- Nein, das ist definitiv falsch. Ich habe Ihnen gerade eben schon einmal gesagt: Es gab den Plan, hier Arbeitsplätze zu schaffen. Die werden nicht entstehen. Wir haben einen riesigen Imageschaden, weil wir es nicht geschafft haben, dies hinzubekommen.
Wir haben natürlich auch Patientenströme, die wir uns für Schleswig-Holstein gewünscht haben, nicht generieren können. Wenn das kein Nachteil ist, weiß ich nicht, was noch ein Nachteil sein soll.
Ich fahre jetzt fort. Das Risiko beim UK S-H ist nun einmal ungleich höher, weil die Materie nun einmal komplex ist, das habe ich schon gesagt.
Herr Abgeordneter, einen kleinen Augenblick bitte. Ich bitte insgesamt um mehr Aufmerksamkeit für den Redner. Das gilt auch für die Regierungsbank.
Es geht darum, dass wir über 25 Jahre planen müssen. Wenn die bauliche Substanz in dieser Entwicklung immer angepasst werden soll, werden wir immer natürlich und logischerweise immer wieder neu verhandeln müssen, weil sich die Gebäude ändern müssen. Damit wird es immer wieder teure Nachbesserungen geben, die wir alle bezahlen müssen, inklusive natürlich immer des Unternehmensgewinns des privaten Unternehmens. Das wird gar nicht anders sein können. Wenn man es nicht selbst steuert, sondern mit Privaten zu tun hat, ist man den Mechanismen dort entsprechend ausgeliefert.
Ein letztes Wort noch zu einem Risiko, das kaum jemand im Auge hat. Ein ÖPP-Projekt führt dazu, dass das Land beziehungsweise das UK S-H zwar offiziell keine Schulden aufnimmt, sondern nur eine Pacht oder Miete zahlt, allerdings ist dieses - wirtschaftlich gesehen - eine Auslagerung von Schulden.
Es muss daher sichergestellt sein, dass die Bundesregierung nicht zu einer gleichen Einschätzung in Bezug auf das Asset-Modell kommt, denn dann wären unsere Konsolidierungshilfen in Gefahr. Hier reden wir dann über 80 Millionen € jährlich.
Wenn man es also genau nimmt, kann man ein ÖPP-Modell eigentlich nur dann angewendet werden, wenn man die gleiche Maßnahme auch aus dem Haushalt finanzieren könnte. Kann man es nicht, verstößt man gegen die Schuldenbremse, kann man es, kann man die Finanzierung über das Land auch durchrechnen.
Für uns als SSW ist es wichtig, dass wir alle Angebote auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüfen und dann miteinander vergleichen. Hierbei müssen die Mitarbeiterrechte unbedingt gewahrt bleiben, und es muss sich die Arbeitssituation der Beschäftigten verbessern.
Die Fragestellungen, die ich hier aufgeworfen habe, machen deutlich, dass man eben nicht pauschal ein Modell favorisieren kann und es dann der Regierung allein überlassen bleibt, wie sie verhandelt und welches Angebot sie annimmt. Würden wir dies zulassen, würden wir uns als Landtag vor der Verantwortung drücken und uns wegducken. Der SSW will das nicht. Deshalb wollen wir alle Fakten auf dem Tisch haben und dann entscheiden - zum Wohle des UK S-H, seiner Mitarbeiter und der Patienten.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren zwei sehr unterschiedliche Botschaften diese Woche: eine durchaus hoffnungsvolle Nachricht und eine dramatisch negative. Die tendenziell hoffnungsvolle ist, dass die Regierungsfraktionen und die Landesregierung sich entschlossen haben, ein Asset-Modell zu verfolgen und ihre Privatisierungsträumereien einzustellen. Das begrüßen wir außerordentlich. Dazu ist schon viel von Kollegin Heinold und vom Kollegen Harms gesagt worden. Ich will das nicht alles wiederholen. Ich will nur kurz auf zwei Punkte in diesem Zusammenhang hinweisen.
Machen Sie nach dem ersten Schritt auch den zweiten Schritt, und beenden Sie den Defusionierungsunsinn, der noch in manchen Köpfen spukt!
Ich will nur noch einmal deutlich machen - wir haben es in unseren Antrag hineingeschrieben; das muss ich hier alles nicht noch einmal sagen -, dass bei der Frage der Umsetzung des Modells, das jetzt favorisiert wird, natürlich nachgewiesen werden
muss - diese Herkulesaufgabe steht uns noch bevor -, dass es wirtschaftlicher ist als ein anderes, und es muss nachgewiesen werden, dass die Rendite faktisch nicht durch Arbeitsverdichtung, sondern durch Strukturverbesserungen erfolgt. Das ist die zentrale Aussage und die zentrale Bedingung.
Wenn es gelingt, das nachzuweisen und diese Bedingungen einzuhalten, werden wir diesen Weg lang genug ist er gewesen, lang genug dauerte die Hängepartie - auf jeden Fall unterstützen.
Lassen Sie mich zum zweiten Punkt kommen, zum Partikeltherapiezentrum. Zum ersten Punkt werden wir in den Ausschüssen noch Diskussionsbedarf haben. Die angekündigte Beendigung des PTZ in Kiel ist für uns sowohl ein gesundheitspolitischer als auch ein wissenschaftspolitischer Offenbarungseid.
Ein Konzern, der alle an der Nase herumführt, eine Bundesregierung, die jedes Handeln verweigert, und eine Landesregierung, die sich sicherheitshalber in die Büsche schlägt, all das ist keine gute Botschaft.
„Mit dem derzeit größten PPP-Projekt des Landes machen wir einen Riesensprung, der für viele tausend krebskranke Menschen [im Land] dank neuartiger hochpräziser Tumorbehandlungen zu einem längeren Leben führen wird.“
Dies sagte Wirtschaftsminister Dietrich Austermann im Januar 2008. Ein Jahr später verkündet der damalige Wirtschaftsminister Marnette in einem Bericht der Landesregierung:
„Die Landesregierung geht nach der eindeutigen schriftlichen Stellungnahme und dem persönlichen Kontakt mit der Siemens AG nicht von einem Rückzug des Geräte- und Systemlieferanten aus.“
Trotz dieser Bekundungen sind die Diskussionen und der Zweifel daran, ob dieses Projekt realisiert wird, nicht wirklich neu. Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen. Zweifel sind relativ früh laut geworden. Ich finde es im Zusammenhang mit die
ser Geschichte interessant, dass diese Zweifel zu einem Zeitpunkt geäußert wurden, als es gar nicht um die fehlende Wirtschaftlichkeit ging und auch gar nicht gehen konnte, weil die Frage, wie viele Patienten im Jahr behandelt werden könnten, gar nicht kritisch beleuchtet wurde. Meine Schlussfolgerung ist, dass man so davon ausgehen darf, dass der Finanzvorstand bei Siemens die Entscheidung zum Rückzug aus Kiel eher vor dem Hintergrund der über 600 Millionen €, die ihn der Betrugs- und Korruptionsskandal kostet, getroffen hat als vor dem Hintergrund tatsächlicher valider Berechnungen der Folgekosten im Kieler PTZ.
Das zeigen meines Erachtens auch die Pläne von Siemens in China, denn der Konzern Siemens steigt nicht aus, er steigt um. Das ist etwas ganz anderes. Offensichtlich ist diese Anlage dann, wenn man sie vernünftig umsetzt, profitabel. Das wird die Zukunft zeigen. So weit, so schlecht für SchleswigHolstein, könnte man sagen, wären da nicht die Verträge, die Siemens und das UK S-H geschlossen haben. In letzter Zeit wurde relativ wenig darüber geredet, aber es ist heute angesprochen worden: So weit, so schlecht, wären da nicht die Patienten, die auf neue Therapiemöglichkeiten hoffen, um die man sich bei Siemens - das darf man wohl so deutlich sagen - offensichtlich einen Dreck schert.
Nun wird man nicht erwarten können, dass ausgerechnet das klamme Land Schleswig-Holstein dem Siemens-Konzern die Stirn bieten kann, und diese Regierung kann es schon gar nicht. Das muss man konzedieren. Vor dem Hintergrund einer funktionierenden vergleichbaren Anlage im Patientenbetrieb in Heidelberg hat die Siemens AG seinerzeit im Juli erklärt, die Anlagen in Marburg und Kiel aus wirtschaftlichen Gründen nicht fortsetzen zu wollen. In der „Ärztezeitung“ ließ man Ende Juli verlautbaren, die Technologie sei technisch noch nicht einsetzbar. Für Kiel wurden erhebliche Softwareprobleme kommuniziert. Wie dem auch sei, die Marschroute daraus war klar: Mit schwer widerlegbaren Vermutungen konnten die rein ökonomischen Erwägungen überspielt werden, und es konnte rechtlich der Punkt gefunden werden, an dem Siemens auf der einen Seite und die Landesregierung auf der anderen Seite die Möglichkeit gefunden haben, sich unter Gesichtswahrung vom Acker machen zu können. Dabei spielt der Aspekt keine Rolle mehr, dass die Vorteile dieser Therapie zur Behandlung sonst kaum therapierbarer Krebserkrankungen weltweit in Studien nachgewiesen worden sind und auch hier hätten etabliert werden können. Es spielt keine Rolle, dass in 60 Jahren 60.000
Patienten behandelt wurden, davon fast 90 % mit Protonen. Die übrigen 10 % werden überwiegend mit Atomkernen des Kohlenwasserstoffatoms behandelt. Die Kieler Anlage, die beides machen kann, ist somit ein herausragendes Merkmal des Kieler Standorts. Professor Kraft, der gern als technischer Vater dieser Technologie in Deutschland bezeichnet wird, hat deutlich gemacht, dass wir hier die modernste Anlage gehabt hätten.
Die Kieler Klinik für diagnostische Radiologie hat ein neues Verfahren enwickelt und erprobt, das eine wesentliche Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz der Partikeltherapie auch im Bereich bewegter Tumore ist. Lungen- und Lebertumore werden dadurch erreichbar, was die Zahl der Patienten, die von einer solchen Therapie profitieren könnten, deutlich erhöht. Bereits heute hat der Gemeinsame Bundesausschuss in Deutschland Behandlungen für eine ganze Reihe von Indikationen zugelassen. Weitere befinden sich im Antragsverfahren. Professor Kraft, Leiter des Helmholtz-Zentrums in Darmstadt, macht deutlich, dass die Technologie nach einer Anlaufphase seiner Auffassung nach kostendeckend arbeiten könne. Diese Argumentation kann man nicht einfach vom Tisch wischen. Man muss sie weiterverfolgen.
Ich will noch einmal etwas in Erinnerung rufen, was der Herr Minister schon gesagt hat: Es besteht eine Abstimmung zwischen den norddeutschen Ländern. Dies muss uns deutlich machen, dass dieses Thema nicht nur ein schleswig-holsteinisches Thema ist, sondern dass hier mehrere Interessen im Boot sitzen und dass mehrere Beteiligte handeln müssen. Die Tatsache, dass eine Zusammenarbeit des NRoCK mit Norwegen, Dänemark, Litauen und anderen Ostseestaaten abgebrochen wird, ist gesundheitspolitisch gesehen ein schwieriges Thema, das in die Bewertung und in die Beurteilung eingeflochten werden muss.
Vor allem aber muss man daran erinnern, dass die Entwicklung der Schwerionentherapie in Deutschland über sehr viele Jahre hinweg mit erheblichen Steuergeldern gefördert worden ist. Deshalb haben wir es unseres Erachtens mit einem Vorgang von nationaler Bedeutung zu tun. Die Frage lautet deshalb: Wurde oder wird überprüft, ob wissenschaftspolitische und gesundheitspolitische Interessen gebündelt werden können und ob die Anlage in Kiel in Zusammenarbeit von NRoCK, Physikalisch-Technischer Bundesanstalt in Braunschweig und GSI Darmstadt und vielleicht auch den Anbietern, die bereits funktionie
rende Anlagen japanischer Herstellung haben, betrieben werden kann? - Ich bin hier kein Grundpessimist. Wird in dieser Frage noch diskutiert, ob diese Therapieform hier in Kiel durchgeführt werden kann, und zwar auf einer Basis, die ökonomisch und finanziell nicht schlechter für das Land ist? Denn es ist klar: Wir dürfen keine zusätzlichen finanziellen Risiken eingehen. Das ist unstrittig. Das bestreiten wir auch nicht.
Niemand kann ernstlich nachvollziehen, warum gerade jetzt mit angeblichen Zweifeln an der Praxisreife der Therapieform argumentiert wird. Die einzigen Gründe, aus denen sich Siemens aus dem Projekt zurückzieht, liegen in Kosten-NutzenRechnungen. Das ist offensichtlich. In Ostasien ist mit dieser Technologie offenbar leichter Geld zu verdienen. Oberbürgermeister Albig hat recht, wenn er bei Siemens von reinen Opportunitätsgründen spricht.
Hat das Handeln des Siemens-Konzerns noch eine gewisse ökonomische Rationalität, die man dem Konzern sicherlich nicht absprechen kann, so ist es meines Erachtens völlig unverständlich, warum die Bundesregierung überhaupt keinen Finger rührt. Auf eine Anfrage des Kieler Abgeordneten Dr. Bartels hin erklärt die Bundesregierung - zuständig sind in der Bundesregierung bekanntlich die Herren Rösler und Bahr -, es sei allein die unternehmerische Entscheidung von Siemens, sich an der Weiterentwicklung der Partikeltherapie zu beteiligen oder nicht. Sonst wurde nichts erklärt. Sonst gibt es kein Wort zu diesem Komplex. Das ist meines Erachtens ein Paradebeispiel für einen Ausverkauf nationaler Interessen. Mit Steuermitteln entwickelte Hochtechnologie wird zur Anwendung und Wertschöpfung ins Ausland exportiert. In die Röhre gucken nicht nur die deutschen Steuerzahler, in die Röhre, aber in die falsche, gucken die Patienten, die dringend auf neue Therapiechancen warten. Das ist eine Art der Ignoranz der Bundesregierung, die Bananenrepublikniveau hat.