Lieber Kollege Koch, ist Ihnen bewusst, dass der SSW seinerzeit, als es um die Abstimmung über die Rettungspakete ging, bewusst dagegen gestimmt hat, weil wir es für notwendig erachtet hatten, mit dem Bund in vernünftige Gespräche einzutreten? Würden Sie anerkennen, dass
- Herr Kollege, genau den Vorwurf wollte ich Ihnen jetzt machen, dass Sie im Frühjahr 2009 die Rettung der HSH Nordbank abgelehnt haben. Zu diesem Zeitpunkt gab es keine andere Möglichkeit mehr. Das Finanzmarktstabilisierungsgesetz war zu diesem Zeitpunkt in Kraft, und es ließ keine andere Möglichkeit mehr zu. Wenn, hätte man im Oktober zu einer anderen Entscheidung gelangen müssen. Wir wissen alle noch, dass das Gesetz damals in einer Hauruckaktion von einer Woche vom Bundestag beschlossen worden ist. Es gab ein Zeitfenster, das vielleicht einen Tag betrug. An diesem Tag hätten damals alle Länder sagen müssen: Ja, wir machen das so, die Landesbanken kommen dort mit rein, und wir als Länder übernehmen 35 % von 500 Milliarden € Risiko aus dem Rettungsschirm. Da haben die Länder damals gesagt: Das machen wir nicht. In der Zeitung werden dafür Bayern und Nordrhein-Westfalen zitiert, die das kategorisch abgelehnt haben. Es war also nicht die eigene Entscheidung der Landesregierung, es war die mangelnde Bereitschaft anderer Bundesländer, diesen Weg zu gehen. Damit war der Drops gelutscht. Man hat sich mit dem Bund im Oktober nicht geeinigt. Danach war die Faktenlage klar. Deswegen wäre auch im Frühjahr 2009 eine andere Entscheidung überhaupt nicht möglich gewesen.
Es ist das Versagen der damaligen Opposition gewesen, dass sie in Kenntnis der Faktenlage, in Kenntnis des Gesetzestextes die Rettung der HSH Nordbank verweigert hat und bereit war, unabsehbare Folgen für das Land in Kauf zu nehmen und die Bank lieber pleitegehen zu lassen, als in Kenntnis der Fakten hier die richtige Entscheidung zu treffen. Den Vorwurf mache ich Ihnen heute nach wie vor.
Das sage ich auch vor dem Hintergrund der aktuellen Berichterstattung. Die Entscheidung von Landesregierung und Landtag ist damals richtig gewesen. Das Rettungspaket, das wir damals geschnürt haben, wurde zwischenzeitlich von 13 Milliarden € auf rund 10 Milliarden € reduziert. Das resultiert aus der Rückgabe von Garantien über 2 Milliarden € und bereits gezahlten Garantieprovisionen von rund 1 Milliarde €, die die Bank an Hamburg und Schleswig-Holstein gezahlt hat. Auf der anderen Seite werden sich die Risiken aus der Gewährträgerhaftung, die sich Ende 2008 noch auf rund 65 Milliarden € beliefen, bis Ende dieses Jahres auf
38,8 Milliarden € reduziert haben. Das war die Situation, vor der wir damals standen. 65 Milliarden € Risiken, die Vorgängerregierungen eingegangen waren und die uns damals als Mühlstein um den Hals hingen.
In der Summe sind die Risiken für die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein und damit für den Steuerzahler zwischenzeitlich um mehr als 15 Milliarden € gesunken. Es besteht nach wie vor die Chance auf eine positive Entwicklung der Bank, sodass am Ende sogar ein Überschuss für den Steuerzahler entstehen kann.
Als CDU-Fraktion treten wir seit Langem für einen Verkauf der Anteile an der HSH Nordbank ein. Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses bestätigen uns in dieser Auffassung. Wir begrüßen deshalb, dass sich mittlerweile auch die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieser Position angeschlossen hat. Deshalb mutet es umso skurriler an, dass DIE LINKE, die am Geschäft der HSH kein einziges gutes Haar gelassen hat, eine Veräußerung der Anteile trotzdem kategorisch ablehnt, einfach weil man gegen jede Form von Privatisierung ist.
Meine Damen und Herren, ich hoffe gleichwohl, dass alle Mitglieder des Untersuchungsausschusses in den vergangenen zwei Jahren ein besseres Verständnis für das Bankgeschäft insgesamt und vor allen Dingen eine größere Sensibilität für unsere wichtigste Beteiligung, die HSH Nordbank, entwickelt haben. Der heutige Dringlichkeitsantrag der SPD lässt mich daran ein wenig zweifeln, was die Sensibilität anbelangt.
Allein dadurch wäre die Arbeit des Ausschusses schon ein Erfolg. Wenn auch der Untersuchungsauftrag mit dem heutigen Tag zu Ende geht, wird uns die Zukunft der HSH Nordbank weiter beschäftigen. Sie ist von entscheidender Bedeutung für unser Land.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Koch, das war ein durchaus heiterer und hörenswerter Auftakt der Debatte. Ganz so hei
ter finde ich die Thematik der HSH Nordbank in den letzten Jahren allerdings nicht. Wir hatten in den letzten Wochen ein bisschen Sorge, dass die Debatte heute gegebenenfalls nicht die nötige Aufmerksamkeit findet, weil die Debatte um die Aufarbeitung der Geschichte der Problematik der HSH Nordbank ein wenig in den Hintergrund gedrängt worden ist, aber die Bank ist, wie sie ist: Sie hat dafür Sorge getragen, dass der öffentliche Fokus heute auf diesem Thema liegt. Deswegen macht es Sinn, dass wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf das eingehen, was wir in einem fast 500seitigen Papier vorgelegt haben.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, am 17. Juli 2009 in der letzten Legislaturperiode und am 27. Oktober 2009 in dieser Legislaturperiode ist der Untersuchungsausschuss beauftragt worden, die krisenhafte Entwicklung der HSH Nordbank zu untersuchen. Nach zwei Jahren liegt ein Ergebnis vor, man muss aber hinzufügen: Die Karawane ist bereits weitergezogen. Das globale Finanzkapital setzt die Zerstörung öffentlicher Haushalte und Strukturen und die Bereicherung der Spekulanten an anderer Stelle fort. Das können wir jeden Tag in der Zeitung nachlesen. Da werden erstaunlicherweise sogar ausgewiesene Apologeten der sogenannten freien Marktwirtschaft nachdenklich. In der „FAZ“ vom 14. August breitete sich Frank Schirrmacher ausgiebig über die Möglichkeit aus, die politische Linke könne in Sachen Kapitalismuskritik vielleicht immer schon recht gehabt haben.
- Die politische Linke; ich rede nicht von PseudoLinken, ich rede von der politischen Linken, Kollege Schippels.
Schirrmacher schreibt unter Bezugnahme auf politische Konservative, die Globalisierung habe ursprünglich für weltweit freien Handel gestanden und beschreibe inzwischen ein System, in dem Banken die Gewinne ihrer internationalen Erfolge einstreichen und Steuerzahler aller betroffenen Länder die Kosten jedes Fehlschlags zu tragen hätten. Die Banken kämen nur nach Hause, wenn ihnen das Geld ausgegangen sei, dann gäben die Regierungen ihnen neues.
Der Vertreter der Investorengruppe Flowers im Aufsichtsrat der HSH Nordbank, Herr Sinha, hat im Untersuchungsausschuss folgendermaßen formuliert:
„That's capitalism. Das ist die Natur des Kapitalismus. So ist es eben, das Wesen des Kapitalismus. Manche gewinnen - und andere verlieren.“
Ich zitiere das deswegen, um noch einmal deutlich zu machen, dass wir uns mit dieser Art Fatalismus nicht befasst haben, sondern ernsthafte Aufklärungsarbeit getätigt haben, die wir heute ganz ordentlich vortragen können. Die Arbeit war auch deswegen sehr förderlich, weil zum einen die beiden Vorsitzenden des Gremiums die Arbeit sehr kollegial und ordentlich gemacht haben und zum anderen immer die Möglichkeit der Opposition gegeben war, Zeugen, die wir hören wollten, zu hören und Akten, die wir sehen wollten, heranzuziehen.
Ich will, weil die Zeit knapp bemessen ist, im Hinblick auf das, was wir erarbeitet haben, ein paar Punkte herausgreifen. Kollege Koch ist schon auf das Thema eingegangen. Wir haben seinerzeit zuerst klare und deutliche Entscheidungen getroffen, wie der Bank zu helfen ist, und dann einen Untersuchungsausschuss eingesetzt. Das sind Dinge, die zusammengehören, das ist ein gemeinsamer Prozess. Es war das Parlament - das darf man mit einem gewissen Stolz sagen -, das sich unabhängig hat beraten lassen und zu der Entscheidung gekommen ist, der Bank zu helfen im Interesse der Menschen, der Bank und der Zukunft unseres Landes. Das ist ein Prozess selbstbewussten parlamentarischen Handelns. Das will ich an diesem Tag und in dieser Debatte gern einmal unterstreichen.
Die Frage der möglichen Alternativen hat eine große Rolle gespielt. Wir haben uns das wirklich sehr ausführlich angeschaut. Auch Herr Koch hat auf diesen Punkt schon hingewiesen. Es hat natürlich Alternativen gegeben, aber es liegt keine vor, die von irgendeinem ernsthaft vorgetragen worden ist oder hat vorgetragen werden können, die für das Land besser gewesen wäre. Ich glaube, wir haben eine richtige Entscheidung getroffen.
Mit der Frage, ob der Bund oder andere uns bei den Problemen hätten helfen und unsere problematische Situation hätten übernehmen können, haben wir natürlich auseinandergesetzt. Minister a. D. Steinbrück hat relativ deutlich und klar mit zwei Worten auf die Frage geantwortet, ob die Altlasten gegebenenfalls über den SoFFin abgedeckt werden könnten: definitiv nein.
Die Frage nach Schuld und Verantwortung hat logischerweise im Fokus unserer Untersuchung gestanden; denn wenn etwas so dramatisch schiefgeht wie in diesem Fall - eine Bank dieser Bedeutung hat ein erhebliches Finanzproblem und gerät ins Schlingern -, dann muss jemand schuld sein. Deswegen ist die Schuld- und Verantwortungsfrage ein zentraler Punkt der öffentlichen Debatte, aber, wie gesagt, auch unserer Aufklärungsarbeit gewesen. Ich will an dieser Stelle deutlich machen: Wir haben den oder die Schuldigen - wenn man denn Personen und nicht Strukturen meint - nicht gefunden. Menschen haben Fehler gemacht, und Systeme haben diese Entwicklung gefördert.
Wir, die SPD-Mitglieder des Untersuchungsausschusses, gehen davon aus, dass die Verantwortlichen der Bank nicht vorsätzlich gegen Gesetze, Informationspflichten oder sonstige Vorschriften verstoßen haben. Eine Ausnahme bilden die Transaktionen Omega 52 und Omega 55. Das sind Bezeichnungen für Zweckgesellschaften, für die die HSH Kreditlinien zur Verfügung gestellt hatte: bei Omega 52 zur Absicherung eines Ausfallrisiko, bei Omega 55 - in zwei Teilen - mit dem Ziel, die Bilanz der HSH zu entlasten, um kurz vor dem geplanten Börsengang die nötige Eigenkapitalquote zu erreichen.
Ich kann das hier nicht ausführlich vortragen, will aber doch Folgendes feststellen: Es ist ein besonderer Vorgang, dass die Bank ganz offensichtlich das ist zumindest an dieser Stelle für uns nachzuweisen - die Aufsichtsbehörden über den Charakter des Geschäfts, zumindest des zweiten Teils, im Unklaren ließ und den falschen Eindruck erweckte, es handele sich um eine Bilanzentlastung und nicht um ein Kreislaufgeschäft.
Dieser Punkt ist ein Beispiel dafür, dass wir Dinge untersucht haben, während gleichzeitig die Staatsanwaltschaft tätig war; sie prüft übrigens zurzeit eine Klageerhebung in dieser Frage. Es ist eine besondere Schwierigkeit der Arbeit des Untersuchungsausschuss gewesen, dass die Staatsanwaltschaft parallel ermittelt hat.
Über den gesamten Untersuchungszeitraum lässt sich zusammenfassend sagen: Die Bank hatte die Risiken, die mit der angestrebten hohen Eigenkapitalrendite verbunden waren, massiv unterschätzt, ebenso die Risiken im Kreditersatzgeschäft und im Schnellankaufsverfahren. Sie hatte sich so massiv auf rasches Geld und Wachstum ausgerichtet, dass die Marktbereiche personell, technisch und finanziell systematisch besser ausgestattet wurden als die Marktfolgebereiche. Die Bank hatte offensichtlich
keine ausreichenden Kontrollmechanismen eingezogen. Weder die Mitglieder des Aufsichtsrates noch die Wirtschaftsprüfer, externe Gutachter, die Bankenaufsicht oder die Ratingagenturen haben das gemerkt oder für bemerkenswert gehalten. In der Gesamtschau sagt das nicht nur etwas über die Zustände in der HSH-Nordbank aus, sondern auch über das gesellschaftliche und wirtschaftliche Klima, in dem die Finanzwirtschaft nur dieses eine Ziel - Wachstum - verfolgt.
An dieser Stelle muss die Selbstkritik der Politik ansetzen. Das betrifft selbstverständlich auch die Landesregierungen von Hamburg und SchleswigHolstein zum Zeitpunkt der Gründung der HSHNordbank -
- Bis zum heutigen Tag, Herr Kollege Koch! Im Hinblick auf die Verantwortung gibt es keine Ausnahme.
Wir haben in unserer Analyse festgestellt, dass es kritikwürdige Prozesse gab. Die Informationspolitik des Finanzministers in den Jahren nach 2007 gegenüber dem Parlament und den anderen Mitgliedern des Kabinetts war nicht hinreichend. Das sollte an dieser Stelle nicht verschwiegen werden.
Die Bezüge der Manager waren nicht Kernaufgabe der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Es ist jedoch deutlich geworden, dass die Art und Weise, wie die Bank insoweit gehandelt hat, nicht akzeptabel ist. Es war geradezu eine Provokation, sich zwar auf eine Deckelung zu verständigen, diese dann aber mit Zustimmung des Anteilseigners Schleswig-Holstein, vertreten durch die Landesregierung, auszuhebeln. Das geht nicht!
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion hat die Möglichkeit in Anspruch genommen, ein Minderheitenvotum abzugeben. Im Ergebnis dessen wurde das ein Kapitel „Schlussfolgerungen für künftige Regelungen und Verfahren“ in den Untersuchungsauftrag aufgenommen. Was das angeht, konnten wir uns auf ein paar Dinge einigen. Einiges ist schon vorgetragen worden. So soll der Aufsichtsratsvorsitzende künftig Vertreter des Hauptaktionärs sein. Wir wollen das Handelsgesetzbuch so ändern, dass Auslandsbeteiligungen und Zweckgesellschaften transparent erfasst werden. Die Bezüge von Vorstandsmitglie
dern sollen transparent gestaltet werden. Wir sind uns auch einig geworden, die Anteile des Landes Schleswig-Holstein dann zu verkaufen, wenn es sinnvoll ist und ein vernünftiger Erlös erzielt werden kann.
Über die Frage der Vertretung der Landesregierung im Aufsichtsrat haben wir mehrmals diskutiert. Ich unterstreiche: Auch heute, nach den Ereignissen, gibt es keinen vernünftigen Grund, die Landesregierung nicht wieder durch einen Minister im Aufsichtsrat vertreten zu lassen.
Meine Damen und Herren, die grundsätzlichen Regeln für die Finanzmärkte und deren Kontrolle müssen verschärft werden. Die Eigenkapital- und Liquiditätsanforderungen sind zu erhöhen. Wir brauchen eine unabhängige europäische Ratingagentur, die keine eigenen Interessen hat. Die Rechte der Finanzaufsicht sind zu stärken. Der Finanzsektor ist an den Kosten der von ihm verursachten Krise zu beteiligen. Eine Finanztransaktionsteuer ist endlich einzuführen.
Wir sollten die richtigen Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört es, die Möglichkeiten, die wir haben, um das Finanzkapital in seiner Machtausübung zu begrenzen, zu nutzen. Vor allem gilt es, politische Verantwortung wieder dort wahrzunehmen, wo der richtige Ort dafür ist: in den Parlamenten.