Protokoll der Sitzung vom 14.12.2011

Wenn es nicht so tragisch wäre, dann könnte man in diesem Fall sagen: Aus der Koalition des Aufbruchs ist eine Koalition des Abbruchs geworden. Im Bereich des Denkmalschutzes ist dies aber wirklich traurig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Herr Wengler, Sie waren nach der Anhörung völlig bedient von der massiven Kritik, die vorgetragen wurde, und trotzdem macht die Union heute mit. Meine Herren von der CDU, ich glaube, Sie haben sich völlig verkalkuliert, was dieses Gesetz angeht. Sie haben offenbar gedacht, der Denkmalschutz sei ein Nischenthema, und haben es deshalb der Nischenpartei FDP zum Fraß vorgeworfen. Sie haben völlig unterschätzt, welch bitterböse Briefe es vor allem aus Ihrem Milieu gab, nämlich vom Heimatbund, von Menschen, denen der Erhalt ihrer Häuser etwas bedeutet und die mit dem Umgebungsschutz einen Rechtsanspruch verbunden haben wollen, sich gegen Leuchtreklame und Spielbanken neben ihren denkmalgeschützten Häusern zu wehren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie vereinzelt bei SPD und SSW)

Sie haben unterschätzt, wie sehr der Denkmalschutz zusammen mit dem Naturschutz das Heimatverständnis der Menschen in Schleswig-Holstein artikuliert. Sie werden mit diesem Gesetz einmal mehr die Menschen verprellen, die unter konservativ etwas anderes verstehen als Deregulierung, Steuersenkung oder Glücksspiele. Sie werden einmal mehr die Menschen verprellen, denen Tradition, Geschichte und Kultur in Schleswig-Holstein etwas gilt.

(Zuruf von der FDP: Sie wollen Ökosubven- tionen!)

Meine Damen und Herren, man kann Ihnen nicht vorwerfen, Sie würden Ihre Pläne nicht ändern. Es wäre falsch, wenn man Ihnen in diesem Zusammenhang Engstirnigkeit vorwerfen würde. Wir haben schon gehört, dass die 1950-Regelung zu einer

(Kirstin Funke)

65-Jahre-Frist wird. Das führt ohne Frage dazu, dass alle Gebäude, die in diese Frist hineingeraten, vorher abgerissen oder umgebaut werden. Dies wäre also faktisch eine Verschlechterung des Denkmalschutzes.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Wortmeldung des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Schließlich bedeutet die Übertragung der Genehmigungspflicht auf die untere Denkmalschutzbehörde, dass es faktisch keinen landesweiten Standard im Denkmalschutz in Schleswig-Holstein mehr geben wird. Das heißt, ein Kulturdenkmal, das im Kreis X denkmalgeschützt wird, würde im Kreis Y nicht denkmalgeschützt werden können. Das ist der Kern des Problems, Herr Kubicki. Das möchte ich Ihnen sagen, bevor Sie Ihre Frage stellen. Sie haben nicht verstanden, was Denkmalschutz eigentlich bedeutet. Es ist ein Ordnungsrecht, und Ordnungsrecht bedeutet, das Interesse der Allgemeinheit im Zweifelsfall gegenüber persönlichen Interessen durchsetzen zu können. Das ist der Sinn von Denkmalschutz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Abgeordneter, Sie gestatten eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki?

Deswegen habe ich Luft geholt.

Herr Kollege Dr. Habeck, da ich weiß, dass viele das anders sehen, möchte ich Sie fragen: Habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie der Auffassung sind, die FDP habe sich durchgesetzt? Wenn das so ist, könnten Sie das bitte wiederholen?

- Wenn Sie das so gern hören wollen: In diesem Fall haben Sie sich durchgesetzt, aber mit einem grottenschlechten Gesetz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Herr Kubicki, es ist schon bemerkenswert, wie einfach man Ihnen eine Freude machen kann. Das ist unfassbar.

Ich komme zurück zu meinen Ausführungen. Wenn es ein Ordnungsrecht gibt, dann heißt das auch, dass das Recht zwischen den Ansprüchen der verschiedenen Beteiligten abgewogen werden muss. So läuft es im Übrigen auch. Die überwiegenden Zahl der Fälle im Denkmalschutz sind problemlos. Die Eigentümer stimmen sich mit den Denkmalschutzbehörden ab und bekommen im Übrigen für Ihre Investitionen in den Denkmalschutz eine Bescheinigung, mit der sie ihre Steuern mindern können.

Nun folgt etwas, was Sie offensichtlich noch gar nicht auf dem Schirm haben. Diese Bescheinigung stellt das Landesamt für Denkmalschutz aus. Wenn dieses Amt aber gar nicht mehr an den Entscheidungen über den Denkmalschutz beteiligt wird, aber eine Bescheinigung ausstellen muss, kann das doch gar nicht funktionieren. Wie kann das Landesamt für Denkmalschutz wissen, ob es diese Bescheinigung zu Recht oder zu Unrecht ausstellt? Also auch hier: mehr Schatten als Licht, mehr Unklarheit als Klarheit.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Der Verwaltung ist es entlang der definierten Interessen von Eigentümern, von Denkmalschutz und von Wirtschaft in den vergangenen Monaten gelungen, zu Kompromissen zu kommen, die bei puristischer Denkmalschutzsicht gar nicht möglich gewesen wären.

Windräder wurden errichtet, die Outdoorakademie auf dem Aschberg wurde errichtet, obwohl dort ein denkmalgeschütztes Bismarck-Denkmal steht. Mit Moderationen kann es gelingen, entlang von klar definierten Interessenlagen zu einem Ausgleich zu kommen. Eine Interessenlage ist der Denkmalschutz. Er muss sich in einer Interessenabwägung der Konkurrenz mit anderen stellen, auch den Konflikten. Er muss auch gelegentlich zurückstehen. Das liegt in der Natur der Sache. Aber er muss in diesem Wettbewerb eine faire Chance haben. Diese faire Chance wollen Sie ihm nehmen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Sie glauben, mit den ewigen Nachbesserungen - ich erinnere nur an den ersten, noch gar nicht offiziellen Entwurf, der aus der Ecke von CDU und FDP kam; ein Entwurf, der unfassbar schlecht war - hätten Sie nun ein gutes Gesetz geschaffen und übersehen den eigentlichen Grund, warum wir einfach nicht mitstimmen können. Sie handeln wie der Mann, dem von Wodka-Tonic, Rum-Tonic und

(Dr. Robert Habeck)

Gin-Tonic übel wurde, und der nach langem Grübeln zu der Erkenntnis kam: Es muss am Tonic liegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Das Wort für die Fraktion die LINKE erteile ich Herrn Abgeordneten Heinz-Werner Jezewski.

Vielen Dank, Herr Präsident! - Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ erlebt der Protagonist, der in einer Zeitschleife gefangen ist, jeden Tag aufs Neue wieder genau die gleichen Dinge. „Und ewig grüßt das Denkmalschutzgesetz“, so könnte der Film heißen, den wir hier gerade aufführen. Denn in der Grundstruktur gleicht er der eingangs erwähnten Hollywoodkomödie. Der einzige, aber dennoch gravierende Unterschied ist, dass es in Hollywood zu einem Happy End kommt, in Schleswig-Holstein aber wohl nicht.

Burkhard von Hennigs hat für den Denkmalrat Schleswig-Holstein die Kritik an dem jetzt zu beschließenden Gesetzentwurf treffend zusammengefasst. Dafür möchte ich ihm und dem Denkmalrat danken.

Ich zitiere einmal aus seinem Fazit:

„Auch die neueste am 1. Dezember vom Bildungsausschluss beschlossene Fassung der Novelle ist teils unklar, teils für den Erhalt der Denkmale und erhaltenswerten Kulturlandschaft völlig unbefriedigend, ja unzureichend. In Teilen ist die Novelle ein offensichtlicher Skandal.“

(Beifall bei der LINKEN)

Und auch den Grund dafür erkennt Herr Hennings und nennt ihn in seinem Fazit. Ich zitiere erneut:

„Dem Gesetzentwurf merkt man nach wie vor an, dass er in unziemlicher Eile und ohne ausreichenden Fachverstand allein durch das Parlament erstellt wurde. Auch notwendige in der öffentlichen Anhörung monierte Unzulänglichkeiten beziehungsweise angemahnte Verbesserungen sind nur teilweise und nur in Trippelschritten vorgenommen worden.“

Ich denke, trefflicher kann man es kaum zusammenfassen, ganz abgesehen von der Allgemeingül

tigkeit dieses Urteils über die Gesetzgebungsarbeit in dieser Legislaturperiode, die Herr Hennigs aber sicherlich gar nicht im Sinn hatte.

Es geht wieder einmal nicht darum, die Anliegen des Denkmalschutzes aufzugreifen und die Interessen der am Denkmalschutz Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Es geht vielmehr darum, den Gesetzentwurf durchzubringen, bevor die Wählerinnen und Wähler dieser Regierung ein Ende machen. Es geht darum, die Lobbys zu befriedigen, die sich am effektivsten durchsetzen konnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Dazu braucht es keine fachliche Erörterungen, deren Ergebnisse sorgfältig und eben nicht in Trippelschritten in das Gesetz übernommen werden. Würde ich hier auf alle fachlichen Einwände zu dem Gesetzentwurf eingehen, müsste ich mindestens eine Stunde reden. Ich werde mich daher auf wenige, sowohl ablehnende als auch zustimmende, Stellungnahmen beschränken.

Der Denkmalrat Schleswig-Holstein verreißt zwar den gesamten Gesetzentwurf, aber einen Punkt daraus will ich besonders hervorheben: Sollte dieses Gesetz nämlich gültig werden, so wird unser Land demnächst nicht nur von den Goldgräbern der Glückspielbranche überrant werden, sondern auch von illegalen sogenannten Sondengängern. Denn nach Aussage des Denkmalrats liefern Sie 99 % der Fläche Schleswig-Holsteins der ungehinderten Ausplünderung durch Raubgräber aus.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ist doch sicherlich ein Tourismus, den Sie auch nicht wollen, oder?

(Beifall bei der LINKEN)

Gerade Ihnen müsste doch auch die Stellungnahme des Landesrechnungshofs, den Sie sonst immer bemühen, zu denken geben, der Ihnen bescheinigt, dass durch den Verzicht auf den vorläufigen Schutz in Ihrem Gesetzentwurf in letzter Konsequenz die folgenlose absichtliche Veränderung und sogar die Vernichtung besonderer Kulturdenkmäler möglich sein wird. - Folgenlos!

Aber ich verstehe schon, dass Ihnen die Aussage von Haus & Grund, einem der großen Immobilienbesitzervereine, viel wichtiger war. Er sagt nämlich, Investitionen müssen wirtschaftlich sein. Und das ist mit dem Gesetzentwurf von CDU und FDP gewährleistet.

(Dr. Robert Habeck)

(Lachen bei der FDP - Christopher Vogt [FDP]: Skandalös!)

Die Grundbesitzerverbände waren dann allerdings auch die einzigen, die mit dem jetzt zu beschließenden Gesetzentwurf einverstanden waren.

So weit ist das also alles ganz klar und ganz einfach: Lobbyinteressen erfüllt, Auftrag erledigt, wen kümmert schon der Denkmalschutz.