Protokoll der Sitzung vom 20.05.2010

Diesen neuen Unternehmern wollen Sie also raten, nicht kaufmännisch zu handeln, nicht Rechenschaft abzulegen über Einnahmen und Ausgaben, nicht zu schauen, ob sich das, was sie da tun lohnt. - Schöne Wirtschaftsparteien sind Sie!

(Christopher Vogt [FDP]: Ja, danke! - Peter Lehnert [CDU]: Gern geschehen!)

Und noch etwas: Wenn es unterstützte Unternehmensgründungen gibt, wie sollen diese ohne die Führung von Büchern und Jahresabschlüssen denn irgendwann irgendetwas über Erfolg oder Misserfolg nachweisen? Soll der Fallmanager eine weitere Förderung nach Gefühl bewilligen, weil die schwarz-gelbe Koalition meint, diese Unternehmen müssten nichts dokumentieren?

(Peter Lehnert [CDU]: Hans-Jörn, bleib hier! Hier kannst du noch was lernen!)

Wer sind eigentlich die Adressdaten Ihres politischen Handelns?

(Christopher Vogt [FDP]: Sie nicht!)

Wahrscheinlich sind es jene Kleinstunternehmer, die Ihren Parteien nahestehen und Ihnen die Ohren über zuviel Bürokratie, über den schlimmen Sozialstaat und zu hohe Steuern volljammern.

Die Wirklichkeit sieht aber so aus, dass Sie diese Leute lieber besser informieren sollten. Die Wirklichkeit sieht so aus, dass Sie sich nicht darin gefallen sollten, dieses Jammern auch noch zu unterstützen und diese Unternehmer dann wie kleine Kinder zu behandeln.

(Dr. Andreas Tietze)

Wenn Sie einmal mit Kleinstunternehmern sprechen, die wissen, was ein Amt ist, was ein Telefon ist, die ganze Sätze sprechen können,

(Lachen bei CDU und FDP)

werden Sie erfahren, wie unbürokratisch unser Land ist und wie schnell Entscheidungen, die von existenzieller Bedeutung sind, gefällt werden. Sie werden bei Kleinstunternehmern Ihrer Couleur hören, dass diese deshalb niemanden einstellen, weil Krankheitsfälle bei den Mitarbeitern die Firma gefährden, weil das mit der Lohnfortzahlung so schlimm ist. Aber eigentlich müssten Sie ihnen dann sagen, dass es eine Umlagefinanzierung für diese Unternehmen gibt und dass sie nur 10 % der Lohnfortzahlung tragen müssen. Stattdessen verstärken Sie die Unwissenheit mit Ihrem Dauergeraune, das lautet: „Wir leben über unsere Verhältnisse.“

(Christopher Vogt [FDP]: Lars, wir setzen al- le unsere Hoffnungen in dich!)

Noch ein letzter Gedanke:

(Unruhe)

Das Handelsgesetzbuch ist nach der sogenannten Langen Depression von 1873 bis 1896 entstanden. Es gab den Unternehmen Rechtssicherheit für ihr Handeln. In dieser Zeit entstand auch der Sozialstaat, also das, was Sie heute beides als lästig empfinden. Wenn Sie jetzt aus Kleinstunternehmen Black Boxes machen, zerstören Sie die erreichte Rechtssicherheit.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Ihre Zeit ist abgelau- fen! - Lachen bei der FDP)

Noch ein Satz! - Ihre Parteien stellen sich somit mit diesem Antrag in ein Ausplünderungsverhältnis zum Land. Sie belästigen die Allgemeinheit mit Ihren Anträgen, die der Wirtschaft die Grundlagen ihres Handelns entzieht. Oder wollen Sie Ihr Geschäftsmodell als Miet- und Kaufparteien auf die Wirtschaft übertragen?

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Fraktion des SSW hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

(Unruhe)

Ich bitte um Aufmerksamkeit für die Rede des Abgeordneten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die Politik gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen der Krise abzufedern. Es wurden milliardenschwere Konjunkturpakete geschnürt. Auch wenn der SSW nicht mit allen Maßnahmen einverstanden war, so war es aus unserer Sicht richtig und notwendig, dass sich die Politik der Aufgabe gestellt hat, um mithilfe von Konjunkturprogrammen gegenzusteuern.

Maßgeblich war für uns, dass antizyklische Impulse gegeben werden. Das soll heißen: Wenn die Wirtschaft auf der Kippe steht, kann der Staat sie sehr wohl vor dem Absturz bewahren, wenn die Eingriffe zum richtigen Zeitpunkt kommen und zielgenau und zeitlich befristet sind.

Damit wäre ich bei zwei der vorliegenden Anträge. Die Bundesregelung Kleinbeihilfen wurde im Rahmen der Konjunkturpakete aus den bereits genannten Gründen eingeführt. Diese Bundesregelung wurde ausdrücklich mit Genehmigung der EUKommission eingeführt und bis Ende diesen Jahres befristet. Es handelt sich dabei um staatliche Beihilfen, um Unternehmen, die aufgrund der Krise in Schwierigkeiten geraten sind, zu unterstützen. Damit verbunden sind klare Regelungen zur vorübergehenden Gewährung solcher Beihilfen.

Die Forderung von CDU und FDP, die Regelung für Kleinbeihilfen unbefristet weiterlaufen zu lassen, macht deutlich, dass Sie den Sinn einer solchen Rettungsaktion nicht verstanden haben. Es hat seinen Grund, dass diese Regelung mit einer Befristung versehen ist. Wäre dies nicht der Fall, würde es sich dabei um ein Subventionsprogramm handeln, und es widerspräche damit dem prinzipiellen Verbot staatlicher Beihilfen. Dauerhafte Subventionen lehnen wir als SSW - im Gegensatz zu CDU und FDP - aber ab.

Die Regelung für Kleinbeihilfen wurde seinerzeit zur Behebung beträchtlicher Störungen im Wirtschaftsleben eingeführt. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftsprognosen und der derzeit zu verzeichnenden Steuerzuwächse ist nicht davon auszugehen, dass die beträchtliche Störung - und nur um so etwas geht es - ewig andauern wird. Daher ist es nur richtig, dass das Programm ausläuft. Was CDU

(Björn Thoroe)

und FDP fordern, ist Subventionspolitik für Unternehmen, und dem werden wir so nicht zustimmen.

Kommen wir nun zum Antrag über die Wertgrenzen! Auch hierbei handelt es sich um einen Teil des Konjunkturpakets, das ebenfalls mit einer zeitlichen Befristung versehen ist. Wir haben seinerzeit die Anhebung der Wertgrenzen begrüßt, da darin die Chance liegt, dass die Gelder in der Wirtschaftskrise in der Region ausgegeben und verdient werden können. Darüber hinaus - und das ist noch viel wichtiger - sollte die bundesweit einheitliche Anhebung der Wertgrenzen dazu beitragen, den bürokratischen Aufwand in der Krisensituation zu verringern, damit die Aufträge in der Krisensituation schneller vergeben werden können. In der damaligen Situation war diese Maßnahme also richtig.

Auf der anderen Seite bergen zu hohe Wertgrenzen aber die Gefahr, den überregionalen Wettbewerb zu erschweren und dass es zu „Hoflieferantentum“ und Korruption kommt. Wer sich aber die Wertgrenzen der Länder vor der Einführung des Konjunkturpakets ansieht, stellt fest, dass es durchaus unterschiedlich gehandhabt wurde. Aber sie waren alle weit unter der derzeitigen Grenze. Dafür hat es auch Gründe gegeben. Die Frage ist daher: Wie hoch dürfen die Wertgrenzen überhaupt sein? Auch in anderen Bundesländern wird bereits diskutiert, welche Grenzen ab 2011 gelten sollen. Aber dies sollten wir im Ausschuss näher erörtern. Da schließen wir uns den Vorstellungen der SPD an. Auf jeden Fall können die Grenzen aber nicht so hoch sein, wie sie derzeit noch sind, weil das nur in der Wirtschaftskrise in Ordnung ist, aber nicht zu normalen Zeiten.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Regina Poersch [SPD] und Dr. Ralf Stegner [SPD])

Mit dem dritten vorliegenden Antrag greift die Koalition den Vorschlag der EU-Kommission auf, kleine Unternehmen von der Verpflichtung zur Erstellung eines Jahresabschlusses zu befreien. In Klammern gesagt: Ein Jahresabschluss ist nicht nur ein Blatt Papier, auf dem ein paar Zahlen stehen. Das ist ein etwas dickeres Werk und belastet durchaus die kleineren Unternehmen.

Die Zustimmung auf EU-Ebene für diese Regelung wird derzeit nur noch als Formalie angesehen. Begünstigt wären danach kleine Unternehmen, die entweder eine Bilanzsumme bis zu 500.000 € haben, Umsätze bis zu 1 Million € oder bis zu zehn Beschäftigte beschäftigen. Sollte der Vorschlag durchgehen, ist es an den Mitgliedstaaten, von der

Befreiungsmöglichkeit des Jahresabschlusses Gebrauch zu machen. Wir würden dies auch begrüßen. Es bestünde dann für Kleinstunternehmen aber weiterhin die Pflicht, die Bücher ordnungsgemäß zu führen und eine Gewinn- und Verlustrechnung zur Ermittlung der Steuern zu erstellen. Unternehmen, die sich dafür entscheiden, einen Jahresabschluss zu machen, werden dies ebenfalls auch weiterhin tun können. Es gibt also etwas mehr Freiheit für diese Unternehmen. Das bedeutet, dass tatsächlich die kleinen Handwerksbetriebe davon profitieren könnten, wenn man ihnen diese Hürde nehmen würde. Meine Damen und Herren, das würden wir begrüßen, und darüber könnten wir heute schon abstimmen.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, Herr de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Tagesordnungspunkte 19, 24 und 25 gehen in die gleiche Richtung. Wir wollen in unserem Land Arbeitsplätze erhalten. Deshalb müssen wir diejenigen besonders unterstützen, die die Arbeitsplätze stellen, nämlich die mittelständischen, kleinen und Kleinstunternehmen. Sie stehen im Mittelpunkt unserer Politik. Das wird die Mittelstandsoffensive erneut belegen, die die Landesregierung in Kürze vorstellen wird.

Lassen Sie mich aber kurz zu den Inhalten der drei Anträge Stellung nehmen.

Erstens. Der eine Antrag betrifft das Thema Rechnungslegung von Kleinstunternehmen. Man schätzt, dass Vereinfachungen in diesem Bereich bis zu 1.200 € pro Jahr bringen können. Das kann für eine kleine Firma ein großer Betrag sein. Derzeit befasst sich der Bundesrat mit einem entsprechenden Richtlinienvorschlag der Europäischen Union. Wir unterstützen nachdrücklich die europäischen Bemühungen zum Bürokratieabbau für Kleinstunternehmen.

(Beifall bei CDU, FDP, SSW und des Abge- ordneten Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. In einem weiteren Entschließungsantrag fordern die Fraktionen von CDU und FDP, die Lan

(Lars Harms)

desregierung möge sich im Bundesrat und bei der Europäischen Kommission für eine über den 31. Dezember 2010 hinausgehende Beibehaltung der Bundesregelung für Kleinbeihilfen einsetzen. Die Wirtschaftsministerkonferenz hat bereits im Dezember in Lübeck einstimmig den Bund um Prüfung gebeten, die Maßnahmen des Wirtschaftsfonds Deutschland zur Sicherung der Unternehmensfinanzierung zu verlängern beziehungsweise darauf hinzuwirken, dass die EU die zugrunde liegende Regelung nicht auslaufen lässt.

Hintergrund dieser Forderung gegenüber dem Bund war, dass die Maßnahmen des Wirtschaftsfonds in besonderer Weise und entscheidend dazu beigetragen haben, dass die von der Wirtschaftskrise betroffenen Unternehmen Zugang zum Kreditmarkt behielten. Insofern haben die Maßnahmen auch einen entscheidenden Beitrag zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit gerade im Mittelstand geleistet und damit zur Stabilisierung des Arbeitsmarkts.

Bisher hat der Bundeswirtschaftsminister noch nicht - leider noch nicht - endgültig Stellung bezogen. Er will sich für Übergangsvorschriften und, falls die EU das Temporary Framework nicht verlängert, für eine Anhebung der derzeit geltenden De-minimis-Schwelle von 200.000 € Beihilfewert in Richtung der Kleinbeihilferegelung, nämlich 500.000 € Beihilfewert, einsetzen. Hierüber wird die Wirtschaftsministerkonferenz im Juni im Einzelnen reden. Dort wird das Bundeswirtschaftsministerium über die Gespräche mit der Europäischen Kommission berichten. Wir werden uns jedenfalls erneut für eine Verlängerung und für eine großzügige Übergangsregelung für die Maßnahmen des Wirtschaftsfonds Deutschland einsetzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich will keine Kreditklemme herbeireden. Das sollte man auch nicht tun. Aber ich erkenne noch keine belastbaren Anzeichen dafür, dass die Kreditversorgung des Mittelstands sich durchgreifend verbessert hat. Die KfW sieht sogar die Gefahr, dass Kredite zunehmend knapper werden, während zugleich die Kreditnachfrage steigt. Hierfür müssen wir gewappnet sein. Vor diesem Hintergrund fordern wir weiter, dass die befristeten Maßnahmen verlängert beziehungsweise zumindest durch Übergangsregelungen gestreckt werden, weil die mittelständische Wirtschaft auch über 2010 hinaus eine verlässliche Hilfestellung braucht. Eine fraktionsübergreifende parlamentarische Unterstützung durch den Landtag kann dem nur Nachdruck verleihen.

Zum Schluss noch einige Worte zu dem dritten Antrag, nämlich die großzügigen Auftragswertgrenzen beizubehalten, unterhalb derer öffentliche Aufträge prinzipiell freihändig vergeben oder beschränkt ausgeschrieben werden dürfen. Die Wertgrenzen sind im Rahmen des Konjunkturpakets II angehoben worden, weil es darum ging, dass schnell gebaut wurde. So können beispielsweise Bauaufträge bis zu 1 Million € ohne vorherigen Teilnahmewettbewerb im Wege der beschränkten Ausschreibung vergeben werden.

Die Bundesregierung hat eine umfassende Untersuchung der Auswirkungen der erhöhten Wertgrenzen in Auftrag gegeben. Diese Evaluierungsergebnisse sollten wir abwarten und berücksichtigen. Nach dem, was bei mir ankommt, hat sich diese Heraufsetzung bei sehr vielen Firmen positiv ausgewirkt. Wir sollten aber sicher sein, dass auch eine dauerhafte Erhöhung dieser Grenzen tatsächlich für die kleinen und mittleren Betriebe von Vorteil ist. Insofern sollten wir eine endgültige Positionierung zu dieser Frage abhängig machen von der Evaluierung, die die Bundesregierung vorlegen wird.