Protokoll der Sitzung vom 17.11.2011

Zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nicht dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Wir haben im Vorfeld, auch am Rande der Beratungen im Ältestenrat, darauf hingewiesen, dass wir uns in weiten Teilen einig sind und ob es nicht angesichts dieser Tatsache Sinn macht, zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen, und zwar auch mit der Möglichkeit, diesen Tagesordnungspunkt ohne Aussprache zu behandeln. Das war von einigen Oppositionsparteien ausdrücklich nicht gewünscht. Es gab im Vorfeld auch keine weiteren Signale, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen. Deswegen bleiben wir bei unserem Abstimmungsverhalten. Es steht Ihnen ja frei, im Rahmen der Selbstbefassung das Thema in den Ausschüssen aufzugreifen.

(Beifall des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Meine Damen und Herren, ich interpretiere jetzt Ihre Debatten ein bisschen in die Richtung, dass über den Antrag der CDU und FDP in der Sache abgestimmt werden soll und dass beantragt wurde, den Antrag der Fraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW an den Ausschuss zu überweisen. Sollen wir erst einmal so verfahren? - Es gibt noch eine Bitte. Frau Kollegin Anke Spoorendonk möchte noch einen Hinweis geben. - Bitte.

(Flemming Meyer)

Entschuldigung, Frau Präsidentin, es ist vielleicht nicht ganz so nach den Regeln der Geschäftsordnung, aber ich hatte vernommen, dass noch einmal der Versuch unternommen werden sollte, zu einem gemeinsamen Antrag zu kommen.

(Jürgen Weber [SPD]: Herr Callsen hat ge- sagt, dass das nicht gewünscht ist!)

- Dann habe ich das missverstanden. Ich dachte, dass das eigentlich noch in der Überlegung war. Für den SSW kann ich wiederholen, was Herr Meyer gesagt hat: Wir können beiden Anträgen zustimmen.

Okay. Wir haben die Aussprache noch nicht beendet.

(Unruhe bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Liebe Kollegin Heinold - - Danke. Ein Mikrofon ist manchmal sehr hilfreich; ich sollte das auch für den Raum 108 beantragen.

(Heiterkeit)

- Entschuldigung.

Wir sind mit der Aussprache noch nicht am Ende. Falls Sie das Gefühl haben, Sie könnten noch eine Einigung erzielen, bestünde dazu noch Gelegenheit. Wir setzen die Aussprache zunächst fort. Ich erteile Frau Ministerin Dr. Rumpf das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wir werden uns für ein Haltungsverbot von Wildtieren in Zirkusbetrieben einsetzen.“ - So steht es im Koalitionsvertrag von CDU und FDP auf Landesebene. Ich unterstütze diese Zielrichtung. Die Argumente sind hier von allen Fraktionen vorgetragen worden. Es kann nicht sein, dass nicht domestizierte Tierarten mit ihren Ansprüchen an Bewegung und Sozialverhalten in ganz einfachen Gehegen und engen Transportwagen die meiste Zeit ihres Daseins verbringen. Den Anforderungen der Tiere stehen die Haltungsbedingungen und die notwendige Flexibilität der Zirkusunternehmen entgegen, sodass die Gegensätze schwer unter einen Hut zu bringen sind.

Die Folgerungen daraus sind genannt worden. Die Tiere haben längere Ruhezeiten. Die dösen vor sich hin. Diese Reizverarmung führt zu erhöhter Träg

heit und zu Fehlverhalten. Das Weben ist genannt worden dieses monotone, stundenlange Hin- und Herbewegen des Kopfes. Das kennen viele von Ihnen.

Wie können wir diese Gegensätze auflösen? Was können wir aus für die betroffenen Tiere tun, um ihre Situation zu verbessern? - Denn das ist es ja, was uns beim Tierschutz immer zu beschäftigen hat. Der erste Anstoß war die Initiative 2003 im Bundesrat, die ein grundsätzliches Verbot der Haltung wildlebender Tierarten im Zirkus erreichen wollte. Das Bundeslandwirtschaftsministerium hatte insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken, da es zu einer Beeinträchtigung der Grundrechte der Berufsausübungs- und Berufswahlfreiheit der Zirkusbetreiber und insbesondere der Artisten kommen kann, die mit den entsprechenden Tiernummern auftreten. Als milderes Mittel wurde zunächst das Zirkusregister beziehungsweise die Zirkusregisterverordnung angenommen. Diese ist im März 2008 in Kraft getreten. Aus meiner Sicht ist das schon eine Verbesserung. Das hilft uns im Verzug weiter. Das hilft auch den Tieren in bestimmten Situationen. Deshalb würde ich das nicht so vom Tisch wischen. Das ist eine Verbesserung im Sinne der betroffenen Tiere. Aber wir alle stimmen darin überein: Das Grundproblem der eingeschränkten Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Wildtiere in Zirkussen ist dadurch natürlich nicht gelöst.

Im Bundesrat haben wir uns mit der Frage des Verbots wildlebender Tierarten im Zirkus beschäftigt. Diese Anträge sind intensiv vorberaten worden. Der Agrarausschuss hat sein Votum abgegeben. 15 Stimmen dafür, mit Schleswig-Holstein. Ich denke, dass das eine breite Mehrheit und ein gutes Signal ist. Mit der Entschließung wird die Bundesregierung aufgefordert, eine Rechtsverordnung mit einem Verbot des Haltens von Tieren bestimmter wildlebender Arten in Zirkusbetrieben vorzulegen. Genannt sind da insbesondere Affen, Elefanten, Großbären, Giraffen, Nashörner und Flusspferde, für die das Verbot gelten soll.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

In der Begründung zu dem Antrag wird ausführlich den bislang von Bundesseite vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken Rechnung getragen. Die Zielrichtung der Initiative wird von uns unterstützt, und die heute zur Debatte vorgelegten Anträge gehen beide in diese Richtung. Insofern empfinde ich beide Anträge als Unterstützung und bedanke mich für diese Unterstützung.

(Beifall im ganzen Haus)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Jetzt haben Sie auch ein Mikrofon, Frau Heinold.

(Heiterkeit)

Ich freue mich, dass ich so nett behandelt werde. Vielen Dank.

Ich beantrage in Absprache mit fast allen - ich muss es korrekterweise so sagen, nicht allen, aber fast allen - Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, dass wir die Abstimmung über beide Anträge jetzt zurückstellen, um in der Mittagspause noch einen Einigungsversuch zu unternehmen. Danach wird abgestimmt, entweder gemeinsam oder nicht gemeinsam.

(Vereinzelter Beifall)

Vielen Dank, Frau Heinold. Dann werden diesen Tagesordnungspunkt jetzt vorübergehend schließen, und ich unterbreche die Sitzung für die Mittagspause. Ich wünsche Ihnen allen guten Appetit. Wir sehen uns um 15 Uhr wieder.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung: 13:06 bis 15:04 Uhr)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Sitzung ist wieder eröffnet. Wir fahren in der Tagesordnung fort.

Bevor wir dies tun, möchte ich noch kurz auf etwas hinweisen. Bei dem letzten Tagesordnungspunkt vor der Mittagspause, dem Tagesordnungspunkt 17, gab es Unklarheit darüber, wie man in der Abstimmung mit den Anträgen verfährt. Die Fraktionen haben mir mitgeteilt, dass es darüber eine Einigung gibt. Diese wird jetzt gerade in Schriftform gegossen. Danach werden wir sicher entweder im Laufe des heutigen Tages oder morgen

(Antje Jansen [DIE LINKE]: Heute noch!)

eine Vorlage bekommen und ein geordnetes Abstimmungsverfahren durchführen. Ich wollte Ihnen das nur schon einmal zur Kenntnis geben. Dieser Punkt wird irgendwann im Laufe der Tagung wie

der aufgerufen werden. Dann wird ohne Aussprache abgestimmt werden.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 20 und 39 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Demenzplan für Schleswig-Holstein erstellen

Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und SSW Drucksache 17/1888 (neu) - 2. Fassung

Demenzversorgung als Teil einer regional organisierten sozialräumlichen Pflegeinfrastruktur

Änderungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/2005

b) Bessere Anerkennung und Rahmenbedingungen in der Pflege

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/1963 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2007

Das Wort zur Begründung wird offenbar nicht erwünscht, deshalb erteile ich nunmehr für die SSWFraktion dem Herrn Kollegen Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Demenz ist ein Problem, das unsere gesamte Gesellschaft angeht. Sie ist eine große Herausforderung für die Betroffenen und auch für ihre Familien. Denn wir wissen, dass mehr als zwei Drittel der bundesweit rund 1,3 Millionen Demenzkranken von ihren Angehörigen versorgt werden. Doch Schätzungen zufolge wird diese Zahl ohne einen medizinischen Durchbruch bis zum Jahr 2050 auf bis zu 4,8 Millionen steigen.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der katastrophalen Personalsituation im Pflegebereich ist diese Zahl schockierend. Meiner Meinung nach sind wir an einem Punkt, an dem es nicht mehr reicht, auf Einzelprobleme der Demenzbetreuung zu schauen.

(Ministerin Dr. Juliane Rumpf)

Was wir brauchen, um dieser wachsenden Herausforderung zu begegnen, ist ein Gesamtkonzept. Dabei muss es das übergeordnete Ziel sein, die Lebensqualität von Demenzkranken und ihren Angehörigen zu verbessern.

Damit hier kein Missverständnis entsteht: Ich will ganz sicher nicht unterstellen, dass die Landesregierung in dieser Angelegenheit die Hände in den Schoß legt. Wichtige und sinnvolle Maßnahmen, wie etwa die Schaffung des Kompetenzzentrums Demenz mit Sitz in Norderstedt, sind auf den Weg gebracht worden. Hier sollen die Versorgungsstrukturen des Landes für Menschen mit Demenz ausgeweitet, verbessert und in ihrer Qualität erhalten werden. Auch die Entwicklung von neuen und besseren Entlastungsangeboten für Angehörige und landesweite Informationskampagnen werden damit in Angriff genommen. Dies erkennt der SSW ausdrücklich an. Doch die Frage ist, ob diese sinnvollen Maßnahmen allein ausreichen.

Ein wesentlicher Vorteil des aktuellen Demenzreports, der Grundlage für den vorliegenden Antrag zum Demenzplan ist, sind die regional differenzierten Daten. Sie zeigen klar und deutlich, dass wir hier in Schleswig-Holstein schon bis zum Jahr 2025 mit einem Anstieg der Demenzkrankheiten von 50 bis 70 % rechnen müssen. Wenn es also darum geht, die zukünftige Versorgung dieser Menschen sicherzustellen, dann ist es aus Sicht des SSW dringend notwendig, schon heute mehr zu tun: Neben einer umfassenden Bestandsaufnahme und Analyse der Situation von Demenzkranken und ihren Angehörigen müssen zum Beispiel auch die verschiedenen Krankheitsformen intensiver erforscht werden.