders in den 90er-Jahren ist bei der Agrarreform der Weg mit Ausgleichszahlungen für niedrige Erzeugerpreise über Nachbesserungen 1999 hin zu einer schrittweisen Entkoppelung der Flächenprämien im Jahr 2003 eingeschlagene worden. Der 2008 durchgeführte Health-Check, ein Gesundheitscheck in dieser Phase der Politik, für die Phase bis 2014 hat über den Gleitflug zu Veränderungen geführt, die dann die nächste Haushaltsphase für weitere fünf Jahre bestimmen und einläuten werden.

Auch die im Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erwähnten für die zukünftige GAP-Entscheidung entscheidenden Herausforderungen wie Klimaschutz, Umwelt und tiergerechte Produktion, Biodiversität, Wassermanagement, Ausbau erneuerbarer Energien und die Lissabon-Strategie für Bildung und Beschäftigung werden damit unsere Landwirtschaft in Schleswig-Holstein maßgeblich beeinflussen.

Bei im internationalen Vergleich in Schleswig-Holstein besten Böden, ausgewogenem Klima, guter Wasserversorgung, hervorragendem Know-how und relativ guten Strukturen sollte unsere politische Aufgabe weiterhin bleiben, eine wettbewerbsfähige, qualitätsvolle, gesunde und umweltverträgliche Nahrungs- und Biorohstoffproduktion zu unterstützen und zu fördern.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, Herr Voß, der ökologische Landbau als einziges Leitbild, wie von Ihnen gefordert, ist aus unserer Sicht daher nicht der rich

(Bernd Voß)

tige Weg. Wir wollen dem landwirtschaftlichen Unternehmer nach wie vor die Chance und die Freiheit geben, sich auf Wettbewerb und freien Markt einzulassen - egal, ob als Ökolandbau oder als intensiv integrierter Ackerbau.

Dabei soll das bisher erfolgreiche Zwei-SäulenModell der GAP mit einer Direktzahlung aus der ersten Säule zum Erhalt einer flächendeckenden Landwirtschaft und der zweiten Säule für die Entwicklung der ländlichen Räume in seiner bisherigen Form und Höhe möglichst nicht verändert werden. Um Wettbewerbsnachteile im globalisierten Markt abfedern zu können, ist die Direktzahlung aus der ersten Säule für unsere Betriebe weiterhin überlebenswichtig; macht doch diese einen Anteil von über 50 % am Einkommen der schleswig-holsteinischen Landwirte aus. Dabei dürfen wir natürlich nicht die sogenannten gesellschaftlichen Mehrwertleistungen als weitere Begründung für diese Gelder außer Acht lassen.

Sauberes Wasser, saubere Luft, weniger klimaschädliche Gase, Förderung der Biodiversität bei gleichzeitigem Erhalt der Kulturlandschaft und der Wirtschaftskraft in den ländlichen Räumen muss oberste Zielsetzung bleiben. Die Bayern verkaufen das immer sehr gut. 3,4 ct pro Quadratmeter landwirtschaftlich genutzter Fläche als Direktentlohnung betrachte ich als gut angelegtes Steuergeld.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Ausgestaltung der Zahlungsvoraussetzungen muss dabei zukünftig von einer bisher übertriebenen Bürokratie entschlackt werden.

Die sogenannte zweite Säule für die Entwicklung der ländlichen Räume, die in der Summe nur etwa ein Zehntel des Betrages der ersten Säule darstellt, sollte in Zukunft aus unserer Sicht - bei von der EU vorgegebenen Maßnahmen wie Wasserrahmenrichtlinie und Natura-2000-Gebiete - ohne Kofinanzierung zugewiesen werden. In diesem Bereich wäre eine Bindung an geschaffene Arbeitsplätze und die Schaffung von Wirtschaftskraft durchaus sinnvoll.

Um 2014 die nächste Förderperiode auf EU-Ebene mit all den unterschiedlichen nationalen Interessen starten zu können, müssen wir heute beginnen, unsere Ideen in entsprechenden politischen Gremien zielgerichtet zum Wohl unseres Landes und unserer Landwirtschaft auf den Weg zu bringen. Dem dient der Antrag der Koalitionsfraktionen in besonderem Maße. Ich bitte um Zustimmung und beantrage, dass beide Anträge in den zuständigen Ausschuss überwiesen werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bevor ich den Kollegen Lothar Hay ans Pult bitte, möchte ich, dass Sie mit mir gemeinsam eine weitere Klasse der Domschule aus Schleswig auf der Tribüne begrüßen. - Herzlich willkommen hier im Landeshaus!

(Beifall)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Lothar Hay von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Landwirtschaft prägt Schleswig-Holstein und stellt mit den vor- und nachgelagerten Arbeitsplätzen zusammen den wichtigsten wirtschaftlichen Motor in den ländlichen Räumen SchleswigHolsteins dar. Allein die landwirtschaftliche Endproduktion belief sich für Schleswig-Holstein im Jahr 2008 auf fast 3,3 Milliarden €. Das entspricht einem Anteil von 6,6 % der deutschen Endproduktion.

Auf der anderen Seite - das muss man immer wieder betonen - unterstützt die Gesellschaft die Landwirtschaft mit Direktzahlungen aus der ersten Säule mit jährlich über 349 Millionen €, und über Agrar- und Umweltmaßnahmen kommen noch einmal 20 Millionen € dazu. Bisher fließen 75 % der Fördermittel des Agrarbereichs als direkte Zahlungen. Hierfür erbringt die Landwirtschaft Leistungen, die sie aber aus Sicht der SPD-Fraktion transparent darlegen muss, damit auch in Zukunft die gesellschaftliche Akzeptanz für diese Zahlungen erhalten bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Brauchen wir nicht eine Landwirtschaft, die sorgsam mit Boden, Luft und Wasser umgeht und die Arbeit auf dem Land hält, statt sie wie bisher dem Strukturwandel zu opfern? - Dies war vor Kurzem in einer überregionalen Zeitung zu lesen. Dies haben Regierungsinstitutionen auf Bundesebene im Gegensatz zu Bundesagrarministerin Aigner erkannt. Genannt seien der Sachverständigenrat Umwelt, das Umweltbundesamt oder das Bundesamt für Naturschutz. Dessen Präsidentin verlangt einen Paradigmenwechsel zugunsten einer Ökologisierung der Landwirtschaft, der Sachverständigenrat will Direktzahlungen völlig abschaffen, und das Umweltbundesamt fordert: Alle staatlichen Trans

(Heiner Rickers)

fers kommen hinsichtlich ihrer Umweltauswirkungen auf den Prüfstand.

Die Europäische Union diskutiert derzeit über Eckwerte für die nächste Förderperiode ab 2013. Aus meiner Sicht ist die Forderung des Bauernverbandes, die Mittel in der ersten Säule auf dem bisherigen Niveau zu erhalten, zwar verständlich, aber kaum zu realisieren. Um zukunftsfähige Strukturen in der Landwirtschaft und im ganzen ländlichen Raum zu sichern, muss die betriebliche Förderung zugunsten der Förderung des Ausbaus der Infrastruktur und zum Schutz von Umwelt und Natur für alle Menschen verändert werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Die Botschaft muss sein: weniger Direkthilfen für die Landwirtschaft aus der sogenannten ersten Säule und Weiterentwicklung der zweiten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik. Im Kern muss die Landwirtschaft zeigen, dass sie nicht nur Nahrungsmittel produzieren, sondern einen echten EUMehrwert schaffen kann. Dieser Mehrwert muss nach unserer festen Überzeugung in den Bereichen der neuen gesellschaftlichen Herausforderungen wie Klimawandel, Erhaltung der Biodiversität, modernes Wassermanagement und Ausbau der erneuerbaren Energien liegen.

(Beifall bei der SPD)

Nur so kann dem Steuerzahler vermittelt werden, weiter die Landwirtschaft mit hohen Fördersummen zu unterstützen.

Frau Ministerin Rumpf, ich freue mich, dass Sie im Diskussionspapier zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Strukturfonds nach 2013 die richtigen Weichen stellen wollen, um die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein stärker ökologisch auszurichten. Hier sollen in Zukunft die richtigen Fördermaßnahmen angeboten werden, um die auch von uns geforderten Ziele - Schaffung einer ökologischen Grundprämie für die Bereitstellung von bis zu 10 % landwirtschaftlicher Nutzfläche als ökologische Vorrangflächen, Ausbau von Agrarumweltmaßnahmen, die weiterhin gezielt ökologische Anforderungen in den Mitgliedstaaten umsetzen sollen, sowie Förderung von Naturschutzleistungen ohne zwingenden Bezug zur Landwirtschaft durch Landschaftspflegemittel - zu erreichen. Das Diskussionspapier, das Sie vorgelegt haben, ist es aus Sicht der SPD-Fraktion wert, in einem öffentlichen gesellschaftlichen Diskurs vorgestellt und weiterentwickelt zu werden - ohne Vorbehalte.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Angesichts des Wandels in der Landwirtschaft müssen wir Perspektiven anbieten sowohl für die Landwirte, die sich dem internationalen Wettbewerb stellen wollen, als auch für die Landwirte, die diversifizieren wollen. Ein ,,Weiter so“ nach dem Partikularprinzip mit Vorrang für das Eigeninteresse führt nicht in die Zukunft, und deshalb darf es das in Schleswig-Holstein nicht geben. Interessen einzelner Verbände müssen für das Gemeinwohl zurückstehen. Die neuen Chancen durch die EUVorgaben werden in der Landwirtschaft von modernen Betrieben bereits erkannt und - da bin ich mir sicher - auch ergriffen.

Eine umweltgerechte Bewirtschaftung zum Nulltarif wird es nicht geben; deshalb wird auch in Zukunft die Gesellschaft dafür zahlen müssen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Carsten-Peter Brodersen von der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich dem Antrag von dem Kollegen Voß einige gute Ansätze bescheinigen. Doch schafft es der Antrag an mehreren Punkten nicht, zu politisch umsetzbaren Ergebnissen zu kommen. Schon in der Formulierung sind Ihnen wirkliche Fehler unterlaufen.

Chronologisch beginnend ist zu begrüßen, dass Sie sich in der Sache mit dem Positionspapier des Landwirtschaftsministerium anfreunden können. Unklar bleibt mir jedoch, warum im Weiteren gute Ansätze mit dem Einwand der Nachhaltigkeit eben diese widerlegen oder nicht ermöglichen sollen.

Meine Damen und Herren, in der Tat stehen wir vor einer entscheidenden Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik im Jahre 2013. Ohne Finanzmittel der EU, die sich immerhin auf mehrere 100 Millionen € belaufen, wäre die Agrarwirtschaft, zumindest in bäuerlicher Form, nicht mehr möglich. Daher ist es wichtig, über die Ausgestaltung der ersten und zweiten Säule rechtzeitig zu diskutieren, so wie von der Ministerin angeschoben. Die erste und die zweite Säule müssen die neuen Herausforderungen an eine moderne und nachhaltige Agrarwirtschaft berücksichtigen.

(Lothar Hay)

Dabei muss es unser Ziel sein, die erste Säule auf einem hohen Niveau zu halten. Die Bereitstellung von Versorgungssicherheit, Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, Schutz- und Erholungsfunktion der Landschaft und der Erhalt vitaler ländlicher Räume durch die Landwirtschaft muss von der Gesellschaft fair entlohnt werden.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das ist mit der Prämienzahlung möglich und auch zu rechtfertigen.

Ihre Forderung, den ökologischen Landbau als Leitbild zukünftiger Agrarpolitik festzuschreiben, schießt weit übers Ziel hinaus und deklassiert den konventionellen Landbau. Ideologische Debatten auf dem Rücken der heimischen Landwirtschaft zu führen, ist nicht sehr hilfreich.

Gleiches gilt für Ihr Anliegen, die Ausgleichszahlungen an der Zahl der Arbeitskräfte zu bemessen. Unklar erscheinen mir hier Ihre Formulierungen zur „neuen Offensive“ der ländlichen Entwicklungsund Umweltpolitik. Es ist paradox, auf der einen Seite eine gezielte Förderung daran auszurichten, wie viele Arbeitsplätze vorhanden sind und geschaffen werden, und auf der anderen Seite dann eine Beendigung der Zahlungen für Maßnahmen zu fordern, die Arbeitsplätze schaffen und sichern.