Protokoll der Sitzung vom 19.11.2010

(Lachen und Beifall bei CDU und FDP)

Was ich nicht möchte, ist ein entfesselter Kapitalismus. Ich möchte einen gebändigten Kapitalismus, der zum Wohle von uns allen wirkt.

(Zurufe von CDU, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW: Oh, oh!)

Wenn wir uns darin einig wären, würde es für diese Legislaturperiode reichen. Über Weiteres können wir dann in der folgenden Legislaturperiode, die hoffentlich nicht lange auf sich warten lässt, reden.

(Beifall bei der LINKEN - Christopher Vogt [FDP]: Skandalös! Jetzt will schon DIE LIN- KE den Kapitalismus! In welcher Welt leben wir? - Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn jetzt schon die LINKE den Kapitalismus will, sind die Grünen die Letzten, die ihn nicht wol- len!)

Für die Fraktion der CDU erteile ich jetzt dem Herrn Abgeordneten Tobias Koch das Wort.

(Heiterkeit des Abgeordneten Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Ich unterbreche Ihre Heiterkeit nur sehr ungern; denn sie ist an dieser Stelle wirklich angebracht.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir alle sind uns wohl darin einig, dass die unappetitlichen Meldungen, die uns in den vergangenen Wochen aus der HSH Nordbank erreichten, eine erhebliche Belastung für das Institut darstellen. Bankgeschäfte gründen sich auf Vertrauen, sie setzten Seriosität und Verlässlichkeit voraus. Untergeschobene Kinderpornografie, falsche strafrechtliche Verdächtigungen und eine mögliche Bespitzelung von Parteien und Abgeordneten erfüllen diesen Anspruch nicht.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Derartige Vorkommnisse sind vielmehr geeignet, der Bank schweren Schaden zuzufügen, indem sie das Vertrauen von Kunden, Kapitalgebern und Geschäftspartnern gefährden. Selbst wenn man die extreme Situation berücksichtigt, in der sich die Bank im Jahr 2009 befand, reibt man sich fassungslos die

(Ulrich Schippels)

Augen, zu welchen Auswüchsen diese Umstände anscheinend geführt haben.

Wenn wir hierüber aber politisch diskutieren, dann müssen wir die gleichen Maßstäbe, die wir an die Bank richten, auch an uns selbst anlegen. Auch die Politik steht als Anteilseigner in der Pflicht, mit der Bank, mit ihren Beschäftigten und mit dem dort investierten Landesvermögen sorgsam umzugehen, wenn wir nicht ebenfalls zu einem Vertrauensverlust beitragen wollen. Diesem Anspruch wird man nicht gerecht, wenn man erst die damaligen Minister im Aufsichtsrat als unfähige Kontrolleure darstellt - nicht in Ihrer heutigen Rede, Frau Kollegin Heinold, aber in den letzten Jahren in schöner Regelmäßigkeit - und sinngemäß immer wieder behauptet, dass jeder mit normaler Allgemeinbildung die Zeichen der Krise bereits Mitte 2007 erkannt hätte, nur eben unsere Minister nicht, dann aber fordert, dass die Landesregierung wieder mit Ministern im Aufsichtsrat vertreten sein soll, um dort besser politische Interessen durchsetzen zu können. Das, meine Damen und Herren, ist politische Doppelmoral in höchster Vollendung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Man kann sich auch nicht im letzten Jahr bei der Kritik an der Bank auf das Prüfungsergebnis der Wirtschaftsprüfer von KPMG stützten und sich die darin geäußerten Vorwürfe zu eigen machen, heute aber den Untersuchungsbericht der KPMG zu den aktuellen Vorkommnissen nicht mehr gelten lassen und stattdessen ein zusätzliches neues Gutachten fordern, das dann noch unabhängiger als das der unabhängigen Wirtschaftsprüfer sein soll, ganz nach dem Motto: Wir brauchen so viele Gutachten, bis das richtige Ergebnis dabei herauskommt.

(Lachen des Abgeordneten Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir lehnen deshalb den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 17/973, mit den darin enthaltenen Forderungen ab. Das Gleiche gilt für den Antrag der Fraktion DIE LINKE mit zum Teil identischen Forderungen. Den dritten unter diesem Tagesordnungspunkt zu behandelnden Antrag - er ist mittlerweile ein interfraktioneller Antrag - tragen wir schon allein deshalb mit, weil bereits der Ursprungsentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die konsequente Arbeit der Landesregierung für Transparenz und Aufklärung würdigt.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das haben wir nicht jeden Tag!)

- Das haben wir auch erfreut zur Kenntnis genommen.

Selbstverständlich sind alle offenen Fragen zu klären. Die Landesregierung muss dabei, wie wir gesehen haben, auch nicht um Informationen betteln. Der Unterausschuss für Beteiligungen hat sich vielmehr bereits in drei Sitzungen damit beschäftigt und dabei durchaus Erkenntnisse gewonnen - darauf will ich an dieser Stelle auch einmal hinweisen -, die nicht immer mit dem übereinstimmen, was an öffentlich geäußerten Vorwürfen im Raum steht. Auch aus der Arbeit des Untersuchungsausschusses haben sich bislang keine anderen Erkenntnisse ergeben.

Wenn sich allerdings Vorwürfe bestätigen sollten, dann sind logischerweise entsprechende personelle und organisatorische Konsequenzen zu ziehen. Dafür hat sich der Landtag bereits in seiner September-Tagung mit dem Antrag von CDU und FDP ausgesprochen, und das gilt natürlich auch weiterhin. Bei nachgewiesenen Verstößen gegen das Strafrecht oder das Aktienrecht gibt es selbstverständlich auch keine Abfindung, entweder weil sofort eine fristlose Kündigung ausgesprochen wird oder weil durch entsprechende Vertragsklauseln sichergestellt wird, dass der Anspruch auf Abfindung nachträglich entfällt.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Bank gehört an dieser Stelle allerdings auch, dass wir hier nicht den Eindruck erwecken, Herr Kollege Kubicki, es handele sich dabei um eine politische Entscheidung. Die Frage einer möglichen Abfindung ist eine rein rechtliche Frage, bei der es politisch überhaupt nichts zu entscheiden gibt.

(Beifall bei CDU, FDP und SSW)

Es war deshalb genau richtig, dass die Landesregierung im Einvernehmen mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden ein geordnetes Verfahren in die Wege geleitet hat. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass die Bank am Ende nicht nur ohne Vorstandsvorsitzenden, sondern auch ohne geeigneten Nachfolger und womöglich auch noch ohne Aufsichtsrat dastehen würde. Eine solche Situation, mitten in einer bislang erfolgreichen, aber nach wie vor schwierigen Restrukturierung, die zudem noch immer auf die Zustimmung der EU-Kommission angewiesen ist, wäre für die Bank verheerend gewesen.

(Tobias Koch)

(Beifall der Abgeordneten Ursula Sassen [CDU])

Angesichts der Milliardensummen, mit denen unser Bundesland in Form von Gewährträgerhaftung, Eigenkapital und Garantien für die HSH Nordbank geradesteht, wäre das mutwillige Herbeiführen einer solchen Situation wohl kaum mit dem von uns geleisteten Eid, dem Wohle unseres Landes zu dienen, vereinbar.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Habeck?

Ja, ich gestatte eine Nachfrage des Kollegen Habeck.

Herr Koch, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie sagen: Würde unserem Antrag Folge geleistet und es gäbe ein unabhängiges Gutachten für die Landesregierung, wäre damit zu rechnen, dass der Aufsichtsratsvorsitzende seinen Job hinwirft?

- Nein, Sie verstehen mich nicht richtig. Ich habe darauf hingewiesen, dass bereits ein Untersuchungsbericht der Wirtschaftsprüfer zu diesem Sachverhalt vorliegt. Würden sich daraus Erkenntnisse ergeben, so hätten wir bereits ein Gutachten und brauchten kein zweites. Im Übrigen wird sich der Aufsichtsrat mit diesen Fragen zu beschäftigen haben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Aufsichtsrat dies alles prüfen wird. Das fällt nämlich in dessen Zuständigkeit. Es ist nicht an der Landesregierung, diese Fragen zu stellen. Diese betreffen den Tätigkeitsbereich des Aufsichtsrats, und dort wird man sich auch mit ihnen befassen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Vielen Dank. - Das Wort hat Frau Abgeordnete Birgit Herdejürgen von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 1. November 2010 sagte Professor Nonnenmacher im Untersuchungsausschuss - ich zitiere -:

„Wir brauchen Ruhe in der Bank, um den, wie ich hoffe, vorhin eindrucksvoll dargeleg

ten Sanierungsprozess der Bank in Ruhe einfach fortführen zu können.“

Das ist nachvollziehbar. Wir würden dies im Interesse Schleswig-Holsteins natürlich auch gern unterstützen. Aber das Verhalten der Bank macht bereits innerhalb der Fraktionen - ich denke einmal, das ist nicht nur bei uns so - die Diskussionen und nötigen Entscheidungen nicht leicht - von der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Die Leitung der HSH Nordbank hat schon in der Vergangenheit und auch ganz aktuell nicht verstanden, dass die Landesparlamente ein besonderes Informationsbedürfnis und auch einen besonderen Informationsanspruch haben. Wir alle werden in die Verantwortung genommen, wenn es um unsere Landesbank geht. Wir müssen uns in öffentlichen Auseinandersetzungen den Bürgerinnen und Bürgern stellen. Das muss beispielsweise J.C. Flowers nicht. Ich glaube, dieser Unterschied ist immer noch nicht in das Bewusstsein der Entscheider bei der HSH eingedrungen.

Die Aufklärung in Sachen Prevent ist völlig unzureichend. Vorwürfe wie die Bespitzelung von Politikerinnen und Politikern sind zu ernst, um sie einfach abzutun. Wir müssen wissen, ob weitere Veranstaltungen beobachtet worden sind, ob verdeckt Kontakte hergestellt wurden und wer genau Aufträge erteilt, Berichte gelesen und Ergebnisse kontrolliert hat.

Kollege Koch, es geht nicht um Rechnungskontrolle. Das ist auch der Unterschied zu dem, was die KPMG untersucht hat.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das scheint - so ist mein Eindruck - die Auffassung der HSH Nordbank zu sein. Das ist natürlich auch ausschlaggebend für die Bewertung der Vorgänge durch die Bank. Uns geht es aber darum, ob eine durch die HSH beauftragte Sicherheitsfirma die eigenen Anteilseigner bespitzelt hat und ob dies im Auftrag der Bank geschehen ist. Die Transparenz und die Informationen, die wir grundsätzlich, aber eben auch in diesem Fall erwarten, fehlt ganz besonders nach dem Abzug der Anteilseigner aus dem Aufsichtsrat. Es ist bekannt - wir haben das verschiedentlich gesagt -, dass die SPD dagegen war, die Regierungsmitglieder aus dem Aufsichtsrat der Bank abzuziehen. Wir halten diese Entscheidung nach wie vor für falsch.

(Tobias Koch)

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Schon bisher war es ausgesprochen schwierig, die Anforderungen des Landtags umzusetzen, und das wird in dieser Konstruktion nicht einfacher. Gibt es beispielsweise noch irgendjemanden - die Kollegin hat es angesprochen -, der Sorge dafür trägt, dass Kiel als ein gleichberechtigter und gleichwertiger Standort zu Hamburg erhalten und dass geprüft wird, ob die aktuelle Situation noch die Voraussetzungen des Staatsvertrages erfüllt?

So, wie Herr Sanio in der letzten Woche im Untersuchungsausschuss nichts mitteilen konnte, weil er es nicht aus erster Hand wusste, so wird auch die Rechenschaftsfähigkeit unserer Regierungsmitglieder durch ihre Abwesenheit im Aufsichtsrat gebrochen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Gerade die aktuelle Debatte um die Prevent-Affäre zeigt, dass die Kommunikationslinie Bank - Aufsichtsrat - Parlament nicht funktioniert, wobei ich ausdrücklich anerkenne, dass sich Minister de Jager redlich bemüht, im Sinne des Parlaments Informationen zu erhalten. Ich bedanke mich auch ausdrücklich dafür.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und DIE LINKE)