Im Kern habe ich das Gefühl, dass Sie nichts auf den Weg bringen wollen. Sie wollen nicht wirklich einen Durchbruch erreichen. Deshalb mauern Sie, deshalb halten Sie hier so eine erbärmliche Rede, in der Sie der SPD vorwerfen, in Bremen abgeschrieben zu haben, statt hier und heute eigene Vorschläge zu präsentieren. Das nenne ich erbärmlich.
Der Mindestlohn ist ein europäischer Meilenstein für eine gerechte soziale Arbeitsmarktpolitik. Wir alle hier im Haus müssen uns gemeinsam gegen Lohndumping wehren. Sie haben von der sozialistischen Marktwirtschaft gesprochen. Der Mindestlohn widerspricht nicht der sozialen Marktwirtschaft. Nein, Hungerlöhne widersprechen einer sozialen Marktwirtschaft.
Was haben Sie eigentlich gegen die Sonderkommission? - Natürlich müssen wir jemanden haben, der das kontrolliert. Ich würde mir wünschen, dass wir hier etwas genauer arbeiten. Wie soll diese Kommission besetzt sein? - Wer soll das machen? Soll das der Zoll machen, sollen das die Polizei oder die Ordnungsbehörden machen? - All das sind Detailfragen, über die man in Ruhe reden kann. Sie sind doch meiner Meinung, dass man das kontrollieren muss, damit eine klare Rechtsverbindlichkeit und Durchsetzungsfähigkeit eines Tariflohns besteht.
Ich sage Ihnen auch: Lassen Sie uns für eine nachhaltige Wirtschaftspolitik und für einen wirklichen Aufbruch in Schleswig-Holstein, den Sie in Ihrem Koalitionsvertrag so schön beschreiben, auch den Weg einer gerechten Arbeitsmarktpolitik und einer gerechten Lohnpolitik beschreiten. Dazu brauchen wir mutige Entscheidungen, dazu müssen wir dieses Thema nicht aussitzen. Wir können es schnell auf den Weg bringen. Wir erwarten Ihre Vorschläge.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! DIE LINKE hält ein eigenständiges Vergabe- und Tariftreuegesetz für unbedingt nötig. Deshalb möchte ich mich ausdrücklich beim SSW dafür bedanken, dass dieser schon im letzten November die Debatte darüber angestoßen hat.
Tariftreue und die Vergabe öffentlicher Aufträge sollten nicht mit einem Unterpunkt im Mittelstandsförderungsgesetz geregelt werden. Unser Ände
rungsantrag zum Gesetzentwurf der SPD beinhaltet die Einführung eines Mindestlohnes von 10 € bei öffentlichen Aufträgen. Ein Mindestlohn von 10 € ist eine der Kernforderungen der LINKEN. DIE LINKE tritt für einen Mindestlohn ein, weil sie gerechte Löhne für gute Arbeit zu einer Selbstverständlichkeit machen will und nicht - wie es im Moment passiert - immer mehr zu einer Ausnahme.
Viele Dinge sprechen heute dafür, dass ein Mindestlohn Realität werden kann und werden muss. Sogar der Deutsche Juristentag setzt sich nun für Mindestlöhne ein. Eine Höhe nennt er nicht, aber er nennt Vorgaben. Jeder Mensch, der 45 Jahre gearbeitet hat, soll danach eine Rente erhalten, die über dem Existenzminimum liegt. Wenn ein Mensch 45 Jahre lang für 7,50 € die Stunde voll gearbeitet hat, dann bekommt er eine Rente von 620 €. Dies liegt unter der Grundsicherung im Alter, und das geht nicht.
Seit dem Start von Hartz IV haben die Steuerzahler weit über 50 Milliarden € ausgegeben, um Niedriglöhne aufzustocken. Die Ausgaben für die Aufstockung stiegen kontinuierlich von 8 Milliarden € im Jahr 2005 auf 11 Milliarden € im Jahr 2009. Fast jeder dritte Euro muss dafür herhalten, Niedriglöhne aufzustocken, um den Lebensunterhalt zumindest auf unterster Ebene zu sichern. 2005 hat dieser Anteil noch bei einem Fünftel gelegen. Auch das ist eine Ursache für die wachsende Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden.
Der einzige ökonomisch bedeutsame Teil von Hartz IV war die Absenkung des Sozialhilfeminimums. Wer seither seinen Job verliert und keinen neuen bekommt, dem droht der soziale Absturz. Aus eigener Kraft wieder hochzukommen, ist im Hartz-IV-System so gut wie ausgeschlossen. Damit erhöht Hartz IV kontinuierlich die Kosten, die auf den Verlust des Arbeitsplatzes folgen. Aufgrund dieser Lage haben Arbeitnehmer einen massiven Zwang, ihre Stelle um fast jeden Preis zu erhalten. Das führt wiederum dazu, dass die Reallöhne im Niedriglohnsegment fallen, und zwar selbst in Zeiten des Aufschwungs.
Die Landesregierung plant, das Tariftreuegesetz des Landes Schleswig-Holstein auslaufen zu lassen. Stattdessen soll das Vergaberecht in ein Mittelstandsförderungsgesetz integriert werden. Es soll lediglich auf allgemeinverbindliche Tarifverträge hingewiesen werden. Das ist jedoch eine pure
Selbstverständlichkeit. Es wäre ja noch schöner, wenn die öffentliche Hand als Auftraggeber allgemeinverbindliche Tarifverträge unterlaufen würde!
Die SPD hat heute den Entwurf für ein Tariftreueund Vergabegesetz eingebracht. Die SPD-Fraktion hat dem Landtag fast wortgetreu das existierende Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Bremen vorgelegt. Das Tariftreuegesetz aus Bremen enthält einige fortschrittliche Paragrafen. Ich nenne einige Beispiele: Nur Unternehmen, die ausbilden, sollen öffentliche Aufträge erhalten. Nur Unternehmen, die ökologische Standards einhalten, sollen öffentliche Aufträge bekommen.
Diese Forderungen tauchen auch in der heutigen Vorlage der SPD auf, und das ist gut so. Unerklärlicherweise ist allerdings der Paragraf zum Mindestlohn verschwunden. Den Mindestlohn als sinnvolle Forderung hat die SPD herausgestrichen. Das finde ich sehr interessant. Ebenso verschwunden ist die in Bremen obligatorische Prüfung öffentlicher Aufträge durch eine Sonderkommission. Diese Sonderkommission prüft alle öffentlichen Auftragsvergaben und gewährleistet damit die Einhaltung des Gesetzes. Stattdessen hat die SPD eine KannRegelung eingefügt, nach der die Landesregierung die Überprüfung durchführen soll. Wie zielführend kann es aber sein, Parteien mit der Überprüfung von Unternehmen zu befassen, die das für eine Zumutung halten?
DIE LINKE hat sowohl den Mindestlohn als auch die Sonderkommission zur Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes im Änderungsantrag eingebracht.
Ich kenne die Einwände, ein Mindestlohn nur bei öffentlichen Aufträgen sei nicht EU-konform. Gerichtsurteile vorwegzunehmen, ist nicht die Aufgabe des Parlaments. Unser Antrag orientiert sich in diesem Punkt an der existierenden Regelung in Berlin. Was sagt es über die SPD aus, wenn sie nicht einmal mehr versucht, einen Mindestlohn zu verankern? - Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, das ist arm. Wagen Sie doch zumindest den Versuch. Ich frage mich ernsthaft, wie Abgeordnete, die hier sitzen und einen Mindestlohn ablehnen, es morgens fertigbringen, mit gutem Gewissen das Landeshaus zu betreten. Die Pförtner hier verdienen 6,05 € pro Stunde, und zwar brutto.
- Ihr Geraune zeigt, welches Menschenbild Sie haben. Ganz im Ernst: Alle, die gegen Mindestlöhne sind, sollten jeden Morgen vor der Tür vor Scham im Boden versinken. Eigentlich können Sie diesen hart arbeitenden Menschen unmöglich mit gutem Gewissen vor die Augen treten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entwicklung der Tariftreue geht auf eine Initiative des SSW zur Einführung eines Vergabegesetzes im Jahr 2001zurück. Ich möchte mich ausdrücklich bei der Kollegin Poersch für das große Lob bedanken. Das hat mich sehr gefreut. Damals war es nämlich unendlich schwer, das Thema Tariftreue hier im Haus umzusetzen. Ich kann mich erinnern, dass seinerzeit viele Sozialdemokarten, aber auch die mitregierenden Grünen von Anfang an offen für Tariftreue waren und dass das Tariftreuegesetz, wie es nach der zweiten Lesung unseres Gesetzentwurfes dann genannt wurde, nur mit Unterstützung von Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmerorganisationen gegen den massiven Widerstand des damaligen SPD-Wirtschaftsministers Rohwer durchgesetzt werden konnte.
Umso mehr freut es mich, dass die das Gesetz damals rigoros ablehnenden Fraktionen der CDU und der FDP nun anscheinend mehr Offenheit bei diesem Thema zeigen. Das wurde in den Reden vielleicht nicht so deutlich, aber zumindest gilt dies für den noch kommenden Regierungsentwurf, wo von Tariftreue auch die Rede ist. In Kürze wird ein Regierungsentwurf das Licht der Welt erblicken, der die Einführung von Tariftreue - wenn auch in eingeschränkter Form - zum Ziel hat. Insofern sehen Sie mich heute erst einmal froh und glücklich, dass nun neben den Grünen und den Linken auch die SPD in Gänze und die regierungstragenden Fraktionen sich dieses Themas mit eigenen Gesetzentwürfen annehmen. Fast zehn Jahre Arbeit zu diesem Thema haben sich also gelohnt.
Wir haben ja schon am Anfang der Legislaturperiode einen Gesetzentwurf eingebracht, der das bestehende Tariftreuegesetz europarechtskonform ändern sollte. In der hierzu durchgeführten Anhörung wurde deutlich, welche Änderungen rechtlich machbar sind und welche nicht. Daher verweise ich auf die Anhörung und auch auf ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes zu diesem Thema. Wir haben dann nach der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf einen Änderungsantrag eingebracht, der die Ergebnisse der Anhörung im Gesetzgebungsverfahren umsetzen sollte. Das war über Monate der Stand der Dinge. Bitte sehen Sie mir es vor diesem Hintergrund nach, dass ich nicht auf alle Einzelheiten aller Gesetzentwürfe eingehe. Ich möchte nur die wichtigsten Punkte in allen drei Gesetzentwürfen - unserem, dem der SPD und dem von der Regierung angekündigten Entwurf - gegenüberstellen.
Da ist zum einen die Frage, an welchen Tarifverträgen die Tariftreue orientiert sein sollte. Politisch hätte ich am liebsten die bisherige Formulierung in unserem Tariftreuegesetz beibehalten, die da heißt: der vor Ort ausgehandelte Lohn, der noch höher als ein Mindestlohn ist. Schön wäre es auch gewesen, einfach einen Mindeststundenlohn festzuschreiben, wie das die Linken wollen. Aber all das geht nicht, weil entweder die europäische Rechtsprechung dagegensteht oder weil die Gesetzgebungskompetenz beim Bund liegt. Insofern bleibt für einen großen Teil nur die Orientierung am Arbeitnehmerentsendegesetz, dem Mindestarbeitsbedingungengesetz und an weiteren Gesetzen zu Mindestlöhnen, die möglicherweise noch erlassen werden könnten. Unser Gesetzentwurf umfasst alle drei Bereiche, der der SPD nur zwei und der der Regierung ebenfalls nur zwei. Sie verstehen, dass ich im Sinne der Beschäftigten und der Unternehmen hier dann lieber unseren Gesetzentwurf vorziehe.
Für den straßen- und schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr ist weiterhin die Tariftreue im bisherigen Umfang, das heißt nach Tarifen, die über Mindestlohnbedingungen liegen, möglich. Der Regierungsentwurf wird dies voraussichtlich nicht vorsehen.
Im SPD-Gesetzentwurf findet sich hierzu eine Regelung, die wir inhaltlich teilen, weil sie unserem Gesetzentwurf entspricht. Am Rande sei bemerkt, dass uns im Wirtschaftsausschuss gestern durch die LVS mitgeteilt wurde, dass sich die Tariftreue bei Ausschreibungen im SPNV bewährt habe. Allerdings sieht der SPD-Gesetzentwurf jetzt erstmalig vor, dass für den straßengebundenen ÖPNV, der
kommunale Aufgabe ist, eine gesetzliche Verpflichtung zur Tariftreue eingeführt wird. Für diesen Vorschlag haben wir Sympathie, allerdings haben wir es den Kommunen immer freigestellt, Tariftreue einzufordern, weil sonst die Konnexität greift. Wir haben im Norden gute Erfahrungen mit dieser Vorgehensweise gemacht, weil man sich dann auch kommunal intensiv mit der Thematik beschäftigt hat. Vor dem Hintergrund der Haushaltssituation und der Tatsache, dass trotzdem oft Tariftreue auf kommunaler Ebene eingeführt worden ist, würden wir dieses Thema gern noch einmal im Ausschuss beraten.
Ein letzter Punkt ist der Punkt der Sanktionen. Viele haben in der Anhörung zu unserem Gesetzentwurf gesagt, dass die Sanktionen immer noch zu schwach seien. Deshalb haben wir in unserem Gesetzentwurf vorgeschlagen, bei Verfehlungen Auftragnehmer bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen auszuschließen, was die Regierung anscheinend genauso sieht, wenn man ihren Gesetzentwurf liest. Der SPD-Entwurf sieht derzeit nur zwei Jahre vor. Auch darüber sollten wir noch einmal reden.
Wir würden vorschlagen, dass wir - sobald der Gesetzentwurf der Regierung auch in den Landtag eingebracht worden ist - alle drei Gesetzentwürfe im Ausschuss nebeneinanderlegen und beraten sowie uns das Ziel setzen - das ist das Wichtige -, bis zum Jahresende eine Entscheidung zu fällen, damit dann die tariftreuelose Zeit im Land Schleswig-Holstein endlich ein Ende findet.
Das Wort für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute irgendwie der Vormittag der Bibelzitate. Frau Poersch, deshalb möchte ich meine Rede auch mit einem Bibelzitat beginnen und sagen: Ein Jegliches hat seine Zeit.
Sie wissen, dass wir ein Mittelstandsförderungsgesetz auf den Weg gebracht haben. Ich habe das im Wirtschaftsausschuss angekündigt. Ich habe Ihnen auch gesagt, dass Sie die Verwaltungsfassung