Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Sein neuer Kommissar John Dalli aus Malta hat dann auch ganz dalli dalli die Zulassung für die umstrittene Stärkekartoffel Amflora organisiert, geschehen am 2. März, am selben Tag mit einer Pressemitteilung, wo dann auch der Vorschlag angekündigt wurde, dass die Kommission die gentechnikfreien Regionen leichter ermöglichen möchte, verbunden mit der Ankündigung, MON 810 - das ist der besagte Mais - leichter zugänglich zu machen, Grenzwerte für Saatgutverunreinigung einzuführen und Kontamination mit nicht zugelassenen genveränderten Organismen zuzulassen.

Das Recht auf eine gentechnikfreie Lebensmittelerzeugung und Landbewirtschaftung als Standortfaktor für Schleswig-Holstein auf Dauer zu sichern, das ist das Gebot der Stunde. Nur damit haben wir die Chance, für unsere qualitätsorientierten Produkte auch zukünftig Absatzmärkte zu finden und zu sichern.

Die Vereinigten Staaten von Amerika haben diesen gentechnikfreien Markt verloren, aber die europäischen und auch die schleswig-holsteinischen Rohstoffe sind nach wie vor gentechnikfrei, und wir täten gut daran, dafür zu arbeiten, dass das auch so bleibt.

(Lothar Hay)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Dazu gehört einmal das EU-Reinheitsgebot beim Saatgut, das die Basis ist, die gentechnikfreie Erzeugung sicherzustellen. Aber auch bei Importen darf für gentechnische Verunreinigungen keine Tür geöffnet werden. Hier muss weiterhin die Nulltoleranz durchgesetzt werden; das entspricht dem Vorsorgeprinzip. Nur weil die Vereinigten Staaten mit neuen Gentechniksorten von Monsanto nicht schnell genug auf dem Markt durchkommen und eine Trennung von Produktionszweigen nicht durchsetzen können, sollen wir dafür unser Recht ändern. Wir dürfen diesen Schlampereien, die teilweise bewusst laufen, keinen Vorschub leisten, und wir dürfen sie nicht belohnen. Wir müssen in dieser Frage streng bleiben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Die Gentechnikindustrie hat bewiesen, dass sie überhaupt nichts im Griff hat. Im Gegenteil, sie übernimmt für die Verunreinigungen und die Folgekosten im Handel, in der Erzeugung, in der Lebensmittelwirtschaft überhaupt keine Verantwortung.

Die Regierungskoalition in Berlin erwähnt - das ist ein einmaliger Vorgang - in ihrem Koalitionsvertrag ein bestimmtes Produkt - und auch noch das Unternehmen, die BASF -, das sie durchsetzen wollen, und - wir haben es erlebt - Sie haben die Genkartoffel Amflora durchgesetzt. Das ist so ähnlich, als wenn Sie in den Koalitionsvertrag auch noch reinschrieben: Nur noch der VW Golf soll zukünftig auf den Autobahnen fahren. Auf eine so penetrante Art und Weise wird hier Politik gemacht. Sie schreiben in den Koalitionsvertrag auch rein, wie sie EU-Recht umgehen, wie sie EU-Recht beugen wollen.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist eine Unverschämtheit!)

Wenn ich sehe, dass auch der Koalitionsvertrag in Schleswig-Holstein nicht sonderlich anders tickt, bekomme ich schon ernste Sorgen. Die Hamburgischen Bürgerschaft - Herr Hay hat es gesagt - hat mit ihrem Beschluss zur Gentechnikfreiheit einen Anfang gemacht, dem wir als Schleswig-Holsteiner mit zum Erfolg verhelfen sollten. Wenn wir in dieser Landtagstagung eindringlich zur finanziellen Situation der öffentlichen Haushalte diskutiert und beraten haben, sollten wir uns auch hier klarmachen: Wir müssen uns davon verabschieden, immer

wieder mit öffentlichen Mitteln alles zurechtfördern zu wollen, was wir vorher durch falsche Rahmensetzung, durch eine falsche Politik kaputtgemacht haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Das Land muss mitwirken, Regeln zu setzen für Verbraucherschutz, aber auch Regeln zu setzen für Erzeugung und Märkte. Wir haben auch in Schleswig-Holstein viel zu verlieren, auf den Märkten für gentechnikfreie Produkte, aber auch den guten Ruf des Landes für den Tourismus.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, der LINKEN und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Heiner Rickers das Wort.

(Zurufe)

Gut, es kann losgehen. Ich habe immer Probleme mit der Höhe des Rednerpults, weil ich vielleicht ein bisschen viel Genfood in mich hineingestopft habe und deswegen etwas lang geraten bin. - Aber das war nur zur Auflockerung.

(Heiterkeit)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zum Thema Pro und Kontra beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen liegen uns drei inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Anträge der Fraktionen vor.

Im Antrag der SPD-Fraktion - das wurde von Herrn Hay ausgeführt - wird die Landesregierung aufgefordert, sich durch Bundesratsinitiativen für eine Änderung des EU-Rechts dahin gehend einzusetzen, dass in den Mitgliedstaaten und Bundesländern eigenständig und rechtswirksam über den Einsatz oder das Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen entschieden werden soll.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen weitergehenden Antrag gestellt, der keine Aufweichung der Kriterien bei Zulassung und Anwendung von GVOs auf EU-Ebene fordert. Dabei sollen die sogenannte Nulltoleranz für nicht zugelassene GVOs in Lebens- und Futtermitteln und das Reinhaltsgebot für Saatgut erhalten bleiben. - Richtig, Herr Voß?

(Bernd Voß)

(Bernd Voß [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Richtig vorgelesen!)

Der von den Koalitionsfraktionen von CDU und FDP gestellte Antrag zielt darauf ab, sich in Schleswig-Holstein nicht der internationalen Realität zu verschließen. Deshalb ist unter Einhaltung strenger, wissenschaftlich abgesicherter rechtlicher Rahmenbedingungen die Koexistenz unterschiedlicher landwirtschaftlicher Anbauformen zu gewährleisten.

(Beifall bei CDU und FDP - Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie wäre es mit internationalen Standards in der Bil- dungspolitik!)

- Im Moment sind wir bei der Gentechnik! Darüber können wir im Anschluss sprechen.

Meine Damen und Herren, die Forderung nach gentechnikfreien Regionen war sowohl in der 15. als auch in der 16. Legislaturperiode mehrfach Gegenstand der parlamentarischen Auseinandersetzungen im Schleswig-Holsteinischen Landtag. Bisher hat die Landesregierung auf die Europäische Kommission verwiesen, welche die Ausweisung rechtsverbindlicher gentechnikfreier Regionen als Verstoß gegen bestehendes EU-Recht gewertet hat.

Anfang März dieses Jahres hat sich die Europäische Kommission dahin gehend geäußert, dass die EU-Mitgliedstaaten selbst entscheiden sollen, ob in der EU zugelassene GVOs bei ihnen angebaut werden dürfen oder nicht. Laut EU-KommissionsPräsident Barroso ist es Ziel, eine „nationale Selbstbestimmung zu ermöglichen, ohne das gesamte GVO-Zulassungsverfahren infrage zu stellen.“ Bisher konnten sich die Mitgliedstaaten weder im Regelungsausschuss noch im Ministerrat auf die Anbauzulassung von GVOs einigen, sodass die Entscheidung doch wieder in der Kommission gelandet ist und ihr überlassen wurde. In solchen Fällen muss die Kommission die Zulassung erteilen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Darauf haben meine beiden Vorredner hingewiesen. Die Verschiebung eines solchen Zulassungsverfahrens auf die nationale Ebene würde eine entsprechende Änderung der Freisetzungsrichtlinie mit sich bringen. Leider fehlen hier bisher konkrete Entwürfe. Somit bewegen wir uns momentan bei dieser Diskussion im spekulativen politischen Raum.

Aus unserer Sicht hat der EU-Umweltrat jedoch positive Verbesserungs- und Weiterentwicklungsmöglichkeiten im Zulassungsverfahren von GVOs angedacht. Auch da zitiere ich aus den Schlussfol

gerungen, die bereits 2008 gezogen wurden: Gestärkt werden sollen die Umweltrisikobewertung und die Monitoringregelungen, sozio-ökonomische Vorteile und Risiken von GVOs sollen weiter bewertet und ausgebaut werden, berücksichtigt werden soll das bisher erarbeitete Fachwissen in den genehmigten Verfahren, die gelaufen sind, und berücksichtigt werden sollen sensible und/oder geschützte Gebiete. Diese vier Punkte begrüßen wir als Leitlinien ausdrücklich. Dadurch wird eine Neuausrichtung des Zulassungsverfahrens angestoßen.

Nun werden in den Anträgen der Opposition einige Forderungen aufgestellt - auch das habe ich schon gesagt -, die durch ständiges Wiederholen nicht besser und auch nicht richtiger werden.

So fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Antrag die Nulltoleranz bei Lebens- und Futtermitteln. Diese sogenannte Nulltoleranz gilt nach wie vor durch die Verordnung der EG Nr. 1829/2003. Darin sind keine Ausnahmeregelungen für geringe Spuren von Bestandteilen aus nicht zugelassenen GVO vorgesehen.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voß?

Ich bin gleich durch, dann können wir das diskutieren.

Gut. Prima.

Für zugelassene GVO wird auf EU- und nationaler Ebene nach einer technisch praktikablen Lösung gesucht, die sowohl laboranalytische als auch statistische Parameter als „definierte Null“ festlegt. Der EU-Umweltrat sieht momentan vor, für zugelassene GVO einen Schwellenwert auf niedrigstem Niveau festzulegen, der gleichzeitig für alle Beteiligten der Warenkette umsetzbar ist. Aus fachlicher Sicht gilt es, politisch einen Wert nicht größer als 0,1 % nicht 0,0 %, wie Herr Voß sagte - bei entsprechender Qualitätssicherung der Unternehmen zu fordern.

Nochmals: Für nicht zugelassene GVO gilt auch weiterhin die absolute Nulltoleranz.

(Heiner Rickers)

Herr Abgeordneter, ich sage es ganz ungern, aber Ihre Redezeit ist schon abgelaufen.

Ja, zwei Sätze! - Was das Monitoring-Verfahren in 2007 für mit geringfügig verunreinigtem Rapssaatgut bestellte Ackerflächen in Schleswig-Holstein betrifft, so können wir aus unserer heutigen fachlichen Sicht sagen, dass die Information des MLUR gegenüber dem zuständigen Agrarausschuss als umfassend zu bezeichnen ist.

Die Forderung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, gemeinsam mit Hamburg freiwillig gentechnikfreie Zonen zu schaffen und dieses durch unterschiedliche Maßnahmen und Strategien zu unterstützen, mag für den Stadtstaat Hamburg politisch umsetzbar sein, ist aber für ein immer noch agrarisch geprägtes Flächenland wie SchleswigHolstein aus unserer Sicht der falsche Weg.

Sehr geehrter Herr Abgeordneter -

Ich komme zum Schluss.

(Heiterkeit - Beifall bei CDU und FDP)

Wir sehen bei Einhaltung aller rechtlichen Vorgaben für GVO im Pflanzenbau Chancen für Forschung und Entwicklung. Dieser Entwicklung einer Zukunftstechnologie darf sich Schleswig-Holstein nicht verschließen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Offensichtlich hat das Gen nicht nur Auswirkungen auf die Größe, sondern auch andere Auswirkungen. - Erlauben Sie immer noch eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Voß?

Ich hatte das ja so mit Herrn Voß besprochen.

Ich hoffe, es sprengt nicht den Rahmen. Ich habe inzwischen zwei Zwischenfragen.

(Heiterkeit)