Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

(Lars Harms)

Noch ein Wort zur Abstimmung. Wir haben einen Änderungsantrag von CDU und FDP auf den Tisch gelegt bekommen. Mein Vorschlag lautet, beide Anträge zu selbstständigen Anträgen zu erklären, damit man einzeln für die jeweiligen Anträge stimmen kann.

(Beifall bei SSW, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Hans-Jörn Arp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie merken es schon bei der Wortwahl, es gibt viele Namen: Gigaliner, Ökoliner, Megatruck, Monstertruck. An diesen Namen merkt man schon, wie derjenige, der darüber spricht, zu ihnen steht. Die CDU/FDP-Koalition steht zu den Ökolinern, weil es ökonomisch und ökologisch vernünftig ist, so etwas einmal zu testen. Man kann nicht von Anfang an sagen: Ich lehne jeden Test ab.

Über wie viele Gigaliner reden wir, und welche Strecken haben wir? - Das ist die Frage. Wir reden über maximal 20 oder 30 Lkw, die es in SchleswigHolstein gibt. Sie gehören Unternehmen, die einen Standortnachteil haben, wenn wir es ihnen nicht gestatten, sich daran zu beteiligen. Das darf man nicht unterschätzen. Es handelt sich im Wesentlichen um Hafenhinterlandverkehre, die davon betroffen sind. Diese Unternehmen wollen Tag für Tag ihre Waren aus dem Brunsbütteler Hafen in den Hamburger Hafen bringen. Sie stehen dabei im Wettbewerb mit anderen Unternehmen.

Es ist daher sinnvoll, dass Herr Ramsauer einen Feldversuch macht, uns an diesem Feldversuch teilnehmen lässt und uns sogar die Möglichkeit gibt zu sagen, welche Strecken wir dazu auswählen wollen. Das Ministerium fragt: Welche Unternehmen melden sich? - Diejenigen Unternehmen, die sich melden und daran ein Interesse haben, werden geprüft. Danach wird die Strecke geprüft. Es ist nicht so, wie der Kollege Harms es sagte: Es werden keine Strecken umgebaut oder ausgebaut. Das ist dummes Zeug, was er da erzählt hat, das weiß er in diesem Fall auch. Es geht um nichts anderes als um die Frage, ob die Infrastruktur vorhanden ist oder nicht. Wenn sie vorhanden ist, dann ist es möglich, dass diese Firmen an einem Feldversuch über fünf Jahre teilnehmen. Fünf Jahre müssen es deshalb

sein, weil ein LKW in der Zeit abgeschrieben wird. Es kann nicht einen Feldversuch über ein Jahr oder zwei Jahre sein. Dafür schafft sich keine Firma einen solchen LKW an. Das ist der Unterschied, über den wir hier miteinander diskutieren.

Wenn wir uns einmal die Verkehrsströme gerade in Schleswig-Holstein, in Norddeutschland, in den nächsten Jahren angucken, ganz wertfrei,

(Zuruf)

- hören Sie doch einfach einmal zu; das hilft bei Ihnen am meisten! -, so wird sich der Lkw-Verkehr in dieser Gesellschaft um mindestens 70 % innerhalb der nächsten zehn Jahre erhöhen. Daran können auch die Grünen nichts mehr ändern. Das sind Fakten gerade hier in Schleswig-Holstein. Unser Land in der Nähe Skandinaviens ist ein Brückenkopf. Das wird einfach so sein. Natürlich werden wir auch weiterhin von den Hafenhinterlandverkehren besonders betroffen sein. Die Prognosen sagen, dass sich der Lkw-Verkehr gerade in SchleswigHolstein verdoppeln wird.

Daher muss man doch über jeden einzelnen Versuch nachdenken, der zu einer Entlastung auf der Straße führen kann. Wenn man statt drei zukünftig zwei Lkw auf der Straße hat, hat das einen Vorteil. Dadurch wird ja nicht die Gewichtsgrenze erhöht, sondern es wird nur die Ladefläche erhöht. Das heißt, es kommt die gleiche Menge auf einen Lkw mit einer größeren Ladefläche. Das ist der Vorteil, den man hat. Deshalb habe ich auch keine Sorge und keine Angst davor, dass wir uns an diesem Versuch einfach einmal für fünf Jahre beteiligten.

Es gab einmal einen Verkehrsminister, an den sich nur wenige noch erinnern können, weil er nicht besonders erfolgreich war. Das war der Herr Tiefensee. Der wollte sogar, dass Lkws nur nachts auf der Straße sein sollten. Das ist doch eine Situation, die für die Mitarbeiter unerträglich ist. Hier geht man einen anderen Weg und sagt, lasst uns einfach einmal einen Feldversuch über fünf Jahre starten. Ich denke, diese Chance sollten wir den Unternehmen geben. Diese Chance sollten wir auch dem Verkehr geben.

(Beifall bei der CDU)

- Du kannst ruhig klatschen, ich halte solange an. Das entlastet die Straße. Nach diesem Feldversuch kann man Weiteres unternehmen, aber immer in Zusammenarbeit mit dem Verkehrsministerium, das dafür federführend ist, das dabei die Verkehrsbehörden vor Ort fragt, ob dies denn überhaupt möglich ist. Ich denke, das ist ein Weg, den wir mitge

(Lars Harms)

hen sollten. Den Versuch sollten wir starten. Deshalb bin ich, wie Lars Harms, für eine Abstimmung in der Sache und hoffe, dass Sie unserem Antrag zustimmen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete Marion Sellier das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank erstmal an den SSW, von dem die Initiative für diesen Antrag ausging. Das gibt mir die Gelegenheit, noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die SPD will die Gigaliner-Versuche auf unseren Straßen in Schleswig-Holstein nicht. Wir waren und sind gegen Gigaliner auf schleswig-holsteinischen Autobahnen, und wir sind erst recht gegen Gigaliner auf unseren Bundesstraßen, in unseren Orten und in unseren Städten.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Meine Damen und Herren, gegen überlange Lkw gibt es so viele Argumente, dass ich es schon schwer finde, hier einige auszuwählen, zumal wir hier nicht das erste Mal darüber reden. Das wichtigste ist: Wir brauchen nicht noch mehr Verkehre auf den Straßen. Wir brauchen umweltfreundlichere Verkehre, und wir brauchen sie auf funktionierender Schienen-Infrastruktur und funktionierenden Wasserstraßen. Gerade zu Letzterem haben wir vor wenigen Wochen großes Einvernehmen erzielt, als es um den Nord-Ostsee-Kanal und seine Funktionsfähigkeit ging.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Völlig klar ist, dass Schienenverkehr und Frachtschifffahrt nicht überall hinkommen und dass man für die letzten Kilometer zur Kundin oder zum Kunden oft auf die Straße wird zurückkommen müssen. Aber genau an diesen Stellen, an denen man den Warentransport auf der Straße auch künftig brauchen wird und ökologisch und ökonomisch sinnvoll ausgestalten sollte, sind Gigaliner völlig nutzlos.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Empörend finde ich persönlich die Kommunikation der Landesregierung in dieser Angelegenheit. Wir

wissen bis heute nicht, welche Straßen und Routen Schleswig-Holstein für den Versuch angemeldet hat; vor gut einer Woche habe ich im Ministerium nachgefragt. Und wir wissen nicht, nach welchen Kriterien die Landesregierung mit dem Bund verhandelt. Wir lesen Zeitung und erfahren: Jetzt geht es angeblich nicht mehr nur um Autobahnen, jetzt sollen auch Bundesstraßen freigegeben werden.

Meine Damen und Herren, wir sind Abgeordnete, und als solche sprechen uns Bürgerinnen und Bürger an, die besorgt sind, dass solche Fahrzeuge beispielsweise die marode Bundesstraße 5 noch weiter verstopfen werden. Ist es denn zu viel verlangt, diese Verhandlungen auch in Abstimmung mit den zuständigen Ausschüssen durchzuführen und die gewählten Abgeordneten zu informieren? Ich finde das nicht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Sie sollten endlich Klartext reden und zugeben, dass Sie sich auch beim Thema Gigaliner grob verhauen haben: So wie auch beim Thema CCS, wie wir gerade mitbekommen haben,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist doch Ra- bulistik!)

wie beim Glücksspiel - das wird sich auch noch herausstellen -, wie beim Thema Gemeinschaftsschule, bei dem Ihnen Ihre eigenen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von der Fahne gehen, wie bei der Ausweisung von Naturschutzgebieten, die Sie gegen jede Fachlichkeit erst einmal abzubügeln versuchen. Beispiele gibt es am laufenden Band.

Meine Damen und Herren, die Gigaliner auf Schleswig-Holsteins Straßen werden nicht von dem Desaster ablenken, das durch das Bundesverkehrsministerium angerichtet wird. In Bezug auf die A 20, den Nord-Ostsee-Kanal und auf die neue Schleuse in Brunsbüttel kann man nicht nach dem Motto verfahren: Heute hüh und morgen hott; heute Geld, morgen nicht; heute Priorität, morgen hinten an.

Also geben Sie sich einen Ruck, und stimmen Sie mit uns gegen den Feldversuch und für einen Rückzug aus dem Feldversuch. Wir brauchen diese Riesentrucks nicht, sie schaden unseren Straßen, sie sind ökologisch unsinnig und wirtschaftlich nicht notwendig. Es hindert Sie niemand daran, klüger zu werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

(Hans-Jörn Arp)

Stimmen Sie unserem gemeinsamen Antrag zu. Zu Ihrem gerade vorgelegten Antrag fällt mir nur wieder ein: Ihre Angewohnheit, diese riesigen Fahrzeuge als „Ökoliner“ zu bezeichnen, finde ich einfach nur ärgerlich.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, der LINKEN und SSW)

Für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Oliver Kumbartzky das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich frage mich manchmal wirklich, warum einige Fraktionen hier Anträge einreichen, die von anderen Fraktionen schon einmal gestellt worden sind. Dabei fällt mir in dieser Tagung besonders der SSW auf. Eben war es der CCS-Antrag, nun ist es der Antrag zu den von Ihnen sogenannten Gigalinern. Ihnen scheinen die Themen auszugehen, Herr Harms - der gar nicht zuhört.

(Heiterkeit bei der FDP)

Es ist ja auch wirklich bemerkenswert, dass sich gerade der SSW hier als oberster Widerstandskämpfer gegen die Lang-Lkw ausspricht. Gerade unsere Nachbarn in Dänemark sind euroweit Vorreiter in Sachen Lang-Lkw. Der dänische Verkehrsminister Hans Christian Schmidt hat vor einigen Wochen in einem Interview mit der „Deutschen Logistik-Zeitung“ angekündigt, die EU-weite Zulassung von Lang-Lkws während der dänischen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2012 zu forcieren. Aber auch bei unseren Nachbarn in Schweden, Norwegen und Finnland fahren seit vielen Jahren schon bis zu 25,25 m lange Lastzüge.

Es bringt auch nichts, meine Damen und Herren, immer wieder einzelne Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen. Wir brauchen vor dem Hintergrund des wachsenden Weltmarktes eine Verzahnung aller Verkehrsträger. Dabei spielen nun einmal Wasserstraßen eine ganz besondere Rolle. Bei dem Thema sind wir uns ja auch eigentlich alle einig. Ich sage „eigentlich“, weil Herr Tietze sich da noch nicht so richtig einig ist. Es geht aber nicht nur um die Wasserstraßen, sondern auch um die Straßen und die Schienen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

- Herr Stegner, Sie verstehen nicht alles; das weiß ich. Aber vielleicht versteht Herr Stegner, dass Schleswig-Holstein ein Logistik-Standort mit riesigen Potenzialen ist. Wir brauchen den Ausbau der A 20; da sind wir ja auch einer Meinung. Herr Stegner; nur die Grünen und die LINKEN wollen die A 20 nicht. Wir brauchen die feste FehmarnbeltQuerung. Wir brauchen gut ausgebaute Straßen, um den steigenden Güterverkehr in den Griff zu bekommen. Da sind Lang-Lkws durchaus eine Option.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wenn man die Opposition zu dem Thema so reden hört, kann man wirklich nur sagen: Sie übertreiben beim Thema Gigaliner wirklich gigantisch. Man könnte den Eindruck gewinnen, dass sich Tag und Nacht die Lang-Lkws wie an einer Perlenschnur aufgereiht durch unsere Innenstädte und unsere Gemeinden ziehen werden. Doch dem ist nicht so. Es geht um einen Testbetrieb für die Lang-Lkw, und wir reden von rund 20 dieser Lkw im ganzen Land. Die fahren auch nicht durch Innenstädte oder an Schulen oder Kindergärten vorbei, sondern auf ausgewählten Strecken. Es kommt auch nicht zu Elefantenrennen, weil sich - hört, hört - die Lang-Lkw nicht gegenseitig überholen dürfen. Überhaupt ist doch die Wahrscheinlichkeit bei 20 dieser Lkw im ganzen Land gering, dass sie sich überhaupt irgendwo auf der Autobahn begegnen.

Dann hört man auch immer wieder das Argument, dass Lang-Lkws rollende Verkehrshindernisse seien. Auch das haben wir eben schon gehört. Aber seien wir einmal ganz ehrlich, Herr Buder: Sie fahren ja sicher gerne hin und wieder nach Hamburg. Dort werden Sie doch sicher einmal lange Busse gesehen haben. Das sind Busse, die sehr viel länger sind als die von Ihnen so genannten Gigaliner, und diese Fahrzeuge haben keine Probleme in der Innenstadt.

Auch die Kritik -

(Zuruf von der FDP: Die kommen aber nicht bis Büsum! - Heiterkeit)

- Doch, in Büsum fährt eine lange Bimmelbahn. Die ist sogar noch länger; das stimmt eigentlich. Die hat doch auch keine Probleme.