Protokoll der Sitzung vom 06.10.2011

Die Arbeitsgruppe hatte dabei eine lebhafte und offene Diskussion darüber geführt, wie die von der EU geforderte Reduzierung der Schwefelemissionen von Schiffen auf 0,1 % ab 2015 in der Ostseeregion einzuschätzen ist. Verschiedene Gutachten und Vorstellungen von unterschiedlichen Verbänden haben dabei zum Ausdruck gebracht, dass die Gefahr besteht, dass es zu einer Verlagerung des Transports von Waren vom Wasser auf das Land kommen könnte, da sich Umrüstung und Bau der Schiffe und der teurere Treibstoff für den Transport nicht mehr rechneten. Eine Verlagerung des Verkehrs vom Wasser auf das Land ist aber gerade das, was wir verhindern wollen.

Wir sind in der Gruppe zu dem Schluss gekommen, dass an der Vereinbarung, die die Mitgliedstaaten mit der IMO geschlossen haben, und an der nachhaltigen Sicherung unserer Umwelt nicht gerüttelt wird. Was jedoch aus gutem Grund auch seine Berücksichtigung in der Resolution gefunden hat, war, dass Lösungen gerade für kleinere Reedereien in Anreizsystemen für die Umrüstung bereits existierender Schiffe gefunden werden müssen.

Liebe Kollegen und Kolleginnen, so möchte ich heute auch noch einmal ein klares Bekenntnis zu der der vereinbarten Reduzierung der Schwefelemissionen von Schiffen ab 2015 abgeben, da hier auch die Chance nicht nur für die Umwelt zu sehen ist, sondern auch für unsere Wirtschaft und Forschung, sich hier ein innovatives Standbein zu erarbeiten. Aber ich möchte auch noch einmal die Forderung aus der Resolution wiederholen, dass es für den Ostseeraum keine Wettbewerbsnachteile geben darf, indem allein die Ostsee als Schwefelüberwachungsgebiet erklärt wird, sondern es bedarf einer europaweiten Ausdehnung und der zügigen Ausweisung weiterer Seebecken wie dem des Mittelmeeres.

So bleibt im Ergebnis beim integrativen Ansatz von Wissenschaft, Wirtschaft und Umwelt im maritimen Bereich, dass derjenige, der innovative und umweltfreundliche Lösungen will, sowohl betriebswirtschaftliche Rahmenbedingungen für die betroffenen Unternehmen als auch die Infrastruktur in diesem Bereich schaffen muss.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Bernd Voß das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg gleich ein Dank an Anette Langner dafür, dass wir bereits heute, einen Monat nach der Ostseeparlamentarierkonferenz, in einer gemeinsamen Positionierung die Landesregierung bitten, das Ergebnis umzusetzen. Das ist sehr früh, das geschieht sehr schnell und ist im Konsens gelaufen. Das war in der Vergangenheit nicht möglich. Ich denke, das ist wichtig.

Mit der Ostseeparlamentarierkonferenz wurde vor 20 Jahren die Basis für eine kontinuierliche parlamentarische Zusammenarbeit im Ostseeraum gelegt. Damit war ein weiterer Schritt gegangen,

(Kirstin Funke)

um die Blöcke in Europa zu überwinden. Wesentlicher Motor war damals Schleswig-Holstein. Besonders bedeutend ist bei dieser parlamentarischen Zusammenarbeit, dass neben Nicht-EU-Ländern wie Island und Norwegen auch die Parlamente der russischen Region und Russland eingebunden sind.

Aus dieser Arbeit sind wichtige zivilgesellschaftliche Netzwerke entstanden. Das konnten wir gestern auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der dieser Tage stattfindenden Ostsee-Jugendkonferenz in Mözen feststellen. Jugendliche aus elf Ländern rund um die Ostsee waren dabei - ein spannender Abend!

Der Schulterschluss mit den Dumas ist auch Grundlage für die demokratische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Ostseeraum. Wir wissen, dass dort in Sachen Menschenrechte und Demokratieentwicklung manches noch suboptimal ist.

Es wird intensiv an Wegen und Konditionen gearbeitet, die den grenzüberschreitenden Arbeitsmarkt, die Zusammenarbeit in Wissenschaft und Kultur und den sonstigen Austausch befördern.

Die Arbeit wird in Facharbeitsgruppen geleistet. Ich danke Frau Funke, Frau Amtsberg und Frau Strehlau für die in den vergangenen beiden Jahren geleistete Arbeit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Die Arbeitsgruppe Zivile Sicherheit beschäftigt sich mit der Bekämpfung von Menschenhandel und prekären Lebenssituationen. Wenn wir genau nachsehen, stellen wir immer wieder fest, dass die Statistiken oft nicht die Realität widerspiegeln; die Situation ist gerade im Ostseeraum erheblich problematischer.

In der Arbeitsgruppe „Maritime Politik“ ist der Verkehr in der Wachstumsregion Ostsee natürlich zentrales Thema. Die Vertretung Schleswig-Holstein in der Ostseeparlamentarierkonferenz macht es leichter möglich, scheinbar regionale Dinge wie die maroden Schleusen - auch auf diese Ebene zu tragen; sie haben tatsächlich hohe Bedeutung für den gesamten Verkehr im Ostseeraum.

In den Jahren 2011/2012 wird eine neue Arbeitsgemeinschaft zum Thema „Green Growth“ gemeinsame Positionen entwickeln. Das ist eine ziemliche Herausforderung, besonders wenn man daran denkt, dass in osteuropäischen Ländern neue Atomreaktoren entstehen sollen. Die Debatten mit den Kollegen sind aber auch spannend; denn sie fragen

sich schon, was bei uns eigentlich abläuft, und hinterfragen ihre Projekte.

Im vergangenen Jahr waren wir, der SchleswigHolsteinische Landtag, mit unseren Anträgen zur Lotsenpflicht in kritischen Gebieten - Stichwort: Kadetrinne - und zur Bannung der Einhüllentanker erfolgreich. Auch diesmal fanden unsere Anträge zur Umsetzung der IMO-Beschlüsse zu Schiffsemissionen Eingang in die einstimmig verabschiedete Entschließung der Ostseeparlamentarierkonferenz. Um es auf Deutsch zu sagen: Auch die Kollegen aus der Zentralduma in Moskau haben sich unseren Anträge angeschlossen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

In einem Gespräch, das in der vergangenen Woche in Brüssel stattfand, wurde klar, dass die deutsche Diskussion zur Subsidiarität in formeller Hinsicht manchmal abgekürzt werden sollte. Zielorientiert und entlang der Inhalte sollten wir die europäischen Themen bearbeiten. So funktioniert letztlich europäische Vertretung in dem Ausschuss der Regionen. Niclas Herbst, du wirst es bestätigen können: So funktioniert letztlich auch unser regionales europäisches Netzwerk - das subregionale Netzwerk zur Ostseeparlamentarierkonferenz -, das Parlamentsforum Südliche Ostsee.

Ich will nur ein Beispiel herausgreifen: Als es vor einigen Jahren in Polen eine - ich formuliere es vorsichtig - europakritische Regierung gab, wurde in diesem Forum dennoch entlang der Themen intensiv weitergearbeitet. Europafeindlichkeit und entsprechende Ressentiments waren dort überhaupt kein Thema.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Mit der Mitgliedschaft der Duma von Kaliningrad im Parlamentsforum Südliche Ostsee ist auch das Parlament dieser russischen Region beteiligt. Das ist zusammen mit der bilateralen Partnerschaft - der Herr Landtagspräsident war kürzlich mit einer Delegation zu Besuch - eine Basis für die Stärkung auch der zivilgesellschaftlichen Kontakte in die Regionen. Nur daraus wird letztlich ein Demokratieprozess erwachsen können. Die Resolution hatte die Schwerpunkte - Sie haben es gelesen -: Tourismus, Bildung, Ostseestrategie, Multi-Level-Governance.

Ich komme zum dritten Punkt, der Vereinbarung des Landtags und der Landesregierung über Konsultationen; Sie kennen das alles. Mit dieser Vereinbarung haben wir die Arbeitsbasis für das

(Bernd Voß)

mit dem Lissaboner Vertrag möglich gewordene Mitgestalten des Landtags an der europäischen Rechtsetzung. Europa wird nicht nur durch die Stärkung des Europaparlaments und der nationalen Parlamente transparenter und demokratischer - die meisten Gesetze werden letztlich in Europa gemacht -; Europa wird auch durch die möglich gewordene Beteiligung des Landtags ein Stück weit demokratischer. Wir werden Europa den Bürgern näherbringen - näherbringen müssen. Es ist eine Herausforderung des Lissaboner Vertrages, die Mitverantwortung der Parlamente im Integrationsprozess Europas zu stärken.

Anders ausgedrückt: Es wird künftig auch für Politikerinnen und Politiker schwieriger - Bierzelte haben wir nicht, aber ähnliche Veranstaltungen -, die eigenen Versäumnisse in Ermangelung eines anderen Feindes Europa oder Brüssel zuzuschieben. Damit ist jetzt Schluss, weil man sich bis auf die untere Ebene beteiligen kann. Dann wird man eben gefragt: Was hast Du denn gemacht, als das anstand?

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir sollten diese Chance nutzen und uns inhaltlich entlang der Themen einbringen.

Ein herzlicher Dank an den Landtag und die Landesregierung, dass wir endlich diese Basis haben. Der Europaausschuss des Landtags wird sich noch in die Arbeit einfinden müssen. Wir haben zu überlegen, ob wir ein Berichterstatterwesen einführen dann hat jemand die „Macht der Tinte“ -, um auch die jeweilige fachpolitische Dimension einzubringen. Wir können uns abstimmen, um schnelle, effiziente Arbeit entlang der europäischen Themen zu ermöglichen.

Formulieren Sie bitte Ihren Schlusssatz.

Den prälegislativen Bereich hat Niclas Herbst bereits angesprochen. Wir müssen intensiv überlegen, ob wir - ähnlich wie Bayern und Baden-Württemberg - eine parlamentarische Vertretung in Brüssel installieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Für die Fraktion DIE LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Björn Thoroe das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch DIE LINKE sieht Kooperationen im Ostseeraum als überaus wichtig an. Wir haben schon immer mehr von Kooperation als von Konkurrenz gehalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir werden dem vorliegenden Antrag zur Ostseekooperation heute zustimmen. Zwei kritische Anmerkungen möchte ich allerdings noch loswerden.

Erstens. DIE LINKE findet es bedenklich, wenn die Kooperation im Bildungsbereich im Ostseeraum schwerpunktmäßig mit Blick auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit geführt wird. Nicht die verschiedenen Arbeitsmärkte sollten im Mittelpunkt einer Bildungsdebatte im Ostseeraum stehen, sondern das, was die Menschen aus den verschiedenen Ländern mit sehr unterschiedlichen Geschichten und Erfahrungsschätzen voneinander lernen können. DIE LINKE sieht Bildung nicht nur im Ostseeraum als Wert an sich an.

(Beifall bei der LINKEN)

Zweitens. Die Debatte um die Schwefelwerte im Schiffstreibstoff drohte - und droht immer noch zu kippen. Natürlich wäre es sinnvoll, wenn strengere Grenzwerte nicht nur in der Ostsee, sondern auch in den anderen Gewässern weltweit gelten würden; dieses Argument darf aber nicht zu einer Aufweichung von schon verabschiedeten Beschlüssen führen. Die Ostsee ist das weltweit ökologisch am meisten belastete Meer. Allein dies rechtfertigt strengere Grenzwerte - wenn es nicht anders geht, auch im Alleingang. Die angeblichen Wettbewerbsnachteile können sich für die Ostsee-Anrainerstaaten schnell zum Vorteil umdrehen, wenn im Ostseeraum die Technologie für umweltfreundliche Schiffsmotoren am weitesten entwickelt sein wird.

Nun zur Subsidiaritätsvereinbarung mit der Landesregierung: Es war ein sehr mühsamer und langer Weg dorthin. DIE LINKE hätte es lieber gesehen, wenn alle Dokumente aus dem Frühwarnsystem der EU von der Landesregierung zusammengefasst und automatisch mit einer Subsidiaritätsbewertung versehen worden wären. In Bayern ist dies der Fall, wie wir in Brüssel auf der Reise des Europaausschusses erfahren konnten. Die Ausrede, in Schleswig-Holstein gebe es zu wenig Personal für die Er

(Bernd Voß)

ledigung dieser Aufgabe, ist sehr einfach zu beantworten: Dann muss eben Personal eingestellt werden!

(Beifall bei der LINKEN)

Die Wichtigkeit der EU auch für Schleswig-Holstein scheint noch nicht bis in die Staatskanzlei durchgedrungen zu sein. DIE LINKE hat die Wichtigkeit der EU erkannt und steht für ein demokratisches Europa.

Da die Vereinbarung zumindest ein erster Schritt ist, werden wir ihr heute zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Für einen weiteren Beitrag erteile ich der Fraktionsvorsitzenden des SSW, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf den ersten Blick ist es schwierig, den fraktionsübergreifenden Antrag zu den Resolutionen der diesjährigen Ostseeparlamentarierkonferenz und des Parlamentsforums Südliche Ostsee mit der Vereinbarung zwischen Landtag und Landesregierung unter einen Hut zu bringen. Ich bin aber davon überzeugt, dass eben diese neue Vereinbarung künftig die Klammer sein wird, wenn es um den Stellenwert der Ostsee- und Europapolitik für Schleswig-Holstein und damit auch für den Landtag gehen wird.