Der Minister hat deutlich gemacht, was den Konnexitätsfall in Nordrhein-Westfalen ausgelöst hat. Es war nicht die U3-Betreuung, sondern dass die Jugendhilfe von Landes- auf Kommunalebene hinunterdelegiert wurde. Jetzt stellt sich die Frage, ob diese Rechtsauffassung, die in Nordrhein-Westfalen herrscht, auch auf Schleswig-Holstein übertragbar ist. Die Regierung sagt Nein, der Wissenschaftliche Dienst, den wir um ein Gutachten gebeten haben, sagt auch Nein. Die kommunalen Landesverbände, wie wir mitbekommen haben, halten auch eine andere Rechtsauffassung für möglich. Mir scheint die Kernfrage zu sein - aber ich weiß nicht, ob sie schon intensiv genug beleuchtet wurde -: Ist die Aufgabe Jugendhilfe, wie sie 1992 bestanden hat, vergleichbar mit der Aufgabe Jugendhilfe 2008. Denn es ist ein ganz großer Batzen an Aufgaben hinzugekommen. Für mich scheint das die inhaltliche Frage zu sein, die man klären muss. Ich kann verstehen, dass es dazu verschiedene Rechtsauffassungen gibt. Ich möchte aber eines festhalten: Die Große Koalition in Schleswig-Holstein hatte die Weichen viel besser gestellt als die schwarz-gelbe Ex-Regierung in Nordrhein-Westfalen. Denn die Kommunen dort sind vor Gericht gegangen, weil sie sich mit der Hauptlast belastet gesehen haben und den Eindruck hatten, sie müssten die ganze Bürde allein tragen.
sche. Wie kann ein zukunftssicheres Finanzierungsmodell in der ganzen Kinderbetreuung aussehen? Der Aufbau kann nur mit und nicht gegen die kommunalen Landesverbände und die Kommunen vorangetrieben werden.
Herr Minister, ob die Mittel, die Sie beschrieben haben, mittelfristig ausreichend sind, das weiß ich nicht. Der letzte Keks ist noch nicht gegessen. Das hat gar nichts allein mit dem Urteil zu tun. Die Frage ist ja, welchen Aufgaben wir uns noch stellen müssen. Vor uns liegt ein sehr, sehr langer Weg. Momentan orientieren sich alle an der 35-%-Marke bis 2013. Das ist nur ein Richtwert. De facto gibt es ab August 2013 einen Rechtsanspruch. Darauf müssen wir uns einstellen.
In den Kommunen wird schon deutlich, dass schon 2013 die Nachfrage mancherorts das Betreuungsangebot übersteigen wird. Den Eltern ist letztlich egal, wer den Ausbau der Kita bezahlt. Für sie ist es wichtig, ob es einen Platz für ihre kleine Tochter oder ihren kleinen Sohn gibt, auf den sie in drei Jahren einen Rechtsanspruch haben werden. Herr Minister, ich wünsche Ihnen bei den Verhandlungen mit den kommunalen Landesverbänden eine glückliche Hand, dass Sie Erfolg haben und den richtigen Ton treffen. Denn eine Klage der kommunalen Landesverbände wäre das letzte, was wir brauchen können. Die Landesregierung hat ja vor dem Verfassungsgericht bisher nicht so gute Karten gehabt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich Minister Dr. Klug für seinen ausführlichen und erhellenden Bericht danken. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte mit einem Ausführungsgesetz zum Kinder- und Jugendhilfegesetz zum November 2008 die dortigen Kreise und kreisfreien Städte zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt, ohne zugleich eine Bestimmung über die Kostendeckung einschließlich einer Kostenfolgeabschätzung zu treffen. Hiergegen haben 19 Städte und Kreise den Verfassungsgerichtshof des Landes NordrheinWestfalen angerufen und einen Verstoß gegen Arti
kel 78 Abs. 3 der Landesverfassung NordrheinWestfalen gerügt, in dem das verfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip verankert ist. Nach dieser Vorschrift hat das Land bei der Übertragung neuer öffentlicher Aufgaben zugleich auch einen finanziellen Ausgleich für die durch die Übertragung entstehenden Aufwendungen zu regeln.
Der Verfassungsgerichtshof des Landes NordrheinWestfalen hat den Beschwerdeführern mit seiner Entscheidung vom 12. Oktober 2010 Recht gegeben und in der angegriffenen Bestimmung einen Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip gesehen. Tatsächlich ist festzustellen gewesen, dass der Landesgesetzgeber eine entsprechende Ausgleichsregelung nicht vorgesehen hat und daher in der Tat ein Verfassungsverstoß vorgelegen hat.
Fraglich ist nun, ob diese Entscheidung auch auf das Land Schleswig-Holstein übertragbar ist. Ein Blick auf die Rechtslage in Schleswig-Holstein verdeutlicht schnell, dass dies nicht der Fall ist. Die Rechtslage in Schleswig-Holstein ist mit derjenigen in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich nicht vergleichbar.
Denn anders als in Nordrhein-Westfalen wurden in Schleswig-Holstein die Kreise und kreisfreien Städte bereits im Jahr 1992 zu örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe bestimmt. Die Verankerung des Konnexitätsprinzips in der Landesverfassung Schleswig-Holstein erfolgte erst im Jahr 1998.
Soweit in der Landesgesetzgebung eine Umsetzung des Tagesbetreuungsausbaugesetzes des Bundes erfolgte, lag darin keine inhaltliche Neuregelung der Zuständigkeit von Kreisen und kreisfreien Städten vor. Es kann offenbar ebenfalls davon ausgegangen werden - das war dem Bericht des Ministers zu entnehmen -, dass die Rechtslage in Schleswig-Holstein nicht mit der in Nordrhein-Westfalen verglichen werden kann. Ein Verstoß gegen das Konnexitätsprinzip kann daher für Schleswig-Holstein insgesamt nicht festgestellt werden.
Wir haben es gehört: Im Ergebnis kommen auch Fachministerien anderer Bundesländer - Bayern, Hessen, Sachsen - zu derselben Rechtsansicht. Auch sie beurteilen eine Übertragbarkeit der nordrhein-westfälischen Entscheidung auf ihr jeweiliges Bundesland grundsätzlich negativ.
Weiterhin fragen Sie, meine Damen und Herren von den Grünen, an, ob nach Ansicht der Landesregierung die zur Verfügung gestellten Bundes- und Landesmittel ausreichen, um die zusätzlichen Be
triebskosten, die aufgrund der U3-Betreuung entstehen, vollständig zu decken. Diese Fragen haben Sie bereits in Ihrer Kleinen Anfrage vom 14. Juli 2010 gestellt, und sie sind Ihnen beantwortet worden.
Ich möchte Ihnen insoweit noch einmal die Lektüre der Drucksache 17/717 empfehlen, in der das ausführlich thematisiert wird, Frau Erdmann. Sie müssten daher wissen, dass Bund und Land bis zum Jahr 2013 jeweils 62 Millionen € für die Betriebskosten, die aus der U3-Betreuung resultieren, ausgeben. Darüber hinaus wird der Gesamtinvestitionsbedarf von 166 Millionen € vom Bund mit 74 Millionen € und von dem Land und den Kommunen mit jeweils 46 Millionen € aufgebracht. Eine Deckungslücke ist hinsichtlich der Betriebskosten aktuell nicht ersichtlich; denn nach wie vor Gültigkeit hat die Aussage des Ministeriums, dass die Planung und Gewährleistung eines bedarfsgerechten Angebotes an Kinderbetreuung den Kreisen und kreisfreien Städten als örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe obliege. Vor diesem Hintergrund kann auch das Land keine andere Prognose über künftige Betriebsausgaben abgeben. Aber auch über das Jahr 2013 hinaus sehen sich Bund und Land hier in der Verantwortung. Dies wird in den künftigen Beratungen zu den Haushaltsaufstellungen angemessen Berücksichtigung finden müssen.
Meine Damen und Herren von den Grünen, es ist zu vordergründig, dass Ihre Anfrage zu einer Deckungslücke mit einer überhaupt nicht einschlägigen Entscheidung aus Nordrhein-Westfalen verknüpft wird. Sie werden daher leider festzustellen haben, dass Ihnen die Entscheidung aus NordrheinWestfalen ebenso wenig Nahrung zu Kritik gibt wie Mutmaßungen zur angeblichen Unterfinanzierung der U3-Betreuung.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz vor der Mittagspause noch ein Wort zur Klarstellung: Die Vorbereitung für die Regelung zur U3-Betreuung hat die damalige Ministerin Renate Schmidt geleistet; die derzeitige Koalition setzt das nur um.
Die Entscheidung, die der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen am 12. Oktober 2010 getroffen hat, bezieht sich auf Regelungen im dortigen Ausführungsgesetz und hat deshalb für Schleswig-Holstein keine unmittelbare Bindungskraft. Zu diesem Ergebnis kommt auch der Wissenschaftliche Dienst dieses Hauses. Die einzelnen juristischen Tatbestände brauche ich hier nicht weiter zu erläutern.
Sie wirft aber die Frage nach der Sinnhaftigkeit oder vielmehr: nach der völligen Widersinnigkeit der Arbeitsteilung zwischen dem Bund, den Ländern, den Kreisen und den Kommunen auf, gerade wenn es um Fragen der Bildung geht. Das ist der entscheidende Punkt. Das Kooperationsverbot, das im Rahmen der Föderalismusreform in das Grundgesetz hineingeschrieben wurde, war einer der großen Fehler der Großen Koalition, der rückgängig gemacht werden sollte. Auch der Wissenschaftliche Dienst betont, dass nicht eine Entscheidung auf Landesebene, sondern ein Bundesgesetz die zusätzlichen Kosten ausgelöst hat. Deshalb brauchen wir - so meine Auffassung und die meiner Fraktion - eine Bundesratsinitiative, um die Türen für eine Zusammenarbeit aller staatlichen Ebenen wieder zu öffnen, auch über das Jahr 2013 hinaus.
Im Moment dreht sich die ganze Diskussion doch nur darum, welche Ebene für die Finanzierung verantwortlich ist. Natürlich ist jede Ebene emsig bemüht, die finanziellen Verantwortlichkeiten entweder nach unten oder nach oben abzuschieben. Die richtige Betrachtungsweise wäre doch: Was muss der gesellschaftliche Auftrag sein, das gesellschaftliche Ziel, dem sich alle Ebenen verpflichtet fühlen?
Das Grundgesetz ist in seinem jetzigen Wortlaut in diesem Punkt nicht ganz auf der Höhe der Zeit, wenn es die Pflege und Erziehung der Kinder als natürliches Recht und vorrangige Pflicht der Eltern definiert und der staatlichen Gemeinschaft lediglich eine Wächterrolle zumisst.
Hier im Land sind wir weiter. Das hat vor allem die große Einmütigkeit gezeigt, mit der wir über die weitgehende Änderung des Artikels 6 a der Landesverfassung beraten haben. Da ist explizit die
Rede vom Recht der Kinder und Jugendlichen auf Bildung, und das heißt natürlich mehr als nur die Einhaltung der gesetzlichen Schulpflicht. Schon im jetzigen Wortlaut ist die Rede von dem „besonderen Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung“ für Kinder und Jugendliche. ,,Schutz" beschränkt sich nicht auf die Abwehr von Misshandlungen und von Missbrauch; ,,Schutz" heißt sehr deutlich auch Schutz vor Unwissenheit, Schutz vor nicht kindgerechten Lebensund Entwicklungsbedingungen im Elternhaus und Schutz vor Ausgrenzung, wenn ein Kind als einziges aus seinem Freundeskreis nicht die Kindertagesstätte besuchen darf oder erst gar keine Möglichkeit hat, Freunde kennenzulernen, weil seine Eltern es von jeder Form der Betreuung fernhalten. Das steht meines Erachtens im Vordergrund.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für mich der Maßstab, an dem sich die Fragen von Kooperation und Konnexität messen lassen müssen. Es geht hier nicht um einen Konflikt des reichen Landes gegen die armen Kommunen oder um einen des finanzschwachen Landes gegen Städte und Gemeinden, in denen Milch und Honig fließen. Ebenso wenig darf es einen föderalen Wettlauf zwischen finanziell stärkeren und finanziell schwächeren Ländern bei der Sicherung der Bildungschancen geben. Die Folgen von Weltwirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit haben alle staatlichen Ebenen längst erreicht. Das bedeutet aber nicht, dass keine Grundsatzentscheidungen mehr möglich sind. Jede Ebene ist aufgerufen, ihre Prioritäten infrage zu stellen. Die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen und damit die Zukunft unserer Gesellschaft kann dabei keine Priorität sein, die heute oder irgendwann in Zukunft zur Disposition gestellt werden könnte.
Diese Frage stellt sich insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir ab 2013 neu diskutieren sollten. Die Erziehungswissenschaftler sagen uns regelmäßig, dass die Weichen für die Bildungschancen sehr früh gestellt werden. Was im Vorschulalter versäumt wurde, kann in der Schule höchstens mit größtem Aufwand korrigiert werden.
Ich danke der Landesregierung für ihren Bericht und erwarte eine intensive, in die Zukunft weisende Diskussion im Bildungsausschuss.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich danke dem Herrn Bildungsminister für seinen doch sehr erhellenden Bericht.
„Bei so eindeutiger Rechtslage sollte die Regierung eine unnötige gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden.“
So äußerte sich mein Lübecker Bürgermeister Ende Oktober gegenüber den „Lübecker Nachrichten“. Die Rechtslage sei eindeutig, meinte auch der Geschäftsführer des Städtetags Schleswig-Holstein.
Wer nach dem Motto handelt, kühn behauptet sei halb bewiesen, wird der Kompliziertheit der Rechtslage jedoch keineswegs gerecht, gerade beim Thema Konnexitätsprinzip.
Das Urteil des Landesverfassungsgerichts von Nordrhein-Westfalen mag zwar den finanziell klammen Kommunen unseres Landes als Strohhalm dienen, nach dem man gern greift. Das ist verständlich, vor allen Dingen dann, wenn man als Lübecker Bürgermeister und Finanzsenator in Personalunion an der Spitze einer finanziell leider völlig gestrandeten Stadt steht. Nun jedoch - bar jeder fundierten juristischen Grundlage - in populistische Sprüche zu verfallen, wird der Ernsthaftigkeit der Lage nicht gerecht.
Meine Damen und Herren, die Rechtslage in Schleswig-Holstein ist mit der in NRW keineswegs deckungsgleich; wir haben dazu schon mehrere Ausführungen gehört. Auch in Schleswig-Holstein gilt der strikte Konnexitätsbegriff: „Wer die Musik bestellt, bezahlt sie auch.“ Das ist aber fast die einzige wesentliche Übereinstimmung mit NRW.
In sehr weiser Voraussicht hat nämlich damals der Schleswig-Holsteinische Landtag zu Artikel 49 der Landesverfassung die Erläuterung mit beschlossen, dass Gesetze und Verordnungen, die unter das Konnexitätsprinzip fallen, nur Landesgesetze und Landesverordnungen sind. Belastungen, die durch Entscheidungen des Bundes oder der Europäischen Union direkt bei den Kommunen entstehen, fallen jedoch nicht unter die besondere Ausgleichspflicht.