- Wir haben jetzt noch einmal eine Kleine Anfrage gestellt. Es kann sein, dass die Auskunft in der Anhörung, der Sie nicht beigewohnt haben, Herr Kubicki, falsch war. Bisher hat keiner widersprochen.
Ich nehme einmal 50 Millionen €. Das würde für die Sportwetten einen Jahresumsatz von 2,5 Milliarden € bedeuten. Das funktioniert doch - wenn überhaupt - nur, wenn auch Nicht-Schleswig-Holsteiner und -Schleswig-Holsteinerinnen mitspielen, sich also nach der jetzigen Erkenntnis strafbar machen. Die neue Innen- und Rechtspolitik würde dann heißen -
(Dr. Christian von Boetticher [CDU]: Das ist doch Unsinn! - Zuruf der Abgeordneten Ka- tharina Loedige [FDP])
- Ich kann Ihnen nur sagen: Ich war bei der Anhörung, Frau Loedige. Dort wurde die These vertreten. Heute hat die Landesregierung zu sagen, dass das so nicht stimmt. Bisher steht das als Ergebnis der Anhörung im Raum. Im Gegensatz zu Ihnen nehme ich an Anhörungen teil und wäge dann auch die Argumente ab.
Das einzig Neue an der heutigen zweiten Lesung, die wir nicht gebraucht hätten, ist, dass sich Herr Kalinka in der Zwischenzeit noch einmal für ein schleswig-holsteinisches Spielhallengesetz positioniert hat und wir damit die Möglichkeit haben, für unseren Antrag eine Mehrheit zu finden. Deshalb haben wir ihn wieder eingebracht. Wir freuen uns, dass es das Signal gibt, ihn diesmal nicht wieder abzulehnen, sondern in den Ausschuss zu überweisen.
Das Spiel um Geld heißt zwar Glücksspiel, aber es stürzt viele Menschen ins Unglück. Deshalb müssen wir Sucht- und Schuldnerberatung in dieser Debatte einen hohen Stellenwert einräumen. Deshalb sollten wir uns über Spieler- und Jugendschutz weitere Gedanken machen und zu Veränderungen kommen.
(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD] - Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie kom- men doch nicht in die Lage! - Dr. Ralf Steg- ner [SPD]: Im nächsten Jahr wird das Spar- kassengesetz wieder geändert!)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beraten heute mit dem Entwurf des schleswigholsteinischen Glücksspielgesetzes ein besonders bemerkenswertes Gesetz. Warum bemerkenswert? Bemerkenswert nicht nur, weil es noch immer handwerklich schlecht gemacht ist, sondern weil es ein Gesetz ist, mit dem einige Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen ohne Rücksicht auf Verluste bestimmte Klientelinteressen bedienen wollen und damit gegen die Interessen der Bürgerinnen und Bürger des Landes handeln.
Es verwundert schon ein wenig: Wie viel Zeit benötigt die FDP denn noch, um zu verstehen, dass es vor allem ihrer Klientelpolitik geschuldet ist, dass sie all ihre Glaubwürdigkeit eingebüßt hat und darum am laufenden Band Wahlen verliert?
Völlig unverständlich ist aber, dass eine Partei wie die CDU, die über eine klare ordnungspolitische Tradition und Wertorientierung verfügt, kurz davor ist zuzulassen, dass es zu einer Kommerzialisierung des Glücksspiels und zu einer Isolierung des Landes kommt. Konsequent wäre es, das Las Vegas in Wacken oder Strande zu errichten.
Die Anhörung und die Arbeit in den Ausschüssen haben eindrucksvoll einige Punkte aufgezeigt, die ich hier noch einmal zusammenfassen möchte. Ich möchte an dieser Stelle jedoch auch der Ausschussgeschäftsführung für die umfassende Zusammenstellung der Synopse danken, was sicherlich eine Heidenarbeit, aber für uns sehr hilfreich war.
Das Gesetz würde zu einem Einbruch der Einnahmen führen. Die heute von Lotto für das Land bereitgestellten 100 Millionen € würden wegfallen, da das Gesetz zum Ende der ausschließlich staatlichen Lotterieregelung führen würde und der Steuersatz von 1 bis 2 % auf den Umsatz viel zu niedrig ist, um überhaupt nennenswertes Beträge zu generieren.
Dies kann gerade in Zeiten knapper Kassen nicht im Interesse des Landes sein. Mehreinnahmen würde es mit dem Gesetz in keinem Fall geben. Betroffen von Einnahmeverlusten wären vor allem der Breitensport, die Wohlfahrtsorganisationen, die Kunst und Kultur sowie der Umwelt- und Denkmalschutz. Auch auf explizite Nachfragen während der Anhörungen konnten selbst die Anbieter nicht etwas zu den Einnahmeerwartungen sagen.
Das Gesetz würde zu einer maßlosen Kommerzialisierung des Glücksspiels führen. In einem solchen Las Vegas des Nordens wären die Schleswig-Holsteiner mit einer Flut von aggressiven, suchtgefährdenden Glücksspielangeboten konfrontiert.
Erhebliche soziale Kollateralschäden wären die Folge. Wenn Sie bei der Anhörung dabei gewesen wären, hätten Sie gewusst, dass auch online durchaus Dinge zu ordnen sind. Das haben wir da zumindest zu hören bekommen.
Dies alles nur, damit einige Politiker ihr Klientel befriedigen können. Wenn dieselben Politiker jetzt verkünden, sie wollten mehr für die Suchtprävention tun, ist das entweder an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten oder aber geradezu folgerichtig, denn sie müssen schon jetzt für die vielen neuen Spielsüchtigen Sorge tragen, für die sie selbst verantwortlich sein werden.
Das Gesetz ist europarechtswidrig und verfassungswidrig, denn der angestrebte Alleingang ist das Gegenteil einer kohärenten Glücksspielregelung, welche insbesondere vom EuGH gefordert wird. Der Alleingang würde Schleswig-Holstein nicht nur im Kreis der Bundesländer isolieren, sondern auch auf gefährliches Terrain bringen. Beabsichtigt ist, dass zum Beispiel Lotterieanbieter von Schleswig-Holstein aus in ganz Deutschland tätig werden und Einnahmen in das Las Vegas des Nordens lenken. Das ist und bleibt aber illegal, und die anderen Länder werden es nicht akzeptieren, dass es zu einem solchen inoffiziellen Länderfinanzausgleich kommt.
Aus diesem Grund sind die gehandelten Zahlen im Hinblick auf Mehreinnahmen schlichtweg eins: Phantomzahlen. Jetzt in Schleswig-Holstein illegal handelnde Anbieter sollen legalisiert werden, um dann kontrolliert in anderen Bundesländern illegal Lotterien und Wetten anzubieten. - Das kann doch nicht wahr sein!
Im Übrigen ist im Hinblick auf die EU darauf hinzuweisen, dass die Notifizierung nur ein Informationsverfahren und eben kein Genehmigungsverfahren ist. Die EU-Kommission hat hier schlicht nichts zu genehmigen. Das Gesetz gefährdet fast 5.000 Arbeitsplätze, weil das Risiko billigend in Kauf genommen wird, dass die schleswig-holsteinische Lottogesellschaft nicht mehr im Lottoblock bleiben kann. In einem solchen Fall gäbe es in Schleswig-Holstein das bewährte Lotto nicht mehr. Damit würde ein zentrales Standbein der Lottoannahmestellen wegbrechen - und dies nur, damit kommerzielle Wett- und Kasinoanbieter von Steueroasen aus nach Schleswig-Holstein expandieren können? - Eine solche Politik kann nicht Aufgabe eines Mittelstandsbeauftragten der Landesregierung sein.
Mittlerweile liegt die Drucksache 17/1640 vor, die die von den Fraktionen der CDU und FDP avisierten Änderungen des Glücksspielgesetzes enthält. Nach wie vor kann unter anderem ein alleiniger Veranstalter von Lotterien eine betraute privatrechtliche Gesellschaft sein. Laut EU-Kommission ist die entsprechende Konzession nach einem europa
weiten Ausschreibungsverfahren zu vergeben. Wie auf dieser Grundlage von einem Bemühen, die Arbeitsplätze bei Nordwest Lotto zu sichern, noch die Rede sein kann, bleibt ein Geheimnis.
Der Alleingang unseres Landes ist der falsche Weg. Das Glücksspielgesetz ist das Gegenteil einer verantwortungsvollen und kohärenten Glücksspielregelung. Wir appellieren an jeden einzelnen Abgeordneten in diesem Haus: Schauen Sie sich alle Fakten genau an! Hinterfragen Sie jedes Argument! Lassen Sie sich nicht von Klientelinteressen vereinnahmen! Entscheiden Sie sich gegen die Kommerzialisierung des Glücksspiels, welche die Suchtgefahren steigert, die Einnahmen des Landes gefährdet und Schleswig-Holstein isoliert! Unser Land darf nicht zum Las Vegas des Nordens werden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder bemerkenswert, mit wie vielen Vorurteilen und mangelndem Wissen Debatten geführt werden. Soweit ich mich erinnern kann, war der Vorschlag der Union zur Novellierung des Glücksspielrechts in Schleswig-Holstein bereits in der Großen Koalition auf dem Tisch. Da war die FDP gar nicht beteiligt. Herr Stegner, Sie haben darüber auch Debatten geführt, wenn ich mich richtig erinnere. Der Ministerpräsident hat damals unter Ihrer Beteiligung eine Protokollnotiz zum Glücksspielstaatsvertrag abgegeben, in der er erklärt hat, dass er das alles für nicht zugänglich und rechtswidrig hält.
Unabhängig von dieser Frage bemühen wir uns darum, die Debatte zu versachlichen. Ich finde es immer wieder gut, wenn man mit moralischen Kategorien wie Gut und Böse kommt und nicht nach Effizienz fragt.
- Herr Kollege Stegner, Sie sollten nicht nur twittern, sondern vielleicht jetzt einmal online gehen und gucken, wer alles bundesweit, europaweit, weltweit online spielen kann.