Protokoll der Sitzung vom 17.12.2010

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Ach Quatsch!)

Dies kann nicht gewollt sein. Daher fordere ich die Landesregierung auf: Nehmen Sie die Querungsgegner ernst! Hören Sie sich deren Argumente ergebnisoffen an! Beteiligen Sie die Bevölkerung in einem offenen und transparenten Dialog! Dies muss schon vor der endgültigen Entscheidung über Trassen geschehen, damit hier eine ehrliche Mitentscheidungsmöglichkeit für die Bevölkerung gegeben ist. Alles andere wäre vor dem Hintergrund der derzeitigen Erfahrungen in Stuttgart völlig falsch.

Die Größe des Projektes ist von solchem Ausmaß, dass es nicht nur die Region Fehmarn und Ostholstein berührt. Es betrifft ganz Schleswig-Holstein. Der SSW hat immer wieder darauf hingewiesen, dass wir landesweit wichtigere Verkehrsprojekte haben als diese Querung.

(Beifall beim SSW)

Wir haben für den Landesteil Schleswig und für die Westküste ein Infrastrukturkonzept immer wieder gefordert. Seit der Unterzeichnung des Staatsvertrags ist in dieser Richtung aber nichts geschehen. Wir brauchen eine bessere Nord-Süd-Anbindung - Stichwort: Ausbau der B 5 bis zur Grenze sowie sechsstreifiger Ausbau der A 7 bis zur Grenze, und nicht nur von Hamburg bis Bordesholm -, aber das wichtigste Straßenverkehrsprojekt ist und bleibt der Ausbau der A 20 mit der westlichen Elbquerung. Für den Schienengüterverkehr in NordSüd-Richtung und auch für den Personenverkehr gilt das Gleiche. Auch hier benötigen wir Verbesserungen. Die Instandsetzung der Kanalbrücke reicht dabei nicht aus. Wir müssen den Engpass über den Nord-Ostsee-Kanal beseitigen. Wir haben Schienenengpässe im Hamburger Raum, die beseitigt werden müssen, und wir haben offene Baustellen an der Westküste.

Die Konzernbeauftragte der Deutschen Bahn hat uns gestern gesagt, dass wir anstelle der derzeitigen 1,2 Milliarden € jährlich für Bahnprojekte 1,8 Milliarden aus Berlin brauchten - und zwar auch, um dann Fehmarnbelt wirklich finanzieren zu können. Bekommen wir das Geld nicht, fehlt es uns an anderen Stellen, die eigentlich wichtiger für die Menschen in unserem Land sind. Das Geld geht nämlich für die Hinterlandanbindung drauf. Erst danach kommen alle anderen Projekte, weil dies ein TENProjekt ist. Das wird bedeuten, dass auch einige Projekte verschoben werden können und möglicherweise auch Projekte, die für unser Land und unsere Menschen vor Ort wichtig sind, eben auch unter den Tisch fallen werden.

Noch ein letztes Wort zu unseren 60 Millionen €, die auch schon der Kollege Tietze angesprochen hat: Es ist nicht Aufgabe des Landes, Geld für ein Bundesprojekt auszugeben. Der Kollege Tietze hat auch die Rechnung im Zusammenhang erläutert.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Gutachten der Grünen hat klargestellt, dass dies auch von der Rechtslage nicht gedeckt ist. Deshalb ist ganz klar: Liebe Landesregierung, bitte sparen Sie dieses Geld ein - das wäre schon etwas Schönes - oder, wenn Sie es ausgeben wollen, geben Sie das Geld zumindest für etwas Sinnvolles aus!

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der LINKEN)

(Lars Harms)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung. Es ist kein Antrag gestellt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 39 und 40 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Qualität der Ausbildung in Schleswig-Holstein sichern und weiterentwickeln

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/1090 (neu)

b) Bericht zur Ausbildungssituation im Hotelund Gaststättengewerbe

Antrag der Fraktion DIE LINKE Drucksache 17/1091

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Ich stelle fest, dass das nicht der Fall ist. Mit dem Antrag zu b) Drucksache 17/1091 wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen. Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich die Einzelfragen des Berichtsantrags der LINKEN beantworte, möchte ich drei Vorbemerkungen machen: Erstens. Ich danke allen Unternehmen in Schleswig-Holstein für ihre Ausbildungsleistung.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Die Betriebe in unserem Land haben im Ausbildungsjahr 2009/2010 wiederum 8,2 % mehr Lehrstellen bereitgestellt als im Jahr zuvor. Dieser Zuwachs war fast doppelt so groß wie im Bund. In ganz Deutschland gab es einen Bewerberüberhang, in Schleswig-Holstein gab es einen Stellenüberhang. Das ist eine tolle Leistung. Dank an die Wirtschaft dafür.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zweitens. Dieser Dank gilt auch den Ausbildungsbetrieben im Hotel- und Gaststättengewerbe. Diese Branche leistet etwa ein Viertel der betrieblichen Ausbildung in Schleswig-Holstein. Drittens. Wir gehen davon aus, dass die Ausbildungsbetriebe Recht und Gesetz einhalten, dass sie Auszubildende gut behandeln und dass sie sie fachlich fördern. Davon gehen wir aus. Ganz in der Regel und ganz überwiegend stimmt dies auch. Die Überwachung funktioniert. Wo sich etwas anderes herausstellt, muss eingegriffen werden. Solche Fälle gibt es, aber sie rechtfertigen kein Pauschalurteil - weder im Hotel- und Gaststättengewerbe noch in anderen Branchen.

(Beifall der Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU] und Christopher Vogt [FDP])

Ich füge hinzu, dass die bedauerlichen Einzelfälle, die es mit Sicherheit gibt, keine Misstrauenskultur gegenüber ausbildenden Betrieben rechtfertigen.

Nun zu Ihren Einzelfragen: Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung, die Ausbildungsleistung von einzelnen Betrieben zu beurteilen. Das passt auch nicht in unser Staatsverständnis. Wir haben lediglich die Rechtsaufsicht über die Industrie- und Handelskammer, die nach dem Berufsbildungsgesetz zu überwachen haben, dass die Eignung der Ausbildungsstätte sowie die persönliche und die fachliche Eignung der Ausbilder vorliegen. Für die Förderung und Überwachung von Ausbildung und Umschulung setzen die Industrie- und Handelskammern landesweit 23 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein. Diese besuchen jeden Betrieb, der zum ersten Mal ausbilden will. Sie gehen ansonsten allen konkreten Anhaltspunkten nach, dass ein Ausbildungsbetrieb gegen Gesetze verstößt. Auszubildende können sich mit Hinweisen an die Kammern wenden.

Wenn Mängel der Eignung festgestellt werden, drängt die IHK auf Beseitigung. Wenn alles nichts hilft, kann sie die Ausbildungsberechtigung entziehen, aber natürlich nur als Ergebnis eines rechtsstaatlichen Verfahrens.

Wenn es Konflikte zwischen Auszubildenden und Ausbildungsbetrieb gibt, steht der Rechtsweg zum Arbeitsgericht offen. Allerdings ist ein Schlichtungsausschuss bei den Kammern vorgeschaltet. Das gilt natürlich auch, wenn es Streit um Überstunden gibt oder wenn die Ausbildungsvergütung zu spät gezahlt oder rechtswidrig gekürzt wird. Generell aber gilt, dass das ganze Berufsbildungsgesetz dazu angelegt ist, den Auszubildenden als schwächeren Vertragspartner im Ausbildungsver

hältnis zu schützen. Dies erfolgt unter anderem dadurch, dass Abweichungen zuungunsten der Auszubildenden in der Regel nichtig sind. Die Regelungen des BBiG haben sich bewährt.

Im Übrigen haben wir in Schleswig-Holstein schon seit 1995 so etwas wie eine Ombudsstelle Ausbildung. Im Rahmen der regionalen Ausbildungsbetreuung gibt es im Land zwölf Beratungsstellen, an die sich Auszubildende wenden können, wenn es um Konflikte, um Krisen oder um einen guten Rat geht. Dieses Angebot bewährt sich insbesondere, wenn Jugendlichen ihre Erstausbildung abbrechen wollen oder schon abgebrochen haben. Es gibt im Jahr durchschnittlich 1.650 solcher Beratungsfälle, und in acht von zehn Fällen kann das abgewendet oder rückgängig gemacht werden. Das ist ein großer Erfolg für die Betriebe und für die jungen Menschen.

Unter dem Strich halte ich also fest: Bei der Berufsausbildung liefert die schleswig-holsteinischen Wirtschaft Jahr für Jahr Spitzenleistungen, und das Hotel- und Gaststättengewerbe schließe ich dabei ausdrücklich ein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich danke dem Herrn Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Anette Langner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst möchte ich der DGB-Jugend Nord dafür danken, dass sie den Ausbildungsreport Schleswig-Holstein 2010 auf den Weg gebracht hat.

(Beifall bei SPD und der LINKEN)

- Das ist ein Grund zu klatschen. Es ist neben der alljährlichen Online-Umfrage der IHKs bei den Unternehmen in Schleswig-Holstein zur Ausbildungssituation das erste Mal, dass uns eine Studie vorliegt, die den Komplex der Berufsausbildung aus Sicht der Auszubildenden betrachtet.

Die Studie greift zwei Themenbereiche auf: Erstens die Ausbildungsstatistik und zweitens die Qualität der Ausbildung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben an verschiedenen Stellen und im Zusammenhang mit dem Bündnis für Ausbildung über die Aussagekraft der statistischen Grundlagen für den Ausbildungsstellenmarkt gesprochen. Eine Er

folgsmeldung des Bündnisses für Ausbildung war in den vergangenen Jahren stets, dass das Verhältnis von Ausbildungssuchenden und offenen Ausbildungsstellen ausgewogen ist und dass wir jedem ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen Jugendlichen ein Angebot machen können. Diese Feststellung basiert auf der offiziellen Statistik der Bundesagentur für Arbeit, die einerseits gemeldete und ausbildungsreife Ausbildungsplatzsuchende und andererseits die der Agentur gemeldeten offenen Stellen führt.

Dass dies nicht die tatsächliche Situation widerspiegelt, weil eben nicht alle Jugendlichen und nicht alle Betriebe - aus unterschiedlichen Gründen nicht - bei der Agentur gemeldet sind oder in dieser Statistik gezählt werden, haben wir an verschiedenen Stellen diskutiert. Das wird in dem vorliegenden Report nochmals anhand umfangreicher Berechnungen nachvollziehbar begründet. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass gut 5.000 Lehrstellen in Schleswig-Holstein fehlen, um jedem Jugendlichen, der eine duale Berufsausbildung beginnen will, eine Chance auf einen Ausbildungsplatz zu geben. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sind 5.000 Jugendliche, die mehr oder weniger sinnvolle Warteschleifen drehen und die wir im schlimmsten Falle irgendwann in der Statistik zur Jugendarbeitslosigkeit wiederfinden.

Zwischenzeitlich liegen die Ergebnisse von Modellversuchen für eine integrierte Ausbildungsstatistik vor, und es wird höchste Zeit, dass wir dieses Instrument in Schleswig-Holstein nutzen, um die Situation am Ausbildungsstellenmarkt zweifelsfrei darstellen können, denn nur auf der Basis belastbarer Zahlen, die die Realität richtig abbilden, können im Bündnis für Ausbildung die notwendigen Weichenstellungen vorgenommen werden. Es nützt uns und vor allen Dingen den Jugendlichen in diesem Land nichts, wenn wir uns immer wieder mit Erfolgsmeldungen beruhigen, die die tatsächliche Situation nicht widerspiegeln.

(Beifall bei der SPD)

Neben der quantitativen Bewertung des Ausbildungsstellenmarktes muss aber auch die qualitative Bewertung in Zukunft eine größere Rolle spielen. Jedes fünfte Ausbildungsverhältnis wird während der Laufzeit des Vertrages gekündigt oder aufgelöst. Gründe hierfür sind ausbildungsfremde Tätigkeiten, mangelnde Vermittlung der Ausbildungsinhalte und ungünstige Überstunden- und Urlaubsregelungen. Hier gibt es Handlungsbedarf, auch wenn dies vielleicht nur eine Minderheit betrifft. Es

(Minister Jost de Jager)

ist trotzdem Handlungsbedarf geboten, und dem müssen wir uns stellen.

Ich möchte vorweg noch einmal ganz unmissverständlich sagen: Es geht überhaupt nicht darum, die vielen Ausbildungsbetriebe, die gute und erfolgreiche Ausbildung machen, zu diskreditieren. Immerhin sind 68 % der befragten Jugendlichen mit der fachlichen Qualität ihrer Ausbildung zufrieden. Das Bündnis für Ausbildung leistet seit vielen Jahren hervorragende Arbeit, um die Ausbildungssituation in Schleswig-Holstein quantitativ und qualitativ zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Es muss jedoch auch im Interesse der weißen Schafe sein, dass wir die schwarzen Schafe identifizieren und diesen Problempunkten nachgehen. Die Untersuchung der DGB-Jugend weist zum Teil auf gravierende Mängel in der Ausbildungsplatzsituation vieler Jugendlicher hin. Zwischen 20 und 30 % der Auszubildenden beklagen Mängel bei der Vermittlung von Ausbildungsinhalten, bei der Betreuung durch Ausbilder oder die fehlende Freistellung für den Berufsschulunterricht. Jugendliche geben auch an, dass sie keine Ansprechpartner in den Betrieben haben. 55,3 % der Jugendlichen leisten mehr als sechs Überstunden pro Woche. 30,9 % erhalten noch nicht einmal einen Ausgleich für die geleisteten Überstunden. Dies ist besonders eklatant im Bereich der Hotel- und Gaststättenberufe. Hier leisten die Jugendlichen zu mehr als 70 % regelmäßig Überstunden. 17,8 % leisten mehr als 20 pro Woche. Hinzu kommt, dass 80 % der Auszubildenden nur maximal 20 Tage Urlaub haben.

Das sind katastrophale und zum Teil rechtswidrige Ausbildungsverhältnisse. Um diese müssen wir uns kümmern. Hier ist Handlungsbedarf geboten, auch wenn es nur Einzelfälle sind. Deswegen fordern wir die Landesregierung auf, mit den Kammern und Gewerbeaufsichtsämtern alle Kontrollmöglichkeiten auszuschöpfen, um eine rechtmäßige Durchführung der Berufsausbildung zu gewährleisten.

Es scheint mir auch wichtig zu sein, dass wir den Jugendlichen Ansprechmöglichkeiten, Beschwerdemöglichkeiten bieten, da viele Betriebe aufgrund ihrer kleinteiligen Strukturierung keine Arbeitnehmervertretungen haben und die Jugendlichen nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen. Die Ombudsstelle, auf die der Minister hingewiesen hat, ist dafür sicherlich ein gutes Instrument. Es gibt laut Handwerksordnung Lehrlingswarte, die sich mit diesem Thema befassen können. Da gibt es sicher

lich noch Verbesserungsbedarf, den wir im Sinne der Jugendlichen ausschöpfen können.