Protokoll der Sitzung vom 27.05.2011

Eine langfristige und länderübergreifende Planung von Netzinfrastrukturen unter bundeseinheitlichen Standards sollte erreicht werden. Zudem muss der Netzausbau mit einem Anreizsystem versehen werden, das Bonusregelungen für schnellen Netzausbau vorsieht.

Ein weiterer akzeptanzfördernder Schritt ist, Bürgern und Privatunternehmen zu ermöglichen, in Netze zu investieren, Stichwort Bürgernetze, ähnlich den Bürgerwindparks. Natürlich müssen auch dafür die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Ich komme noch auf einen Punkt zu sprechen. Um die an den Küsten produzierte Energie in die Ballungsräume in den Westen und Süden der Republik zu transportieren, ist natürlich die schnellstmögliche Errichtung der dazu benötigen 380-kV-Leitungen unerlässlich. Hochspannungsleistungen auf der 380-kV-Ebene sollten auch zukünftig aus ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten heraus überwiegend oberirdisch gebaut werden. Auch die Grünen geben endlich zu: Erdkabellösungen auf der 380-kV-Ebene treffen auf technische und wirtschaftliche Probleme. Die Kosten belaufen sich je nach Untergrund und Technik auf das Drei- bis Achtfache. Entsprechend soll die 380-kV-Leitung überwiegend als Freileitung gebaut werden. Das ist aus dem grünen Stromplan. Der Begründung ist aber auch nichts hinzuzufügen. Sie ist richtig.

(Beifall bei der FDP - Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Halbe, hal- be!)

Noch ein Wort zu Erdkabeln allgemein. Soweit Land- und Forstwirtschaft sowie Dritte durch Erdkabel auf der 110-kV-Ebene nicht beeinträchtigt werden und es forstwirtschaftlich vertretbar ist, sprechen wir uns nach wie vor natürlich für eine Wahlmöglichkeit aus.

Der notwendige Ausbau der Übertragungsnetze erfordert Zeit, Überzeugungsarbeit vor Ort, hohe Investitionen und technologische Innovation. Die Landes- und Bundesregierung sind auf einem sehr guten Weg, den wir unterstützen sollten. Ich bitte um Zustimmung für den Antrag von FDP und CDU und beantrage Abstimmung in der Sache.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

(Oliver Kumbartzky)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich der Frau Abgeordneten Ranka Prante das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Magnussen, ich möchte gern noch einmal auf Ihren Redebeitrag eingehen: Atomkraft ist gut für Arbeitsplätze. Sie wissen, dass die vier großen Energiekonzerne in den letzten Jahren zig Tausende Arbeitsplätze abgeschafft haben, und dass im Bereich der erneuerbaren Energien mittlerweile 340.000 Menschen in Arbeit sind. Es wird davon ausgegangen, dass demnächst die Grenze von 500.000 Arbeitsplätzen erreicht wird. Ich weiß nicht, warum Sie dieses Ammenmärchen wieder aufbauen.

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Magnussen zu?

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass im Bereich des Kernkraftwerks Brunsbüttel 700 nachgelagerte Arbeitsplätze bei klein- und mittelständischen Unternehmen bei einer Schließung des Kernkraftwerks in Gefahr sind?

- Sie sind nicht in Gefahr, weil es Gutachten und Konzepte gibt, die diese Menschen bei einem Ausstieg aus der Atomkraft wieder in Arbeit bringen. Es gibt wunderbare Gutachten. Herr Magnussen, lesen Sie es nach.

(Beifall bei der LINKEN - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Gutachten! - Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist ja wunderbar! - Jens-Christian Magnussen [CDU]: Theorie und Praxis! - Weitere Zurufe)

- Ich würde jetzt gern anfangen.

Unser Ziel ist eine soziale und ökologische Energiewende. Wir wollen bezahlbare, umweltfreundliche und sichere Energie produzieren. Wir wollen zügig hin zu 100 % erneuerbaren Energien.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf: Na dann mal los!)

Unser Energiekonzept beinhaltet den Atomausstieg bis 2014.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: 2014? - Ursula Sas- sen [CDU] : Erzählen Sie mal, wie das geht! - Zuruf von der CDU: Mit dem Fahrrad!)

- Ja, 2014.

(Zurufe)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Prante.

Das können wir gern später zusammen besprechen.

Wir wissen alle, dass in Schleswig-Holstein Windkraftanlagen abgeschaltet werden müssen, weil der Strom nicht ins Netz eingespeist wird. Natürlich haben die großen Stromkonzerne bisher kein Interesse daran gehabt, die Stromnetze auf die erneuerbaren Energien auszurichten, damit die hochprofitablen Atom- und Kohlekraftwerke am Netz bleiben können.

Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen und ohne Zielvorgaben den Ausbau des Stromnetzes fordern. Lassen Sie uns einen Schritt zurückgehen und das Bestehende betrachten. Im Jahre 2004 wurde in Zusammenarbeit mit den großen Stromkonzernen die dena-Studie angefertigt. In dieser Studie wurde unter anderem vorausgesagt, dass im Jahr 2010 insgesamt 5,4 GW Offshoreenergie und 24,4 GW Onshoreenergie im Jahre 2010 produziert werden würden. Jetzt schreiben wir das Jahr 2011, und wir haben nur 0,2 GW Offshore-, sowie 27 GW Onshoreenergie. Es ist also eine krasse Fehleinschätzung gewesen. Fakt ist aber, dass auf dieser Studie und damit auch auf den Fehleinschätzungen die bisherige Netzausbauplanung beruht.

Die Konsequenz daraus ist jedoch: Zunächst muss mit den bereits erstellten Stromnetzen gearbeitet werden, und geplante Projekte müssen vor ihrer Umsetzung auf ihre tatsächliche Notwendigkeit überprüft werden. Ziel muss es sein, den Netzausbau mit Augenmaß voranzubringen, unnötige Leitungen und damit unnötige Kosten zu vermeiden. Das gelingt aber nur mit dem Einsatz von unabhängigen Sachverständigen auf Landes- und Bundesebene. Das gelingt nur, wenn hier keine Politik für die vier großen Energiekonzerne gemacht wird.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abgeord- neten Dr. Ralf Stegner [SPD] und Lars Harms [SSW])

Es ist uns als LINKE ein wichtiges Anliegen, dass der Ausbau der Stromnetze zügig, demokratisch, rechtssicher und unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vorgenommen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu gehört unserer Meinung nach aber nicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern der Instanzenzug verkürzt und damit die gerichtliche Kontrolle eingeschränkt wird.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Denn wir müssen dies beim Namen nennen: es geht hier um Enteignungen, die nicht nur einen Verlust an Eigentum zur Folge haben, sondern auch persönliche dramatische Auswirkungen auf den Enteigneten haben können.

Unserer Meinung nach gehört zu einem demokratischen und bürgerfreundlichen Stromnetzausbau, dass die öffentliche Hand durch eigene kommunale und staatliche Unternehmen selbst Eigentümerin der Stromnetze wird oder Bürgerparks.

(Beifall bei der LINKEN - Unruhe)

Nur so schaffen wir es, eine echte demokratische Kontrolle zu bekommen

(Glocke der Präsidentin)

und Investitionen dort zu tätigen, wo sie tatsächlich notwendig und richtig sind und so auch die Menschen mitnehmen können.

Der Umbau der Stromnetze hat nicht nur eine technisch-wissenschaftliche, sondern - wie schon angesprochen - auch eine soziale Seite, die von allen anderen Fraktionen in den Anträgen, die ich gelesen habe, leider außer Acht gelassen wurde. Stromnetze müssen endlich als Teil der öffentlichen Daseinsfürsorge gesehen werden und dürfen nicht der Willkür und der Profitgier einiger Weniger ausgesetzt sein.

(Beifall bei der LINKEN und des Abgeord- neten Lars Harms [SSW])

Alles in allem geht es nicht nur um die verlässliche Bereitstellung von Strom, Wärme und Kraftstoffen, sondern es geht darum, wie sich unser Energiesystem auf das Klima, die Umwelt und die Bevölkerung auswirkt.

Energiepreise, egal durch was auch immer sie verursacht werden, dürfen sich auf Bürgerinnen und Bürger nicht unverhältnismäßig belastend auswirken. Strompreise müssen sozial abgefedert werden.

(Beifall des Abgeordneten Björn Thoroe [DIE LINKE])

Deshalb fordern wir ein Verbot von Stromsperren und die Einführung von Stromsozialtarifen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht also um sichere, bezahlbare und umweltfreundliche Energieversorgung als Grundlage für eine funktionierende Wirtschaft, für die Lebensqualität aller Bürgerinnen und Bürger und für den Schutz unserer Erde.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Herrn Jost de Jager, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin darauf vorbereitet, jetzt deutlich zu machen, warum wir das, was die Grünen fordern, entweder schon lange machen oder das, was wir nicht machen, Unsinn ist, weil wir es sonst ja machen würden. Aber ich verzichte darauf.

Ich leiste einen Beitrag zu einer - vielleicht auch fraktionsübergreifenden - Annäherung in wesentlichen Punkten des Netzausbaus. Ich glaube, dass wir die noch brauchen werden, spätestens dann, wenn wir das Thema Netzausbau nicht nur im geschützten Raum des Landtags besprechen, sondern bei den Demonstrationen, die mit Sicherheit auf uns zukommen.