Protokoll der Sitzung vom 16.11.2011

Die Anpassung ist rechtlich geboten, und sie wird auch durchgeführt. An geltendem Recht kommen wir nicht vorbei. Deshalb können wir gar nicht dagegen sein, dass Bund und Länder diese Aufgabe gemeinsam schultern.

Dass die Kassen der Länder und Gemeinden dadurch mit 2 Milliarden € belastet werden, ist schmerzlich, aber nicht zu ändern.

Zweitens. An die kalte Progression heranzugehen, führt zu mehr Steuergerechtigkeit und ist daher im Grundsatz richtig. Wer 100 € mehr bekommt, weil er befördert worden ist oder eine Gehaltserhöhung bekommt - ob im Monat oder im Jahr, ist mir völlig egal -, der muss -

(Zuruf von der SPD)

- Sie können auch 1.000 € nehmen, Frau Kollegin. Wenn also jemand 100 € mehr bekommt, dann muss er das meiste bei sich in der Kasse behalten können.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ihm aber der Staat das meiste abnimmt, dann stimmt etwas mit unserem Steuersystem nicht. Das

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

wissen Sie doch auch. Das haben Sie doch auch immer beklagt.

Deswegen ist es richtig, dass der Bund diese Entscheidung getroffen hat. Es ist folgerichtig, dass er die finanzielle Last seiner Entscheidung allein trägt. Diese Entscheidung kostet das Land nichts. Im Gegenteil, sie bringt den Menschen in Schleswig-Holstein mehr Kaufkraft. Was sollten wir eigentlich dagegen haben?

Drittens. Das geplante Betreuungsgeld für Kleinkinder sichert den Familien die Wahlfreiheit zwischen der Kita-Betreuung und der familiären Betreuung durch einen Elternteil. Ich sage hier ganz deutlich: Ich bin für diese Wahlfreiheit.

(Beifall bei der CDU)

Mein Bild von Erziehung ist es nicht, dass Kinder gleich nach der Geburt irgendwo abgegeben werden, um die Familien aus der Verantwortung der Erziehung zu entlassen. Das bekenne ich hier. Ein solches Vorgehen entspricht nicht meinem Bild. Ich sage das ganz offen.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Robert Habeck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Habeck, das hat doch nichts mit dem Kindergeld zu tun. Das ist eine völlig andere Sache. Kindergeld gewähren wir für alle Kinder. Deshalb meine ich, dass wir das Kindergeld, das wir an Arme und Reiche auszahlen, anders viel besser verwerten können.

Viertens. Wer den Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte weiter öffnen will, wer die Pflegeversicherung demografiefest machen will und 1 Milliarde € zusätzlich in die Verbesserung der Infrastruktur investiert, der stellt sich den Herausforderungen der Zukunft. Schleswig-Holstein profitiert davon ganz konkret. Die neue Schleuse in Brunsbüttel kann so schneller Realität werden. Unsere Bürger haben mehr Geld in der Tasche. Die Wirtschaft kann ihren Fachkräftebedarf leichter decken. In Relation dazu sind die finanziellen Auswirkungen für Schleswig-Holstein nicht nur überschaubar, sie sind obendrein auch noch die Folge einer verfassungsrechtlich gebotenen Entscheidung.

Das Ganze ist daher kein Rettungsschirm für eine Koalition, das Ganze ist vielmehr ein Gebot der Gerechtigkeit, ein wachstumsförderndes Gebot obendrein. Wir lassen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger teilhaben am wirtschaftlichen Aufschwung, den die Politik von CDU, CSU und FDP herbeigeführt hat.

Es ist klar, dass dies der Opposition aus rein oppositionellen Gründen nicht passt. Für Deutschland, für Schleswig-Holstein und für die Menschen in unserem Land ist das aber gut. Allein darauf kommt es an.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ich erlaube mir eine Zwischenbemerkung. Nach der Rede der Landesregierung ist es für jede Fraktion möglich, einen weiteren Fünfminutenbeitrag zu leisten. Diese Beiträge rufe ich jetzt auf.

Es gibt den einen oder anderen Kollegen, der mir drei Finger zeigt und damit wahrscheinlich um einen Dreiminutenbeitrag am Ende der Debatte bittet. Damit diese Kolleginnen und Kollegen am Ende der Debatte nicht enttäuscht sind, weise ich darauf hin, dass sie nicht aufgerufen werden, weil die Geschäftsordnung dies nicht vorsieht.

Auf der Zuschauertribüne begrüße ich einen ständigen Gast, nämlich den früheren Abgeordneten Günter Neugebauer. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wunderbar, wenn man Ihnen zuhört, weil man dann nämlich merkt: Die Koalition ist wirklich in einer Verfassung, in der das Einzige, worauf Sie sich noch beziehen können, ist, dass Sie einen gemeinsamen Beschluss fassen. Er kann unsinnig, er kann falsch, er kann ungerecht sein - aber dass Sie überhaupt etwas zusammen beschließen, ist eine Großtat, das ist etwas Besonders, und das sieht jeder.

Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar dafür, dass Sie Ihr familienpolitisches Bild hier noch einmal dargelegt haben. Es ist dann nämlich klar, was Sie meinen. Sie sind in der Tat für die „Fernhalteprämie“. Der Kollege Kubicki hätte sich die Belehrung des Kollegen Habeck sparen können. Denn das Copyright auf den Begriff „Herdprämie“ hat Frau Pieper. Die hat das auf einem Parteitag der FDP im Jahre 2007 gesagt. Da müssen Sie ihn gar nicht angreifen. Ihre geliebte Parteifreundin aus Sachsen-Anhalt hat den Begriff geprägt.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Was ich nicht fassen kann, ist, mit welcher Dreistigkeit Sie die Unwahrheit sagen. Da haben wir das Geld, um den Kanal zu modernisieren, im Paket drin. Sie nehmen es wieder raus,

(Zuruf von der SPD: Ja!)

tun weniger hinein, nachdem wir massiv protestiert haben, Anträge geschrieben haben, die Ihre Parteifreunde auch ablehnen - und dann wollen Sie dafür auch noch Lob haben. Ich kann das nicht fassen. Da geht einer in einen Laden, nimmt etwas mit raus, wird erwischt, muss es zurückgeben und will dafür gelobt werden. Das ist wirklich eine sehr merkwürdige Logik; das muss ich Ihnen ehrlich sagen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Wenn Sie schon für so wenig Lob haben wollen, muss es schlecht um Sie stehen.

(Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] mit drei hochgehobenen Fin- gern - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Es gibt keine Dreiminutenbeiträge!)

Herr Ministerpräsident, Sie waren eben so großzügig zu sagen, unter Gerhard Schröder seien es fünf Millionen Arbeitslose gewesen, und seitdem Sie regierten, sei das alles besser geworden. Ich will Ihnen eines sagen: Unter dem Ministerpräsidenten Carstensen ist Schleswig-Holstein Spitzenland geworden, was die Niedriglöhne angeht, und zwar vor Sachsen-Anhalt und allen anderen. Das ist der Sachverhalt, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD - Johannes Callsen [CDU]: Das stimmt doch nicht!)

Sie kneifen, wenn es um echte Mindestlöhne geht, weil Sie nicht damit zurechtkommen.

(Christopher Vogt [FDP]: Ihre Wirtschafts- politik!)

Infam ist das, was Sie, Herr Kollege Kubicki, zum Thema Pflege gesagt haben. Wir wollen wirklich Verbesserung für Demenzkranke haben. Dann muss man das aber auch machen und darf nicht nur eine Pflegeversicherung 0,1 % plus einführen, die das gar nicht bringen kann, und eine Form -

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Sie hätten das längst machen können! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] - Glocke des Präsidenten)

- Die Kollegen sind ein bisschen aufgeregt; ich verstehe das. Wenn ich in Ihrer Lage wäre, wäre ich das auch.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist peinlich! - Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: So, wie Sie formulieren, Sie auch!)

Aber es ist doch so. Was Sie machen wollen, ist: Sie wollen das wie bei den Mindestlöhnen, gegen die Sie sind und bei denen der Staat Dumpinglöhne finanziert, auch in der Pflegeversicherung haben, nämlich dass sich die Pflege nur die leisten können, die Wohlverdiener und Großverdiener sind, und die anderen Sozialtransfers brauchen. Das ist ungerecht. Das ist nicht in Ordnung. Das müssen wir ändern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Kommen Sie nicht immer mit dem Existenzminimum! Jawohl, das muss geregelt werden. Das schreibt die Verfassung vor. Niemand ist dagegen. Es gibt übrigens einen Bericht dazu, der noch nicht vorliegt. Wenn der kommt, wird das gemacht. Das jetzt in das Paket rein zu tun und zu sagen, „das schenken wir euch, das zahlt der Bund allein, und dann müsst ihr den ganzen anderen Mist, der da drin ist, auch mit beschließen“,

(Zuruf des Abgeordneten Johannes Callsen [CDU])

was ist das für eine Vorstellung von Politik? Das ist nicht Politik, das ist Unfug, das ist reiner Unfug. Den machen wir nicht mit.

Jetzt zur Entlastung, zu der tollen Gerechtigkeit bei der Steuer, von der Sie reden!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Sie verkaufen, dass ein Großteil der Arbeitnehmer, die diesen Reichtum übrigens mit erarbeiten, den wir haben, gar nichts oder 1 € oder ein Normalverdiener ein Drittel der Entlastung bekommt, die Sie als Landtagsabgeordneter bekommen, als sozialpolitische Gerechtigkeitstat. Das glaubt Ihnen doch kein Mensch. Dann landen Sie am Ende doch bei den 2 %, die Sie heute in den Umfragen haben. Die haben Sie doch richtig verdient, Herr Kollege Kubicki.

(Beifall bei der SPD)