Ich erteile dem Berichterstatter des Sozialausschusses, Herrn Abgeordneten Christopher Vogt, das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Sozialausschuss hat den Antrag am 27. Oktober 2011 beraten und empfiehlt dem Landtag mit den Stimmen von CDU und FDP gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen, den Antrag abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zu diesem Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gute und gesunde Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein sind das Ziel. Wer dieses Ziel erreichen will, der muss sich auch mit der Arbeit und dem Wirken der staatlichen Aufsichtsbehörden, der Arbeitsschutzbehörden und der Unfallkasse Nord auseinandersetzen. Dies haben wir versucht, mit unserem Antrag im Hohen Haus zu erreichen, einem Antrag, der dann ohne Diskussion im Plenum an den Sozi
alausschuss überwiesen wurde und dort in der Sitzung am 27. Oktober - wie zu erwarten - von CDU und FDP abgelehnt wurde.
Warum nun ein erneuter Versuch, hier mit der Diskussion im Landtag die Bedeutung und die Notwendigkeit des Arbeitsschutzes und der Arbeitsgesundheit hervorzuheben? - Dafür gibt es aktuell aus meiner Sicht vier gute Gründe:
Erstens. Eine neue Studie der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit kommt zu dem kurzen und prägnanten Ergebnis: Prävention lohnt sich. In dieser Studie sind die Kosten und der Nutzen von Präventionsmaßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz für die Unternehmen bewertet worden. Untersucht werden in diesem Zusammenhang die Wirkung des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes auf Arbeitsund Verfahrensabläufe, Produktqualität, Betriebskultur und das betriebliche Image in der Öffentlichkeit. Die Studie der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit kommt zu dem überzeugenden Ergebnis, dass jeder Euro, der in betriebliche Sicherheit und Gesundheitsprävention investiert wird, eine Kostenersparnis von 2,20 € erbringt. Prävention lohnt sich also für Unternehmen - auch aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten.
Zweitens. Anfang November fand der Arbeitsschutz- und Arbeitsmedizinkongress in Düsseldorf statt, ein Kongress, der mit mehr als 5.000 Teilnehmern Fragen des individuellen Arbeitsschutzes, der betrieblichen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit diskutierte und eindeutig aufforderte, dies auch in der Zukunft auch in Deutschland zu stärken.
Drittens. Selbst die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat sich am 23. und 24. November 2011 mit dem Arbeitsschutz beschäftigt. Die Arbeits- und Sozialministerkonferenz hat beschlossen, die Reduzierung psychischer Gefährdungen am Arbeitsplatz ab dem Jahr 2013 zum zentralen Präventionsschwerpunkt für Gewerbeaufsicht und die gesetzliche Unfallversicherung zu machen.
Psychische Belastungen verursachen nach aktuellen Untersuchungen der Hans-Böckler-Stiftung Kosten von jährlich über 7 Milliarden €. Die Behandlungskosten psychischer Erkrankungen und der Anteil der Beschäftigten, die aufgrund psychischer Erkrankungen vorzeitig in Rente gehen, sind in den vergangenen Jahren gewaltig angestiegen. Also auch die Arbeits- und Sozialminister haben sich mit den Themen Arbeitsschutz und Prävention beschäftigt.
Viertens. Im Jahr 2010 gab es in Schleswig-Holstein 964.000 Arbeitsunfälle. Wenn man die 223.998 Wegeunfälle hinzurechnet, landet man bei über 1 Million Arbeitsunfällen im vergangenen Jahr. Das ist eine Zahl, die erschrecken muss.
Diese vier Punkte machen deutlich, dass Arbeitsschutz kein Nischenthema ist, sondern die Sicherheit und der Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz die Voraussetzungen dafür sind, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre Arbeit in einem guten Umfeld verrichten können und motiviert bleiben.
Ziel des Arbeitsschutzes ist es, gesundheitliche Risiken für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu verringern und damit für mehr Zufriedenheit und einen geringeren Krankenstand zu sorgen.
Der Abbau von Personalstellen - jetzt komme ich zur Kritik an der Landesregierung - und die Deregulierung von Aufgaben gefährden dagegen Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Dies gilt gerade im Bereich des Arbeitsschutzes. Die Zahl der Gewerbeaufsichtsbeamten in Schleswig-Holstein liegt bei 34 und soll weiter gesenkt werden. Es ist unvorstellbar, wie dann diese Aufgaben, die natürlich in diesen Konferenzen beschrieben werden, die aber auch auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz verabredet worden sind, in Schleswig-Holstein umgesetzt werden sollen.
Gleichzeitig gab es aber auch im Zeitraum von 2008 bis 2012 den Auftrag der Europäischen Union, Arbeitsunfälle um 25 % zu reduzieren. Das ist mit der Beratung über Gefährdungen, aber auch mit der Überprüfung von Betrieben verbunden. Das ist eine Aufgabe, für die in Schleswig-Holstein viel zu wenig Fachpersonal zur Verfügung steht.
Andere Bundesländer gehen hierbei andere Wege. So will Nordrhein-Westfalen 60 Stellen bei der Gewerbeaufsicht neu besetzen.
Zusammenfassend bleibt festzuhalten: Qualifizierungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Raum für Kreativität, Aufstiegsmöglichkeiten, Arbeitszeitgestaltung, Arbeitszeitintensität, berufliche Zukunftsaussichten und Arbeitsplatzsicherheit wie auch präventiver Arbeitsschutz und Arbeitsgesundheit sind Anforderungen an die Wirtschaft und an die Unternehmen. Die Erfüllung dieser Anforderungen muss von der Gesellschaft und von einem funktionierenden Sozialstaat überwacht werden.
Deshalb brauchen wir auch in Schleswig-Holstein einen Arbeitsschutz auf der Höhe der Zeit. Dies wollen wir mit unserem Antrag dokumentieren.
Darum heute noch einmal der Appell an die regierungstragenden Fraktionen, sich diesem Anliegen nicht zu verschließen und sich der Herausforderung nicht zu verweigern, sondern sich ebenfalls für eine Stärkung des Arbeitsschutzes in Schleswig-Holstein einzusetzen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Arbeitsschutz ist wichtig und notwendig. Im vergangenen Jahr lag die Quote der Arbeitsunfälle auf dem zweiniedrigsten Niveau seit Beginn der statistischen Aufzeichnung. Ein Jahr zuvor hatten wir den besten Wert seit Beginn der statistischen Erhebungen zu verzeichnen. Der leichte Anstieg hängt damit zusammen, dass der Winter recht streng war. Herr Baasch, deshalb hat sogar mancher Abgeordneter aufgrund der Glätte sein Gleichgewicht verloren.
Das zeigt aber auch, dass der Arbeitsschutz in Schleswig-Holstein gesichert ist. Die staatliche Arbeitsschutzbehörde ist bei der Unfallkasse Nord mit den Standorten in Kiel, Itzehoe und Lübeck angesiedelt. Für Arbeitnehmer und Betriebe ist sie somit relativ gut erreichbar.
Die Aufgabenbereiche sind umfassend. Dabei steht der Mensch im Mittelpunkt der Betrachtung; denn Arbeitsschutz ist ein hohes Gut. Die Instanzen arbeiten hervorragend und sind umfassend vernetzt, und zwar sowohl fachübergreifend als auch bundesund EU-weit.
Die fach- und branchenspezifischen Unfallversicherungsträger und die Berufsgenossenschaften als Selbstverwaltungsorganisation leisten gute Arbeit.
Landwirtschaft und Tierhaltung zum Beispiel bedingen ein anderes Risiko als ein Büroarbeitsplatz. Mehr Eigenverantwortung und risikoorientierte Steuerung der Kontrollen gewährleisten ein Optimum für den Arbeitsschutz bei gleichbleibendem Budget. Nicht die Kontrolle der Kontrolle wegen, sondern effiziente Kontrollen sind das Ziel. Dies ist durch eine risikoorientierte Steuerung der Kontrollen gesichert. Ein Mehr ist angesichts der geerbten Schuldenlast weder möglich noch sinnvoll.
Ebenso ist der Vorsitz im Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) auf die Dauer von drei Jahren für unser Land finanziell nicht vertretbar.
Der Vorsitz bindet Personal und dient mehr dem Prestige als dem Arbeitsschutz. Der Arbeitsschutz ist aber doch unser Ziel. Daher begrüßen wir die Initiative zur Neuausrichtung des LASI. Das Ziel ist eine Straffung und Optimierung bei der länderübergreifenden Zusammenarbeit im Bereich des Arbeitsschutzes. Daran arbeiten wir im Land Schleswig-Holstein aktiv mit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Arbeitsschutz hat auch für die FDP-Landtagsfraktion eine große Bedeutung. Die Sicherheit am Arbeitsplatz beziehungsweise der Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an ihrem Arbeitsplatz ist in einer sozialen Marktwirtschaft mehr als nur Unfallverhütung.
Der Erhalt der Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewinnt in unserer Gesellschaft zum Glück immer mehr an Bedeutung. Der Kollege Neve hat dies vorhin bereits angesprochen. In einer Gesellschaft, die immer älter wird und in der wir deshalb auch immer länger arbeiten müssen, ist dies nicht nur für den einzelnen Arbeitnehmer von großer Bedeutung, sondern auch für die gesamte Gesellschaft. Ich bin mir sicher, die große Mehrheit der Arbeitgeber in unserem Land sind sich der zunehmenden Bedeutung des Arbeitsschutzes bewusst; denn diese erhöht auch die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Unternehmen. Die Gesundheit der Mitarbeit ist ein großes Anliegen der meisten Unternehmen in unserem Land.
Die SPD-Landtagsfraktion hat es mit ihrem Antrag daher sicher gut gemeint, aber gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. In diesem Fall ist es schon gar nicht gut gemacht. Vor einigen Wochen haben wir diesen Antrag bereits im Sozialausschuss beraten.
Allein der Anlass Ihres Antrags spricht schon gegen die Zustimmung zu diesem Antrag. Dies betrifft die Übernahme des LASI-Vorsitzes durch SchleswigHolstein. Das jeweilige LASI-Vorsitzland übernimmt nämlich nur Koordinierungsaufgaben der bundes- und EU-weiten Akteure des Arbeitsschutzes. Der Vorsitz für drei Jahre wäre für SchleswigHolstein mit zusätzlichem Aufwand verbunden, der dem Arbeitsschutz in unserem Land nicht dienen würde.
Der Vorsitz wäre angesichts der Personalsituation in diesem Bereich für die Überwachung des Arbeitsschutzes in Schleswig-Holstein sogar kontraproduktiv. Nach meiner Kenntnis hat das Land Bremen den LASI-Vorsitz in jedem Fall noch im Jahr 2012 inne. Die Diskussion, die es derzeit zwischen den Bundesländern gibt, bezieht sich also auf die Zeit ab dem Jahr 2013.
Meine Damen und Herren, die staatliche Arbeitsschutzbehörde ist seit einigen Jahren bei der Unfallkasse Nord angesiedelt. Die ehemalige Sozialministerin Dr. Gitta Trauernicht von der SPD hat das Personal, das im Vollzugsbereich des Arbeitsschutzes tätig ist, zum 1. Januar 2008 auf die Unfallkasse Nord übertragen. Das scheint der SPD entgangen zu sein. Ansonsten würde sie nämlich in ihrem Antrag nicht fordern, dass die Landesregierung ein Personalentwicklungskonzept für den Arbeitsschutz in Schleswig-Holstein vorlegen soll. Die Landesregierung hat seit dieser Verlagerung im Jahr 2008 überhaupt keinen unmittelbaren Einfluss mehr auf die Personalentwicklung. Deshalb macht es auch keinen Sinn, dass Sie ein Konzept hierfür fordern.
Meine Damen und Herren, im Bereich des Arbeitsschutzes ersetzt die Systemkontrolle immer mehr die Einzelprüfung, die in der Vergangenheit vorrangig vorgenommen wurde. Das ist meines Erachtens auch sinnvoll, weil die Probleme an der Wurzel gepackt werden müssen. Dies gilt insbesondere für den Bereich des Arbeitsschutzes. In diesem Geiste wird auch derzeit das Arbeitsschutzkonzept des Landes als Grundlage für das künftige Aufsichtshandeln im Land fortgeschrieben. Wir unterstützen dies ausdrücklich. Dieser Ansatz ist auch für den Baubereich völlig richtig. Die Überwachung des Arbeitsschutzes in der Seeschifffahrt wird in
Aus unserer Sicht ist dies umfassend geregelt. Wir sehen deshalb keinen weiteren Handlungsbedarf. Das Arbeitsschutzkonzept des Landes ist ungefähr sieben bis acht Jahre alt und befindet sich derzeit in Überarbeitung. Ich glaube, es macht Sinn, dass sich der zuständige Ausschuss, in diesem Fall der Sozialausschuss in einigen Monaten noch einmal damit befasst und dies umfassend berät.
Meine Damen und Herren, zusammengefasst kann man sagen, die Übernahme des LASI-Vorsitzes macht für Schleswig-Holstein keinen Sinn und würde dem Arbeitsschutz in Schleswig-Holstein einen Bärendienst erweisen. Die Forderungen der SPD in ihrem Antrag sind entweder nicht sinnvoll oder bereits umgesetzt. Aus diesen Gründen werden wir dem Ausschussvotum folgen und den SPD-Antrag ablehnen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wie immer: Ist das Glas halb voll, ist das Glas halb leer, ist es eine Chance, ist es ein Risiko? Der Vorsitz im Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik ist eine Chance. Die Frage ist: Will man aktiv Arbeitsmarktpolitik gestalten, will man im Bund eine Rolle spielen, will man sich an die Spitze der Bewegung setzen, oder empfindet man das als Klage? Wenn ich Herrn Neve richtig verstanden habe, dann haben Sie hier geklagt, was alles aufgrund der Schuldenbremse nicht geht. Wir können in bestimmten politischen Fragen nicht immer mit einem solchen geduckten politischen Bewusstsein durch die Welt laufen. Wir müssen auch einmal erkennen, wo tatsächlich eine Chance entsteht.
Der LASI bearbeitet und koordiniert eben grundlegende Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes in der Arbeitswelt.