Protokoll der Sitzung vom 07.10.2011

Liebe Kolleginnen und Kollegen, besonders erfreulich ist die Entwicklung bei den berufsvorbereitenden Maßnahmen der beruflichen Schulen. Diese gelten den Schülerinnen und Schülern, die nach dem Besuch der Schule unversorgt bleiben. Hier verzeichnen wir eine Reduzierung gegenüber dem Vorjahr um 13,7 %. Das ist auch ein Erfolg der Ausbildungsoffensive der Landesregierung und der Wirtschaft in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und FDP)

Zur Vermeidung von Unterrichtsausfall hat es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Maßnahmen gegeben. So stellt das Land nach wie vor 12,1 Millionen € jährlich zur Verfügung, um Vertretungsunterricht sicherzustellen. Dennoch lässt sich Unterrichtsausfall nicht komplett vermeiden. Wenn man allerdings bedenkt, dass die Ausfallquote noch im Jahr 2005 bei 5 % lag - im Moment sind es rund 2 % -, dann kann man durchaus feststellen, dass die Maßnahmen Wirkung gezeigt haben.

Lassen Sie mich etwas zu der in der vergangenen Woche geäußerten Kritik von Elternvertretungen und IVL an ODIS sagen: Vielleicht ist es möglich, ODIS zu nutzen, um deutlich zu machen, was an den Schulen tatsächlich unternommen wird, um Unterrichtsausfall zu vermeiden. Das kann man durchaus transparent darstellen. Nicht alle Formen

(Vizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese)

der Betreuung sind mit Unterricht gleichzusetzen darüber sind wir uns sicherlich einig -, aber auch nicht alle Maßnahmen, die in diesem Rahmen getroffen werden, sind unterrichtsfremd; sie können oft sehr wohl in den Unterricht eingebaut werden.

Die Quoten des Übergangs an die weiterführenden Schulen haben sich in den vergangenen Jahren nicht wesentlich verändert. Nach wie vor werden mehr Schülerinnen und Schüler an Gymnasien angemeldet, als Gymnasialempfehlungen ausgesprochen wurden. Die Regional- und Gemeinschaftsschulen werden in erster Linie von haupt- und realschulempfohlenen Kindern besucht; lediglich 8 % der Schülerinnen und Schüler mit Gymnasialempfehlung werden an Gemeinschaftsschulen angemeldet.

Für uns ist diese Entwicklung eine Bestätigung dafür, dass die Zweigliedrigkeit der richtige Weg, der Weg der Zukunft an den Schulen unseres Landes ist. Auch das Zusammenwachsen der Regional- und Gemeinschaftsschulen zu einer Säule neben dem Gymnasium ist richtig.

Für die Zukunft weist der Bericht einen stärkeren Schülerrückgang aus, als in den vergangenen Jahren prognostiziert worden ist. Bis 2020 werden es nicht 50.000, sondern 59.000 Schülerinnen und Schüler weniger sein, was auch dazu führen wird, dass sich die Unterrichtssituation in Schleswig-Holstein trotz der beschlossenen Einsparungen bei den Lehrerplanstellen nicht verschlechtert. Vermutlich wird sich die Schüler-Lehrer-Relation sogar noch verbessern. Derzeit liegt sie bei 17 zu 1; 2006 kamen noch 19 Schülerinnen und Schüler auf eine Planstelle. Ich gehe davon aus, dass es uns gelingt, dieses Niveau zu halten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die SPD-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Dr. Henning Höppner das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn ich mich richtig erinnere, dann ist es heute der elfte Bericht zur Unterrichtsversorgung, zu dem ich spreche. In den vergangenen beiden Jahren fand die Debatte im Parlament statt, in den Jahren zuvor ausschließlich im Bildungsausschuss.

Herr Dr. Klug, wenn ich mich an die Diskussionen erinnere, die wir mit Ihnen führten, als Sie noch

Oppositionspolitiker waren, dann sage ich: Herzlich willkommen in der Wirklichkeit!

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Würden Sie die Forderungen, die Sie damals stellten, heute als „Traumweltforderungen“ bezeichnen?

Frau Franzen, Sie feiern den Erfolg von CDU-Bildungspolitik seit 2005. Ich darf Sie daran erinnern, dass die SPD massiv daran beteiligt war. Zur Zeit der Großen Koalition hatten wir die Dinge gemeinsam zu vertreten. Das Ressort wurde damals von Frau Erdsiek-Rave geführt.

Herr Dr. Klug, Sie feiern - bezugnehmend auf einen Artikel, den wir heute im „Hamburger Abendblatt“ lesen konnten - den Unterrichtsausfall von nur 0,68 % an Grundschulen. Ich habe das durchgerechnet: Das wären 9,8 Minuten Unterrichtsausfall pro Woche. Das ist ein durchaus erträglicher Wert, der hoffentlich nicht überschritten wird.

Ich erinnere daran, dass dieses das Ergebnis des Erfolgsmodells „Verlässliche Grundschule“ ist. Dieses Modell haben wir 2004 - damals noch in einer rot-grünen Koalition - eingeführt. Es zeigt sich, dass das ein sehr wichtiger Schritt war, um die Unterrichtsversorgung an den Grundschulen zu sichern.

Herr Minister, wenn Sie diesen Bericht als großen Erfolg Ihrer Bildungspolitik darstellen, dann füge ich hinzu: Das ist nur die halbe Wahrheit. Denn zu diesem Bild gehört auch die von der Koalition mit dem Doppelhaushalt 2011/2012 beschlossene übermäßige Stellenstreichung. Im Schuljahr 2010/2011 schlägt sie sich nur am Rande nieder. An vielen Schulen unseres Landes wird jedenfalls wenig Verständnis herrschen, dass Sie in Ihrem Bericht ein idyllisches Bild gemalt haben.

Die SPD hat sich in der Großen Koalition dazu bekannt - wir stehen weiterhin dazu -, nicht alle Lehrerstellen, die durch den Rückgang der Schülerzahlen frei werden, für die qualitative Verbesserung der Arbeit an den Schulen einzusetzen, sondern die entsprechenden Mittel auch für den Schuldenabbau zu verwenden. Das ist - darüber sind wir uns in der SPD klar - keine besonders populäre Aussage. Aber wenn wir den Schulbereich - unsere größte Haushaltskomponente - vollkommen unangetastet lassen, ist der Verfassungsauftrag, zum Ende des Jahrzehnts zu einem Verzicht auf Neuverschuldung zu gelangen, nicht einlösbar.

Worin wir uns nicht einig sind, ist die Frage, in welchem Tempo und in welchem Ausmaß das ge

(Heike Franzen)

schehen kann. Die Koalition hat die Streichung von zweimal 300 Stellen im Doppelhaushalt 2011/2012, also von 600 Stellen, beschlossen. Wir haben demgegenüber beantragt, nur zweimal 150 Stellen zu streichen.

Die Hochrechnungen für die Entwicklung der Schülerzahlen, die in dem Bericht dargelegt werden, liefern relativ ungenaue Prognosewerte, die Jahr für Jahr - erst recht, wenn die Zeiträume weit in der Zukunft liegen - von den tatsächlichen Werten abweichen. Verglichen mit der Prognose in dem Bericht vom letzten Jahr liegt die Schülerzahl an den allgemeinbildenden Schulen tatsächlich um 1.400 darüber, an den berufsbildenden Schulen dagegen um etwa 2.300 darunter.

Wegen der Umwandlung der Schularten ist die Entwicklung der Schülerzahlen an den einzelnen Schularten im Moment relativ unübersichtlich. Logischerweise verzeichnen die Gemeinschaftsschulen den größten und die Regionalschulen den zweitgrößten Zuwachs. Bei den Gymnasien gibt es keine Entlastung durch Schülerverluste, bei den Beruflichen Gymnasien einen leichten Zuwachs. Das ist gut, weil wir mehr Schülerinnen und Schüler brauchen, die die Hochschulreife erwerben wollen.

Ebenfalls sehr positiv ist der deutliche Rückgang an den Förderzentren, weil wir - auch ein Konzept der vorherigen Regierung - auf Inklusion, zumindest auf Integration möglichst vieler Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf setzen. Auf diesem Weg ist Schleswig-Holstein weit, aber, wie wir finden, noch nicht weit genug gekommen. Darüber haben wir im September im Zusammenhang mit dem Bericht zur Inklusion an dieser Stelle schon ausführlich debattiert.

Die Entwicklung der Klassenfrequenzen zeigt, dass die Regierung die Gemeinschaftsschulen benachteiligt. Während in der Sekundarstufe I an den Gymnasien die Klassenfrequenz um immerhin 0,3 Schülerinnen und Schüler zurückgegangen ist, ist sie an den Gemeinschaftsschulen gestiegen.

Es mag sich komisch anhören, weil es um wenige Schülerinnen und Schüler geht. Aber die Durchschnittszahlen im Land haben auch ihre Extremwerte. Wenn wir Klassen haben, die irgendwann zur Hochschulreife führen sollen, aber über längere Zeit hinweg mehr als 30 Schüler haben, wird es schon sehr schwierig für die Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer.

Ein Alarmzeichen für die Mängel bei der Versorgung der Schulen ist der im Landesdurchschnitt steigende Unterrichtsausfall mit Ausnahme der

Grundschulen - darüber haben wir eben schon gesprochen -, und zwar mit deutlich regionalen Unterschieden. Konsequenz: Für den nächsten Doppelhaushalt muss unabdingbar sein, dass der Vertretungsfonds mindestens auf der jetzigen Höhe von 12,1 Millionen € bestehen bleibt.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Flemming Meyer [SSW])

Die Vergleichszahlen mit den anderen Bundesländern bezogen auf das Schuljahr 2009/2010 - das ist die letzte Tabelle in dem Bericht -, für das die jetzige Landesregierung auch nur zum Teil Verantwortung trägt, zeigen, dass Schleswig-Holstein wie schon in der Vergangenheit bei der Zahl der Unterrichtsstunden pro Schülerin und Schüler in den einzelnen Schularten bestenfalls mittlere, überwiegend schlechte Werte hat und bei den Klassenfrequenzen etwas besser positioniert ist. Es sollte aber unser gemeinsames Ziel sein, im Länderranking nicht weiter abzusteigen. Das ist eines der wichtigen Ziele, die wir haben müssen.

Ich bitte darum, diesen Bericht zur abschließenden Beratung in den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir in der Debatte fortfahren, begrüßen Sie mit mir Mitglieder des Jugendmigrationsdienstes der AWO aus Kiel und Neumünster. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat jetzt Frau Abgeordnete Cornelia Conrad.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für den umfassenden Bericht. Fast auf den Tag genau vor einem Jahr habe ich hier gestanden und Ihnen prophezeit, dass der diesjährige Bericht noch bessere Zahlen aufweisen wird - und ich habe recht behalten.

(Beifall bei der FDP - Zurufe von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Oh!)

Die Unterrichtsstunden an den allgemeinbildenden Schulen konnten wir trotz Haushaltskonsolidierung

(Dr. Henning Höppner)

um rund 7.500 Stunden steigern, und das bei zurückgehenden Schülerzahlen.

(Unruhe - Peter Eichstädt [SPD]: Wir hören Ihnen aufmerksam zu!)

Das Wort hat jetzt Frau Abgeordnete Conrad. Ich bitte Sie fortzufahren.

Die Stundenversorgung pro Schülerin und Schüler hat sich deutlich verbessert. In klaren Zahlen bedeutet dies eine Steigerung von 1,42 auf 1,48 Stunden, ein Zuwachs von 4,2 %, womit wir fast überall über dem Bundesdurchschnitt liegen.

Hervorzuheben ist auch, dass wir heute bei einer Schüler-Lehrer-Relation von 17,3 liegen, die im nächsten Jahr sogar auf unter 16,8 sinken wird. Zum Vergleich: Unter Rot-Grün kamen noch 19 Schülerinnen und Schüler auf eine Planstelle.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, bereits im letzten Jahr war zu erkennen, dass das Interesse am Gymnasium weiterhin ungebrochen ist. Lediglich 9 % der Schülerinnen und Schüler mit einer Gymnasialempfehlung haben sich für eine Regionaloder Gemeinschaftsschule entschieden. Das zeigt, welch hohen Stellenwert der gymnasiale Bildungszweig in unserem Schulsystem einnimmt. Wenn Sie, meine Damen und Herren auf der linken Seite dieses Parlaments, an dieser Säule stetig rütteln, müssen Sie wissen, dass Sie gegen das Interesse der Eltern und der Schülerinnen und Schüler in unserem Lande handeln.

(Beifall bei der FDP)

Wir jedenfalls respektieren den Willen vieler Eltern, Schülerinnen und Schüler.

(Zuruf von der SPD: Wir auch!)